Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Dieses Thema wird uns auch bei den Förderschulen wieder ereilen. Diese Thematik wird uns auch der Bil

dungskonvent nicht wegnehmen. Wenn der Bildungskonvent gegründet worden ist, um die Diskussion zur Bildungspolitik aus dem Landtag herauszuhalten, dann ist das, so glaube ich, ein völlig falscher Ansatz. Wir sollten uns ernsthaft davor hüten, die Befugnisse des Parlaments zu beschneiden.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bildungskonvent erarbeitet Empfehlungen. Er hat eine breitere Basis und bei ihm kommen auch noch andere Gesichtspunkte hinzu. Trotz alledem wird auch dort mit Sicherheit erwartet, dass die Landesregierung ein Konzept vorlegt. Wenn es im Bildungskonvent vorliegt, ist es damit immer noch nicht hier im Landtag.

Ich freue mich auch, sehr geehrte Frau Kollegin Mittendorf, dass hier im Landtag Kolleginnen und Kollegen mit in die Debatte einbezogen werden, die dem Bildungskonvent nicht angehören und die bei den aktuellen Berichterstattungen in den Fraktionen vielleicht nicht immer mit bedacht werden. Deshalb muss auch in diesem Hause die Debatte geführt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Allerdings hätte ich zum heutigen Tag erwartet, dass auch die Konzepte aus den einzelnen Parteien auf den Tisch gelegt werden, die bereits öffentlich sind. Ich freue mich immer noch über die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss von Herrn Scholz. Warum, sehr geehrte Frau Mittendorf, haben Sie nicht diesen Vorschlag auch einmal in die Debatte geworfen und uns darüber diskutieren lassen, wie künftig Bildung durch einen Gesetzesbeschluss ersetzt werden soll?

(Frau Mittendorf, SPD: Ich denke gar nicht daran, Ihnen einen solchen Gefallen zu tun! - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Jetzt kommt das Konzept der FDP?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, das Konzept der FDP wird nach der nächsten Wahl selbstverständlich auch in dieser Runde wieder diskutiert werden können, wenn wir dazu aufgerufen sein werden, die Bildungspolitik in diesem Lande wesentlich mitzugestalten. Jetzt ist erst einmal die Regierung gefordert, ihr Konzept vorzulegen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir können nicht länger warten und dürfen das Ganze nicht auf die lange Bank schieben. Es ist schon erschreckend, dass die absolute Zahl der Förderschüler in Sachsen-Anhalt gleich bleibt, während der prozentuale Anteil ständig steigt und dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Förderschulen selbst mit der Situation unzufrieden sind. Sie geben sich unheimlich viel Mühe und tun viel, aber sie wissen selbst um das Problem der Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen.

Viele Schülerinnen und Schüler, die an eine Förderschule kommen, um dort qualifiziert zu werden, haben später Schwierigkeiten, auf eine andere Schulform zu wechseln. In diesem Zusammenhang ist dringend eine Veränderung der Sekundarschulausbildung geboten, die in ihrer bisherigen Form nicht passfähig war. Vielleicht kriegen wir dort wieder einen günstigeren Einstieg.

Auf jeden Fall bin ich nicht für eine Überweisung des Antrages, sondern für eine Verabschiedung, damit wir das

Konzept im Ausschuss diskutieren können und im Ausschuss nicht darüber diskutieren müssen, ob die Landesregierung aufgefordert werden soll, ein Konzept vorzulegen. Wir können uns mit ständigen Überweisungen auch lächerlich machen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieser Landtag muss zu ernsthafter Arbeit zurückfinden. Das gilt auch für die Landesregierung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Frau Feußner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unternehme einmal den Versuch, sachlich in das Thema einzusteigen. Mit dem ersten Satz können wir sicherlich alle gemeinsam leben, nämlich mit der Aussage, dass das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern in unserem Lande auf jeden Fall weiter ausgebaut werden muss. Das zumindest ist ein gemeinsames Ziel.

