Protokoll der Sitzung vom 14.12.2007

Herr Präsident, ich schwöre, so wahr mir Gott helfe.

Ich darf nach vorn bitten Frau Tatjana Stoll.

Frau Stoll:

Herr Präsident, ich schwöre.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich zur Abnahme des Eides von den Plätzen erhoben. Ich bitte wieder Platz zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Damit sind die Mitglieder des Landesverfassungsgerichts und ihre Vertreter vereidigt worden. Erlauben Sie mir, Ihnen von dieser Stelle aus im Namen des Hohen Hauses und auch persönlich ganz herzliche Glückwünsche auszusprechen. Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg und immer gute Entscheidungen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für eine erste Zusammenkunft steht Ihnen der Raum B1 09 im Landtagsgebäude zur Verfügung. Wer gratulieren möchte, kann dies gerne tun. Ich würde zu diesem Zweck die Sitzung für einen Moment unterbrechen.

Unterbrechung: 9.12 Uhr.

Wiederbeginn: 9.14 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde die Sitzung gern fortsetzen. Ich wollte die feierliche Stimmung nicht in ein anderes Licht rücken. Ich komme noch einmal zur Tagesordnung. Meine Damen und Herren! Wir haben gestern zwei Tagesordnungspunkte nicht geschafft. Wir führen nach der Vereidigung die Aktuelle Debatte. Dann würden wir die Tagesordnungspunkte 7, 10, 19, 12 und 16 vor der Mittagspause behandeln. Sie haben die Unterlagen dazu vorliegen. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. - Kein Widerspruch.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24:

Aktuelle Debatte

Konzertiertes Handeln gegen Energiepreiswucher

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 5/1017

In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Die Reihenfolge lautet wie folgt: CDU, dann wollte Herr Wirtschaftsminister Haseloff das Wort nehmen, dann FDP, SPD und DIE LINKE.

Ich darf den Abgeordneten der CDU-Fraktion Herrn Gürth darum bitten, das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Ich hoffe auf genügend Energie nach dem gestrigen Abend. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat eine Aktuelle Debatte zu dem Thema beantragt, weil einerseits die Entwicklung der Mineralöl- und Energiepreise Anlass zu äußerster Besorgnis gibt und andererseits gerade jetzt im Dezember eine Reihe von wichtigen Entscheidungen vorbereitet und auch getroffen werden, die genau hierauf Einfluss nehmen.

Internationale Klimaschutzabkommen werden vorbereitet. Die Maßnahmen dazu werden jetzt besprochen und festgelegt. Bundestag und Bundesregierung entscheiden jetzt im Dezember zum Beispiel über die Biodieselbesteuerung, wovon wir in Sachsen-Anhalt besonders betroffen sind. Gleichzeitig wurde ein integriertes Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung auf 98 Seiten erstmals auch mit konkreten Maßnahmen vorgestellt.

All dies wird unmittelbare Auswirkungen auf die Energiepreise haben und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitsplätze, aber auch auf die Belastung der privaten und öffentlichen Haushalte im Land. Die derzeitige Energiepreisentwicklung beschäftigt eine ganze Nation und wir haben allen Grund, uns als Landesgesetzgeber des Themas anzunehmen sowie Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um aus dem Würgegriff von Kartellen und Spekulanten freizukommen, die in einem aus den Fugen geratenen Markt die Energiepreise von Rekordhöhe zu Rekordhöhe peitschen. Der Benzinpreis, so ein geflügeltes Wort, ist in einer modernen Industrienation, die ihren Wohlstand auch auf Mobilität baut, so etwas wie der Brotpreis der Wirtschaft.

Ich möchte ein paar wenige Zahlen nennen, um das Ausmaß zu verdeutlichen, das die derzeit erreichten Preise und die derzeit festzustellende Entwicklung ausmachen. 42,5 Milliarden $. Das ist eine beeindruckende Summe. Dieser Betrag übersteigt deutlich das Bruttoinlandsprodukt des Staates Nepal, das auf ca. 39 Milliarden $ geschätzt wird. Die Summe entspricht sogar dem Dreifachen des Bruttoinlandsproduktes von Albanien, der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes von Neuseeland und beträgt immer noch ein Fünftel des BIP Österreichs. Ein Blick nach Afrika verdeutlicht weiter die Höhe dieses Betrages. So übersteigen 42,5 Milliarden $ die zusammengenommenen Bruttoinlandsprodukte von Uganda, Lesotho, Somalia, Liberia, Sambia, Burundi, Eritrea und Gambia, da diese zusammen nur 41,5 Milliarden $ betragen.

