Auch der Bereich der Adressaten, an welche die Daten weitergegeben werden müssen, ist im deutschen Umsetzungsgesetz weitaus üppiger ausgefallen, sodass nun auch der Verfassungsschutz, der BND und der MAD mit den Daten versorgt werden können.
Der Plan der Bundesregierung, die vorgestern im Kabinett beschlossen hat, durch das so genannte ELENAVerfahren Einkommensdaten von 40 Millionen Arbeitnehmern zentral und in einer Datei zu speichern, bringt eine Erweiterung der Idee der Vorratsdatenspeicherung, und das mit dem Ziel des Bürokratieabbaus.
Eigentlich hatten wir gedacht, dass der neueste Skandal bei der Telekom und die Datenpanne bei den Kommunen, bei der monatelang die Meldedaten von mehr als 500 000 Bürgern im Internet einsehbar waren, auch auf Bundesebene zu einer Sensibilisierung in Fragen des Datenschutzes geführt hätte. Dies ist offenbar nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Der erste Teil des Antrages beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008, in deren Rahmen einer einstweiligen Anordnung teilweise stattgegeben wurde.
Danach ist die Nutzung der im Wege der Vorratsdatenspeicherung erhobenen Tüllekommunikationsdaten auf bestimmte Anlässe der Strafverfolgung zu beschränken. Es muss sich um eine schwere Straftat handeln, also um Mord, Totschlag, Raub oder Erpressung. Erschwerend müssen noch die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorliegen: Die Tat muss auch im Einzelfall schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldigen muss auf andere Art und Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein. - Das sind hohe Hürden.
Des Weiteren muss die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht bis zum 1. September 2008 einen Bericht über die praktischen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung vorlegen. Dazu müssen die Länder die für diesen Bericht notwendigen Informationen übermitteln.
Uns Liberale interessiert insbesondere, inwieweit Daten im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung von den Telekommunikationsunternehmen generell bzw. unter den einschränkenden Vorraussetzungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genutzt worden sind. Wir sind insbesondere daran interessiert, welche Bewertung die Landesregierung hinsichtlich des Mehrwertes der Vorratsdatenspeicherung vornimmt.
Im zweiten Teil des Antrages beschäftigen wir uns mit der Frage der Auskunftserteilung über die Telekommunikationsdaten. Neben der inhaltlichen Überwachung der Kommunikation der Bürger werden in einem steigenden Maße auch Kommunikationsumstände, nämlich wann, zwischen welchen Personen, wie oft und wie lange und vor allen Dingen auch wo Kommunikation stattgefunden hat, von den Sicherheitsbehörden ausgewertet.
Durch die Auskunftserteilung über die Telefonverbindungsdaten lassen sich Kommunikations- und Kontaktmuster sowie Bewegungsmuster der Kommunikationsteilnehmer erstellen.
Um einen effizienten Schutz des in Artikel 10 des Grundgesetzes verankerten Fernmeldegeheimnisses zu gewährleisten, muss man verhindern, dass die Kommunikation der Bürger unterbleibt, da sie befürchten müssen, von staatlichen Stellen überwacht zu werden.
Eine Möglichkeit zur Kontrolle der Eingriffe in das Grundrecht der Fernmeldefreiheit besteht in der Evaluation - es ist ein schweres Wort am Ende des Tages -
der Anwendung der Überwachungsmaßnahmen. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht wurde damit beauftragt. In seinem umfassenden Bericht hat das Institut festgestellt, dass bisher
kaum Datenerhebungen in diesem Bereich existieren und somit kaum aussagekräftige Beurteilungen für die Praxis der Abfrage getroffen werden können.
Das ist deshalb verwunderlich, weil die Anzahl der Abfragen sehr hoch liegt. Beispielsweise gab es im Jahr 2005 geschätzte 40 000 Fälle und niemand will darüber Auskunft haben.
Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Meine Damen und Herren! Die Anwender, die Kriminalisten selbst haben darauf hingewiesen, dass sie die Daten rein auf Verdacht nehmen, nur um zu verhindern, dass sie nach einem halben Jahr nicht mehr vorhanden sind. Das heißt, es werden Daten abgefordert, ohne zu wissen, ob sie gebraucht werden oder nicht. Hauptsache, man hat sie erst einmal, damit sie nicht verloren gehen. Dies sind Auswüchse. Sie müssen immer bedenken: Es geht um Bürger, die unbescholten sind.
