Protokoll der Sitzung vom 27.06.2008

Sie haben noch nichts zu unserem Änderungsantrag gesagt. Deswegen sage ich es. Sie haben richtig angesprochen, was alles unter das Thema Schulreisen fällt. Wir beantragen deshalb auch die Überweisung an den Bildungsausschuss, weil wir uns darüber unterhalten müssen. Obwohl es natürlich auch um Geld geht - wir müssen aus unserer Sicht eigentlich mehr Geld in die Hand nehmen, um der sozialen Verantwortung gerecht zu werden -, wollen wir es aber nicht an den Finanzausschuss überweisen.

Der Minister sprach es heute Morgen schon einmal an, als es um Sachsen-Anhalt ging. Er sagte, SachsenAnhalt sei das schönste Land der Bundesrepublik.

(Herr Schwenke, CDU: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Wir stehen sogar früher auf. Wir haben zwar nicht die Zugspitze, aber wir haben den Brocken und wir haben die höchste Dichte an Weltkulturerbestätten. Das wurde eben schon deutlich.

Wenn man heute einmal einen Jugendlichen befragt: Mallorca ist ihm bekannt. Der eine oder die andere ist am Ballermann auch nur einmal vorbeigegangen. Wenn man dann aber einmal zum Heimatbundesland fragt, dann wird es schon sehr eng. Das hat etwas mit der Erziehung zu tun. Deswegen beantragen wir auch die Überweisung an den Bildungsausschuss.

Ob der Masterplan und dessen Fortschreibung - auch diesen Streit hatten wir heute Morgen schon; der ist in einer Zeit begründet worden, als noch Minister Rehberger dafür verantwortlich zeichnete - unbedingt das Allheilmittel ist, wagen wir zu bezweifeln.

Wir sehen natürlich auch Schwierigkeiten aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und der sozialen Situation und dass dies in Sachsen-Anhalt gerade dazu führt, dass wir den Tourismus nicht allein als Wirtschaftsfaktor sehen müssen. Auf die soziale Komponente habe ich schon verwiesen und darauf, dass es auch um geeignete Rahmenbedingungen geht.

Als Europapolitiker sage ich: Auch die Harmonisierung von Altersbegrenzungen in den europäischen Mitgliedsländern verursacht Probleme bei der Förderung, was zum Beispiel den Schüleraustausch anbelangt. Viele sagen, das Jugendalter ende mit 14 Jahren, einer sagt, mit 15 Jahren, und ein anderer sagt, mit 16 Jahren. Also selbst die Europapolitik und die Harmonisierung dessen spielt mit hinein.

Leider wird immer wieder nur auf den wirtschaftlichen Teil abgehoben. Auch in dem von mir erwähnten Bericht der Bundesregierung steht es und auch in dem Handbuch Sachsen-Anhalts wird immer wieder von Segmenten gesprochen, von Marktchargen.

Wir sind der Meinung, dass das endlich aufhören muss. Für die Branche mag es im wirtschaftlichen Kalkül sein, von Segmenten auszugehen. Für uns Politiker muss das Augenmerk aber wirklich darauf liegen, dass wir auch das Soziale bedienen. Die Probleme werden wir im Ausschuss ansprechen müssen, weil in der Ferienzeit gereist wird und das aber gerade die teuerste Zeit ist. Gibt es nicht Möglichkeiten auszuweichen?

Der barrierefreie Tourismus - das tut mir in der Seele weh und diesbezüglich mussten wir Ihnen schon bei Ihrem letzten Antrag auf die Sprünge helfen - ist total vergessen worden.

Herr Minister, Sie sagten, Kollegin Hampel führe nahtlos an die vorhergehende Sprecherin der Fraktion anknüpfend aus. Ich hoffe nicht, dass ich in den Verdacht komme, meinem Vorgänger Herrn Kasten zunahe zu treten. Ich habe heute schon die Stirn gerunzelt. Mir fiel heute der Beschluss des Landesbehindertenbeirates in die Hände und ausgerechnet in diesem geht es um Bahnreisende. Also bin ich dann doch wahrscheinlich in die Fußstapfen von Uli Kasten getreten.

Bitte nur noch ganz kurz.

Die Behinderten beklagen sich, dass es nicht möglich ist, an Automaten Fahrkarten zu erwerben. Die Bahn hat aber verfügt, dass die Kundenbegleiter in den Regionalzügen ab dem 1. Juni keine Fahrkarten mehr verkaufen. Sie werden also behindert, weil sie die Automaten nicht

erreichen können. Auch das ist sicherlich ein Problem, auch wenn es banal klingt, das über das Verkehrsministerium, über die Nasa gelöst werden muss. - Vielen Dank. Ich freue mich auf eine fruchtbringende und in der Sache positiv wegweisende Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Hampel, SPD)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Nun erteile ich Herrn Zimmer das Wort, der für die CDU-Fraktion spricht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sehen schon an diesen drei Beiträgen, wie vielschichtig und wie weitreichend das Thema Kinder-, Jugend- und Familientourismus ist und wie wichtig es ist, dass wir uns mit diesem Thema in den Ausschüssen intensiv beschäftigen, meine Damen und Herren, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass der Tourismus immer noch einer der wichtigsten oder ein sehr wichtiger Wachstumsmarkt, eine sehr wichtige Wachstumsbranche im Land Sachsen-Anhalt ist, eine Branche mit sehr viel Potenzial.

