Darüber hinaus besteht heute die akute Gefahr, dass unter Umständen bei bestimmten Insektiziden gleich die dazugehörige Kulturpflanze von der Stange mitgeliefert wird. Mir ist unverständlich, dass es unter diesem Blickwinkel der Globalisierung immer noch Menschen gibt, die unsere hohen Standards im Umwelt- und Naturschutzbereich, im Verbraucherschutz und auf anderen Gebieten immer wieder als einen Nachteil für die hiesige Landwirtschaft anprangern, nicht aber auf die Idee kommen, dass die Situation auf den Zuckerrohr-, Baumwoll- und Sojaplantagen und deren Folgewirkungen unbedingt nach Veränderungen schreien.
Frau Ministerin, in diesem Zusammenhang möchte ich auf Ihre Absicht, Cross-Compliance auf den Prüfstand
stellen zu wollen, zu sprechen kommen. Ich sage ja, wenn es um den Abbau von Bürokratie geht, aber nein, wenn es um den Abbau bestimmter Standards gehen soll.
Es sollte uns doch mehr als peinlich sein, uns mit Wettbewerbern messen zu wollen, die ihren wesentlichen Wettbewerbsvorteil aus himmelschreiender Kinderarbeit und maßloser Ausbeutung der Menschen sowie aus der Zerstörung der Natur ziehen. Ich bin mir sicher, dass wir das alle nicht wollen.
Gleichzeitig gibt es aber ein wachsendes Bedürfnis nach einer guten und gesunden Ernährung und nach einer intakten Natur mit einer Artenvielfalt im Pflanzen- und Tierreich. Kurzum, wir wollen die Schönheit der Kulturlandschaft und den sauberen See vor unserer eigenen Haustür genießen.
- Sicherlich. - Wir wissen auch, dass die in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen für die Sicherstellung dieser Aufgaben geradezu prädestiniert sind. Kaum jemand interessiert sich aber wirklich dafür, wie dieser Berufsstand unter dem Dach der Globalisierung über die Runden kommen soll.
Genau das ist aber der Punkt, über den wir tiefgründiger nachzudenken haben. Darum ist der Titel der heutigen Regierungserklärung „Global denken, lokal handeln“ nicht nur, besser gesagt: nicht einmal in erster Linie eine Herausforderung für die Landwirte selbst, sondern vor allem auch für uns alle, die wir von und mit der Landwirtschaft leben wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor etwa zehn Jahren hat der Arbeitskreis „Landwirtschaft und Leben auf dem Lande“ unserer Landtagsfraktion in einem Flyer Folgendes zum Ausdruck gebracht: Rohstoffe und Energieträger sind bisher weitestgehend nur verbraucht worden. In absehbarer Zeit werden wir darauf angewiesen sein, sie gleichermaßen auch zu produzieren. Das ist die größte Chance für das Sonnenkraftwerk Pflanze, für die Landwirtschaft, für die Bauern und für den ländlichen Raum. - Ich gebe zu, ich habe damals, als das niedergeschrieben wurde, nicht daran gedacht, dass wir uns schon nach knapp zehn Jahren in dieser Situation befinden werden.
In diesem Sinne, Frau Ministerin, kann ich Ihnen nur darin zustimmen, dass die Landwirtschaft als ein wichtiger Zweig der Volkswirtschaft wiederentdeckt wird und die Aufmerksamkeit erhält, die sie verdient, und dass es unseren Landwirten gut tut, von der Gesellschaft wieder ernst genommen zu werden. Damit meine ich nicht nur die Preisentwicklung, sondern vor allem auch die gesellschaftliche Anerkennung im Sinne des vorangestellten Zitates.
Auf die Umsetzung der EU-Agrarreform und ihre weitere Ausgestaltung müssen wir darum weiterhin so Einfluss nehmen, dass die modernen Agrarstrukturen in unserem Land nicht aufs Spiel gesetzt werden und wir auch für die Zukunft die Multifunktionalität der Landwirtschaft garantieren können. In diesem Sinne geht es ganz aktuell darum, dass wir die neuerlichen Überlegungen der EU strikt zurückweisen - Frau Ministerin ging darauf bereits ein -, die unsere Möglichkeiten zum lokalen Handeln letztlich drastisch beschneiden würden.
