Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Wir werden im kommenden Frühjahr im Wissen um den Jahresabschluss und im Wissen um das Ergebnis der Steuerschätzungen vom November und vom Mai die dritte Runde aufrufen. Dort soll es vor allem um die Investitionsplanung gehen, nämlich darum, die Bedarfe, die wir jetzt auf dem Tisch haben, mit den Drittmitteln für die nächsten Jahre so vernünftig unterzubringen, dass so viele Bedarfe wie möglich dargestellt werden können.

Denn es macht keinen Sinn, jetzt über die Hochschulplanung zu reden, aber zu sagen, die Mittel gibt es erst im Jahr 2016, oder erst dann die Wirtschaftsförderung zu verstärken, wenn der Bund aus der Wirtschaftsförderung schon ausgestiegen ist. Aber das ist gar nicht so einfach; denn die Begehrlichkeiten sind natürlich groß. Ich glaube, dass das Kabinett an dieser Stelle genauso vernünftig agieren wird, wie es bisher der Fall war.

Ziel soll es sein, für Sachen-Anhalt im nächsten Jahr ein langfristiges und in sich schlüssiges Investitionsprogramm bis zum Jahr 2020 auf den Weg zu bringen. Wir werden also in der dritten Runde im Frühjahr 2009 das Ganze beenden, auf dieser Basis den Doppelhaushalt 2010/2011 erstellen und die Finanzplanung beschließen, und zwar - das sage ich ganz deutlich - ohne Defizite, ohne neue Schulden und mit den von mir eben erwähnten Eckpunkten.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, liegt der Zweck, der Sinn und der Ehrgeiz der Bemühungen der Landesregierung, jetzt und auch in den vergangenen Jahren: Wir konsolidieren, wir straffen die Verwaltung, wir sorgen vor, wir beginnen mit der Schuldentilgung. Dadurch gewinnen wir Geld für andere Aufgaben.

Es geht nicht - ich wiederhole mich - um das Sparen als Selbstzweck oder darum, dass ein Finanzministerium meinte, es wäre seine ureigenste Aufgabe oder anders könnte man gar nicht. Ich denke, das ist die Aufgabe der gesamten Politik. Es geht nämlich um die Gestaltung der Zukunft.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Die Leitfragen dabei sind die folgenden: Was ist für das Land eigentlich wichtig? - Wir müssen dabei auch einmal zu einer qualitativen Diskussion kommen. Wo wollen wir denn Schwerpunkte setzen? - Wir kennen die Diskussion über die Stadt-Land-Problematik, und keiner will abgehängt werden. Es ist so: Zwei Drittel der Menschen wohnen in Zentren. Es gibt auch im ländlichen Raum Grundzentren, auch das sind Zentren.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Kurze, CDU - Herr Kosmehl, FDP: Richtig!)

Wir wissen aber auch, dass es die großen Städte in das Umland zieht. Diesen Disput führen wir weiter und wir werden immer schauen - -

(Herr Kosmehl, FDP: Die Dörfler ziehen in die Städte!)

- Herr Kosmehl, wissen Sie, ich kann mit vielen Hinweisen leben, aber dass es die Dörfer zu den Städten zieht, hat mir noch keiner erzählt. Aber lassen wir das. Es gibt die Diskussion und auch Sie haben die Möglichkeit, eine andere Philosophie zu verfolgen.

Wo wollen wir denn die Schwerpunkte setzen? Welches sind die besten und die wirksamsten Mittel? Übrigens werden wir auf die Effektivität immer mehr Rücksicht

nehmen müssen. Die Zeit ist vorüber, in der wir Wirtschaftsförderungsmittel haben und jeder, der kommt, gefördert werden kann. Wir werden in der Zukunft auch nein sagen müssen. Was trägt denn in den nächsten zehn Jahren?

Diese Fragen müssen wir diskutieren, in der Regierung, im Landtag und natürlich in der Öffentlichkeit. Dazu dürfen und müssen alle - das sage ich vor allem im Parlament - Vorschläge erarbeiten. Denkverbote gibt es nicht. Das ist keine Phrase. Ich lebe das selber oft vor. Ich nehme mir schon einmal heraus, über den Tellerrand zu schauen und vielleicht einmal nicht das zu machen, was andere Länder seit Jahrzehnten machen. Ich denke, das ist auch das, was viele andere im Kabinett auch tun.

Die Strategiedebatte in Sachsen-Anhalt wird öffentlich geführt und nicht im verschlossenen Kämmerlein. Insofern kann ich damit leben, wenn in den Zeitungen steht: Die Minister streiten sich. - Mittlerweile ist ja jeder Disput ein Streit und jeder sachliche Disput ist meistens eine persönliche Fehde. Das ist so. Ich kann es nicht ändern. Ich will es auch nicht ändern. Es wird im politischen Raum auch instrumentalisiert; auch das ist Normalität. Solange die betreffenden Personen damit umgehen können, ist das okay. Ich lade alle ein. Wir müssen die Leute mitnehmen.

Ich will Ihnen einmal sagen, was für ein Bild mir ganz persönlich dabei vorschwebt: Ich möchte erreichen, dass wir in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 alle Kindertagesstätten, alle Schulen, alle Hochschulen, alle Straßen und alle Landesimmobilien in einen guten und sanierten Zustand versetzt haben.

Ich möchte einen sich selbst tragenden Aufschwung und eine massive Abnahme der Arbeitslosigkeit erleben. - Ich denke, das ist der Wunsch aller hier im Parlament.

Ich will gute staatliche Rahmenbedingungen sichern können, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger nach eigenen Zielen entfalten und an der Gestaltung der Gesellschaft stärker teilnehmen können, als es vielleicht heute der Fall ist. - Die Eigenverantwortung darf bei all dem aber nicht verloren gehen.

Ich weiß, die Zustimmung zur Mittelfristplanung wird, auch wenn wir uns in den eben genannten Punkten völlig einig sind, dann schon schwieriger. Wenn dann noch das Personalkonzept dazu kommt, dann bröckelt die Mehrheit noch mehr; denn der aufgezeigte Weg fällt natürlich schwer und es gibt viele Gruppen, die uns hinsichtlich der von mir eben genannten Parameter sofort zustimmen, solange sie nicht selbst betroffen sind.

Wir unterliegen manchmal - je nachdem, in welcher Rolle wir sind - leider der Versuchung, diese Gruppen über das Ganze zu heben. Jeder sollte aufpassen, wie er sich bei den Diskussionen über die Mittelfristplanung verhält; er könnte einmal Verantwortung tragen und davon mit berührt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich lade Sie also ein mitzumachen, meine Damen und Herren.

Sie werden mir in der folgenden Debatte - ich habe solche Diskussionen oft genug geführt - in unterschiedlicher Weise entgegnen, dass meine Annahme der Entwicklung der Steuereinnahmen zu positiv ist, dass die Investitionen natürlich zu gering sind und dass der Personalabbau zu stark gewichtet wurde.

Die einen werden sagen: Der spart sowieso viel zu viel. Es gibt noch mehr Dinge im politischen Leben. - Die anderen werden sagen: Der spart sowieso nicht; das ist nur Glück.

Die Anpassungen bei der Sozialhilfe sind vielleicht zu kritisch. Das Steueraufkommen, so könnte jemand sagen, könnte durch eine Vermögensteuer ganz schnell erhöht werden; da gibt es gar keine Probleme. Das heißt, man könnte Mehrausgaben auch dadurch decken, dass man einfach an der Steuerschraube dreht.

