Wir müssen selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, dass wir zu selten fragen, wer unsere Produkte herstellt, woher unsere Produkte kommen und ob sie vielleicht deshalb vergleichsweise günstig sind, weil sie unter Arbeitsbedingungen hergestellt worden sind, die in Deutschland unvorstellbar und im Übrigen auch illegal sind.
Wir dürfen vor dieser Entwicklung der Globalisierung nicht die Augen verschließen - wir zeigen hiermit ausdrücklich, dass wir das nicht tun -, sondern wir müssen und wir werden alles dafür tun, damit die Globalisierung menschlich, gerecht und fair gestaltet wird. Dazu kann jeder Einzelne von uns als Privatperson bei seinen täglichen Kaufentscheidungen ein Stück beitragen.
Dafür kann aber auch die öffentliche Hand etwas tun. Das wollen wir gemeinsam erreichen. Darum geht es auch in unserem Antrag. Die öffentliche Hand hat nicht nur eine Vorbildfunktion; sie hat auch eine bedeutende
wirtschaftliche Kraft. Das öffentliche Auftragsvolumen machte im Jahr 2002 ca. 17 % des Bruttoinlandsprodukts aus. Das entspricht etwa 360 Milliarden € pro Jahr. Dazu kommen noch die Beschaffungen der öffentlichen Unternehmen im Umfang von 60 Milliarden € pro Jahr.
Das kürzlich beschlossene modernisierte Vergabegesetz sieht sogar ausdrücklich die Aufnahme von sozialen Kriterien in das Vergaberecht vor. Der Deutsche Städtetag hat dies begrüßt und darauf hingewiesen, dass die Städte endlich Rechtssicherheit erhalten, wenn sie entscheiden, Aufträge nur an Anbieter zu vergeben, die bestimmte soziale Standards einhalten. Dazu gehört es eben auch, keine Produkte zu verwenden, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden.
Mit unserem Antrag befinden wir uns in guter Gesellschaft; denn inzwischen haben sieben Landtage entsprechende Beschlüsse gefasst. Es gibt mittlerweile auch schon 114 Ratsbeschlüsse hierzu. In Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel die Stadt Magdeburg im letzten Jahr beschlossen, bei Ausschreibungen nur Produkte und Dienstleistungen zu berücksichtigen, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden.
Eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem, so meine ich, ist es richtig und notwendig, noch einmal auf den besonderen Punkt der Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus Kinderarbeit hinzuweisen. Die Landesregierung hat mit ihren Mitteln die Möglichkeit, dieses Thema weiter offensiv anzusprechen und auch bei anderen für unser gemeinsames Anliegen zu werben.
Wir wollen heute noch einmal ein deutliches Signal setzen. Ich freue mich daher, dass es gelungen ist, hierzu einen interfraktionellen Antrag zu erarbeiten, der deutlich macht, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt geschlossen gegen Kinderarbeit und ausbeuterische Arbeitsbedingungen eintritt.
Herzlichen Dank, Frau Hampel. Auch herzlichen Dank dafür, dass wir einen gemeinsamen Antrag hinbekommen haben. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Dr. Haseloff das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will für die Landesregierung nur ganz kurz etwas zum Geplanten sagen.
Ich begrüße diese Initiative ausdrücklich, vor allem auch den Umstand, dass sie von allen Fraktionen mitgetragen wird. Ich glaube, dass wir - je nachdem, wie jetzt die Beschlussfassung ausfällt - im Ausschuss vielleicht schon Nägel mit Köpfen machen können.
Das heißt, ich würde bis dahin - ähnlich wie das meine Kollegin in Bayern vor wenigen Tagen gemacht hat - einen Entwurf für einen Erlass fertigen, der folgende Dinge enthalten wird: eine klare Auflistung von konkret benannten ausbeuterischen Kinderarbeiten, die wir bei unseren Vergabeaktivitäten und beim Bezug von entsprechenden Leistungen ausdrücklich ausschließen wollen, beginnend von Sportkleidung - das ist eine umfangreiche Lis
te - bis hin zu konkreten Agrarprodukten, die in bestimmten Produktionsstrukturen hergestellt werden.
Von dem, der eine Leistung erbringt, ist klar nachzuweisen bzw. zu bestätigen, dass diese nicht aus illegaler bzw. ausbeuterischer Kinderarbeit resultiert. Daraus kann wiederum eine Sanktion für die Beteiligung an zukünftigen Vergabeverfahren abgeleitet werden. Es muss noch juristisch geprüft werden, in welcher Tiefe und Schärfe zumindest ein zeitlich befristeter Ausschluss möglich ist.