Einen wichtigen Bereich stellt der Kinder-, Jugend- und Familientourismus dar; denn er ist für unser Land, wie der Tourismus allgemein, ein Imagefaktor und am Ende auch ein Wirtschaftsfaktor. Das dürfen wir dabei nicht vergessen. Insbesondere die Altersgruppe der unter 18-Jährigen, also die Kinder der Familien, sind die Gäste von Morgen.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre erste etwas längere Urlaubsreise mit den Eltern oder vielleicht auch allein oder später mit der Schulklasse. Diese Erfahrungen, die sie dabei gesammelt haben, diese Erlebnisse, die sie dort erleben durften, haben sich eingeprägt und diese holen sie immer wieder vor. Das animiert sie, an bestimmte Orte wieder zurückzukehren. Genau so ist es in diesem Punkt.

Deswegen kann ich das Anliegen nur vollumfänglich unterstützen, dass die Klassenfahrten sachsen-anhaltischer Schülerinnen und Schüler auch im Land SachsenAnhalt erfolgen, damit diese nicht nur Mallorca kennen, sondern auch das eigene Bundesland.

(Zustimmung von Frau Hampel, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Familientourismus lebt kräftiger denn je, und auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig - Herr Kollege Czeke, diesbezüglich kann ich das von Ihnen Gesagte nur voll unterstützen -, die veränderten Formen dieses Familientourismus zu bedenken, wie zum Beispiel Alleinstehende mit Kindern, aber auch in immer stärkerem Maße Großeltern mit Enkelkindern. Auch das ist eine wichtige Zielgruppe, die es zu bedienen gilt. Wenn wir wissen, dass es in Deutschland rund 8,8 Millionen Familien gibt, davon 1,6 Millionen in den neuen Bundesländern, dann wissen wir, welch großes Potenzial wir in diesem Bereich abzuschöpfen haben.

Nicht vergessen - das möchte ich auch darstellen, meine Damen und Herren - dürfen wir Lebensgemeinschaften, deren Anteil - aus meiner Sicht leider - zunimmt, die aber, wie ich schon erwähnte, für den Tourismus gleichbedeutend mit traditionellen Familienverhältnissen sind.

Derzeit erleben wir eine deutliche Zunahme des Inlandtourismus. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Für Familien mit Babys oder Kleinkindern ist nun einmal das nähere touristische Umfeld besonders attraktiv. Dieses nähere touristische Umfeld auch im Land Sachsen-Anhalt muss barrierefrei sein; denn jede Mutti und jeder Vati mit einem Kinderwagen hat genau dasselbe Problem wie beispielsweise ein Rollifahrer. Also ist das Thema Barrierefreiheit, Herr Kollege Czeke, hierbei nicht ausgespart, sondern ein sehr wichtiger Bestandteil dieses Antrags, auch wenn es nicht explizit niedergeschrieben wurde.

(Zustimmung von Frau Hampel, SPD, und von Frau Schmidt, SPD)

Meine Damen und Herren! Warum hat das Interesse am Heimatland und an der näheren Umgebung deutlich zugenommen? - Das ist sicherlich auch deshalb der Fall, weil wir europaweit beobachten können, dass die Treibstoffkosten explodieren. Das hat zu einem Umdenken in der Urlaubsplanung geführt.

Insbesondere Familien, die oft mit dem Auto nach Süden oder nach Südosteuropa unterwegs waren, entscheiden sich heute aus Kostengründen für einheimische Standorte. Ich habe ausgerechnet, dass die Entfernung zwischen Magdeburg und dem schönen Kroatien rund 1 140 km beträgt. Das sind hin und zurück 2 280 km. Rechnet man das Ganze mit zehn Litern Spritverbrauch auf 100 km bei durchschnittlich 1,40 € je Liter, dann können Sie leicht ausrechnen, dass Sie weit mehr als 300 € für die Benzinkosten hinlegen müssen.

(Herr Kosmehl, FDP: Wo tankst du? - Zuruf von der CDU: In Kroatien!)

Das berechtigt zu der Annahme, dass die Reisen immer kürzer werden, was auch die Untersuchungen der DZT bestätigen.

Meine Damen und Herren! Reisen in die nähere Umgebung werden auch deswegen interessanter, weil in den Urlaubskassen - darüber haben wir auch schon gesprochen - netto leider weniger liegt. Das heißt, wir müssen im Bereich Familientourismus eine sprichwörtliche Schippe zulegen.

