Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Ich finde es geradezu unanständig, immer zu sagen: Wir können Kultur nur erhalten, wenn wir über Haustarife, über deren Absenkung und Ähnliches reden. Kein Mensch regt sich auf, wenn irgendeiner, der über den Platz stolpert und gegen einen Ball tritt, Millionen verdient. Das ist richtig. Wenn einer mit einem Auto im Kreis herumfährt und dafür 20 Millionen € erhält, sagen auch alle, das ist richtig. Aber bei Kultur ist das erste Wort, das ich immer höre, Haustarifverträge.

(Frau Feußner, CDU: Da müssen Sie die Men- schen ändern!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Qualität haben will, der muss auch Qualität bezahlen wollen.

(Beifall bei der FDP - Minister Herr Prof. Dr. Ol- bertz: Lesen Sie einmal die Reden von Herrn Pa- qué!)

An dieser Stelle ist es natürlich auch notwendig, dass das Land ein bestimmtes Bekenntnis abgibt.

(Frau Feußner, CDU: Dazu müssen Sie die Men- schen ändern! Das machen die Menschen selbst!)

Wir kennen die Entwicklung der Staatskapelle, die ursprünglich als ein Landesorchester angelegt war. Das Land hat sich über viele Jahre der Gründung einer GmbH entzogen und sich zurückgehalten.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Andere Staaten, andere Länder um uns herum sind da anders; die bekennen sich klar dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hilft auch nicht weiter, hier in diesem Hohen Hause über ein Kulturraumgesetz zu diskutieren. Wenn sich der Finanzminister hinstellt und sagt, die Verbundquote mit den Kommunen müsse gesenkt werden, kann ich doch nicht ehrlichen Herzens davon ausgehen, dass eben jene Kommunen, denen ich das letzte Geld wegnehme, dann in der Lage sind, die Kultur aufrechtzuerhalten. Hierbei sind dieser Landtag und dieses Land gefragt.

(Beifall bei der FDP - Minister Herr Prof. Dr. Ol- bertz: So einfach kann man Applaus kriegen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen natürlich, dass es im Kulturbereich viele Möglichkeiten gibt, sich den Menschen zu nähern. Ich glaube, es tut gut, wenn hier wiederholt über dieses Thema diskutiert wird und eine gewisse Aufmerksamkeit erreicht wird.

Gerade die Emotionsarmut der letzten beiden Reden, die ich soeben zu diesem Thema gehört habe, zeigt mir, dass es dringend geboten ist, dem Einzelnen mehr Kenntnisse zu vermitteln, dass es vielleicht auch einmal notwendig ist, diesen oder jenen Landtagsabgeordneten wieder in ein Theater oder in ein Konzert zu bringen.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts geht über den Genuss von Kultur. Das ist es, was den Menschen erst zum Menschen gemacht hat. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir alle auch bei der nächsten Haushaltsdiskussion zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

Herr Minister, natürlich sind wir immer dafür, dass entsprechend den Tarifen angepasst wird. Es liegt nicht an uns. Kämpfen Sie im Kabinett, wir werden dafür sorgen, dass hier entsprechend Rückenwind aufkommt.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Wir werden Sie auch genauso kritisieren, wenn Sie erst die Mittel streichen, wie es im Fall von Halle geschehen ist, und dann sagen, diese arme Stadt solle gefälligst das ausgleichen, was ihr nicht gegeben habt. Das ist einfach eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LINKEN)

Das war der - -

Ich darf noch kurz die Gelegenheit nutzen. Der Herr Ministerpräsident befindet sich im Saal. - Ich darf Ihnen die Petition des Orchestervorstandes der Staatskapelle Halle übergeben. - Danke schön.

Bitte, dann machen Sie das. - Vielen Dank für den Beitrag der FDP-Fraktion. Ich erteile jetzt für die CDUFraktion dem Abgeordneten Herrn Weigelt das Wort. Bitte schön.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Mehr Maßnah- men für die Hochkultur!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also, das ist schon etwas ganz Besonderes, wenn

man einmal an einem Donnerstagvormittag in den Plenarsaal schaut und dort noch frische Gesichter sieht. Das ist schon etwas anderes, als wenn man sonst immer an einem Freitagnachmittag redet, wenn manch einer bereits an das wohlverdiente Wochenende denkt und meint: Hoffentlich macht die Kultur kurzen Prozess. - Das meine ich natürlich nur in diesem zeitlichen Sinne.