Auch wenn die EU-Agrarkommissarin Frau Fischer Boel abwehrend die Hände hebt: Der für den 20. November 2007 angekündigte Kommissionsvorschlag ist öffentlich geworden. Von 5 %, wie bereits zu hören war, soll die Modulation bis zum Jahr 2013 auf 13 % der Direktzahlungen angehoben werden. Neben diesem massiven Generalangriff auf die erste Säule der Agrarpolitik gibt es in diesem Papier Vorschläge, die einem Schlag ins Gesicht gerade für die ostdeutschen Bauern gleichkommen.
Ich möchte das, was die Frau Ministerin schon angerissen hat, noch einmal erhärten. In diesem Vorschlag wird angeregt, allen Agrarbetrieben, die bisher zwischen 100 000 und 200 000 € Direktzahlungen erhielten, 10 % der Direktzahlungen zu streichen. Bei denen, die über 200 000 € erhielten, sollen 25 % gestrichen werden und bei denen, die bisher über 300 000 € erhielten, sollen 45 % gestrichen werden. Wenn dieser Vorschlag durchkommt, dann würden die Bauern 2,3 Milliarden € weniger erhalten.
Die ostdeutschen Bauern würden davon den Mammutanteil tragen müssen. Das sind rund 12 % der deutschen Direktzahlungen. Anders ausgedrückt: Die landwirtschaftlichen Unternehmen der neuen Bundesländer müssten etwa die Hälfte der gesamten Kürzungen der EU schlucken.
Frau Ministerin, bleiben Sie diesbezüglich am Ball. Auch wenn Sie auf der Herbsttagung der Agrarminister im Saarland wie alle anderen Agrarminister dieses Ansinnen generell abgelehnt haben, ist die Gefahr damit noch nicht gebannt. Eine Ablehnung allein reicht erfahrungsgemäß nicht aus. Ersparen Sie der EU-Kommissarin nicht die Frage nach der Verlässlichkeit ihrer Politik. Der Gesundheitscheck im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik darf nicht dazu führen, dass erneut alles auf den Kopf gestellt wird. Ich gebe Ihnen darin Recht, Frau Ministerin, dass dieser Check seinen Namen nur dann verdient hat, wenn er bestenfalls Fehler heilt und nach vorn und nicht nach hinten orientiert.
Jawohl, die Flächenstilllegungen sind längst nicht mehr zeitgemäß, sofern sie dies überhaupt jemals waren. Das betrifft auch die Milchquote. Aber anstatt Szenarien zum Ausstieg aus der Milchquote vorzustellen, auf die sich die Milchbauern langfristig einstellen können, plant die EU die Ausweitung dieser Quote. Auch die Landwirte haben das Recht auf Vertrauensschutz und Planungssicherheit.
Meine Damen und Herren! Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik hat man sich auch auf Bundes- und Landesebene stärker der Entwicklung der ländlichen Räume zugewandt. Lebenswerte ländliche Räume zu schaffen und zu entwickeln, ist ohne Zweifel ein übereinstimmendes Ziel aller Fraktionen des Landtages. Dazu wurde eine Allianz für ländliche Räume ins Leben gerufen. Diese ist aber auch mit Leben zu erfüllen, damit sie in einer Zeit, in der vor allem nur von Metropolregionen gesprochen wird, ihrer Aufgabe gerecht werden kann.
Zur Sicherung der Grundversorgung bzw. der Daseinsvorsorge im flachen Land sollten das Vorhalten und die Sicherung von Bildungs-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen, von Kindergärten und auch von Schulen mit klaren Prämissen stärker im Landesplanungsgesetz festgeschrieben werden. Die Grundversorgung darf nicht
länger nur eine haushaltspolitische Ermessensfrage der jeweiligen kommunalpolitischen Ebene sein. Vielmehr sollte sie durch klare Normen und eine finanzielle Absicherung garantiert werden.