Alles das, was auf der Grundlage dieses Erlasses, den ich als Entwurf vorlegen würde, in Richtung der Landesbehörden wirksam werden kann, wäre dann schon verpflichtend wirksam. Wenn ich, wie gerade mit dem Kollegen Hövelmann abgestimmt, über ein Mitzeichnungsverfahren auch die Mitwirkung des Innenministeriums erwirke und das dann in Richtung der Kommunen ebenfalls für wirksam erklärt werden kann, dann haben wir in der Endfassung bezüglich der öffentlichen Strukturen in Sachsen-Anhalt schon ein deutliches Signal gesetzt.
Als Letztes könnte ich an dieser Stelle noch Folgendes anbieten: Im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit existiert ein Referat für Entwicklungszusammenarbeit. Wir würden in Abstimmung mit dem politischen Raum, mit den Fraktionen und dem Landtag über geeignete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sprechen, also darüber, in welcher Form wir an welche Zielgruppen unter Nutzung welcher Medien herantreten. Wir würden außerdem über unsere Selbstbindung im öffentlichen Raum sprechen und auch Hinweise geben, wie Ähnliches im privatwirtschaftlichen und im privaten Raum ebenfalls vollzogen werden kann. Ich denke, dass das dann in Sachsen-Anhalt in guten Händen ist und auch eine entsprechende Wirkung entfalten kann.
So weit der erste Vorschlag. Alles andere besprechen wir im Detail auf der Grundlage von Entwürfen, die wir vorlegen werden. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Herr Franke hat eine Nachfrage zu Ihrem Beitrag. Wollen Sie sie beantworten? - Herr Franke, bitte.
Herr Minister, können Sie mir darin zustimmen, dass der Anteil der Produkte, die die öffentliche Verwaltung oder die öffentliche Hand aus Kinderarbeit bezieht, in keinem Verhältnis zu den zusätzlichen Aufgaben steht, die die Vergabestellen zu bewältigen hätten, um zu überprüfen, aus welchem Herkunftsland die Produkte stammen bzw. unter welchen Arbeitsbedingungen sie entstanden sind?
Können Sie mir auch darin zustimmen, dass Sie es sich als Landesregierung auf die Fahne geschrieben haben, Entbürokratisierung und Bürokratieabbau zu betreiben, auf der anderen Seite aber gerade die zusätzliche Überprüfung durch die Vergabestellen einen zusätzlichen und sehr umfangreichen Aufwand verursacht?
Herr Franke, die Frage ist sicherlich berechtigt, vor allen Dingen auch in Richtung eines Wirtschaftsministers, der sich die Entbürokratisierung auf die Fahne geschrieben hat.
Aber ich möchte sagen: Erstens bin ich mir persönlich sehr unsicher, welche Anteile in dieses Gesamtproblemfeld hineinfallen. Ich glaube, das könnte mehr sein, als wir zum jetzigen Zeitpunkt bei oberflächlicher Bewertung denken.
Zweitens. Ich habe auch mit der Kollegin Müller in Bayern gesprochen. Dort sind ähnliche Überlegungen angestellt worden. Das ist auch dort alles noch frisch und in der weiteren Ausfaltung. Man hat sich klar dafür entschieden, dass es hierzu aus Deutschland und aus den einzelnen Bundesländern klare Signale geben muss,
Auf der einen Seite bedeutet Globalisierung, dass sich die entsprechenden Wertschöpfungsketten und Handelsbeziehungen immer weiter ausdehnen. Das ist gut so. Auf der anderen Seite bedeutet das, dass immer mehr „Mitwirkende“ ins Netz kommen und an den Wertschöpfungsmaßnahmen teilnehmen. Wir wissen, dass gerade in den Schwellenländern bzw. in den schwer kategorisierbaren Ländern wie Indien und China die Kinderarbeit in Größenordnungen ausgedehnt wird.
Ich glaube, wir sollten versuchen, unsere Standards positiv in den Raum zu stellen, damit klar ist, unter welchen Bedingungen wir Handel treiben bzw. in Geschäftsbeziehungen eintreten, wohl wissend, dass wir auch Kompromisse eingehen müssen. Aber genau das soll politisch und dann auch verwaltungstechnisch besprochen werden.
Letzter Hinweis dazu: Die Frage der Abwägung von Anteilen sowie der Verfolgung von Missbrauch und ähnlichen Dingen haben wir in allen gesellschaftlichen Bereichen. Der Innenminister könnte ein Lied davon singen. Er hält zum Beispiel einen riesigen Polizeiapparat für eine ganz kleine Minderheit von Kriminellen vor. Trotzdem wird nicht infrage gestellt, dass wir die Kriminellen bekämpfen.
