Dann gilt auf einmal das Schuldenaufnahmeverbot nicht. Daran sieht man, dass das politische Prioritäten sind, die da festgelegt werden. Da geht es eben nicht ausschließlich um die Konsolidierung der öffentlichen Hand, sondern darum, für wen man es infrage stellt. Das ist nämlich der Punkt, der dahinter steht. Es ist interessant, wie Ihre Positionen dort auseinanderfallen.
Jetzt sage ich nur zur HRE: Eine Alternative kann man anbieten: Den Apologeten der freien Marktwirtschaft, den Apologeten, die sagen, der Staat solle sich zurückziehen, jede Form von Regulierung schade bloß und bringe Deutschland im Wettbewerb mit den amerikanischen und britischen Banken nach hinten, müsste man eigentlich sagen: In Ordnung, das ist euer Tun, das ist eure Konsequenz, tragt bitte auch diese Konsequenzen! Dann dürfte man eigentlich nicht reingehen. Aber ich sage: Wenn man das nicht macht, weil man sagt, das sind die Dinge, die wir uns so nicht leisten können - -
- Ja, ist gut, lassen Sie mich ausreden. Es macht wirklich Schwierigkeiten, Ihnen in Ihrer Argumentation zu folgen, Frau Feußner. Aber das sei jetzt einmal dahingestellt.
Wenn man das aber nicht macht und sagt, man geht da jetzt rein, muss man auch wirklich konsequent sein und dann müsste man diese Banken übernehmen. Ansonsten passiert genau das, was wir mit der Berliner Landesbank erlebt haben, was wir mit der IKB erlebt haben. Dann bleiben die faulen Dinge beim Staat und beim Steuerzahler liegen und die Privaten ziehen sich wieder raus, die Privaten werden am Ende wieder gut dastehen.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Entweder so oder so, aber bitte keine Bürgschaften in Höhe von 26,5 Milliarden € aussprechen und dann sagen, wir sind eigentlich nicht damit einverstanden, dass der Chef nicht gehen will. - Ja, Mensch, wer hat denn dann das Sagen? 26,5 Milliarden € Bürgschaften, und wir haben nicht einmal einen Einfluss darauf, ob der Chef geht oder nicht! Inzwischen ist er von allein gegangen, aber wenn er gewollt hätte, hätte er immer noch bleiben können.
Ich sage: Entweder oder. Entweder gehen wir hinein und dann bestimmen wir die Musik oder wir lassen es bleiben und dann geht es krachen.
Aber es ist ein fataler Fehler, Geld hineinzugeben, ohne sich dafür Einfluss zu sichern. Das darf man nicht machen.
Wir kommen jetzt zum nächsten Debattenbeitrag. Für die FDP-Fraktion hat Herr Wolpert das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es immer ein Vorteil, wenn man zu einem späten Zeitpunkt redet, weil man sich dann nicht wiederholen muss und sich auf die Vorredner beziehen kann. Sie haben mir aber so viel Stoff gegeben, dass die zehn Minuten gar nicht ausreichen werden.
Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Gallert: Sie sprachen davon, dass man Regularien finden müsse, die eine Marktwirtschaft ermöglichten, und das sei die Position, die Sie in irgendeinem Eckpunktepapier, aber nicht in einem Programm niedergeschrieben hätten. - Ich will nur einmal sagen: Ihr Debattenredner Henke hat kein Plädoyer für die Marktwirtschaft abgegeben. Er hat sich in Polemik ergangen, Systemanfeindungen von sich gegeben und Marx zitiert, aber er hat keine Lösung vorgetragen, die er für dieses Problem vielleicht hätte.
Das Zweite ist: Ja, ich ärgere mich auch über den Bankenverband. Ich ärgere mich auch darüber, dass diejenigen, die durch ihr Fehlverhalten Schaden angerichtet haben, ihn jetzt nicht in dem Maße selbst tragen müssen, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber trotzdem werde ich - auch wenn Sie die MLPD mit eingebracht haben - keinen Radikalenerlass für den Bankenverband fordern.
Erstens. Die Banken sind nicht der Klassenfeind. Hinter ihnen stehen Menschen, die dort Geld verdienen, und auch Menschen, die ihr Geld dort hingebracht haben. Um deren Geld geht es auch. Es sind nicht nur institutionelle Anleger, um die es sich hierbei handelt.
