Eine große Rolle spielt dabei sicherlich die Erkenntnis, dass das kulturelle Angebot einer Stadt oder einer Region in Zeiten demografischer Verwerfungen dazu beiträgt, Menschen zu halten oder anzulocken, Ansiedlungen von Unternehmen zu befördern und Arbeitsplätze zu sichern bzw. neu zu schaffen, also so genannte Haltepunkte zu schaffen.
Allerdings darf man auch nicht verkennen, dass die Fördermittel sehr knapp bemessen sind. Das wurde bereits festgestellt und muss auch immer wieder beachtet werden. Gegenwärtig verwenden wir einen Anteil von 1 % des Gesamthaushaltes für Kunst und Kultur. Eine Flankierung der öffentlichen Mittel durch private Geldgeber hält sich in unserem Land in engen Grenzen. Denn Sachsen-Anhalt ist eben nicht München, Hamburg oder gar New York.
Der Kulturbetrieb und die Kulturwirtschaft sind ein wichtiger Beschäftigungsfaktor; auch das wurde angesprochen. Bewusst ist uns in diesem Zusammenhang, dass viele Künstlerinnen und Künstler bzw. Beschäftigte von ihrem Verdienst oft nur sehr bescheiden leben können. All das sollte man im Blick haben, wenn man über die kulturelle Daseinsvorsorge spricht.
Die Frage lautet meiner Meinung nach, inwieweit wir dem Anspruch des deutschen Kulturrates auch in Zukunft gerecht werden können. Der Bevölkerungsrückgang, die niedrige Geburtenrate bei gleichzeitiger Überalterung der Bevölkerung, die finanziellen Konsolidierungsanstrengungen von Land und Kommunen bei gleichzeitiger Rückführung der Finanzzuweisungen des Bundes verlangen konzeptionelle Überlegungen und vor allem Strategien.
Für uns Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker besteht insbesondere im Rahmen der gegenwärtigen Strategiedebatte der Landesregierung und auch vor dem Hintergrund der Novellierung des Landesentwicklungsplanes die Aufgabe darin zu beschreiben, welche Bedarfe und Notwendigkeiten sich für die künftige Kulturförderung des Landes ergeben.
Meine Damen und Herren! Nach meiner Ansicht wird eine wesentliche Zielstellung in den nächsten Jahren darin bestehen, die Kulturförderung so auszurichten, dass sie sowohl der besonderen Bedeutung der Zentren als auch den kulturellen Ansprüchen der Fläche Rechnung trägt. Denn Sachsen-Anhalt ist ein Flächenland.
Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass die vorgehaltenen Kulturangebote weiterhin für alle Bürger und Bürgerinnen erschwinglich bleiben. Dabei sollten wir uns auch darüber Gedanken machen, wie wir die Kommunen darin unterstützen können, die finanziellen Aufwendungen für die Kultur trotz der Konsolidierungsverpflichtungen für ihre Haushalte nicht aus den Augen zu verlieren bzw. diese mit Blick auf die Auflagen der Kommunalaufsicht überhaupt tätigen zu können. Wenn sich die Kommune zu ihren Kultureinrichtungen bekennt und sie kontinuierlich finanzieren möchte, muss ihr das auch möglich sein. Hierfür müssen Regelungen gefunden werden; der Minister hat es gerade angedeutet.
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass wir ein Kulturraumgesetz, mit dem sich auch Regionen über die Kultur identifizieren, in Anbetracht des Verlaufes sicherlich
nicht erreichen werden. Aber wenn wir das oben beschriebene Ziel erreichen, dann haben wir, denke ich, schon sehr viel gekonnt.
Meine Damen und Herren! Wir müssen verhindern, dass sich immer mehr Kulturangebote aus dem ländlichen Bereich verabschieden. Das möchte ich am Beispiel der so genannten kulturellen Flaggschiffe unseres Landes, der Theater, erläutern.
In den Jahren 2002 und 2003 schlossen die Theater in der Lutherstadt Wittenberg und in Zeitz, weil die Träger ihre Finanzierungsanteile nicht mehr erbringen konnten. Wie bekannt ist, wird die Einrichtung in Zeitz seitdem durch andere Theaterensembles in Form von Gastspielen bespielt. Auch in Wittenberg hat sich das kulturelle Angebot nicht unbedingt verschlechtert, aber es muss nun dort unter erschwerten Bedingungen darauf hingewirkt werden, Netzwerke in diesem Bereich aufzubauen bzw. zu erhalten.
Zum Glück kam es nicht zu den befürchteten Kettenreaktionen, also zu Schließungen weiterer Theater. Alle anderen Theater im Land konnten erhalten werden, weil sich die Träger klar zu ihnen bekannten und das Land durch die Theaterverträge Planungssicherheit gewährleistete.
Dabei bewegen sich die Preisangebote insbesondere für Einkommensschwache in einem sehr vertretbaren Rahmen, sodass der Besuch einer Theatervorstellung jedem Interessierten möglich sein sollte.
Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich: Vor genau einem Jahr wurden wir Parlamentarier im Rahmen der Haushaltsberatungen für die Jahre 2008/2009 mit einer Kürzung der Theaterförderung um 3 Millionen € im Regierungsentwurf konfrontiert. Wäre das Parlament dem gefolgt, wären weitere Standorte in ihrer Existenz bedroht gewesen und wir hätten heute eine ganz andere Diskussion zum mittlerweile vorgelegten Theaterkonzept der Landesregierung. Es ist also dem Parlament glücklicherweise gelungen, die vorgesehene Kürzung der Theaterförderung zurückzunehmen und das Budget für den neuen Vertragszeitraum von 2009 bis 2012 zu verstetigen.
Wir wissen, dass man aufgrund des Abschlusses des Tarifvertrages und wegen der allgemeinen Teuerungsrate auch mit einer Verstetigung der Mittel nicht allen Erfordernissen gerecht werden kann.
Die vom Kultusministerium im Rahmen des gleichbleibenden Budgets vorgesehene Veränderung der Verteilung der Mittel auf die einzelnen Theaterstandorte, also der Binnenverteilung, ist aus unserer Sicht gerechtfertigt und sichert einen qualitativ hochwertigen Theaterbetrieb sowohl in den Zentren als auch im ländlichen Raum.
Bei der vorgesehenen Kürzung der Fördermittel für den Standort Halle sollte nicht vergessen werden, dass die Stadt immer noch ein Drittel aller Fördermittel des Landes erhält. Die Problematik der Staatskapelle wurde in diesem Zusammenhang explizit genannt, auch die aktuellen Bemühungen um eine Lösung. Aber ich gehe schon davon aus, dass man nicht alle Probleme, die hier auf der Tagesordnung stehen, zur vollen Zufriedenheit wird lösen können.
Ich hoffe einfach, dass die Theaterverträge nun in Kürze unterschrieben werden, soweit es noch nicht passiert ist, und damit Planungssicherheit bis zum Jahr 2012 gewährleistet sein wird.
Zum Thema Theater gehören für mich auch die Theaterjugendklubs. Ich kann es an der Stelle einfach nur erwähnen.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage liefert eine Fülle an weiterem Datenmaterial zum Kulturbetrieb im Land. Aus Zeitgründen kann ich an dieser Stelle nicht auf alle darin enthaltenen Details eingehen.
Neben dem Thema der Theater möchte ich das Stichwort Bibliotheken nennen und anmerken, dass das Thema Bibliotheken für uns ein weiterer wichtiger kultureller Schwerpunkt ist, der aufgrund seines intensiven Bezuges zur Schule eine hohe bildungspolitische Relevanz besitzt.
Rein statistisch ist festzustellen, dass die Zahl der hauptamtlich und nebenamtlich geführten Bibliotheken im Land Jahr für Jahr kontinuierlich sinkt. Auch der Bestand an Schulbibliotheken ist zurückgegangen.
Die Kooperation von Bibliothek und Schule soll die Lesekompetenz der Schüler stärken und ihnen Freude an Literatur sowie an Wissen vermitteln. Ich denke, die Bibliotheken in unserem Land haben unbestreitbar auch einen Bildungsauftrag. Wir, die Parlamentarier, haben die Aufgabe, diesen abzusichern. Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir für die Bibliotheken im Land verlässliche Rahmenbedingungen schaffen können.
Die SPD und die CDU haben vor diesem Hintergrund in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart zu prüfen, welche Chancen und Möglichkeiten hierzu ein Bibliotheksgesetz bieten würde. Wir, die SPD, stehen dem sehr aufgeschlossen gegenüber.
Ich denke, im Zusammenhang mit den Bibliotheken im Land spielt der Medienetat eine Rolle. Den muss man inhaltlich noch einmal besprechen; denn der Anteil des Medienetats am Gesamthaushalt aller Bibliotheken im Land beträgt 5,7 %.
Ich könnte jetzt noch auf die Situation der Museen in öffentlicher Trägerschaft im Land eingehen. Bekannt ist, dass wir über 155 Museen verfügen. Diese wurden bislang von mehr als 2,6 Millionen Menschen besucht.
Ich gehe davon aus, dass wir auch hierbei die Aufmerksamkeit nicht nur auf die „Leuchttürme“ in Halle und Magdeburg richten dürfen. Vielmehr müssen wir uns auch den kleineren Museen widmen und sie im Blick haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Land wie Sachsen-Anhalt sollte sich auch darüber definieren, wie es mit den kulturellen Schätzen, unter anderem mit den Weltkulturerbestätten der Unesco, umgeht und welche kulturellen Angebote den Bürgern zur Verfügung stehen.
