Protokoll der Sitzung vom 30.05.2008

Ich möchte darauf aufmerksam machen - ich hoffe, dass das die Innenpolitiker und die Finanzpolitiker interessiert -, dass, wenn man bei uns im Salzlandkreis den Antrag stellt, zum Beispiel zur Finanzierung von Freitischen an Sekundarschulen 5 600 € in die Hand zu nehmen, das Landesverwaltungsamt sagt: Das ist eine freiwillige Leistung; diese ist bei unausgeglichenem Haushalt nicht zu gewährleisten.

Damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Gerade die Landkreise, die aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kinderarmut eine schwierige Struktur haben, werden es nicht schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen. Aber sie brauchen genau diese Infrastrukturmaßnahmen, um die größte Not, auch an den Schulen, von der immer wieder berichtet wird, aufzufangen.

Deswegen bitte ich einmal zu überlegen, ob man mit solchen sozialen strukturellen Maßnahmen anders als mit anderen freiwilligen Leistungen umgehen kann. Das wäre ein Punkt, von dem ich denke, dass dann viele Städte und Kreise schon jetzt beginnen könnten, genau an dieser Stelle gezielt etwas zu tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank für Ihren Beitrag, Frau Grimm-Benne.

Wir kommen zum letzten Debattenbeitrag. Die Abgeordnete Frau Penndorf von der Fraktion DIE LINKE hat noch einmal die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen, wenn sie möchte. - Sie möchte. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Punkt 3 des Antrages dahin gehend ändern, dass die Angabe „III. Quartal 2008“ durch die Angabe „IV. Quartal 2008 bzw. I. Quartal 2009“ ersetzt wird - es geht hierbei um die Berichterstattung und die Beratung in den Ausschüssen -; denn Sie, Frau Dr. Kuppe, sagten, dass erst Ende dieses Jahres mit Ergebnissen zu rechnen sei. Demnach brauchen wir uns im dritten Quartal noch nicht damit zu befassen, weil dann die Ergebnisse noch nicht vorliegen.

Dann ist es ja auch so: Die 109 Millionen €, die dafür berechnet worden sind - wir sind auf ein ähnliches Ergebnis gekommen -, kann das Land allein nicht tragen. Aber auch der Bund wird, wenn er hierzu Konzepte erstellt, natürlich sagen, dass er allein das nicht tragen wird, sodass sich das Land wohl finanziell beteiligen muss. Wir müssten in den Ausschüssen darüber reden, wie die finanzielle Beteiligung dann aussehen soll.

Zu der Analyse der Gründe für die Essensabmeldungen: Eigentlich sind die Gründe offensichtlich. Sie brauchen nur in die Kindertagesstätten und Schulen zu gehen, die Lehrer und die Eltern zu fragen. Die wissen das. Ich habe das bei mir im Landkreis getan. Die sagen Ihnen ganz genau, dass es wirklich finanzielle Gründe sind.

Zur Eigenverantwortung der Eltern für die Kinder. Das sehe ich ähnlich, weil ich denke, dass eine Mittagessenversorgung bis zu 1 € pro Kind durchaus Spielraum in der Eigenverantwortung der Eltern lässt und ihnen auch die Würde lässt, für ihre Kinder selbst etwas zu tun. - Ich bedanke mich und werbe jetzt noch einmal für die Überweisung in die Ausschüsse.

Herzlichen Dank, Frau Penndorf, für Ihren Beitrag und für Ihre Klarstellung. Der Antragsteller hat damit den Antrag in der Drs. 5/1258 geändert. Unter Punkt 3 soll aus der Angabe „III. Quartal 2008“ die Angabe „IV. Quartal 2008 bzw. I. Quartal 2009“ werden. So habe ich es doch richtig verstanden? - Gut.

Des Weiteren ist beantragt worden, den Antrag in die Ausschüsse für Soziales, für Bildung, Wissenschaft und Kultur, für Finanzen und für Inneres zu überweisen. Die Federführung soll der Ausschuss für Soziales übernehmen. Gibt es hiergegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht.

Dann lasse ich über die Überweisung des Antrags in Drs. 5/1258 mit der Änderung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Soziales und zur Mitberatung in die anderen genannten Ausschüsse abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist dem Antrag stattgegeben und die Überweisung beschlossen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 18.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Unerfüllten Kinderwunsch verwirklichen helfen - Anspruch auf künstliche Befruchtung wiederherstellen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1259

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1300

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Kurze. Anschließend spricht Ministerin Frau Dr. Kuppe für die Landesregierung. Danach folgt eine Fünfminutendebatte. Herr Kurze, Sie haben das Wort zur Einbringung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kinder sind unsere Zukunft. Unsere Gesellschaft wird nur dann eine gute Zukunft haben, wenn sie kinderfreundlich, kinderoffen und kinderreich ist.