Bei den genannten 42,5 Milliarden $ handelt es sich aber nicht um das Bruttoinlandsprodukt eines bisher ungenannten Landes, sondern um die zusammengezogenen Gewinne nur zweier Unternehmen im Jahr 2004. Das sind die Nettogewinne der Mineralölgesellschaft Shell in

Höhe von 17,5 Milliarden $ und der Mineralölgesellschaft ExxonMobil in Höhe von 25 Milliarden $ im Jahr 2004. Noch einmal: Ich rede hierbei nicht von Umsätzen, sondern von Gewinnen, und zwar netto nach Abzug aller Kosten und aller Steuern.

Als ExxonMobil, in Deutschland mit der Marke Esso vertreten, den Gewinn mit 25 Milliarden $ veröffentlichte, stellte man an der Börse in New York fest, dass noch nie zuvor ein Unternehmen einen höheren Gewinn verbucht hat. Im ersten Quartal dieses Jahres machte ExxonMobil 103 Millionen $ Gewinn pro Tag.

Im Mineralölgeschäft kann man alle Marktteilnehmer in zwei Gruppen einteilen: Die privaten börsennotierten Konzerne und die staatlich kontrollierten Erdölfördergesellschaften. Während in den USA und in Großbritannien die Mineralölunternehmen traditionell schon immer private börsennotierte Konzerne waren, waren diese in Kontinentaleuropa bis in die 80er- und 90er-Jahre meist unter staatlicher Kontrolle und wurden erst in den letzten zehn bis 20 Jahren größtenteils privatisiert.

In praktisch sämtlichen Erdöl exportierenden Ländern hingegen stehen die Erdölfördergesellschaften unter staatlicher Kontrolle. Die so genannten westlichen Multis, wie Exxon, Royal Dutch Shell, BP, Total und Conoco haben jedoch lediglich einen Anteil von 15 % an der weltweiten Ölförderung. Den größten Anteil an der weltweiten Ölförderung haben die staatlich kontrollierten Unternehmen der Erdöl exportierenden Länder, die sich in der OPEC zusammengeschlossen haben.

In Deutschland ist die Deutsche BP Marktführer; zu ihr gehören Aral und Castrol. Allein im Jahr 2005 ist der Gewinn der Deutschen BP von 327 Millionen € auf 787 Millionen € gestiegen. Quelle für diese Angabe ist der Vorstandschef.

Interessant ist aber auch ein Blick auf die Bereiche, in denen die Gewinne erwirtschaftet werden; denn wir hören immer wieder, dass die Gewinne nicht mit den in Deutschland verkauften Treibstoffen erwirtschaftet werden. Richtig ist jedoch, trotz in einigen Quartalen zu verzeichnender Rückgänge konnte der Gewinn im so genannten Downstream-Geschäft, zu dem die Weiterverarbeitung von Rohöl in Raffinerien sowie der Vertrieb an den Tankstellen gehören, um 37 % auf 3,4 Milliarden $ gesteigert werden. Auch die Royal Dutch profitiert in erster Linie von den hohen Margen im Raffineriegeschäft und steigerte den Gewinn um fast ein Fünftel von 7,3 Milliarden $ auf 8,7 Milliarden $.

Ein Vorwurf ist die hohe Steuerlast. Aber wenn im Dezember 2007 der Dieselpreis erstmals auf die Höhe der Benzinpreise stieg, dann muss man wissen, dass die Bruttosteuerlast beim Diesel ca. 20 Cent geringer ist als beim Benzin. Das heißt also, diese Differenz ist zusätzlicher Gewinn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zahlen müssten uns nicht so sehr berühren, zumindest uns nicht in der CDU. Dass ein Unternehmen Gewinne macht, ist normal, gewünscht und erstrebenswert. Uns bereitet jedoch die Tatsache große Sorge, dass wir es mit Kartellen zu tun haben, die zusammen mit einem größer werdenden Volumen der Spekulation mittlerweile ganze Industrienationen geißeln. Sie drohen mittlerweile, diese Entwicklung fortzusetzen. Alle fühlen sich ohnmächtig bei dieser Entwicklung.

