Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Die Frage, welcher Nutzung eines Raumes oder eines Gebietes ich Vorrang gebe, hat sehr stark damit zu tun, in welche Richtung die Entwicklungsperspektiven des Landes gehen. Das muss ganz oben anstehen. Das ist eine sehr politische Entscheidung.

Ich nenne einmal zwei Extreme und sage vorweg: Das sind zwei idealisierte Extreme, die in der Realität so nicht vorkommen. Das eine Extrem besagt: keine neuen Straßen, keine neuen Autobahnen, keine Industrie und kein Bergbau, keine neuen Siedlungen - alles gehört unter Schutz gestellt. Das andere Extrem ist - Sie wissen, was jetzt kommt -: keine Schutzgebiete; jedwede Nutzung muss auf allen Flächen möglich sein. - Beides ist illusorisch und nicht realistisch. Aber - jetzt wird es politisch - je nachdem, wie die politischen Konstellationen sind, tendiert das Pendel mehr in diese oder jene Richtung.

Ein Beispiel: Wäre Mitte der 90er-Jahre die Nordverlängerung der A 14 in den Landesentwicklungsplan aufgenommen worden, wäre sie möglicherweise jetzt schon fertig. Das, womit wir uns jetzt zu beschäftigen haben, sind möglicherweise Fehlentwicklungen in der Raum- und Landesplanung, die zehn Jahre zurückliegen. Was ich damit sagen will: Es sind wirklich perspektivische Entscheidungen, die hier zu treffen sind.

(Herr Tögel, SPD: Das ist sehr naiv, wie Sie das sehen, Herr Schrader!)

- Herr Tögel, Sie haben ja damals mitgewirkt. Deswegen nehme ich das so zur Kenntnis. Wir können uns gern noch einmal darüber unterhalten.

Damit sind wir beim Thema „Identität eines Landes“ oder, wie es auch heißt, „Heimatgefühl“. Das heißt: Wie sieht die Bevölkerung ihr Land? Wozu bekennt sie sich? Dabei geht es nicht so sehr um die Schwächen, sondern um die Stärken eines Landes. Die Stärken sind die eigentlichen Entwicklungsperspektiven.

Sachsen-Anhalt ist - das muss man sagen; das wissen Sie alle auch - ein Land mit reichhaltiger Kulturgeschichte. Es ist das Land von Chemie, Bergbau und Landwirtschaft. Genau das sind auch unsere Entwicklungsperspektiven, die wir immer im Auge haben müssen. Die wichtigen Branchen in unserem Land, Maschinenbau, Lebensmittelwirtschaft, Pharma und Saatzucht, basieren alle darauf. Minister Daehre hat es gesagt: Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes muss uns am Herzen liegen, damit es Wohlstand möglichst für alle gibt. Diese Perspektive ist das eigentlich Entscheidende.

Ganz zum Schluss möchte ich noch sagen: Es ist ganz wichtig, dass Raumordnungspolitik so begriffen wird, dass sie einerseits verlässlich, andererseits aber auch bis zu einem gewissen Grade flexibel ist. Was einmal festgelegt ist, darf nicht unumstößlich sein. Wir wissen nicht, was in zehn oder 20 Jahren ist. Wir brauchen die Möglichkeit, Umnutzungen vorzunehmen.

Ich danke Ihnen und wünsche dem Raumordnungsministerium mit seinem neuen Staatssekretär viel Glück bei der Bewältigung dieser Aufgaben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Nun spricht Herr Scheurell für die CDUFraktion. Bitte, Herr Scheurell.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst möchte ich unserem Minister Karl-Heinz Daehre danken für die erste Wahl - -

(Der Abgeordnete trinkt aus einem schon benut- zen Glas auf dem Rednerpult, das von einem Saaldiener entfernt wird)

Jetzt habe ich wohl aus Versehen - - Entschuldigen Sie. Das ist kein Problem.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Zunächst möchte ich unserem Minister Karl-Heinz Daehre danken für die erste Wahl, die er in der Vergangenheit mit dem Staatssekretär Herrn Dr. Gottschalk getroffen hat. Jetzt möchte ich ihm für die beste und erste Wahl danken, aus unserer Fraktion Herrn André Schröder zu nehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es fällt uns schwer, diese Lücke zu füllen. Alles Gute für die Zusammenarbeit!