Dann wird es aber wesentlich diffiziler. Auch ich will keine Einschränkung der Rechte des Parlaments, Herr Kley. Jeder hat hier das Recht, Anträge zu stellen. Bislang ist auch noch nie untersagt worden, einen Antrag zu stellen. Wenn man im Konvent dabei ist, intensiv zu diskutieren und dort noch überhaupt keine Ergebnisse vorliegen - das kommt hinzu, es ist ja eine Sonderarbeitsgruppe eingesetzt worden, die diesbezüglich erst einmal ein Konzept erstellen soll -, dann verwundert es schon, dass jetzt hier fertige Anträge gestellt werden.

Noch mehr wundert es mich, dass ein solcher Antrag gestellt worden ist, ohne die Antwort auf die Große Anfrage abzuwarten. Auf solchen Antworten basierend, kann man solche Anträge stellen, um Defizite aufzuzeigen und Nachbesserungen zu fordern. Aber auch das ist nicht geschehen. Ich frage mich, warum Sie überhaupt eine Große Anfrage gestellt haben. Im Endeffekt scheint es Sie, wenn Sie schon vorher einen solchen Antrag stellen, nicht zu interessieren, was in der Antwort stehen wird. Ihr Politikstil wundert mich wirklich.

Die Landesregierung hat ein Konzept angekündigt. Das wissen Sie. Das hat der Kultusminister öffentlich verkauft.

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Herrn Höhn, DIE LINKE)

- Es ist noch nicht da. Ihr könnt natürlich Druck ausüben und fragen: Wann kommt endlich das Konzept? Das hätte man tun können. Aber es geht nicht an, so zu tun, als sei noch nichts auf dem Wege. Der Minister hat auch im Konvent schon darüber berichtet. Was hier passiert, ist schon ein wenig fadenscheinig.

Glaubwürdig und seriös ist das alles nicht. Aber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Von Populismus will ich gar nicht reden.

Verehrte Anwesende, worum geht es bei diesem Antrag eigentlich im Speziellen? - Ab dem Schuljahr 2009/2010 sollen alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit Ausnahme besonders zu begründender Förderbedarfe bei spezifischen Behinderungen - so ist das im Antrag formuliert - in der Primarstufe

grundsätzlich im gemeinsamen Unterricht an der Grundschule unterrichtet werden. Natürlich kann man die Schulform der Förderschule für Lernbehinderte abschaffen. Aber - das ist bereits bei meinen Vorrednern angeklungen - die Schüler selbst werden damit keine anderen. Das ist doch der Knackpunkt.

(Beifall bei der CDU)

Hier wird immer nur über Strukturen geredet. Inhalte spielen überhaupt keine Rolle. Im Übrigen stellen Sie sich nicht die Frage - das habe ich schon bei dem Forum gemerkt, dass am 5. Mai 2008 stattgefunden hat -, was das Beste für das Kind ist. Für sie bedeutet Integration: Wir bringen alle in den gemeinsamen Unterricht und dann ist alles wunderschön.

Aber entscheidend ist doch die Qualität. Wie gelingt es einem Kind am Besten - auch einem behinderten Kind -, seinen eigenen Lebensweg selbständig zu gestalten und weiterzukommen und einen möglichst hohen Schulabschluss zu erreichen? - Dabei muss man jedes Kind einzeln betrachten. Mit einer pauschalen Lösung kommen wir an dieser Stelle aus meiner Sicht nicht weiter.

Ihre Forderung ist Populismus. Den Nachweis, dass die Abschaffung einer Schulform zwangsläufig zu einer Leistungsverbesserung führen wird, bleiben Sie schuldig. Diesen Nachweis können sie nicht erbringen und den haben Sie bisher nicht erbracht.