Frau Ministerin, Sie haben auch die Auswirkungen des Privatisierungskonzeptes der BVVG angesprochen und wie folgt beschrieben: Der drohende Flächenverlust zwingt zum Flächenkauf, Liquiditätsprobleme entstehen, notwendige Investitionen bleiben auf der Strecke und die Flexibilität der Betriebe wird deutlich eingeschränkt.
Das alles sind aber - das muss ich hier wie auch vor Kurzem beim Boden-Forum des Deutschen Bauernbundes sagen - hausgemachte Probleme. Sie haben es doch in Berlin in der Hand, das Gesetz zu ändern, wie es dort in der Landesvertretung anlässlich dieses Forums auch gefordert wurde und wie es von den Kollegen Ihrer Bundestagsfraktion sowie von den Kollegen der SPD-Fraktion angeregt wurde.
- Es geht um den Bundestag. Herr Tullner, ich hatte nicht geahnt, dass Sie eventuell denken, dass das Berliner Abgeordnetenhaus die Gesetzesgrundlage für diese Fragen schafft.
- ja, das kann ich mir vorstellen - dafür ausgesprochen, dass die Verwertung der Flächen erstmalig in der deutschen Agrarbodenpolitik nicht nach dem Höchstgebot, sondern auf der Grundlage des bestehenden Grundstücksverkehrsgesetzes erfolgen sollte. Schon wären wir alle sorgenfrei. - Herr Daldrup schmunzelt. Ich weiß, warum: weil das von seinen Kollegen selbst dort angesprochen wurde.
Damit hätte sich auch - Herr Tullner, Sie sind Mitglied des Finanzausschusses - der Kostenfaktor BVVG erledigt.
Abschließend sei mir noch eine Bemerkung gestattet. Zu Beginn Ihrer Rede, Frau Ministerin, fielen in Bezug auf die Landwirtschaft Begriffe wie „Renaissance“, „anerkannter Stellenwert“ und „Schlüsselbranche des 21. Jahrhunderts“. Sie sagten auch, dass dieser Volkswirtschaftszweig endlich wieder die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient.
Dazu sei bemerkt, dass ein solcher aufstrebender Volkswirtschaftszweig gerade angesichts des Klimawandels und der wachsenden Bedeutung von Bioenergie auch die wissenschaftliche Begleitung erhalten muss, die er verdient. Darum meine ich, dass es die Landwirtschaft gerade unter den Bedingungen der Globalisierung nötig hat, von einem wissenschaftlichen Cluster und insbesondere auch von einer landwirtschaftlichen Vollfakultät begleitet zu werden, um die bevorstehenden Probleme richtig in den Griff zu bekommen.
Ich möchte dies noch einmal hervorheben, weil Sie, Frau Ministerin, in Ihrer Erklärung auf die Rolle der Agrarwissenschaft im Land nicht eingegangen sind. Ich meine, der Bildungsausschuss und der Landwirtschaftsaus
schuss sind daher gut beraten, diese Frage noch einmal aufzugreifen und auf die Tagesordnung zu setzen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank dem Abgeordneten Herrn Krause. - Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Herrn Barth von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Barth.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles von dem, was die Ministerin gesagt hat, könnten wir Sozialdemokraten bedenkenlos unterschreiben. Ihre Regierungserklärung - dafür mein Kompliment, Frau Ministerin - beinhaltet eine weitgehend umfassende und realistische Darstellung der Situation auf dem Agrarsektor.
Das einzige Thema, das mir etwas zu kurz gekommen ist - Herr Krause sprach es eben an -, das jedoch gravierend an Bedeutung gewinnen wird, ist der Berufsnachwuchs und damit verbunden die Aus- und Weiterbildung. Ich werde später darauf zurückkommen.