(Oh! bei der FDP - Frau Bull, DIE LINKE: Es reicht! Genug!)

Ich denke, die Wahl ist vertrauensvoll. - Es reicht eben nicht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der LIN- KEN)

- Ja, das kann man ruhig einmal machen. Ein Dank an die Fraktion DIE LINKE, die zu würdigen weiß, wie

schwer es ist, die Bank zu wechseln. Sehr geehrte Frau Dr. Klein, danke.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn wir schon einmal beim Danken sind, auch ein Dank an Frau Paepke, die die Fachabteilung vertritt. Das sieht mir der Minister bitte nach. Er hat selbst gesagt, dass nichts geändert werden musste.

Diese umfänglichen Beantwortungen lassen sicherlich, sehr geehrter Herr Dr. Köck, noch Fragen offen. Aber angesichts dessen, wie gut Sie in der Raumentwicklung Bescheid wissen, wird so manch einem das Wissen ausgehen, diese Fragen auch wirklich so erschöpfend zu beantworten, wie Sie sie beantworten könnten.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Nun sag wenigstens ja! - Heiterkeit bei der LINKEN)

Der Versuch ist gestartet. Wir haben eine gute Ausgangslage. Zu der Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion möchte ich Folgendes sagen: Heute ist ein falsches Bild entstanden, finde ich. Wir arbeiten in den Arbeitskreisen sehr gut zusammen.

(Oh! bei der FDP)

Wenn dann die SPD-Fraktion und unsere Partner im Arbeitskreis dafür sorgen wollen, dass weiterhin keine Fraktionsbeschlüsse unsere Arbeit behindern, dann kuscheln wir noch viel enger miteinander.

(Heiterkeit bei allen Fraktion - Ui! bei der FDP - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das erklären Sie mal dem Minister! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

- Das erkläre ich, Herr Dr. Eckert; denn von der Zusammenarbeit der vergangenen zweieinhalb Jahre in unserem Arbeitskreis kann man sagen, dass Sach- und Fachpolitik betrieben wurde, die absolut lobenswert ist und für manch anderen Arbeitskreis absolut abguckenswert wäre.

Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Raumentwicklungspolitik in Sachsen-Anhalt kommt meines Erachtens nicht von ungefähr. Vor nicht allzu langer Zeit war in der Presse zu lesen, dass die Linkspartei im Jahr 2007 beschlossen habe, die Landesentwicklungsplanung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken zu wollen. Gleichzeitig wurde ein mehrseitiges Konzept vorgestellt, das quasi als Gegenentwurf zum ersten Entwurf des neuen Entwicklungsplanes deklariert worden ist. Offensichtlich galt die Große Anfrage, die das oben genannte Konzept leider nicht sehr umfänglich wiedergegeben hat und noch offen ließ, in Ihrer Detailverliebtheit genau diesem Thema.

Werte Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE, wir freuen uns auf eine rege Diskussion zur Raumordnung und Landesentwicklung in Sachsen-Anhalt. Der Minister hat es schon gesagt. Eigentlich kann ich dem nur zustimmen. Wir werden uns die Zeit nehmen und ganz unaufgeregt, sicherlich auch im gegenseitigen Aufeinanderzukommen, einen guten Plan zur Entwicklung unseres Landes aufstellen, der seiner Bedeutung angemessen sein wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus welchem politischen Blickwinkel man die Raumordungspolitik in unserem Land auch betrachtet, man kommt an zwei Aspekten nicht vorbei: Zum einen wird die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge schwieriger und zum anderen ist der demografische Wandel im Zeitalter der

Globalisierung zu einer zentralen Herausforderung geworden.