Aber wir sprechen heute über eine Große Anfrage zum Thema „kulturelle Daseinsvorsorge“. Meine Damen und Herren! Das bringt - ich glaube, zum ersten Mal - die Kultur in eine Poleposition; wir sind Platz Nr. 1.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Das Thema als solches - darüber sind sich sicherlich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause einig - stößt nicht nur bei den Medien auf ein großes Interesse, sondern es ist in der Tat von allgemeinem Interesse. Denn tagesaktuelle Medien berichten nun einmal - das liegt in der Natur der Sache - am liebsten über Dinge, bei denen sie sicher sind, dass sie viele Leser, viele Zuhörer und eben auch viele Fern-Seher erreichen.

Alles, was sich unter dem Begriff „kulturelle Daseinsvorsorge“ zusammenfassen lässt, wird selbst in den Bevölkerungskreisen, die von speziellen kulturellen Angeboten eher seltener Gebrauch machen, heftig diskutiert. Aber die grundsätzliche Sorge um den möglichen Verlust von kultureller Substanz treibt - völlig zu Recht - viele Menschen in unserem Lande um.

Dass wir auch und gerade in Sachsen-Anhalt ein vergleichsweise nicht schlecht bestelltes Angebot an kulturellen Möglichkeiten, und das nicht nur in den Oberzentren, sondern auch in der Fläche vorhalten, zeigt ja schon die Anzahl der Fragen. Sie hatten es schon gesagt: 129 Fragen in acht Themenkomplexen.

Ich möchte jetzt nicht damit beginnen, darüber zu streiten, ob die Einbringung der Großen Anfrage im April dieses Jahres zeitlich gesehen eine Punktlandung war; denn Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, sahen sich ja zu dem umfangreichen Fragenkatalog nach eigener Begründung infolge der Kreisgebiets- und Verwaltungsreform veranlasst. Da erlebe ich als Bürger und als Kommunalpolitiker doch sehr vieles noch in einem Gärungsprozess, also noch nicht in einem Klärungsprozess, sondern in einem Gärungsprozess. Das wiederum heißt, dass manches von dem, was uns das Kultusministerium an Antworten geben konnte, vielleicht schon morgen Makulatur sein wird.

Lieber Herr Kollege Gebhardt, das soll jetzt keine Schelte sein: Aber ich meine, mit etwas mehr Geduld hätten Sie Ihr erklärtes Ziel - ich zitiere -, „konkrete Vorschläge für die Landesentwicklung unterbreiten zu können“ noch treffsicherer anvisieren können. Die dazu nötige aktuelle Bestandsaufnahme, die sich ja bei Ihnen auf die Jahre 2002 bis 2007 beziehen muss, scheint mir hier und da noch zu sehr ergebnisoffen zu sein, wenn ich an die noch längst nicht zur Ruhe gekommenen Turbulenzen des laufenden Jahres 2008 denke.

Ich erinnere mich. Vor wenigen Tagen waren wir mit Kultusminister Herrn Olbertz bei der Staatskapelle in Halle. Dort ist unter anderem zum ersten Mal auch die Dynamisierungsklausel ins Gespräch gebracht worden. Es ist in der Tat so, es ist ein emotional stark beladenes Thema. Aber ich glaube - Herr Weller sitzt oben auf der Tribüne -, wir haben hier eine Gesprächsebene finden können, auf der es jetzt in Halle weitergehen muss.

Für mich wären diese analytisch-statistischen Fragen, wie Sie es nennen, oder besser noch, die daraus resultierenden Antworten gerade für das Umbruchjahr 2008 besonders wichtig in ihrem Aussagewert. Dennoch bin ich der Oppositionsfraktion DIE LINKE dankbar für die 129 Fragen. Meine Dankbarkeit steigert sich noch gegenüber dem Kultusministerium in Bezug auf seine umfangreichen Antworten. Ich gehe nicht ganz mit Ihrer Beurteilung mit, lieber Herr Gebhardt. Ich weiß sehr wohl, wie schwierig es ist, aus dem kommunalen Bereich - dort liegen die Trägerschaften; Sie haben das betont - zu bestimmten Themen klare und ergiebige Antworten zu bekommen.