Viele Paare wünschen sich Kinder. Ihr Wunsch kann sich aber leider oft nicht erfüllen. Jährlich suchen aus diesem Grund 1,5 bis zwei Millionen Paare in Deutschland ärztlichen Rat. Eine künstliche Befruchtung ist für diese Paare meist die letzte Hoffnung in ihrer Familienplanung.

Ich verzichte darauf, näher darauf einzugehen, was es bedeutet, wenn die Diagnose „Unfruchtbarkeit“ lautet. Ungewollte Kinderlosigkeit wird mit psychischen und physischen Leidensdruck erlebt.

Leider wurden bei der Gesundheitsreform im Jahr 2004 Entscheidungen getroffen, mit denen in dieser Frage Weichen falsch gestellt wurden; denn diese Reform hat zu einem Rückgang des Umfangs der Kinderwunschbehandlungen geführt. Den Paaren, die auf diesem Wege ihren Kinderwunsch erfüllen möchten, wurden durch die Reform zusätzliche Steine in den Weg gelegt und finanzielle Belastungen aufgebürdet.

Natürlich weiß ich, dass die Gesundheitsreform insgesamt eine sehr umstrittene Reform war. Der Bundesrat hat der Gesundheitsreform zugestimmt. Auch die Landesregierung hat nach meiner Ansicht zugestimmt.

Ich will damit nur sagen: Es geht bei diesem Antrag nicht um Parteiengezänk. Aus Fehlern kann man aber lernen. Man kann politische Entscheidungen neu überdenken. Was sich als falsch herausgestellt hat, kann man neu regeln.

Damit wir wissen, über welche Fehlsteuerungen in diesem Fall geredet wird, möchte ich Ihnen die drei gravierenden Änderungen in diesem Bereich einmal aufzeigen.

Erstens ist die Zahl der Versuche als Kassenleistung von vier auf drei reduziert worden.

Zweitens werden die Kosten nur noch zu 50 % von den Krankenkassen bezuschusst. Die Versicherten müssen die restlichen 50 % selbst zahlen. Dadurch fallen pro Behandlungszyklus, also pro Versuch, für den Versicherten Kosten von durchschnittlich 1 500 € an.

Drittens ist neu, dass es eine untere und eine obere Altersgrenze gibt. Frauen müssen mindestens 25 Jahre alt sein und dürfen nicht älter als 40 Jahre sein. Für Männer gilt eine solche Regelung ebenfalls. Sie müssen mindestens 25 Jahre alt und dürfen nicht älter als 50 Jahre sein.

Aufgrund dieser Neuregelung im Rahmen der Gesundheitsreform im Jahr 2004 ist die Anzahl der Versuche, durch eine künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen, um 50 % zurückgegangen. Durch diese Regelung wurde also vielen Paaren die Möglichkeit genommen, Kindern das Leben zu schenken, obwohl sie sich ganz bewusst für Kinder entschieden haben.

Ich glaube, das ist das, was wir uns in der Gesellschaft wünschen, nämlich dass sich Paare bewusst für Kinder entscheiden. Wenn sich Paare für Kinder entscheiden, dann können wir im Großen und Ganzen davon ausgehen, dass sie sich im Rahmen ihrer Verantwortung um die Kinder kümmern werden.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

In den vorhergehenden Debatten haben wir gehört, wie wichtig es ist, an diese Elternverantwortung zu erinnern; denn wenn man Kinder in die Welt setzt, hat man dabei nicht nur Spaß, sondern auch eine Verantwortung, der man sich natürlich stellen muss.

In Zeiten rückläufiger Geburtenzahlen bei gleichzeitiger Überalterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft ist dies unserer Meinung nach eine falsche Weichenstellung. Wir wollen, dass auf der Grundlage der alten Leistungen versucht wird, jedem sechsten Paar den Kinderwunsch zu erfüllen.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der demografischen Falle, in der wir uns in Deutschland befinden, gilt es, alle Maßnahmen zu fördern, die der Überalterung und Schrumpfung entgegenwirken; denn es wird sich im Rahmen der Steuer- und Sozialabgabensysteme am Ende auch negativ auswirken, wenn wir weiterhin so schrumpfen wie bisher.