Mit der Forderung nach Einführung integrativer Schulsysteme - das geht ja noch einen Schritt weiter - kann man sich außer - das muss man klar und deutlich sagen - auf idealistische Wunschbilder von der so genannten gemeinsamen Schule für alle auf keinen einzigen validen Befund stützen. Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass diese integrativen Schulen beim fachlichen und sozialen Lernen signifikant bessere Ergebnisse haben. Nennen Sie mir dafür einen einzigen wissenschaftlichen Nachweis. So etwas existiert nicht. Das ist einfach ein idealistisches Wunschbild und populistisches Gequatsche.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich sind wir uns darüber einig, dass es für besonders lernschwache Schüler eigene - auch außerschulische - Förderprogramme geben muss, die die Möglichkeit für einen schulischen Abschluss und auch angemessene Lebenschancen eröffnen. Die Einführung der Förderzentren - das muss ich ehrlich sagen - ist erst nach 2002 erfolgt. Ich sitze - Gott sei Dank! - seit 1994 hier im Parlament. In der Zeit von 1994 bis 2002 gab es Landesregierungen unter Tolerierung der damaligen PDS. In dieser Zeit ist nichts, aber auch gar nichts in der Hinsicht passiert.

(Beifall bei der CDU)

Im Gegenteil: In dieser Zeit hatte das Land SachsenAnhalt den aller geringsten Anteil an integrativer Beschulung überhaupt. Wir haben es auch durch die Einrichtung von Förderzentren jetzt geschafft, diesen Anteil wesentlich zu erhöhen. Das muss man anerkennen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ja!)

Wir befinden uns hierbei am Anfang eines Weges und diesen Weg wollen wir weiter fortsetzen. Natürlich ist es unser Ziel, flächendeckend Förderzentren einzurichten. Man muss aber auch einmal anerkennen, dass in der Schule Prozesse Zeit brauchen. Ich kann ja etwas ver

ordnen, aber wenn die Beteiligten - ob Lehrer, ob Eltern oder Schüler - nicht mitziehen, dann können wir uns über viele schöne Programme unterhalten, ohne die Qualität, die wir wollen, am Ende zu erreichen. Wir müssen die Leute mitnehmen und mit ihnen reden. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU)

Das hat mit den Förderzentren begonnen. Wir haben denen diese Einrichtung nicht aufdiktiert und nicht gesagt: Ihr habt das jetzt zu tun, macht das! Vielmehr haben wir mit den Leuten gesprochen und gesagt: Ideal ist es, wenn ihr euch selbst findet und selbst Gespräche führt.

(Heiterkeit)

Ich meinte nicht „Selbstgespräche“, sondern „selbst miteinander Gespräche führen“; gemeint sind die Schulformen. Das war etwas verkürzt ausgedrückt. - Das hat funktioniert. Wir können sehen, wie viele Förderzentren sich im Lande schon gebildet haben, dass dieser Prozess immer weiter fortläuft und dass wir damit auch schon positive Ergebnisse erreichen konnten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist unser Ziel: die eigene individuelle Arbeit am Kind - und das von Lehrern selbstbestimmt und nicht von oben aufdiktiert.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz - Frau Mittendorf, SPD: Hoffentlich gilt das wo- anders auch!)

Auf die diskriminierenden Worte, Frau Bull, hat der Minister, glaube ich, ausreichend reagiert. Zu den Worten der Stigmatisierung, der Ausgrenzung, des Stigmatisierungspotenzials und des geringen Angebotes für die Schüler in der Lernbehindertenschule, „Ausgliedern statt Integration“ usw., muss ich Ihnen sagen: Das können Sie populistisch weiter so verfolgen. Das ist Ihr Problem, das können Sie in Ihrer Partei so machen.

Aber wer mit Menschen so umgeht, wer nicht anerkennt, dass es auch unterschiedliche Begabungen und Neigungen gibt, und das nicht akzeptieren will, sondern hier Gleichmacherei zulasten gerade der Schwächsten betreiben will, zu dem muss sagen: Das lasse ich mit mir nicht machen und wir mit unserer Partei auch nicht. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Feußner, es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Dr. Eckert.

Ja, bitte.

Bitte, Herr Dr. Eckert.

Frau Feußner, ich möchte eine Nachfrage zu der Auffassung stellen, dass es keinerlei Untersuchungen bzw. valide Ergebnisse von Untersuchungen der integrativen Beschulung gibt. Nach meiner Kenntnis sind spätestens