Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

(Herr Gallert, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)

- Gerne am Ende, sehr geehrter Herr Gallert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine der großen Herausforderungen, vor der das Land Sachsen-Anhalt steht, ist die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft. Der Wettbewerb auf den Waren-, Dienstleistungs- und Informationsmärkten verstärkt sich. Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb der Standorte und Regionen um Investitionen und Arbeitsplätze.

Darauf muss die Landesentwicklungsplanung reagieren, indem sie auf zukunftsorientierte regionale Standortpolitik setzt und die vorhandenen Stärken und Innovationspotenziale nutzt. Ich sehe unsere bestehenden Oberzentren, vor allem Halle und Magdeburg, dabei als sehr gut aufgestellt an.

Darüber hinaus ist es auch notwendig, für die künftige Landesentwicklungsplanung zu prüfen, welche Mittelzentren in ihrer Funktion als Rückgrat der öffentlichen Daseinsvorsorge gestärkt werden können. Wer dabei fordert, ein bisheriges Grundzentrum zu einem Mittelzentrum aufzuwerten, hat meines Erachtens die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine weitere große Herausforderung für uns alle stellt der demografische Wandel in Deutschland und insbesondere in Sachsen-Anhalt dar. Dieser ist durch einen Rückgang der Bevölkerung und einen raschen Zuwachs des Anteils älterer Menschen gekennzeichnet. Insoweit macht sich insbesondere der Weggang junger Frauen aus SachsenAnhalt bemerkbar; denn damit fehlt ein Teil der Müttergeneration heute und in den kommenden Jahren. Im Jahr 2025 wird jeder zweite Einwohner Sachsen-Anhalts über 50 Jahre alt sein. So Gott will, werde ich dazugehören.

Dank der Umsichtigkeit unserer Landesregierung haben wir bereits frühzeitig damit begonnen, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Der Umbau unserer Städte, die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere in ländlichen Gebieten, die Initiierung von Modellprojekten beispielsweise für ein generationsübergreifendes Wohnen, letztlich auch die Internationale Bauausstellung „Stadtumbau 2010“ und vieles mehr sind Projekte, mit denen wir uns dem demografischen Wandel stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch sehr viel aufzählen, aber das Ende der Redezeit ist erreicht. Daher verlagere ich die guten Ideen, die unsere Fraktion einbringt, mit in die Ausschussarbeit, damit ein guter Landesentwicklungsplan für unser Land und die Zukunft unseres Landes aufgestellt wird.

Sehr geehrter Herr Gallert, Sie hatten eine Frage.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Zuerst muss der Präsi- dent fragen!)

Sehr geehrter Herr Scheurell, Herr Gallert hat eine Frage. Wenn Sie sie beantworten möchten, dann erteile ich jetzt Herrn Gallert das Wort.

Das verdient die Fraktion DIE LINKE; denn sie hat sich hier sehr viele Aufgaben gestellt.

Herr Scheurell, ich hatte zwischenzeitlich überlegt, ob ich wirklich noch eine Frage habe. Aber ich will an einer Stelle doch noch einmal versuchen, es auf den Punkt zu bringen.

Es war in der Tat so, dass der ursprüngliche Kabinettsentwurf der Landesregierung in etwa noch elf Mittelzentren vorsah.

(Minister Herr Dr. Daehre: Nein, nie!)

- Doch, nach Ihren alten Kriterien schon. - Inzwischen sind es 22. Bei uns sind es 25. Dazu sagen Sie, dadurch würden wir in Sachsen-Anhalt Wüstungen entstehen lassen, durch diese drei Mittelzentren würden Wüstungen erzeugt werden. - Das müssen Sie mir bitte noch einmal kurz erklären.

Sehr geehrter Herr Gallert, das mache ich gern. Darauf könnten die Finanzpolitiker und Innenpolitiker noch viel besser reagieren; denn sie sind dafür verantwortlich, dass die finanzielle Ausstattung gerade der Mittel- und Oberzentren ausreichend bemessen ist. Die Tatsache, dass Sie diese auf eine größere Zahl von Zentren aufsplitten wollen, führt zu weitreichenden Folgen für den ländlichen Raum.