Für die Zielstellung einer verantwortungsvollen Raumentwicklungspolitik in unserem Land kann dies nur bedeuten, dass zwischen Arendsee und Zeitz gleichwertige Lebensverhältnisse für unsere Bürger gewährleistet sein müssen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Insofern bedanke ich mich bei meinem Vorredner, unserem Minister, für seine Ausführungen zum Mitteleinsatz in der Raumerschließung. Die vorangegangene Debatte, in der es um die Finanzen ging, hat es noch einmal zutage gebracht: Keiner der Redner möchte zukünftig auf infrastrukturelle Investitionen verzichten. Keiner der Redner hat die Bildungspolitik ausgelassen. Von daher ist eine große Übereinstimmung auch in der Sacharbeit zu erwarten.

Eine ausgewogene Landesentwicklung erreichen wir nur durch ein Zusammenwirken des ländlichen Raumes mit den großen Städten, nicht aber durch eine einseitige Fixierung auf nur wenige Regionen. Hierbei gilt es, Entscheidungsspielräume aufrechtzuerhalten, damit Unternehmen für Investitionen sowohl in die Oberzentren als auch in den ländlichen Raum gewonnen werden können.

Wir benötigen Wertschöpfungsketten sowohl in den Oberzentren als auch in Mittelzentren, aber auch verkehrlich gut angeschlossene und mit Verwaltungs- und Wirtschaftsfunktionen ausgestattete Städte an den Randlagen des Landes, die darüber hinaus als ein über die Landesgrenzen hinauswirkendes Schaufenster für die Attraktivität unseres Landes Sachsen-Anhalt dienen.

Ein wichtiges Anliegen des Landesentwicklungsplanes und der Raumordnungspolitik des Landes ist es dabei, Standortbedingungen im Land weiterzuentwickeln, um die Rahmenbedingungen für den weiteren Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft im Land zu setzen. Neben den Oberzentren Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau sind Mittelzentren, insbesondere an ausgewiesenen Entwicklungsachsen, als Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung beizubehalten.

Grund- und Mittelzentren besitzen darüber hinaus wichtige Siedlungs- und Versorgungsfunktionen. Perspektivisch muss die Anzahl an zentralen Orten sicherstellen, dass die damit verbundene Funktionswahrnehmung vor Ort auch tatsächlich gewährleistet ist.

Ich möchte an dieser Stelle nicht erneut das vieldiskutierte Grundgerüst unserer Landesentwicklungsplanung, das Zentrale-Orte-Konzept, durchdeklinieren. Ich möchte aber loswerden, dass wir uns in dem für die Raumordnung verantwortlichen Ausschuss über die Bedeutung der Worte „Oberzentrum“, „Mittelzentrum“ und „Grundzentrum“ bewusst sind. Das müssen viele in diesem Parlament für ihre Arbeitskreise und für ihre Deklination des Begriffes „FAG“ zum Beispiel noch erlernen.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Wir machen eben Schritt. Wir sind früher aufgestanden.

Es sei mir kurz erlaubt, auf die Forderung der Linkspartei einzugehen, fünf Oberzentren entsprechend den fünf Planungsregionen in Sachsen-Anhalt zu installieren: Es hört sich zunächst nach einem großen politischen Wurf an, wenn man neben Magdeburg, Halle und Dessau

Roßlau die Städte Stendal und Halberstadt zu Oberzentren und Gardelegen und Havelberg zu Mittelzentren erklären würde. Das würde jedoch bedeuten, dass wir unsere vorhandenen Ober- und Mittelzentren finanziell und auch inhaltlich abwerten würden bzw. alternativ finanzielle Mittel zur Förderung dieser Städte aus der Fläche ziehen müssten. Es wäre der Beginn von landesplanerisch gewollten Wüstungen und ökologischen Ausgleichsgebieten in unserem Land.

(Herr Gallert, DIE LINKE: O Gott!)

Das ist nach meiner Auffassung keine seriöse Politik, um die Daseinsvorsorge und die öffentlichen Infrastrukturen nachhaltig zu sichern. Das ist ganz klar.

(Herr Gallert, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)