In gleicher Weise habe ich mich auch über den Redebeitrag des Kultusministers Herrn Olbertz gefreut, weil er, wie ich glaube, zum ersten Mal - zumindest im Parlament - etwas grundsätzlich Neues zur Frage der Förderung von Kunst und Kultur in unserem Lande angemerkt hat. Da ich diese ministerielle Eingangsbemerkung für besonders wichtig und zukunftsorientiert halte, möchte ich sie wenigstens in dem Sinne wiederholen, wie ich sie verstanden habe.

Herr Minister Olbertz wies zu Recht darauf hin, dass die Förderung von Kunst und Kultur als Staatsziel bereits in unserer Landesverfassung verankert ist. Daraus abgeleitet ergibt sich sowohl für das Land als auch für die Kommunen quasi eine Verpflichtung. Herr Olbertz, Sie kreierten daraus eine „politische Pflichtaufgabe“, Kunst und Kultur zu fördern.

Sie nehmen es mir sicherlich ab, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich feststelle, dass mir diese den Kommunen aus der verfassungsmäßig festgeschriebenen Verantwortung erwachsende „politische Pflichtaufgabe“, Kunst und Kultur zu fördern, vom Gedanken und vom Selbstverständnis her überhaupt nicht fremd ist. Denn immerhin gehört die Pflege der Kultur zu den selbstverständlichsten Selbstverwaltungsangelegenheiten einer jeden Kommune.

Ich verrate hier sicherlich nur ein offenes Geheimnis, wenn ich sage, dass in den zuständigen Arbeitskreisen der Koalitionsfraktionen derzeit sehr ernsthaft darüber nachgedacht wird, wie man die Kommunen künftig noch besser oder im Einzelfall überhaupt erst in die Lage versetzen kann, ihrer politischen Pflichtaufgabe im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung nachzukommen. Das ist alles kein einfacher Prozess.

Aber unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten zunehmenden Bedeutung der hier andebattierten kulturellen Daseinsvorsorge sollten auch schwierige Fragen dieser Zeit einer nachhaltig festgeschriebenen Lösung zugeführt werden. Das jedenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, wünsche ich mir leidenschaftlich und von ganzem Herzen.

Da ich weiß, dass zumindest bei den Fachkollegen fraktionsübergreifend - das haben wir heute auch hören können - das Ziel unserer Bemühungen im Großen und Ganzen das Gleiche ist, bin ich auch von der Hoffnung getragen, dass wir mit Blick auf den Grundsatz der gleichwertigen Lebensbedingungen in unserem Land auch für die kulturelle Daseinsvorsorge, hinter der sich ja noch viele andere wichtige Begriffe wie „kulturelle Bildung“ - Sie nannten es - oder - ein relativ neues Wort - „Kulturwirtschaft“ verbergen, zukunftsfeste und bestandssichernde pflichtige Rahmenbedingungen schaffen werden.

Vieles von dem, was auf diesem Wege wichtig und zu beachten ist, wurde bereits im Redebeitrag des Herrn Ministers sehr deutlich herausgestellt; ich kann mir und Ihnen die wiederholende Aufzählung ersparen. Nur eines möchte ich noch anmerken, weil ich glaube, dass auch das auszusprechen wichtig ist:

Kulturpolitiker, lieber Gerry Kley, haben durchaus das Recht und die Pflicht, das Gute in dieser Welt - und das ist nun einmal die Kultur - teuer zu erkaufen bzw. zu erhalten. Andererseits besitzen sie auch den Realitätssinn zu erkennen, dass nicht alles Wünschenswerte bezahlbar ist.

Zwischen diesen beiden Polen sehe ich noch immer genügend Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die es mit Engagement auszufüllen gilt. Dann wäre uns allen auch die von Ihnen, Herr Minister, angesprochene Rendite aus dem in unserem Lande reichlich vorhandenem kulturellen Vermögen sicher. - Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank dem Abgeordneten Herrn Weigelt. Dem Fragesteller steht das Recht auf ein Schlusswort zu. - Er verzichtet. Damit sind wir am Ende des ersten Themas. Beschlüsse werden gemäß unserer Geschäftsordnung nicht gefasst und wir können die Aussprache zu der ersten Großen Anfrage abschließen.

Bevor ich die zweite Große Anfrage aufrufe, begrüße ich Damen und Herren des SPD-Ortsvereins Wernigerode auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe die zweite Große Anfrage auf:

Sonderpädagogische Förderung in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1149

Antwort der Landesregierung - Drs. 5/1302