Sehr geehrter Herr Gallert, dabei sind wir doch eigentlich dicht beieinander; denn wir alle sind Menschen, die hier wohnen und die in ihren Wahlkreisen Rede und Antwort stehen müssen. Wenn wir den ländlichen Raum schädigen, dann schädigen wir letztlich das gesamte Land Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Was wollen Halle und Magdeburg noch verwalten, wenn es den ländlichen Raum nicht mehr gibt? Lasst uns also bitte im Ausschuss die Lösungen, die uns die Landesregierung schon einmal vorgegeben hat, unterstreichen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scheurell. - Nun erteile ich noch einmal Herrn Dr. Köck das Wort. Bitte schön, Herr Köck.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Scheurell, erst einmal ein ganz großes Kompliment an Sie: Sie sind der

Einzige, der sich auf die Dinge, die wir als Linkspartei vorhaben, gut vorbereitet hat. Sie haben - im Gegensatz zu Herrn Schrader - gemerkt, wo der rote Faden ist. Man sollte Sie in der nächsten Zeit also nicht unterschätzen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Er hat sogar zitiert!)

Meine Damen und Herren! Ich habe ganz bewusst die fachliche Diskussion ausgeklammert, weil der Rahmen einfach zu groß ist, und mich auf die politischen Dinge konzentriert.

Ich möchte an dieser Stelle einen Gedanken einfügen, der das grundsätzliche Verhältnis von Legislative und Exekutive ein bisschen beleuchtet. Das ist ein ambivalentes Verhältnis; das ist ganz klar. Wenn Herr Minister Daehre sagt, er sei lernfähig und man könne ein bestehendes Gesetz einfach mir nichts, dir nichts links liegen lassen, dann ist das etwas, was genau das Verhältnis von Legislative und Exekutive betrifft. Es ist die Frage, wie ernst wir unsere Gesetze nehmen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Genauso lax geht der gute Minister über das Landtagsinformationsgesetz hinweg. Ich könnte mich dumm stellen und sagen: Von was für einem Landesentwicklungsplan ist hier überhaupt die Rede? Ich kenne keinen.

Die letzten Informationen über den Stand der Bearbeitung des Landesentwicklungsplanes stammen vom 18. März, als sich das Kabinett mit den Kriterien für die zentralen Orte befasst hat. Es gibt keine Pressemitteilung. Ein paar handverlesene Journalisten durften im Ministerium einen Blick hinter die Kulissen werfen. Es gab auch Anrufe bei Journalisten, die dann Meldungen im Radio brachten. Der ganze Sommer ist vergangen und ich weiß bis heute als Abgeordneter noch nicht, wie weit die Bearbeitung fortgeschritten ist.

Im Landtagsinformationsgesetz und in der Vereinbarung dazu steht, dass die Abgeordneten bei wesentlichen Dingen der Landesentwicklung schriftlich zu unterrichten sind. Das ist bis heute nicht erfolgt.

Die Kommunikation zwischen Exekutive und Legislative ist sehr kompliziert. Die Exekutive kommt ohne uns Parlamentarier sehr wohl aus, Herr Schrader. Sie haben ja gesagt, wir seien ein Störfaktor. Die Fragen zu beantworten koste Zeit. Was solle das? Die Fragen seien in einer viel zu großen Breite gestellt gewesen.

Wir als Abgeordnete sind aber auf den Informationsfluss aus den Ministerien angewiesen; denn wir sollen nachher die politischen Entscheidungen mit allen Konsequenzen tragen. Dazu brauchen wir die Ministerien. Das Erlangen einer bestimmten Information gestaltet sich aber zu einem Verwaltungsakt. Auf die Antworten wartet man wie beim Fernschach zu Zeiten der Postkutsche: Wochen!

Es gibt eine andere Interpretation dafür, dass wir als Abgeordnete noch nicht informiert worden sind. Im Landtagsinformationsgesetz heißt es: bei wichtigen Anlässen der Landesentwicklung. - Man könnte Minister Daehre unterstellen, dass er die Bedeutung des Landesentwicklungsplans so tief hängt, dass er unter diese Schwelle der Wichtigkeit fällt. Ich denke jedoch nicht, dass das der Fall ist.

Jetzt aber kommt das Problem. Wenn die Wertschätzung der Hausspitze - ich sage es jetzt einmal so - entsprechend hemdsärmlig in diese Richtung läuft, dann

brauche ich mich nicht darüber zu wundern, dass es an einer redaktionellen Bearbeitung mangelt. Das Hauptmanko der Antwort auf die Große Anfrage ist nämlich die Heterogenität der Antworten. Die Anfrage ist den Mitarbeitern in den Häusern auf den Tisch gelegt worden. Jeder hat die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen - oder auch nicht - beantwortet. Vielleicht waren einige auch zeitlich überlastet. Die Antworten sind dann eingesammelt und zur Druckerei gebracht worden - Schluss, aus, fertig.