Die Frage ist, was wird aus der Wettbewerbsfähigkeit; denn wir haben gleichzeitig ehrgeizige Ziele in Bezug auf den Klimaschutz. Dadurch haben wir neue Fragen auf der Tagesordnung, die unmittelbar damit zusammenhängen.

Die Energiepreisfrage ist mittlerweile auch eine soziale Frage. Sachsen-Anhalt hat eine Auspendlerquote von 15,9 %. Das bedeutet, dass mehr als 127 000 Menschen an jedem Tag aus Sachsen-Anhalt hinausfahren, um außerhalb den Lebensunterhalt zu verdienen. Für eine Familie bedeutet das letztlich, dass bei weiter steigenden Preisen automatisch die Überlegung kommt, ob es sich noch lohnt, so lange auf der Autobahn im Stau zu stehen und ein Viertel des Monatseinkommens an der Tankstelle zu lassen.

Die öffentlichen Haushalte werden belastet, weil wir nach dem SGB II für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaften, die Hartz-IV-Leistungen empfangen, die Kosten der Unterkunft zahlen müssen, wir, die Gemeinschaft der Steuerzahler. Im nächsten Jahr ist nach dem Berechnungsmodell für die elf Landkreise und drei kreisfreien Städte ohnehin schon ein Delta von 16 Millionen € festzustellen. Wenn wir uns die Kostenentwicklung auf dem Wohnungsmarkt genau anschauen, dann können wir feststellen, dass die Kaltmieten seit dem Jahr 1995 um ca. 15 % Prozent gestiegen sind. Die Energiekosten sind in diesem Zeitraum bis Stand Anfang 2007 jedoch um 75 % gestiegen.

Ich sage dies, weil wir alle den Klimaschutz ernst nehmen und auch ernst nehmen müssen, aber gleichzeitig feststellen, dass sowohl auf Landes- als auch auf Bundes- und internationaler Ebene - die Europäische Union unterschreibt auch Abkommen - eine Reihe von Maßnahmen beschlossen worden sind oder noch auf den Weg gebracht werden sollen, die in sich nicht zusammenpassen.

Ich will ein letztes Beispiel nennen, das die unmittelbare Betroffenheit durch politisches Handeln verdeutlicht. Es geht um Biodiesel. Eine Reihe von Unternehmen - wir haben sehr viele Logistikstandorte, ich erinnere an DHL und andere Ansiedlungen - hat auf Sachsen-Anhalt als Logistikdrehscheibe gebaut. Viele Unternehmen haben ihre Fahrzeugflotten auf Biodiesel umgestellt. Das war gewollt. Biodiesel mindert jedoch auch die Leistung und verursacht kürzere Wartungsintervalle. Das lohnt sich nur, wenn sich das Ganze durch die versprochene Steuerdegression und die Marktpreise amortisieren lässt.

Bei den derzeitigen Dieselpreisen geraten all diese Kalkulationen aus dem Ruder. Wenn die Erhöhung der Dieselsteuer kommt, wie es momentan in der Diskussion ist, bedeutet das für so manches Unternehmen vielleicht sogar das Aus. Auch deswegen appelliere ich an dieser Stelle an alle Verantwortlichen auf Bundesebene, diese Maßnahme noch einmal zu durchdenken.

Abschließend möchte ich noch Folgendes feststellen. Wenn wir es nicht schaffen, ideologiefrei, unaufgeregt und fachlich hoch qualifiziert in diesem Land eine Energiedebatte zu führen, alle gemeinsam, unter Einbeziehung der Bevölkerung, der Fachverbände und aller Interessengruppen, dann werden wir schon in wenigen Jahren vor einem noch größeren Problem stehen.

