Protokoll der Sitzung vom 09.06.2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linkspartei.PDS, in Abwandlung eines bekannten Liedes könnte ich meine Rede mit den Worten beginnen: Alle Legislaturperioden wieder oder alle Landtagssitzungen wieder versuchen Sie, mit Anträgen wie dem vorliegenden den Eindruck zu vermitteln, als seien Sie allein diejenigen, die sich der Interessen der bedürftigen und benachteiligten Menschen in unserem Land annehmen.

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Dr. Eckert, Links- partei.PDS: Das ist so! - Weiterer Zuruf von der Linkspartei.PDS: Das ist so!)

Die Resonanz in den Medien bezüglich Ihres Antrages zeigt, dass Sie wieder einmal zielsicher ein Thema aufgegriffen haben, das die Menschen in unserem Land bewegt. Dass Sie dies tun, ist selbstverständlich Ihr gutes Recht. Das will ich auch gar nicht kritisieren.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Ach so!)

Ich wünsche mir allerdings, dass Sie sich im Vorfeld derartiger Anträge der Mühe unterziehen, sich bezüglich

des aktuellen Standes bei der Anpassung der Regelsätze nach dem SGB XII zu informieren.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Der Redebeitrag der Ministerin Frau Dr. Kuppe, Frau Bull, hat gezeigt, dass sich die Landesregierung seit Längerem dieses Themas angenommen hat und dies bereits auch in der letzten Legislaturperiode getan hat. Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass sie davon ausgeht, dass wir zum 1. Januar 2007 bundeseinheitliche Regelsätze in der Sozialhilfe haben werden.

Kurzum: Ich will damit sagen, eine Anfrage bei Ministerin Frau Dr. Kuppe hätte genügt, und Sie hätten alle Informationen gehabt, um diesen meines Erachtens überflüssigen Antrag nicht einbringen zu müssen.

Herr Kurze, es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Frau Bull.

Am Ende gern, Herr Präsident.

Aber dann hätte Ihnen natürlich die Publicity, die Sie dabei gern haben, gefehlt.

Mir ist natürlich die Zielstellung Ihres Antrages klar. Wie auch in der letzten Wahlperiode versuchen Sie, uns wieder einmal als „Partei der sozialen Kälte“ darzustellen.

(Frau Penndorf, Linkspartei.PDS: Das stimmt auch!)

Mir ist natürlich klar, dass Sie das immer wieder versuchen werden. Aber ich verspreche Ihnen: Das wird Ihnen auch in dieser Wahlperiode nicht gelingen. Wir sind uns unserer sozialpolitischen Verantwortung als Union sehr wohl bewusst.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir abschließend noch eine Anmerkung, um mögliche Missverständnisse auszuschließen. Die CDU unterstützt ebenso wie die Landesregierung das Vorhaben der Bundesregierung, zum 1. Januar 2007 die bundesrechtlichen Voraussetzungen für das Festsetzen eines bundeseinheitlichen Sozialhilferegelsatzes in Höhe von 345 € zu schaffen.

Auch wenn meine ersten Ausführungen erwarten ließen, dass wir den Antrag der Linkspartei ablehnen, werden wir das nicht tun; denn die Thematik ist uns natürlich auch unwahrscheinlich wichtig.

(Zuruf von Herrn Höhn, Linkspartei.PDS)

Weil wir sie mit der heutigen Beratung nicht als abgeschlossen betrachten können, werden wir einer Überweisung in den Ausschuss zustimmen. In Anbetracht des bevorstehenden Gesetzgebungsverfahrens halten wir es für wichtig, die weitere Entwicklung dieses Prozesses im Ausschuss für Soziales zu begleiten. Die im Änderungsantrag der FDP-Fraktion aufgeworfenen Gesichtspunkte scheinen mir dabei sehr hilfreich zu sein.

Daher beantrage ich für die CDU-Fraktion die Überweisung dieses Antrages sowie des Änderungsantrages der FDP-Fraktion in den Ausschuss für Soziales. Sollte seitens der Ausschüsse für Inneres und für Finanzen Interesse an einer Mitberatung bestehen, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Aber die Federführung sollte

der Ausschuss für Soziales übernehmen. - Herzlichen Dank.

Herr Kurze, es gibt drei Nachfragen von Frau Bull, Herrn Dr. Eckert und Frau Penndorf. - Ich bitte darum, sich kurz zu fassen.

Das ist eine Kurzintervention, weil ich finde, Herr Kurze, das darf man Ihnen nicht durchgehen lassen. Hätten Sie man doch Ihre Rede zu Protokoll gegeben.

Ich will Ihnen erstens Folgendes sagen: Wenn Sie richtig zugehört hätten, dann hätten Sie sehr wohl begriffen, dass ein Beschluss der Landesregierung nötig ist, und nichts anderes möchte unser Antrag. Es hätte Ihnen freigestanden, ebenfalls einen Antrag zu stellen. Das ist gar keine Frage.