Ich sage Ihnen: Machen Sie das einmal so einfach. Erzählen Sie das draußen - das werden Sie tun -, aber das reale politische Leben sieht anders aus. Ich sage auch: So einfach sollte man es sich nicht machen, indem man einfach erklärt, man dreht an der Schraube A und alle anderen vielleicht schwierigen Dinge fallen automatisch weg.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Zusammengefasst wird die Kritik am Ende lauten: Die eigentlichen Probleme werden mit der Mittelfristplanung sowieso nicht gelöst. Die große Koalition beschäftigt sich mit sich selbst - was weiß ich -, mit den Hunden, mit dem Rauchen oder was auch immer, aber die Menschen werden allein gelassen. - Ich kenne diese Debatten.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Eines schaffen die Debatten aber nicht: eine Lösung. Sie ersetzen auch keine eigenen Konzepte. Sie ersetzen auch nicht den Blick auf das Ganze.

Lassen Sie uns, was die Mittelfristplanung und das Personalkonzept angeht, aus den Schützengräben ein bisschen herauskommen. Ich war in jeder Fraktion und biete weitere Gespräche ausdrücklich an.

Wir haben jetzt eine Aufgabe und wir haben die große Chance, die Entwicklung des Landes gegen künftige Stürme wetterfest zu machen. Die Mittelfristplanung und der nächste Doppelhaushalt werden das Land mehr beeinflussen, als es die Haushalte der Vorjahre getan haben; denn dieser Haushalt ist der erste, in dem sich zukünftige Einnahmeentwicklungen spürbar abzeichnen werden und bei dem wir sehr schnell zu Schwerpunktbildungen kommen müssen.

Ein Letztes: Wie gesagt, denken Sie bei aller Kritik daran - gerade diejenigen, die die ganze Zeit mit diskutiert haben -: Irgendwann sitzen Sie vielleicht selbst wieder auf den Bänken hier vorn und werden froh sein über das, was andere getan haben. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Der Abgeordnete Herr Kosmehl hat eine Nachfrage. Wollen Sie sie beantworten? - Bitte schön.

Herr Minister, ich habe eine Frage und möchte anschließend noch eine Bemerkung machen. Sie haben in Ihrem Vortrag mehrfach davon gesprochen, dass es 150 Neueinstellungen bei der Polizei gibt. Würden Sie mir zustimmen, dass es zu einer ehrlichen Debatte gehört zu erwähnen, dass dies eine Kürzung gegenüber Ihrem Personalentwicklungskonzept des letzten Jahres dar

stellt, in dem mehr als 200 Neueinstellungen im Jahr vorgesehen waren? - Das ist meine Frage.

Dann noch eine Bemerkung, Herr Minister. Meine Zwischentöne haben sich auf Folgendes bezogen: Sie haben zusammenfassend gesagt, die Dörfer ziehen nicht in die Zentren. Darin möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich glaube, dass wir gerade in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt Dörfer, kleine Städte, also Grund- und Mittelzentren, zum Beispiel in der Altmark, brauchen, die ebenfalls unser Land zusammenhalten. Es gibt eben nicht nur die drei Oberzentren.

(Beifall bei der FDP)

Ach, Herr Kosmehl, ich habe mit dem Blick auf das Ganze geendet und rede jetzt über 150 Neueinstellungen bei der Polizei. Das ist das, was ich meine. Es ist natürlich richtig, dass in diesen Diskussionen die konkreten Fragen die wichtigsten sind. Deswegen will ich auch nicht ausweichen.

Ich habe im vorigen Jahr hier dargestellt, dass das Personalkonzept immer für ein Jahr im Voraus die Rahmenbedingungen aufnimmt. Im vorigen Jahr - ich habe es hier erwähnt - betrug das Defizit in der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre rund 1 Milliarde €. Die Steuereinnahmen sind nicht so gewachsen, dass das alles auf der Einnahmenseite gelöst werden könnte. Vielmehr war klar, dass die größten Stellschrauben auf der Ausgabenseite sein würden. Die größte Stellschraube dort ist beim Personal.

