Sehr geehrter Herr Minister, Sie hatten vorhin auf den Legitimationsdruck hingewiesen, dem Sie sich ausgesetzt sähen, wenn Sie eine Institution besonders fördern würden, weil die Abgeordneten sicherlich kein Verständnis dafür hätten. Wie kommt eigentlich Ihre Kollegin in Sachsen mit der Förderung der Semperoper, des Gewandhausorchesters oder des Schauspielhauses Leipzig mit einem deutlich höheren Anteil zurecht und mit der klaren Bezeichnung als Landesensemble?
Lieber Herr Kley, ich würde mir wirklich wünschen, dass wir in Sachsen-Anhalt in den frühen 90er-Jahren im Kontext der Wiederherstellung der deutschen Einheit auch die gute Idee gehabt hätten, mit den gleichen Finanzmitteln in der Hand ein Kulturraumgesetz zu erlassen. Ich kann nicht begründen, warum wir es nicht getan haben; es wird für unser Land sicherlich nicht einfach gewesen sein. Aber wir haben es nicht und wir können es jetzt nicht einfach herbeizaubern.
Das, was ich aber jeweils in den Theaterverträgen verankert habe, ist in der Tat eine stärkere verbindliche Kooperationserwartung gegenüber Bühnen in Nachbarschaft, beispielsweise Halle und Eisleben oder Schönebeck und Magdeburg. Dort sind natürlich Ressourcen für die Kooperation und auch beispielsweise für die Abstimmung von Spielplänen enthalten.
Lieber Herr Kley, da Sie die Frage gestellt haben, beantworte ich sie eigens für Sie. Ich kann im Moment nicht vergleichen, ob meine Kollegin Frau Stange über die Auslastung, über Defizite in der Spielplankoordination, über die Einspielquoten und über die Bezuschussung je verkaufter Karte genauso beunruhigt sein muss, wie ich in Bezug auf Halle schlicht besorgt bin.
Dort können Sie über die letzten Jahre verfolgen, dass es zunehmend ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gibt. Ich habe selbst noch nie vorher erlebt, dass Karten für die Händel-Festspiele bis zum Schluss erhältlich gewesen sind. Das war in den letzten zwei, drei Jahren der Fall.
Ich sehe, dass die Koordination von Angeboten und Höhepunkten nicht optimal ist, und ich sehe die Auslastungsdaten bzw. die wirtschaftlichen Daten der Häuser. Diese Daten liegen mir im Ländervergleich vor; sie machen den Handlungsdruck in Halle deutlich kenntlich. Im Übrigen sage ich das ohne jeden konfrontativen Unterton. Dies ist nur eine Beschreibung.
Dieser Probleme ist sich die Stadt Halle durchaus bewusst; denn nicht ohne Grund kümmert sie sich um eine Zusammenfassung der Kulturangebote unter einem Dach. Sie will genau diese Koordinationsdefizite und ge
nau diese bessere Ausbalancierung zwischen Angeboten und Nachfrage durch die Gründung der Kultur GmbH hinbekommen.
Ich glaube, dass sie vom Grundsatz her, also im systematischen Sinn, auf einem guten und richtigen Weg sind; denn wir können jedenfalls Effizienzdefizite nicht auf Dauer finanzieren. Das ist unfair und ungerecht gegenüber den anderen Standorten wie Magdeburg oder Dessau, die in dieser Beziehung wesentlich besser aufgestellt sind und sich wesentlich früher um diese Ansprüche herum neu formiert haben.
Das kann ich nicht ausgleichen, indem ich einfach sage: Hier machen wir jetzt die Augen zu und schauen, dass wir das den anderen Bühnen, die auch alle in großen Sorgen um ihre finanzielle Absicherung sind, abziehen. Das kann ich einfach nicht tun.
Ich bin nun einmal - obwohl ich als Hallenser sagen muss, dass mir bei solchen Redepassagen das Herz blutet - für das Ganze in die Pflicht genommen worden und aus dieser Pflicht kann ich mich als Hallenser nicht einfach hinausbegeben. Ich glaube, rein menschlich wird das verstanden.
Ansonsten teile ich die Sorgen, die sie haben, und versuche ja auch, mit ihnen gemeinsam eine Lösung zu finden, zu der wir uns in einer klugen Mitte treffen und dann auch diese wirtschaftlichen Belange besser in den Griff bekommen, und zwar ohne Einbußen im künstlerischen Anspruch und in dem überregionalen Wirkungsanspruch der Staatskapelle. Dies ist für mich so klar, dass ich mich über jeden wundere, der etwas anderes erzählt.
Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Professor. Herr Gebhardt hatte noch eine Nachfrage. - Bitte schön, Herr Gebhardt.
Herr Minister, am Anfang nur eine kurze Klarstellung: Ich hatte nicht behauptet, dass in der gesamten Antwort der Landesregierung der Begriff „Staatskapelle Halle“ nicht vorkomme.
Das müssen wir einmal nachlesen. Ich habe eindeutig gesagt, dass in dem Bereich Orchesterlandschaft, den 20 Einzelfragen betrafen, der Begriff „Staatskapelle Halle“ nicht vorkommt, und darauf bezog sich meine Kritik. Dass sie nebenbei erwähnt wurde, wenn es um das
Aber es war systematisch ja auch anders gefragt, wenn es um die Orchesterlandschaft geht. Und bei der Bedeutung, die Sie eben für die Staatskapelle Halle hervorgehoben haben, hätten wir eigentlich erwartet, dass sich diese Bedeutung auch in Ihren Antworten niederschlägt, wenn man nach der Orchesterlandschaft fragt.