Bei der Kinderarbeit geht es auch um etwas ganz Existenzielles. Dort werden Dinge vollzogen, die wir ganz klar nicht haben wollen und die wir auch bekämpfen wollen, zum Beispiel Missbrauch und Ausbeutung. Es betrifft die Schwächsten der Menschheit, die Schwächsten der jeweiligen Gesellschaft. Ich glaube, dass diese Botschaft von uns im Sinne einer freiwilligen politischen Entscheidung darüber, mit welchen Spielregeln wir miteinander umgehen wollen, jetzt durchaus gefordert ist. - Herzlichen Dank.
Herr Minister, jetzt möchte Herr Tögel eine Frage stellen. Wollen Sie diese beantworten? - Bitte, Herr Tögel.
Herr Minister, liegen Ihnen Erkenntnisse darüber vor oder haben Sie eine Erklärung dafür, warum die FDP den Antrag überhaupt unterschrieben hat, wenn Herr Franke jetzt seine Fragen in dieser Schärfe stellt?
Diese Erkenntnisse liegen mir nicht vor. Es war auch eine spontane Wortmeldung von Herrn Franke, die der
FDP sicherlich dahin gehend zusteht, dass sie - bei allem positiven Begleiten dieser Landesregierung - möglichst Auswüchse der Bürokratie vermeiden möchte. Ich sehe es positiv und die gemeinsame Unterschrift heißt ja: Wir wollen an der endgültigen, für alle tragbaren Formulierung feilen. - Darauf freue ich mich.
Herr Franke hat noch eine Nachfrage. Es geht jetzt sicherlich um Ihre Beantwortung. - Herr Franke, bitte schön.
Nein, es ist keine Nachfrage, sondern eine Intervention. Ich möchte klarstellen, dass wir den Antrag als politischen Appell natürlich unterstützen, dass wir aber mit der Frage noch einmal darauf hinweisen wollten, dass an dieser Stelle, gerade was den relativ geringen Umfang der Produkte angeht - Sie wurden auch bei der Einbringung genannt -, das Problem für die Vergabestellen ist.
Aber es geht auch um die Prophylaxe. Selbst wenn es im öffentlichen Bereich ein geringer Anteil ist, glaube ich, dass das im privaten Konsum eine erhebliche Rolle spielt. Wir sollten aus dem öffentlichen Raum heraus klares Vorbild sein.
Vielen Dank, Herr Minister. Sie hätten auf die Intervention nicht antworten müssen, aber Sie haben es getan, um das noch einmal klarzustellen.
Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen. Mir wurde signalisiert, dass die Fraktion DIE LINKE auf einen Debattenbeitrag verzichtet. - Dann rufe ich den Debattenbeitrag der CDU auf. Frau Take, bitte schön.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich meinen Debattenbeitrag zu Protokoll geben.
„Geiz ist geil!“ - So warb vor einigen Jahren ein großer Elektro- und HiFi-Konzern in Deutschland, und er gab damit unfreiwillig den Startschuss frei für eine bis dato beispiellose Preislawine im deutschen Einzelhandel.
Was seinerzeit als Werbegag gedacht war, um Kaffeemaschinen, Fernseher und MP3-Player an den Mann oder die Frau zu bringen, übertrug sich schnell auf andere Bereiche bis hin zum Preisverfall bei Lebensmitteln. Der Spruch prägte sich in die Köpfe der Konsumenten ein. Ich würde sogar sagen, er wurde inzwischen zu einer Anschauung. Seitdem hat sich der deutsche Einzelhandel nachhaltig verändert.
In dem gleichen Maß, wie die Margen zurückgingen, wuchsen die Konzentrationsprozesse. Unterstützt wird diese Entwicklung durch das Internet. Jeder kann inzwischen überall auf der Welt Produkte bestellen, die dank einer ausgefeilten Logistik in wenigen Tagen beim Endkunden sind. Fast immer ist der Preis entscheidend, immer weniger die Qualität und noch weniger die Entstehung des Produktes.
Wir haben heute einen Antrag vorliegen, den alle Fraktionen unterzeichnet haben. Das Anliegen der Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit ist ein hehres Ziel, dem sich keiner verschließen darf, und ich bin froh, dass dieses Thema auf der Tagesordnung des Landtages steht. Nach Angaben der Unicef sind weltweit über 190 Millionen Kinder in Kinderarbeit beschäftigt. Die Ursachen sind oft vielfältig. Sie reichen von Versklavung bis zu bitterster Armut der Eltern. Die Folgen sind nicht abzusehen. Anstatt zu spielen, in der Schule etwas zu lernen oder sich auf das Leben vorzubereiten, werden Kinder ihrer wichtigsten und schönsten Jahre beraubt.