Wir wissen, dass wir nicht unabhängig von den Importen der Primärenergieträger sind. Wir verteuern aber durch

das Benchmarking beim CO2-Zertifikate-Handel den einzigen subventionsfreien Primärenergieträger Braunkohle. Wenn wir die Braunkohle verteuern, wenn wir Bürgerbewegungen gegen den Aufschluss von Tagebauen haben - was ich verstehen kann -, wenn wir Bürgerbewegungen gegen neue Windparks haben, wenn wir gleichzeitig die Implementierung neuer regenerativer Energien verteuern, dann passt das alles irgendwie nicht zusammen. Wenn wir dann gleichzeitig noch aus der Kernenergie aussteigen, dann frage ich mich, wie wir in diesem Lande bezahlbare, wettbewerbsfähige Energiepreise und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten wollen.

(Beifall bei der CDU)

Weil dies so ist, sind wir alle aufgefordert, an Konzepten und Strategien zu arbeiten. Das fängt an bei einem wirksameren Kartellrecht, welches die Marktmacht der Oligopole aufbricht und endlich wieder für einen fairen Wettbewerb sorgt. Aber es endet da noch lange nicht. Wir werden im nächsten Jahr, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor einer Reihe von Entscheidungen stehen, die wir letztlich auch in den Wahlkreisen werden verantworten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, möglichst sachlich auf das Problem hinzuweisen, weil es ein soziales und ein ökonomisches Problem ersten Ranges ist und wir auch den Menschen im Lande signalisieren müssen, dass wir uns um ein zugegebenermaßen schwieriges Problem kümmern, nicht nur reden, sondern konkrete Maßnahmen entwickeln. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank Herrn Gürth für die Einführung. - Jetzt erteile ich Herrn Minister Dr. Haseloff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung hat Verständnis für die Sorgen der Bürger und der Gewerbetreibenden. Die Landesregierung ist sich der sozialen Lage und der Situation bei dem Kaufkraftniveau weiter Bevölkerungskreise bewusst, hat aber nur - das muss ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - bedingt Einflussmöglichkeiten auf diesen Gesamtvorgang.

Auf der Ebene des Landes Sachsen-Anhalt gibt es derzeit keine direkten Eingriffsmöglichkeiten der Landeskartellbehörde, weil der Preiswettbewerb zwischen den Tankstellen sehr hoch ist. In der vergangenen Woche gab es zum Beispiel Preisabstände zwischen vier und sechs Cent pro Liter beim Superbenzin in unterschiedlichen Stadtteilen von Magdeburg über einen Tag hinweg. An manchen Tagen gab es mehrfache Preisänderungen an den Tankstellen. Das wird nach dem Kartellrecht ausdrücklich als funktionsfähiger Wettbewerb innerhalb bestimmter Korridore bewertet.

Nach den Erkenntnissen der Landeskartellbehörde, die den Kraftstoffmarkt und den Wettbewerb an den Tankstellen schon seit Längerem beobachtet und versucht, ihn in Vergleichen zu bewerten, ist mehr oder weniger auch festgestellt worden, dass derzeit bundesweit im

Kraftstoffmarkt Wettbewerb existiert, sodass zurzeit keine Eingriffsmöglichkeiten durch das Bundeskartellamt gegeben sind.

Die Preisbildung bei Kraftstoffen hängt mit der Entwicklung der Rohölpreise und der Entwicklung der Preise am Rotterdamer Spotmarkt für Fertigprodukte zusammen. Die Preisnotierungen für Diesel waren in Rotterdam im Novemberdurchschnitt höher als die von Benzin. Die Notierungen für Dieselkraftstoff lagen durchschnittlich bei 51,6 Cent pro Liter und die für Eurosuper bei 42,3 Cent pro Liter. Diese deutlich höheren Preise für Diesel ebnen an der Zapfsäule den steuerlich bedingten Unterschied zwischen Diesel und Benzin ein.

Eine Spekulation an Rohölmärkten lässt sich weder national noch auf EU-Ebene verhindern, weil wir bei einem internationalen, weltweit vernetzten Handel keinen Einfluss haben zum Beispiel auf die Preisbildung an der New Yorker Mercantile Exchange, der größten Terminbörse Nordamerikas für Energie.

Preissetzungsspielräume von Rohölexportländern können weder mit nationalem noch mit EU-Recht begrenzt werden. Wirtschaftliche Sanktionen gegen Ölexportländer oder deren Androhung, zum Beispiel gegenüber dem Iran, können zu weiteren Preissteigerungen bei Rohöl führen.