Noch ein Wort zu Ihrem Änderungsantrag. In Ihrem Änderungsantrag wollen Sie, dass all die Punkte, die wir aufgeschrieben haben, nicht erwähnt werden: die Zukunft des so genannten Richtervorbehalts, die Ermittlungspraxis, nicht einmal einen Code of Practice, wie man damit umgeht, und auch nicht die notwendigen Maßnahmen, die man dann für das Startverfahren selbst brauchen könnte.
Über all diese Punkte wollen Sie nicht berichtet wissen. Das heißt, Sie wollen eine Maßnahme befürworten, ohne zu wissen, was sie bewirkt. Das ist ein seltsamer Antrag. Aber glauben Sie mir, Sie werden es nicht verhindern. Wenn Sie es nicht mit beschließen, dann mache ich es eben mit Kleinen Anfragen. Die Regierung wird dort nicht herauskommen. Wir wollen es weiterhin wissen. Ich hoffe aber, dass Sie unserem Antrag dennoch zustimmen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die schwierige Aufgabe, Sie zu der vorgerückten Stunde für das Thema Vorratsdatenspeicherung zu interessieren. Herr Wolpert hat völlig Recht: Das ist ein wichtiges Thema, das sich auch in unmittelbarem Zusammenhang an das gestern debattierte Thema der Änderung des BKA-Gesetzes und an das Thema, das heute Morgen diskutiert worden ist, nämlich der Datenschutz im privaten Raum, anschließt. Insoweit würde ich mir wünschen, dass wir dieses Thema noch in anderer Form mit der gebührenden Aufmerksamkeit diskutieren können.
Der Antrag greift eine der strittigsten Fragen des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24 DLG auf, kurz umschrieben mit dem Wort Vorratsdatenspeicherung, die ja auch schon eine Vorgeschichte hat. Es gab Mitte der 90er-Jahre schon einmal eine Bundesratsinitiative zur so genannten Vorratsdatenspeicherung, die damals von der Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt worden ist.
Insoweit überrascht es auch nicht, dass sich gegen dieses Gesetz eine Verfassungsklage richtet, über die in
der Hauptsache noch nicht entschieden ist. Meine Damen und Herren! Einmalig ist insoweit diese Verfassungsklage, als 35 000 Bürger Unterschriften gesammelt und einen Anwalt beauftragt haben, im Namen dieser 35 000 Bürger die Klage einzureichen.
Ich glaube, das zeigt ganz deutlich, dass wir uns hierbei wirklich in einem sehr sensiblen Spannungsfeld zwischen effektiver Strafverfolgung und garantierten Freiheitsrechten bewegen. Ich denke, wir müssen uns auch immer wieder vor Augen halten, dass sich nach den Ereignissen des 11. September die Sicherheitslage verändert hat, sich aber nach wie vor die Frage stellt, inwieweit die Einschränkung von Freiheitsrechten gerechtfertigt ist, um den Gefahren des internationalen Terrorismus tatsächlich wirkungsvoll begegnen zu können.
Die Landesregierung nimmt die Sorgen und Ängste der FDP ernst. Wir haben uns auch in ähnlichem Zusammenhang im Rechtsausschuss schon mit Fragen beispielsweise der Telekommunikationsüberwachung auseinandergesetzt. Ich kann an dieser Stelle bereits erklären, dass wir natürlich bereit sind, die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Was den Aufwand betrifft: Es besteht tatsächlich ein erheblicher Aufwand schon im Zusammenhang mit den Fragen, die die Staatsanwaltschaften derzeit beantworten müssen, um die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen.
Erlauben Sie mir noch einige Anmerkungen zu den Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008. Hierbei geht es um die Verpflichtung der Telekommunikationsunternehmen zur Speicherung der Verkehrsdaten, die sich schon aus § 113a des Telekommunikationsgesetzes ergibt und bereits Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bis zur Entscheidung in der Hauptsache zunächst im Wege einer einstweiligen Anordnung festgelegt, dass die Telekommunikationsunternehmen nach § 100g StPO nur noch dann die gespeicherten Verkehrsdaten herausgeben dürfen, wenn es sich auch im Einzelfall, also im konkreten Fall um eine schwerwiegende Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO handelt.
Das ist der wichtige Unterschied: Es geht hierbei nicht um die Datensammlung, sondern es geht konkret um die Herausgabe von Daten zum Zweck der Strafverfolgung. Insoweit ist also auch hier der Begriff des investigativen Journalismus fehl am Platze.