Ich habe angesichts dieser Entwicklung hier im Landtag öffentlich gesagt, dass die Zielzahl von 20 Vollzeitäquivalenten auf 19 verringert wird, weil wir das für gerechtfertigt halten. Dann ist es doch klar, dass dies bei 2 600 Stellenrückführungen auch zu einer veränderten Zahl von Neueinstellungen führt; denn wir regeln den Stellenbesatz doch über die Neueinstellungen.

Wir unterstellen doch, dass die Leute normal aufhören. Wir legen - im Gegensatz zu Sachsen - immer 60 bzw. 65 Jahre zugrunde. Dann reguliere ich jeden einzelnen Bereich - ich glaube, das ist das, was man dem Personalkonzept nicht vorwerfen kann -, indem ich sage: Ich nehme Strukturveränderungen vor oder ich steuere das über die Neueinstellungen.

Natürlich hätte Herr Hövelmann gerne 200 Stellen gehabt. Natürlich hätte die Polizei das auch vertragen. Aber dann hätten wir dort einen Stellenbesatz von 5 600 und man würde nie bei der Zahl von 5 425 ankommen, die ich unterstellt habe. Das war also das Korrektiv.

Wir haben uns gemeinsam angeschaut, wie viele Leute in den letzten fünf Jahren wirklich aufgehört haben; denn es war klar - deswegen gab es manche Veränderung, die Sie in den letzten Monaten nicht so schnell mitgehen konnten -, dass unsere Annahme, alle Polizistinnen und Polizisten gehen mit 60 in Pension, nicht der Realität entsprach.

Das ist bei den Lehrern genauso. Wir haben mit Professor Olbertz einmal einen ganzen Abend lang zusammengesessen und haben uns angeschaut, wie die Altersstruktur und wie der tatsächliche Abgang ist. Siehe da: Bei der Polizei gehen pro Jahr 30 % bis 50 % mehr ab. Dadurch entstand, bezogen auf eine Zeitachse von zehn Jahren, ein Volumen von ungefähr 300 Stellen bei

der Polizei, das für Neueinstellungen bzw. für eine Rückführung der Zielzahl zur Verfügung steht. So einfach ist das.

Das nachzuvollziehen, was in der Mittelfristplanung und im Personalkonzept an Gestaltungsmöglichkeiten vorhanden ist, wie also die Zahl x oder y zustande kommt, ist sehr einfach. Darüber steht die politische Absicht, am Ende Geld umzusteuern.

Es kann sein, dass die Steuern im nächsten Jahr völlig wegbrechen oder andere Länder die Zahl der Vollzeitäquivalente von 19 auf 18 reduzieren wollen. Es kann aber auch sein, wie es schon einmal der Fall war, dass die Themen Polizei und Justiz die Schwerpunkte sind. Ich kann mich daran erinnern, dass Frauen, Familie und innere Sicherheit einmal Schwerpunktthemen waren. Damals wäre ich mit einer Zahl von 19 nie durchgekommen.

Ich weiß nicht, welches die politischen Schwerpunktsetzungen in Zukunft sein werden, aber aus heutiger Sicht und um die Zahl von 19 Vollzeitäquivalenten zu erreichen, haben wir gesagt, 150 Neueinstellungen sind ausreichend.

Natürlich kann man sich 200 Neueinstellungen wünschen. Aber als jemand, der sich damit befasst hat, sage ich Ihnen: Bei uns sind 5 400 Polizistinnen und Polizisten im Landesdienst. Würden wir hingegen die gleichen Verhältnisse wie in Niedersachsen haben, müssten wir mit 4 800 auskommen. Angesichts dessen halte ich das, was wir jetzt mit den 150 Neueinstellungen getan haben, für einen so guten Kompromiss, dass eigentlich jeder Innenpolitiker hier im Landtag klatschen müsste - auch Sie, Herr Kosmehl.