Es geht nicht um eine politische Redaktion, sondern um eine fachliche Ausgewogenheit der Antworten. Das ist hier äußerst sträflich vernachlässigt worden. Dazu kann ich nur sagen: Gelbe Karte!

(Beifall bei den LINKEN)

Besonders schlimm ist, dass die dünnsten Bretter im eigenen Ministerium - ich nehme die Raumordnung aus - gebohrt wurden und die zweitdünnsten Bretter im Umweltministerium. Das sind gerade die Ministerien, die ganz wesentlich für die Belange der Raumordnung und der Landesentwicklung Verantwortung tragen.

In den Antworten kommen Aussagen wie: Es sind keine Aussagen darüber möglich, wie sich genehmigungsbedürftige Fließgewässernutzungen und Renaturierungen entwickelt haben. - Nun gibt es - jeder weiß das - akribisch geführte Wasserbücher. Jeder weiß, dass das Wasserrecht neben dem Bergrecht ein Recht ist, welches aus dem Mittelalter stammt. Wenn ich einen Stein ins Wasser werfe, dann ist das fast der Tatbestand einer Gewässerbenutzung, die ich genehmigen lassen muss.

Ich kenne die Mitarbeiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz als äußerst kooperativ; die hätten die entsprechenden Informationen bestimmt herausgesucht. Man kann sich auch auf Beispiele berufen und sagen, an der Wipper ist es so und so und das ist mit anderen Landesteilen vergleichbar.

Aber ich muss mir einen Kopf machen, um meinetwegen auch eine kreative Antwort zu geben. Das ist das, was mich besonders wütend macht. Ich muss Ihnen sagen, dass mich die Aufregung über die Antwort auf diese Große Anfrage nah an die Grenzen des Ertragbaren herangebracht hat.

Bei der Frage, wie viele Gemeinden einen Landschaftsplan aufgestellt haben, war die Antwort, dass es keine Übersicht gibt. Die Umweltministerin ist nicht anwesend, aber ich würde ihr jetzt gern die Liste übergeben. Wir haben 747 Gemeinden in diesem Land, die einen Landschaftsplan aufgestellt haben. Insgesamt 269 Landschaftspläne waren nötig, diese zu überplanen. Das ist der Stand vom 15. Juli 2008.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

In Bezug auf das Verhältnis zur Exekutive ist zu sagen, dass Kommunikation immer auch die Bereitschaft der Partner zum Sprechen und zum Zuhören voraussetzt. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich mit den Mitarbeitern aus dem Bereich Verkehr des Ministeriums von Herrn Minister Daehre eine Antenne gefunden habe; denn die Antworten waren - ich will es gelinde sagen - grenzwertig.

Wenn ich wörtlich nehmen würde, was dort geantwortet wurde, dann ist die taufrische mittelfristige Finanzpla

nung nicht das Papier wert, auf dem sie steht; denn auf die Frage des jährlich nötigen Mitteleinsatzes für den Erhalt der überörtlichen Verkehrsinfrastruktur erging folgende Antwort:

„Der Erhaltungszustand der überörtlichen Verkehrsinfrastruktur ist unterschiedlich. Für die einzelnen Bereiche existiert eine Vielzahl von Werten über die Höhe der Finanzierung der Erhaltungsaufwendungen. Es gibt jedoch keinen allgemeinverbindlichen Konsens über den herzustellenden Zustand.“

Dass es anders geht - ich nehme an, so viele Mitarbeiter haben nicht gewechselt -, zeigt die Große Anfrage der CDU. Die Antwort darauf enthält jede Menge Tabellen, Zahlen und Kosten. Es geht also, wenn man will, aber man wollte offensichtlich nicht.

Mehrere Antworten sind unter den Erwartungen geblieben. Diesbezüglich müssen wir in den Ausschussberatungen nachfragen, weil sie wesentlich sind. Zum Beispiel war die Antwort des Landes im Hinblick auf die Erfüllung der Nachhaltigkeitsstrategie in Bezug auf den Bodenverbrauch - dort ist Sachsen-Anhalt Spitzenreiter -, solche Daten seien nicht verfügbar. In der Antwort auf Frage 45 heißt es:

„Die Beantwortung der Frage erfordert eine Abfrage aller Kommunen. Dieses kann aufgrund des hohen Arbeits- und Zeitaufwandes nicht geleistet werden.“