Jedes nicht geborene Kind ist ein Verlust für unsere Gesellschaft. Wir brauchen wieder mehr Kinder in unserer Bundesrepublik Deutschland. Die Kosten, die die Krankenkassen seit 2004 bei der künstlichen Befruchtung einsparen, fehlen uns später - um ein Vielfaches erhöht - als Einnahmen in dem eben benannten Steuer- und Sozialabgabensystem. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass einerseits immerzu neue Ideen entwickelt werden, um Paaren die Elternschaft schmackhaft zu machen, und andererseits Paaren, die unbedingt Kinder wollen, das Kinderkriegen aufgrund dieser Regelung erschwert wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich betonen, dass uns als CDU, als Christdemokraten das Leben das Wert

vollste ist. Nach unserer Auffassung ist es das oberste Gebot, Leben zu schenken, sprich Kinder zu bekommen, eine Familie zu gründen; die Familie verdient daher unseren besonderen Schutz.

Wir wollen deshalb, dass der Rechtszustand wie vor dem 1. Januar 2004 wiederhergestellt wird, dass die Realisierung eines Kinderwunsches nicht durch die finanzielle Lage eines Paares unmöglich gemacht wird, dass die gesamten Kosten für vier Behandlungszyklen von den Krankenkassen wieder übernommen werden und dass außerdem die untere Altersgrenze von 25 Jahren aufgehoben wird.

Die untere Altergrenze von 25 Jahren ist unsinnig, weil hierdurch Paare mit Kinderwunsch in ihren fruchtbarsten Jahren - im wahrsten Sinne die Wortes - zu unnötigem Warten gezwungen werden.

Ich weiß, dass es dabei Widerstände in allen Bundesländern und auch in vielen Fraktionen zu überwinden gilt. Eine frühere Initiative des Saarlandes ist bekanntermaßen im Bundesrat nicht erfolgreich gewesen.

Daher werbe ich für diesen Antrag der Koalitionsfraktionen; denn der Vorschlag, mit dem wir uns heute beschäftigen, wird zurzeit wieder in mehreren Landtagen diskutiert, sodass eine neuerliche Initiative hoffentlich die erforderliche Mehrheit finden wird. Das kann natürlich nur gelingen, wenn man nicht parteipolitisch diskutiert. Wir reden - wir haben es in den Debatten davor auch gehört - immer über Kinder und darüber, dass uns Kinder in der Gesellschaft wichtig sind. Wenn wir nicht nur reden wollen, dann müssen wir auch handeln. Es wäre ein guter Ansatz, als Landtag gemeinsam einen solchen Beschluss einstimmig zu verabschieden.

Lassen Sie uns nun diese Aufgabe gemeinsam anpacken. Werben Sie bei Ihren Parteikolleginnen und -kollegen für eine Mehrheit im Bundesrat. Lassen Sie uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die getroffene Weichenstellung im Sinne der betroffenen Paare, im Sinne unseres Landes und seiner Kinder zurückgenommen wird. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Kurze, herzlichen Dank für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich nun Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Ungewollte Kinderlosigkeit wird immer häufiger; denn mehr und mehr Frauen und Paare verschieben aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen die Familiengründung in ein höheres Lebensalter. Sei es, weil eine feste Stelle fehlt, sei es, weil der richtige Partner oder die Partnerin noch nicht gefunden wurde. Doch mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Unfruchtbarkeit.

Ungewollte Kinderlosigkeit ist also vor allem eine Folge veränderter Lebensumstände. Zugleich ist sie für viele Paare ein schwer zu verkraftender Schicksalsschlag. Daneben gibt es auch gesundheitliche Gründe, die bei Paaren eine Schwangerschaft nicht zustande kommen lassen.

Auf der anderen Seite hat die Reproduktionsmedizin in den letzten 20 Jahren ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Aus einem ursprünglich experimentellen Verfahren, das mit großen gesundheitlichen Risiken und geringen Erfolgsaussichten belastet war, ist eine etablierte Behandlungsmethode geworden, deren Erfolgsaussichten immer besser wurden und die unterdessen schon Zehntausenden Eltern in der Bundesrepublik zu einem Wunschkind verholfen hat.

Seit dem Jahr 1990 haben gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung. Die entsprechenden Maßnahmen sind Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung, obwohl es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes nicht um Maßnahmen der Krankenbehandlung geht.

Wir wissen aber, dass die Folgen von ungewollter Kinderlosigkeit auf die Psyche ganz erheblich sind, dass es oft zu Depressionen oder psychosomatischen Erkrankungen kommt, dass Menschen aus der Bahn geworfen und behandlungsbedürftig werden. Dass die mehr als 50 % der Fälle erfolgreich zu behandelnder Unfruchtbarkeit als versicherungsfremde Leistung bezeichnet werden, ist deshalb bei den Fachleuten umstritten.

Auf jeden Fall ist diese Einschränkung im Sinne der Sozialversicherung - jetzt argumentiere ich ganz formal - und ihrer Finanzierung überhaupt nicht rational; denn die größte Gefährdung für den Fortbestand des solidarischen Sozialversicherungssystems in Deutschland ist der Mangel an zukünftigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern.