Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

Vielen Dank, Frau Hunger. Es gibt zwei Nachfragen, eine von Herrn Gürth und eine von der Abgeordneten Frau Brakebusch. Wollen Sie beide beantworten?

Herr Gürth, bitte.

Frau Kollegin, der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und eine ordentliche Entsorgung von Abfällen einschließlich der Kontrolle, dass das ordentlich passiert, sind so wichtig, dass ich mich wirklich ärgere, wenn in diesem Fall Leute mit Populismus und Skandalismus hantieren.

Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, wie viel Tausende Tonnen Müll aus DDR-Zeiten aus Kiesgruben, aus Tagebauen, aus irgendwelchen Ecken und Winkeln entsorgt werden mussten?

(Unruhe bei der LINKEN)

In den Tagebau Nachterstedt wurde zu DDR-Zeiten unsortierter Hausmüll reingekippt. Das waren 230 000 m³, die auf Kosten des bundesdeutschen Steuerzahlers wieder herausgekarrt und ordentlich entsorgt werden mussten.

Ich frage Sie: Haben Sie vor, die Leute, die für diese Art der Müllentsorgung zuständig waren und Mitglied Ihrer Partei sind, aus Ihrer Partei zu entfernen oder zur Rechenschaft zu ziehen?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Gürth, gerade deshalb, weil das nicht wieder passieren soll und weil wir uns die Tatsache, dass so etwas passiert ist, nicht zum Vorbild nehmen wollen, setzen wir uns dafür ein.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Vielen Dank. - Jetzt kommt Frau Brakebusch an die Reihe. Bitte, Frau Brakebusch.

Frau Hunger, ich habe eine Verständnisfrage. Sie sind mit Schuldzuweisungen bezüglich der Verschleppung von irgendwelchen Verantwortlichkeiten bzw. mit der Aussage, dass gar nicht gehandelt wurde, sehr schnell gewesen. In Ihrer Rede haben Sie mitgeteilt, dass zum Beispiel Bürger in Vehlitz seit 1996 darauf hingewiesen haben, dass dort irgendwelche Gase austreten.

Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Wer war zu dieser Zeit verantwortlich und warum ist so viele Jahre lang nicht darauf reagiert worden?

(Beifall bei der CDU)

Es ist an verschiedenen Stellen reagiert worden; es ist aber an allen Stellen - ich will das gar nicht ausnehmen - verschleppt worden.

(Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

Zu der Regelung zur Einlagerung dieser großen Mengen an Müll. Seit 1996 gab es Hinweise darauf, dass dort bestimmte Stoffe eingelagert werden.

(Frau Feußner, CDU: Da waren Sie aber noch Partner der damaligen Regierung! Erinnern Sie sich noch?)

- In dem großen Ausmaß haben wir das seit 2005. Auch das können Sie von den Bürgern hören. Seit 2005 bestätigen die Bürger, dass diese Sortierreste dort in verstärktem Maße eingebracht werden, und seit dieser Zeit wird nicht gehandelt. Seit dieser Zeit liegt die Gefährdung für die Gruben vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. - Wir kommen jetzt zum letzten Debattenbeitrag, dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Stadelmann von der CDU. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Frauke, einen drauf haue ich jetzt nicht. Ich möchte schon versuchen, das Thema sachlich vorzutragen. Deswegen muss ich mit Blick auf die Medienberichte erst einmal sagen: Manchmal ist es wahrscheinlich so, dass man mit dem zweiten Auge nicht besser sieht, sondern dass der Einäugige unter den Blinden der König ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte zunächst zu der Sachlage in ganz Deutschland, dazu, wie die Problematik gesehen wird, etwas sagen. Lassen Sie mich dazu kurz auf das 20. Kasseler Abfallforum zu sprechen kommen, das am 10. April, also erst vor Kurzem und relativ zeitnah, stattgefunden hat und auf dem über den Sachstand der Verordnungen zur Vereinfachung des Deponierechts sowie zur Verfüllung mineralischer Abfälle im Bergbau berichtet und diskutiert wurde.

Die Artikelverordnung zur Verwertung im Bergbau, zum Teil auch Bundesverwertungsverordnung oder Ersatzbaustoffverordnung genannt, soll die Forderung des so genannten Tongrubenurteils II nach einer bundeseinheitlichen Regelung umsetzen. Der vorliegende Referentenentwurf wird sowohl vom Länderausschuss Bergbau als auch vom Industrieverband in zwei Punkten kritisiert. Aufgrund des veränderten Analyseverfahrens wird erwartet, dass sich die Grenzwerte für die Verfüllung als Verwertung über Tage erheblich verschärfen. Daneben ist die Abgrenzung der technischen oder der bodenähnlichen Verwendung nicht ganz klar oder nicht möglich.

Als Ergebnis der Vorträge dort bleibt festzuhalten, dass ca. 250 Millionen t - ich betone: 250 Millionen t - mineralische Abfälle pro Jahr in Deutschland anfallen. Davon werden derzeit ca. 100 Millionen t über Tage verwertet, also in der Art, wie es zum Beispiel in Vehlitz passiert. Als mineralische Abfälle werden unbelasteter Bauschutt, Baggergut, Gleisschotter und Ähnliches bezeichnet.

Eine Abschätzung der Folgen, die aufgrund der Verordnung in der vorliegenden Fassung eintreten würden, ist im Moment kaum möglich. Bei dem Versuch, dennoch

eine Abschätzung durchzuführen, kommen die Fachleute in Kassel zu dem Ergebnis, dass ca. 50 Millionen t an mineralischen Abfällen pro Jahr nicht mehr zur Verfüllung verwendet werden könnten. Deponiekapazitäten für die Beseitigung dieser Abfallmengen gibt es nicht. Zudem könnten die Rohstoffbetriebe ihre Verpflichtung zur Rekultivierung nicht mehr erfüllen. Das betrifft wohlgemerkt erst einmal nur den Bereich der rein mineralischen Abfälle. Das heißt, wir haben hiermit ein Problem.

Wenn man die Zahlen hört und feststellen muss - hierbei bin ich bei Ihnen, Frau Hunger -, dass man diese 50 Millionen t mineralische Abfälle zurzeit für 20 € pro Tonne entsorgen kann, eine Verbrennung aber 100 € pro Tonne kosten würde, dann weiß man genau, woher der Wind weht, wenn man weiß, dass die Abfallverbrennungsanlagen/Müllverbrennungsanlagen an Unterlastung leiden und krampfhaft versuchen, ihre Auslastung zu verbessern. Das ist nicht illegal und nicht verboten, aber man muss es im Hintergrund wissen.

Man muss auch Folgendes wissen: Wenn man sich einmal die Internetseite der Detektei und auch die Referenzen der Detektei anschaut - vor allem muss man sich die Seiten vor dem „Frontal 21“-Bericht und danach anschauen -, dann sieht man, wer hinter dieser Detektei steckt und wer sie losgeschickt hat.

(Herr Gürth, CDU: Könnte das der Konzern E.on gewesen sein?)

- Ich möchte hier heute keine Namen nennen, weil wir uns dabei sicherlich auf vermintem Gelände bewegen.

(Herr Wolpert, FDP: Dann verstehe ich den Hin- weis nicht!)

Es handelt sich um Betreiber, die die Müllverbrennungsanlagen betreiben. Dazu muss ich keinen Namen nennen.

Als Nächstes möchte ich noch einmal in den gesamten Punkt Abfallschlüsselnummern, Z-Werte und Grenzwerte, Bundesbodenschutzverordnung, Bundesbodenschutzgesetz einsteigen. Das ist sicherlich eine schwierige Materie, aber wir kommen bei dieser Gelegenheit nicht daran vorbei, wenigstens einige wenige Punkte zu diesen Dingen inhaltlich zu sagen.

Ich will es für die Laien unter Ihnen einmal ganz einfach sagen: Die Abfallschlüsselnummer regelt, woher das Material kommt, das dort eingebaut wird, wie es vorbehandelt worden ist, also welchen Ursprung es hat. Darin sind keine chemischen Analysenwerte oder sonst irgendetwas enthalten, es ist lediglich eine Beschreibung dessen, wo das Material seinen Ursprung hat.

Es gibt zum Beispiel die Abfallschlüsselnummer 19 12 09. Das sind „Mineralien (zum Beispiel Sand und Steine)“. Die Formulierung „zum Beispiel“ zeigt uns aber, dass es auch Beton sein kann. Also, das ist nicht genau definiert. Bei der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 handelt es sich um „sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen aus der mechanischen Behandlung von Abfällen - mit Ausnahme von 19 12 11)“. Abfälle mit der Schlüsselnummer 19 12 11 sind gefährliche Abfälle; das sind die, die aussortiert werden müssten.

Bei der Genehmigung der Tongrube Vehlitz hat die untere Abfallbehörde des Landkreises schlauerweise - man muss sagen, fachlich sehr gut überlegt - aus dieser Bezeichnung „Materialmischung“ in der 19 12 12 „Mineral

mischung“ gemacht, weil der Betreiber nur mineralische Abfälle zu entsorgen beantragt hatte. Dass man im Umkehrschluss, wenn dort steht „Sonstige“, sagen kann, dass man auch organische Abfälle einlagern kann, ist dabei sicherlich nicht ausreichend bedacht worden.

Dann möchte ich einmal etwas zu den so genannten Z-Werten sagen, über die hier immer diskutiert wird. Die Z-Werte nach der Laga M 20 sagen uns, wohin die Materialien gehen, also sie bestimmen sozusagen, unter welchen Bedingungen man die Materialien wohin bringen kann.

Für dieses „Wohin kann man die Materialien bringen?“ gibt es verschiedene Zuordnungswerte. Ich nenne nur einmal Z 0. Das ist das, was regional dort im Boden vorkommt, was - so steht es sogar darin - den Schadstoffgehalten vergleichbar in der Umgebung vorkommt. Z 0 wird so gehandhabt: Wenn die Leute dort den Ton ausbauen, auf einen Lkw laden und einmal um die Tongrube herumfahren, dann können sie diesen nicht mehr einbauen, dann ist es schon kein Z 0 mehr.

In Vehlitz ist aber Z 2 genehmigt und für Z 2 gilt ein Einbau unter definierten technischen Sicherungsmaßnahmen. Dieser ist dort auch unter diesen technischen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen worden.

Für diese Z-Werte gibt es auch Analysenwerte. Die Grenzwertüberschreitungen, die dort festgestellt worden sind, sind aus verschiedenen Haufwerken entnommen worden, aus Chargen, die eingebaut werden sollten. Hierbei gab es Überschreitungen dieser Analysenwerte, dieser Z-Werte. Diese hätten dort nicht eingebaut werden dürfen. Im Grunde genommen hätte es gereicht, wenn man dort, wo man das festgestellt hat, gesagt hätte, das dürft ihr nicht einbauen. Mehr kann man im Moment nicht sagen.

Aber mit allem Weiteren, was jetzt kommt - das zeigt auch, warum das LAU damals nicht flächendeckend untersucht und dort Analysen vorgenommen hat, einmal davon abgesehen, dass keine Gefahr im Verzug war -, beginnt man, sich in gefährliches Gelände zu begeben - gefährliches Gelände in übertragenem Sinne -, wenn man auf die Deponie geht und dort beginnt, Bohrungen zu machen. Denn dann kommen wir in die unsichere Rechtslage: Wo gilt noch das Bundesbodenschutzgesetz und wo gilt die Bundesbodenschutzverordnung?

Das Bundesbodenschutzgesetz gilt für den Untergrund der Tongrube. Unter dem Ton, der jetzt ausgekoffert ist, liegen übrigens noch einmal 60 m Ton. Also etwas Sichereres an Deponie gibt es im Grunde genommen gar nicht. Aber die Bundesbodenschutzverordnung, die Verordnung zum Bundesbodenschutzgesetz, gilt nur für die durchwurzelbare Zone. Was machen Sie denn mit dem Zeug, das sozusagen zwischen der durchwurzelbaren Zone und dem Bereich der Tongrube liegt?

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Das ist unklar; das ist bundesweit gesetzlich nicht geregelt. Dafür gibt es in verschiedenen Bundesländern Regelungen, die getroffen worden sind. Ich komme unter dem Tagesordnungspunkt 2 noch einmal darauf zurück, möchte aber klar machen, dass ich in dieser Hinsicht in der Beurteilung - ich habe mich auch mit vielen Fachleuten unterhalten; ich war übrigens auf der Tongrube; ich habe auch mit dem Landrat gesprochen - der Einschätzung des Gerichtes folgen muss.

Ich würde aus meiner Sicht sehr vorsichtig sein mit Begriffen wie „illegal“, „Rechtsverstößen“ und „kriminell“; denn das Gericht stellt fest:

„Eine Verletzung von Rechtsvorschriften des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz)... liegt hier aller Voraussicht nach hinsichtlich des Bescheides vom 5. März 2004“