Zweitens. Ja, wir sind dafür, dass möglichst wenig Regularien den Markt begrenzen, und ja, wir sind für eine soziale Marktwirtschaft. Wenn Sie aber einen Notfall haben - das ist wie mit den Dominosteinen -, dann ist es klüger, zu reagieren und einen Dominostein aufzuhalten, bevor man alle umfallen lässt, nur um prinzipientreu zu bleiben.
Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass Sie sagen dürfen: Ich muss die ganzen Dominosteine wegräumen, weil einer umzufallen droht. Das System ist falsch. - Das ist das, was Sie machen. Sie malen einfach nur schwarzweiß.
Sie haben vorhin das Beispiel der Berliner Bank angesprochen. Das ist keine Privatbank, das ist eine staatliche Bank gewesen.
Jetzt komme ich einmal zu dem Thema, über das wir in der Debatte eigentlich sprechen wollten. Aber noch ein Wort vorneweg: Herr Fricke ist FDP-Mitglied. Deswegen freue ich mich sehr über den SPD-Applaus.
Meine Damen und Herren! Die Gefahren, die sich aus der internationalen Finanzkrise ergeben, sind allgegenwärtig und überhaupt nicht mehr zu übersehen. Von Amerika ausgehend sind Banken in einem Ausmaß bedroht, das nicht nur die Finanzwirtschaft und einzelne Wirtschaftszweige, sondern ganze Staaten, zum Beispiel Island, gefährdet.
Es ist deshalb darauf zu achten, dass diese Debatte - was leider passiert ist - nicht dazu benutzt wird, kleinliche parteipolitische Taktikspielchen zu betreiben. Ziel dieser Debatte muss es doch sein, den Bürgern und Bürgerinnen zu vermitteln, dass Politik mit Verantwortung zu tun hat und diese auch wahrgenommen wird. Dabei sollte man sich vor voreiligen Schuldzuweisungen und falschen Schlüssen hüten.
Die Finanzkrise ist nur scheinbar von der zügellosen Gier eines ungeregelten Marktes getragen. Nein, meine Damen und Herren, die Krise ist zu einem großen Teil im staatlichen Handeln und Unterlassen begründet.
Wenn man die Entwicklung ausgehend von den Vereinigten Staaten betrachtet, dann muss man zunächst erkennen, dass die Geldpolitik der Fed unter Alan Greenspan zu lange viel zu viel und viel zu billiges Geld in das System gepumpt hat. Das ist Staatsverschulden. Dieses staatliche Handeln führte dazu, dass die jetzige Finanzierungsblase überhaupt entstehen konnte, eben finanziert werden konnte.
Der zweite Schritt war das Programm der amerikanischen Regierung, Häuser für jedermann erschwinglich zu machen. Durch Steuervergünstigungen und Subventionen sind Häuser an Menschen übereignet worden, die weit davon entfernt waren, auch nur einen Dollar für Zins und Tilgung aufbringen zu können.
Als einen dritten Punkt gab es den Zwang, Freddie Mac und Fannie Mae zu Finanzierungskartellen zusammenzuschließen. Der durch dieses staatliche Versagen heraufbeschworene Boom begründete auch die Erwartung von Wertsteigerungen bei Immobilien, sodass auf die Wertsteigerung noch Beleihungen möglich wurden. - Das alles ist privates Handeln? - Nein, das ist staatlich gewollt.
Wie ist das dann nach Deutschland geraten? - Die Antwort ist einfach. Man hat die schlechten Kredite in Pakete zusammengeschnürt, weil man den statistischen
Effekt kannte, dass sich das Ausfallrisiko bei solchen Produkten verringert. Diese Pakete wurden von den Rating-Agenturen mit einem AAA bewertet und daraufhin haben Anleger zugegriffen. An dieser Stelle kann man ansetzen. Wer bewertet eigentlich die Bewertungsagenturen?
Als die Blase platzte, offenbarte sich die Misere in Deutschland. Meine Damen und Herren! Die Institute, die als erste Schwierigkeiten bekamen und Hilfe brauchten, hießen: IKB, KfW, Sächsische Landesbank, Bayerische Landesbank, WestLB und nunmehr auch die Baden-Württembergische Landesbank - alles staatliche Banken, alles Banken mit staatlichen Aufsichtssystemen.