Für die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfassungsklage wird also nur in diesen Fällen der schweren Straftaten eine Herausgabe der Daten erfolgen. In allen anderen Fällen bleiben die Daten zunächst gespeichert und die Herausgabe ist dann je nachdem, wie die Verfassungsklage entschieden wird, zu behandeln.
Wir befinden uns also in einem Stadium, in dem durch das Bundesverfassungsgericht sowohl die rechtlichen Voraussetzungen der Vorratsdatenspeicherung nach §§ 113a und 113b des Telekommunikationsgesetzes als auch die Voraussetzungen einer konkreten Abfrage der gespeicherten Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach § 100g StPO überprüft werden.
Ich möchte nochmals betonen, dass wir der Bitte um Auskunft aufgeschlossen gegenüberstehen. Allerdings müssen wir darüber reden, in welchem Umfang und auch zu welchem Zeitpunkt die Darlegung von Auswertungsdaten möglich und auch sinnvoll ist.
Zum einen gibt es eine Verpflichtung - darauf haben Sie bereits in der Einbringungsrede hingewiesen -, dass die Behörden schon jetzt für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2008 im Rahmen einer Sondererhebung diese Daten erheben, was mit einem erheblichen Aufwand für die Staatsanwaltschaften verbunden ist. Das bedeutet nicht nur die Sichtung der entsprechenden Akten; in einzelnen Fällen sind sogar Anfragen bei den Netzbetreibern notwendig, um die speziellen Fragen, die das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung aufgegeben hat, zu beantworten.
Ich würde vorschlagen, dass man zunächst einmal diese Daten auswertet. Was wir hierzu an Erkenntnissen im Land Sachsen-Anhalt gewonnen haben, sind wir gern bereit im Ausschuss darzustellen. Ausgehend von den Ergebnissen würde ich vorschlagen, dann zu entscheiden, wie wir mit der weiteren Berichterstattung verfahren. Es ist ohnehin auch im Rahmen des Gesetzes vorgesehen, dass eine regelmäßige Berichterstattung jeweils zum 30. Juli des Folgejahres erfolgt. Diese Daten werden wir gern auch im Rechtsausschuss vortragen, offen legen und die von uns daraus geschlossenen Dinge auch darlegen.
Was die Frage des Mehrwertes der Vorratsdatenspeicherung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Strafverfolgung angeht, hat das von Ihnen zitierte Gutachten des Max-Planck-Institutes bereits ergeben, dass eine Effektivität nur bei Erhebung ganz bestimmter Indikatoren überhaupt festzustellen ist. Hier ist tatsächlich zu hinterfragen, inwieweit Aufwand und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Wenn ich mir das 300-seitige Gutachten und die einzelnen Schritte anschaue, in denen dort vorgegangen wird, kann ich mir vorstellen, dass das mit einem auch nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden sein wird.
Insbesondere was die Vielschichtigkeit der Ermittlungsansätze betrifft, müssen im Einzelfall immer noch bestimmte Fragen nachgestellt werden, deren Beantwortung sich ansonsten rein aus den Ermittlungsakten in dieser Form nicht ergibt.
Ich denke, wir können die sich daraus ergebenden Fragen im Ausschuss behandeln. Wir sind, auch wenn der Änderungsantrag beschlossen wird, gern bereit, die Daten, die gewünscht sind, zu erbringen. Herr Kosmehl, Sie wissen das. Wir haben auch im Rechtsausschuss, wenn sich weitere Fragen ergeben haben, ohne größere Probleme darüber berichtet. Ich denke, an dieser Verfahrensweise können wir auch beim Thema Vorratsdatenspeicherung festhalten. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Kolb. - Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Brachmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da sowohl der Antragsteller als auch Frau Ministerin das Problem hinlänglich beschrieben haben
und Frau Ministerin auch dargestellt hat, weshalb wir einen Änderungsantrag gestellt haben, ich ferner ahnte,
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und - da es die letzte Sitzung vor der Sommerpause ist - auch einen erholsamen Urlaub. - Vielen Dank.
Vielen Dank. Das genehmige ich natürlich. Sie sehen, dass Sie damit die Aufmerksamkeit doch auf sich gezogen haben.
Das Thema der Vorratsdatenspeicherung ist ein äußerst umstrittenes, da es einen sehr sensiblen Bereich berührt. Ich teile deshalb die Sorge, die im vorliegenden Antrag der FDP zum Ausdruck kommt.
Vorratsdatenspeicherung bezeichnet die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Registrierung von elektronischen Kommunikationsvorgängen, ohne dass ein Anfangsverdacht oder konkrete Hinweise auf Gefahren bestehen.