Wir haben in Sachsen-Anhalt ein fassettenreiches Potenzial an Kunst und Kultur. Das darf nicht als Last, sondern muss als Chance für eine weitere Identifizierung, Identitätsfindung und Entwicklung unseres Landes verstanden werden.
Wie gesagt: Ich kann nicht auf alle Bereiche eingehen. Ich denke, ich habe den roten Faden unserer Fraktion hier aufgeführt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Das haben Sie ausführlich gemacht, Frau Reinecke. - Ich erteile jetzt dem Abgeordneten der Fraktion der FDP Herrn Kley das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über 20 000 Jahre der Menschheitsgeschichte war das gesamte Volkswissen kulturell gebunden. Über Lieder, über Gedichte wurde das weitergegeben, was sich unsere Vorfahren erarbeitet hatten. Frühzeitig bekamen junge Menschen Kontakt mit den klassischen Tugenden, die wir heute so ehrfürchtig anschauen und bestaunen. Der Gesang für den Säugling war ein erster Kontakt mit der Mutter. Er schaffte auch die notwendige Grundlage für die Entwicklung der Sprachfähigkeit des Kindes.
Das wird heute nicht mehr gesehen. Die Notwendigkeit des Klanges, das Übereinstimmen des Hörens und des Fühlens eines Rhythmus muss unbedingt gegeben sein, um daraus später Sprachkompetenz, Ausdruckskompetenz und Ähnliches zu entwickeln.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist ja richtig klasse, was Sie hier sagen! - Zuruf von Herrn Bi- schoff, SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir wieder das Problem, das uns dann in der Schule begegnet, nämlich die Frage: Können die Kinder noch sprechen? Kann man sich noch ausdrücken? Ist man noch in der Lage, wesentliche Erkenntnisse weiterzugeben?
Deshalb ist die Problematik der kulturellen Daseinsvorsorge viel weiter zu stricken als nur bis zu den Fragen „Habe ich in diesem oder in jenem Land ein Theater?“ bzw. „Wie kann ich daran jeweils partizipieren?“
Wir haben auch - das wissen die Historiker - das Problem, dass das gesprochene, das gesungene Wort von Flüchtigkeit ist - der Minister hat darauf hingewiesen -, weshalb es umso notwendiger, umso dringender ist, dass wir im gesamten Land die Möglichkeit haben, das gesprochene, das gesungene Wort oder eben orchestrale Stücke zu hören, meine sehr geehrten Damen und Herren. Über das Fernsehen, mit CDs und was auch immer kann man nicht den Kulturgenuss vermitteln.
Ohne Kultur ist gerade das deutsche Volk - dieser Meinung bin ich - nicht länger in der Lage, das aufrechtzuerhalten, was uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind, nämlich ein Volk der Dichter, der Denker und der Ingenieure.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Gesamtdiskussion möchte ich nicht auf das Thema eingehen, auf das in der Großen Anfrage nicht Bezug genommen wird, nämlich Ausbildung und Schule, hier konkret auf die Fragen: Haben wir noch Musiklehrer? Was ist aus dem schönen Fach Zeichnen geworden, das mittlerweile zum Fach Gestalten heruntergekommen ist und für das es noch gar keine Ausbildung für Lehrer gibt?
Über dieses Thema wird an anderer Stelle wieder diskutiert werden müssen. Heute sind wir dazu aufgerufen, uns auf die Aufgabe des Landtages zu orientieren, im Wesentlichen für eine Finanzierung in der Fläche zu sorgen, um einerseits die Kultur überhaupt, aber auch Maßnahmen der Hochkultur aufrechtzuerhalten.
- Sehr geehrter Herr Minister, es ist so, dass in Sachsen einzelne Institutionen im Landeshaushalt stehen. Es geht nicht um das Kulturraumgesetz, das die einzelnen Kommunen mit heranzieht. Vielmehr geht es darum, dass bestimmte Einrichtungen abgesichert sind. So etwas ist auch in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2003 in den Theaterverträgen mit der Stadt Halle zur Staatskapelle, damals noch Philharmonisches Staatsorchester, dezidiert ausgewiesen gewesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist notwendig, für bestimmte Institutionen, die eben nicht in der Fläche zu finden sind, sondern etwas Herausragendes darstellen, wieder etwas zu tun, ein klares Bekenntnis des Landtages abzugeben. Denn wie soll man sich orientieren, wenn man nicht etwas hat, das herausragend ist?
Ich finde es geradezu unanständig, immer zu sagen: Wir können Kultur nur erhalten, wenn wir über Haustarife, über deren Absenkung und Ähnliches reden. Kein Mensch regt sich auf, wenn irgendeiner, der über den Platz stolpert und gegen einen Ball tritt, Millionen verdient. Das ist richtig. Wenn einer mit einem Auto im Kreis herumfährt und dafür 20 Millionen € erhält, sagen auch alle, das ist richtig. Aber bei Kultur ist das erste Wort, das ich immer höre, Haustarifverträge.