Deutlich wird das am Beispiel der IKB. Die IKB ist eine Tochter der KfW. Die Aufsicht über die KfW übt im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium das Bundesfinanzministerium aus. Im Aufsichtsrat der IKB sitzt das Bundesfinanzministerium. Das heißt, die staatliche Aufsicht kontrolliert sich selbst. Der Interessenkonflikt ist vorprogrammiert und lässt sich nicht einfach lösen.
Darüber hinaus muss man sich nicht nur ernsthaft fragen, ob die in diesen Banken verfolgten Geschäftsmodelle sinnvoll sind, sondern auch, was diese noch mit der Erfüllung staatlicher Aufgaben zu tun haben.
Ein Versagen dieser Strukturen wird man kaum als Marktverschulden ansehen können. Ich rede nicht davon, dass es nicht auch ein Marktverschulden gab und dass nicht auch andere versagt haben. Es ist aber eben auch ein Großteil Staatsverschulden dabei. Man kann es wohl so zusammenfassen: In Amerika hat man ohne Schiedsrichter gespielt und in Deutschland hat der Schiedsrichter mitgespielt. - Beides ist letztlich nicht in Ordnung, aber keine Frage des Systems.
Die Frage der Auswirkungen insbesondere auf SachsenAnhalt ist nicht leicht zu beantworten und hat auch etwas mit Kaffeesatzlesen zu tun, wie es der Finanzminister schon umschrieben hat.
Sieht man aber auf die einzelnen aufkeimenden Brandherde von Deutschland über Island bis zurück nach Amerika, kann man konstatieren, dass es ein Problem gewaltigen Ausmaßes gibt. Das kann und wird nicht ohne Auswirkungen auf die Investitionen bleiben und damit auch Auswirkungen auf die Konjunktur haben. Das Wachstum wird sich weiter eintrüben und das wird sich mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren auf die Konjunktur niederschlagen bis hin zu einer möglichen Rezession, von der ich hoffe, dass sie ausbleiben wird.
Dabei ist davon auszugehen, dass die Ballungsräume und Leuchttürme stärker betroffen sein werden als der übrige Bereich. Für Sachsen-Anhalt bedeutet das einen Einbruch der Einnahmen in Form von Steuergeldern bei gleichzeitigem Aufwandsanstieg auf dem Arbeitsmarkt beginnend ab den Jahren 2009/2010.
Die Zinsrisiken sind vor dem Hintergrund der jüngsten Reaktion der EZB für Sachsen-Anhalt als relativ gering einzuschätzen. Der Minister hat es dargelegt. Wir haben 4 Milliarden €, ungefähr 20 % unserer Schulden, in kurzfristigen Anlagen stehen. Ich will aber trotzdem darauf aufmerksam machen: Eine Zinsänderung in Höhe von einem Prozentpunkt bedeutet für unseren Haushalt ei
nen Betrag von 40 Millionen €. Es ist also nicht unbedingt so, dass man das völlig außer Acht lassen sollte.
Bei den Anlagen des Landes, zum Beispiel bei dem Sondervermögen Altlastensanierung - das sind immerhin 880 Millionen € -, liegen die Verlustrisiken im Wesentlichen in der Bonität der beanspruchten Institute. Interessant dabei ist die Einschätzung des Finanzministeriums, die auch in der neuen Fassung nicht geändert worden ist - wörtliches Zitat -:
„Die Fonds sind ausschließlich in Anleihen hoher Bonität (hierzu gehörte bis zur Insolvenz auch Lehmann Brothers) investiert und es liegt und lagen keine Subprime-Investments vor. Allerdings nahmen die Rentenfonds leichten Schaden, als diese illiquide waren.“
Friedrich der Große hat sie letztlich gewonnen. Man sagt dort einem General nach, er habe nach einer prekären militärischen Lage dem König berichtet: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Als Maria Theresia verloren hatte, soll ihr berichtet worden sein: Majestät, die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Mir scheint, dass der Finanzminister in dieser Einschätzung, zumindest was das Sondervermögen Altlastensanierung angeht, ein wenig zur österreichischen Sicht der Dinge neigt.