Bei der Erarbeitung des Masterplans werden wir das tun. Es gibt bereits Gespräche - der Minister hat dies angesprochen - zwischen dem Landestourismusverband und den Häusern darüber, das Thema Kinder-, Jugend- und Familientourismus zu einem Qualitätsmerkmal für den Tourismus in Sachsen-Anhalt zu entwickeln. Ich denke, das sollte unser Anspruch sein.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, hätte ich zwar noch viel zu sagen, aber lassen Sie uns die Einzelheiten zu diesem Antrag in den Ausschüssen bereden. Lassen Sie uns auch darauf eingehen, dass wir uns bei bestimmten Dingen, wie zum Beispiel Urlaub auf dem Lande, an die eigene Nase fassen und schauen, wie das andere Länder machen. Vielleicht fallen uns andere Begriffe ein, wie zum Beispiel „Storytelling“, also Geschichten erzählen, um interessanter und attraktiver für Kinder und Familien zu werden. In der Schweiz heißt das „Urlaub bei Heidi und Geißenpeter“. Storytelling wäre ein Thema. Es geht also nicht nur um das Profane, um das Althergebrachte.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns in den Ausschüssen darüber reden und den Kinder-, Jugend- und

Familientourismus auf einen guten Weg bringen; denn das ist gelebte Familienpolitik auch für das Land Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Zimmer. - Ich erlaube mir die Bemerkung: Wenn alle Ihre Redezeit so überziehen wie die Tourismuspolitiker, dann kommen wir allesamt nicht in den Sommerurlaub.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich für die FDP-Fraktion Herrn Dr. Schrader das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es kurz zu machen: Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag und dem Änderungsantrag zu,

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

weil das ein Thema ist, mit dem man sich intensiv beschäftigen sollte, und zwar nicht nur im Parlament, sondern auch in den Ausschüssen.

Wenn man sich mit einem solchen Thema erst seit Kurzem beschäftigt - das gebe ich offen zu -, dann schaut man auf die Internetseite des Wirtschaftsministeriums, was sich hinter den Begriffen verbirgt und welche Informationen es dazu gibt. Dort findet man auf der Tourismusseite solche Schlagwörter wie Naturtourismus, Gesundheitstourismus, Kulturtourismus, Städtetourismus, Luthers Land, Domschätze, Musikland und UnescoWeltkulturerbe und natürlich die touristischen Säulen Himmelswege, Straße der Romanik, Gartenträume, Blaues Band usw. Die Stichworte Kinder-, Jugend- und Familientourismus fehlen. Nun kann man sich sagen: Das muss ja nicht sein, aber es könnte sein.

Wenn man aber in die Studie schaut, auf die die Koalitionsfraktionen abheben - sie ist aus dem Jahr 2004 -, dann stellt man schon Bemerkenswertes fest. Darin wird nämlich ausgeführt, dass gerade beim Familientourismus das Wie wichtig sei und nicht das Wo. Daraus wird geschlussfolgert, wenn das Wie wichtig ist und nicht das Wo, dass sich das Land Sachsen-Anhalt gerade hierbei besonders profilieren könnte. Wenn Sie, meine Damen und Herren, oft im Urlaub gewesen sind, dann wissen Sie, dass diesbezüglich nicht nur das Land SachsenAnhalt, sondern Deutschland ein enormes Defizit hat.

Beim „Wie“ geht es den Familien darum: Ist Kinderfreundlichkeit vorhanden und gibt es entsprechende Angebote? - Ein bisschen Kinderfreundlichkeit gibt es überall. Aber gerade die Deutschen sind prädestiniert dafür, dass man schon schief angeguckt wird, wenn man mit zwei, drei oder gar vier Kindern im Urlaubsort ankommt. Viele rümpfen dann die Nase und sagen: O Gott, die Armen. Was soll das mit unserem schönen Urlaub werden? - Das haben Sie alle schon erlebt.

Es mangelt in Sachsen-Anhalt und in Deutschland insgesamt also an der Kinderfreundlichkeit. Das ist kein Vorwurf an die Politik. Das ist ein Vorwurf insgesamt an die Mentalität und an die Verhaltensweisen, die wir Deutschen mittlerweile entwickelt haben. Gehen Sie nach Holland oder in die Mittelmeerländer. Dort sieht

das ganz anders aus. Hier haben wir für meine Begriffe eine Chance.

(Frau Hampel, SPD: Gehen Sie mal nach Bay- ern!)

- Bitte? Gehen Sie nach Bayern? - Nein, ich bleibe lieber in Sachsen-Anhalt. Es tut mir leid. Die Bayern kommen mittlerweile ja hierher.

(Beifall bei allen Fraktionen - Herr Gallert, DIE LINKE: Die Bayern kommen nach Sachsen-An- halt! - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Ja, insbesondere bei den Liberalen ist das so.