Ich habe aber noch eine Frage, Herr Minister. Sie haben eben gesagt, dass Ihnen das Handeln des Parlaments bei der Rücknahme der Kürzung um 3 Millionen €, die von der Landesregierung bei den Theatern vorgesehen war, nicht unsympathisch gewesen sei.
Das ist doch in Ordnung. Natürlich dürfen Sie das. Sie dürfen alles sagen, Herr Minister. Ich wollte nur nachfragen - -
Ich wollte von Ihnen nur wissen, ob Sie vorhaben, bei den nächsten Haushaltsberatungen auf dem Formblatt gleich einen Sternchenvermerk bei den Kürzungen anzubringen: „muss vom Parlament zurückgeholt werden“,
oder ob denn Ihre Kürzungsvorschläge immer gleichzeitig ein Auftrag an das Parlament sind, diese Kürzungen, die von Ihnen anvisiert werden oder zumindest erst einmal im Entwurf verankert sind, zu korrigieren?
Lieber Herr Gebhardt, es gibt Anmerkungen, die sind fair, und es gibt solche, die sind - ich sage es einmal so - weniger fair. - Wenn Sie damit zufrieden wären, würde ich es gern dabei bewenden lassen.
Ich möchte aber gern das Parlament anregen, darüber nachzudenken, ob man nicht - ähnlich dem, worauf wir uns bei den Hochschulen verständigt haben - eine Dynamisierungsklausel für die Theaterverträge in Betracht ziehen kann.
Das wäre wahrscheinlich ein Weg, zumindest den unverhofften Bedrängnissen zu begegnen; die verhofften - wenn es dieses Wort überhaupt gibt - kann man dadurch ausschließen, dass man sich über vier Jahre vertraglich bindet, was wir übrigens sehr verlässlich machen. Wir haben noch nie auch nur einen Euro jenseits unserer über vier Jahre laufenden vertraglichen Regelungen weggenommen, wohl aber haben die Träger dies gelegentlich getan.
Deshalb bin ich übrigens auch dafür eingetreten - dafür durfte ich, wie so häufig, Spießruten laufen -, dass auch die Träger verbindliche, verlässliche mehrjährige Zusa
gen machen. Denn ich kann mit Verlässlichkeit nichts anfangen, wenn sie nur zur Hälfte gilt. Das ist wie bei einer Brücke: Wenn ein Pfeiler fragil ist, stürzt sie in Gänze ein, auch wenn der andere Pfeiler hält.
Das heißt, diese beiden Neuerungen hoffe ich durchsetzen zu können. Das eine setzt ein Einvernehmen mit der Kommunalaufsicht voraus oder aber eine gesetzliche Regelung. Deswegen - Herr Weigelt, darin sind wir beide uns ganz und gar einig, es ist ja unser Projekt - wollen wir es versuchen, die gesetzliche Basis für eine solche verlässliche Zusage auch auf der Trägerseite irgendwie hinzubekommen. Das wird nicht ganz einfach, aber ich denke, die Herausforderung werden wir wohl annehmen.
Der zweite Punkt ist eben in der Tat, dass man versucht, in einem allerdings begrenzten Umfang - denn ich weiß, es geht um Geld, und dabei kann man schnell Forderungen aufmachen, um Beifall zu kriegen; das will ich eben gerade nicht so machen - zumindest anzuregen, ob man nicht eine Dynamisierungsklausel für die Tarifentwicklung oder die Kostenentwicklung mit einbaut.
Das ist natürlich auch Sache des Parlaments, aber ich werde das der Landesregierung vorschlagen. Ich bin aber Demokrat genug, um zu wissen, dass es einmal passieren kann, dass man mit einem solchen Vorschlag aus guten Gründen überstimmt wird. Das würde ich hinnehmen müssen. Insofern kann es schon einmal passieren, dass Vorlagen der Landesregierung von der parlamentarischen Seite anschließend noch einmal modifiziert werden. Was ist denn dabei?
Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Minister. - Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen. Der erste Debattenredner kommt von der SPD und erhält eine Redezeit von acht Minuten. Die FDP hat eine Redezeit von fünf Minuten, die CDU von zwölf und DIE LINKE noch einmal von acht Minuten. Ich bitte darum, dass Sie sich an die Zeiten halten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der deutsche Kulturrat versteht laut einem Positionspapier unter kultureller Daseinsvorsorge ein kontinuierliches, flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Kulturangebot in verschiedenen künstlerischen Sparten zu erschwinglichen Preisen mit niedrigen Zugangsschwellen.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage lässt meiner Meinung nach den Schluss zu, dass die Kulturangebote in Sachsen-Anhalt diesem Anspruch bisher weitgehend gerecht werden.
Mit großen Anstrengungen ist es gelungen, sowohl in den Zentren als auch im ländlichen Raum Kulturangebote der verschiedenen künstlerischen Sparten zu erschwinglichen Preisen und mit niedrigen Zugangsschwellen abzusichern. Dies ist in Zeiten knapper öffentlicher Kassen ein Verdienst des Landes und des Landtages, aber auch der Kommunen, die trotz Auflagen der Kommunalaufsicht in vielen Fällen die freiwillige Aufgabe
der Kulturförderung so behandeln, als wäre sie eine Pflichtaufgabe. Dafür, denke ich, gebührt ihnen Anerkennung.
Eine große Rolle spielt dabei sicherlich die Erkenntnis, dass das kulturelle Angebot einer Stadt oder einer Region in Zeiten demografischer Verwerfungen dazu beiträgt, Menschen zu halten oder anzulocken, Ansiedlungen von Unternehmen zu befördern und Arbeitsplätze zu sichern bzw. neu zu schaffen, also so genannte Haltepunkte zu schaffen.