Weiterhin möchte ich ausdrücklich voranstellen, dass wir uns mit aller Vehemenz gegen die Einführung einer degressiven Kürzung der Direktzahlungen auf der Grundlage der derzeitigen Zahlungshöhe wehren müssen. Eine solche Kürzung wäre eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung und ein nicht hinnehmbarer Eingriff in genossenschaftliche Eigentumsformen.
Die Landwirtschaft hat - Sie haben es eben angesprochen - eine herausragende Bedeutung für die Kulturlandschaft insbesondere im ländlichen Raum. Es muss uns gelingen, die Transferleistungen der Gesellschaft darauf zu orientieren und sie gegenüber dem Steuerzahler öffentlich wirksam und offensiv zu vertreten.
Frau Ministerin, Sie haben die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ angesprochen. Ich gebe Ihnen absolut Recht darin, dass in diesem Bereich Anpassungsbedarf besteht und dass nicht mehr allein der agrarstrukturelle Bezug ausschlaggebend sein darf. Vielmehr muss die Aufgabe der Daseinsvorsorge für den ländlichen Raum einbezogen werden.
Wir sollten angesichts der angespannten Haushaltssituation in den neuen Ländern zumindest eine Absenkung des Kofinanzierungsanteils für die Ziel-1-Gebiete bei der Gemeinschaftsaufgabe ins Gespräch bringen; denn was nützen uns Förderprogramme, wenn wir den erforderlichen Landesanteil nicht aufbringen können? Hierbei geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge. Für diese trägt nicht nur das Land, sondern auch der Bund die Verantwortung.
Bezüglich des Bodenschutzes möchte ich anmerken, dass insbesondere der Entzug landwirtschaftlicher Flächen gestoppt werden muss. Wir brauchen ein intelligentes Bodenmanagement. Es muss uns gelingen, Investoren auf Industriebrachen zu locken.
Bezüglich der Besteuerung von Biodiesel stimmen wir inhaltlich dahin gehend überein, dass der Stufenplan die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen nicht gefährden darf. Mir ist bekannt, dass auf der Bundesebene zu dieser
Thematik ein Gutachten erstellt wird und dass auf der Grundlage dieses Gutachtens noch in diesem Jahr über die Besteuerung von Biodiesel ab dem Jahr 2008 entschieden werden soll. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung noch in diesem Jahr im Agrarausschuss über die Ergebnisse berichten wird. - So viel als erste Erwiderung auf die Regierungserklärung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 1992 hat mit den MacSharry-Reformen in der EU-Agrarpolitik ein gravierender Orientierungswechsel eingesetzt, der durch die während des Berliner EU-Gipfels beschlossenen Reformen im Jahr 1999 weiter forciert wurde. Er beinhaltet die Umorientierung von der Agrarproduktion zur ländlichen Entwicklung, das heißt zu einer Reihe von Aktivitäten, die nicht direkt mit der Landwirtschaft zusammenhängen.
Es geht europaweit darum, die Landflucht durch eine Verbesserung der Lebensqualität, des Umweltschutzes und der Erwerbsmöglichkeiten außerhalb des Agrarsektors zu bremsen. Dieser Kurswechsel entspricht in erster Linie den Interessen der alten Mitgliedsländer der EU. Dabei steht kaum außer Frage, dass die Definition und die Neubestimmung der Rolle der Landwirtschaft eine grundlegende gesellschaftspolitische Entscheidung ist, die die Zukunft Europas maßgeblich prägen wird.
Die Globalisierung ist kein vollkommen neues Phänomen. So kam Kurt Tucholsky zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu der Erkenntnis: Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten.
Die Globalisierung eröffnet landwirtschaftlichen Unternehmen neue Chancen, da das Nachfragepotenzial erheblich steigt. Wenn die Chinesen oder die Inder Weißbrot für sich entdecken, dann bleibt das nicht ohne Folgen für die weltweiten Agrarmärkte. Das Gleiche gilt natürlich auch für Milchprodukte und Fleisch.