Zum Zweiten will ich Ihnen einmal sagen: Ihr Zynismus ist angesichts der Tatsache, dass 26,7 % der Kinder und Jugendlichen von diesem Satz betroffen sind, schlichtweg fehl am Platz.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Bull, ich könnte das jetzt kommentieren; aber ich muss es nicht. Deshalb werde ich das auch nicht tun. Jeder hat seine Meinung, und ich möchte meine nicht in Ihre Richtung kundtun. Aber mit Zynismus hat dies nichts zu tun.

Herr Dr. Eckert, Sie haben das Wort.

Herr Kurze, Sie sagten, dass Sie die sozialpolitische Verantwortung wahrnehmen. Zum Regelsatz: Frau Bull hat versucht darzustellen, dass bei der Festlegung der Höhe des Regelsatzes eine gewisse Willkür herrschte. Die Höhe stand mit 345 € fest. Dann kam das Gesundheitsmodernisierungsgesetz. Danach betrug dies Höhe des Regelsatzes trotzdem weiterhin 345 €.

Meine Frage lautet: Erstens. Ist Ihnen bekannt, dass sich daraus auch der Regelsatz für die Kinder ableitet? Zweitens. Ist Ihnen bekannt, dass im Regelsatz der Kinder Tabak eine Rolle spielt, und zwar in Höhe von knapp 5 €, Windeln dagegen keine Rolle spielen? Wie würden Sie das bewerten?

(Herr Scharf, CDU: Oh!)

Herr Dr. Eckert, mir sind die genannten Dinge bekannt. Mir gefallen manche Dinge an dieser Gesetzgebung auch nicht. Deshalb habe ich gesagt, ich würde gern eine Grundsatzdebatte mit Ihnen darüber führen.

Der Vergleich zwischen den Windeln und dem Tabak - es ist wirklich die Frage, ob das noch mit Kinderfreundlichkeit und Gesundheitsfürsorge zu tun hat. Darin gebe ich Ihnen Recht. Es ist ja auch so, dass wir als Union von Anfang an für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe plädiert haben. Aber wenn wir

uns jetzt die Umsetzung anschauen und diese Lücken, die dabei noch vorherrschen, dann wissen wir, dass es am Ende Probleme gibt bei der Umsetzung.

Wenn man an diesen Problemen herumdoktert, kann es besser werden, es kann aber auch schlechter werden. Es kann zu mehr Bürokratie führen, es kann aber auch zu weniger führen. Es bestehen viele Risiken.

Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn man ein neues System schaffen und das alte von heute auf morgen abschaffen würde, aber natürlich mit der Intention, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Das müsste doch einfacher gehen, als es zurzeit praktiziert wird. Darauf hat die Union immer hingewiesen. Wir haben am Anfang mit zugestimmt, aber was die Umsetzung angeht, waren wir für einen anderen Weg. Wir sehen ja jetzt, welcher Weg nicht funktioniert. Darin gebe ich Ihnen Recht.

Vielen Dank für die Beantwortung. - Frau Abgeordnete Penndorf, Sie haben das Wort.

Herr Kurze, ich finde Ihren Zynismus angesichts der Lage ziemlich unangebracht.

(Widerspruch und Unruhe bei der CDU)

- Lassen Sie mich bitte ausreden! Ich war bis zum 31. März dieses Jahres Hartz-IV-Betroffene. Ich weiß, wovon ich rede. Aus diesem Grund weiß ich auch, dass unsere Partei wirklich die einzige ist, die für soziale Gerechtigkeit kämpft.

(Oh! bei der CDU und bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Der Wahlkampf ist vorbei, Frau Kollegin! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe)

- Das hat mit Wahlkampf nichts zu tun. Sie wissen nicht, wie es ist, wenn man als Frau keinen Pfennig bekommt.

(Anhaltende Unruhe - Zurufe von der CDU)

Ich bitte um ein bisschen Ruhe.

Ich weiß es, weil mir das so gegangen ist. Ich habe gesagt, dass ich bis zum 31. März dieses Jahres selbst Hartz-IV-Betroffene war.

(Unruhe bei der CDU)

Das war eine persönliche Äußerung der Abgeordneten Frau Penndorf. Möchten Sie darauf antworten, Herr Kurze?

Ja. - Wenn einer in der CDU-Landtagsfraktion weiß, wie es ist, von Sozialhilfe zu leben, dann bin ich das; denn, meine liebe Kollegin, auch ich war nach meinem Studium Sozialhilfeempfänger, ein Dreivierteljahr lang. Ich weiß, was ganz unten ist, ich weiß, was ganz oben ist, und ich weiß auch, was da zwischen liegt. Auch ich kenne die Türen des Arbeitsamtes. Ich habe das auch erlebt, genau wie Sie. Ich kann darüber berichten. Ich

habe es aber überwunden und freue mich darüber. - Danke.

(Beifall bei der CDU)