Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 48. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Ich begrüße Sie alle recht herzlich.
Wir setzen nunmehr die 25. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit der Regierungsbefragung.
Auswirkungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) und des Gesundheitsfonds auf Sachsen-Anhalt
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute die dritte Regierungsbefragung durch. Ich möchte noch einmal kurz an die Spielregeln der Befragung erinnern.
Die Fragen werden vom Saalmikrofon aus gestellt. Das Mitglied der Landesregierung, das auf die Fragen antworten wird, wird am Rednerpult stehen. Wir führen diese Regierungsbefragung wie auch die beiden anderen Regierungsbefragungen in zwei Runden durch.
Zunächst hat die antragstellende Fraktion, in diesem Fall also die FDP-Fraktion, eine Hauptfrage zu stellen. Dazu hat sie zwei Minuten Zeit. Nach der Beantwortung der Hauptfrage stehen der antragstellenden Fraktion noch einmal eineinhalb Minuten Zeit für eine Nachfrage zur Verfügung. Dann hat sie nochmals eine Frage frei, die sie unmittelbar danach oder später stellen kann.
Dann können in der ersten Runde der Befragung die Fraktionen in der Reihenfolge FDP, SPD, DIE LINKE und CDU jeweils eine Frage stellen; es ist jeweils eine Zusatzfrage zulässig.
Dann geht es in die zweite Runde. Für diese nehme ich dann Wortmeldungen entgegen. Es kann aber auch vom Platz aus gefragt werden. Für diese zweite Runde stehen maximal 30 Minuten zur Verfügung.
Frau Kuppe, mit dem Beschluss zur Einführung des Gesundheitsfonds und der Feststellung des einheitlichen Beitragssatzes von 15,5 % für die gesetzlich Krankenversicherten ist sozusagen der letzte Stein im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes gesetzt worden. Da es bei diesem Gesetz keine Entkoppelung der Versicherungsbeiträge vom Arbeitslohn gibt und sie auch weiterhin Bestandteil der Lohnnebenkosten sind, werden die Kosten für die Arbeitgeber und auch für die meisten Arbeitnehmer bei einem einheitlichen Beitragssatz von 15,5 % steigen.
Ich frage Sie, Frau Kuppe: Von welchem zusätzlichen Finanzierungsbedarf gehen Sie für den Bereich der Arbeitgeber, also der Unternehmen, in unserem Bundesland aus? Von welchen zusätzlichen Belastungen gehen Sie für die Arbeitnehmer aus?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Hüskens! Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten! Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, das am 1. April 2007 in Kraft getreten ist, hat eine neue Organisation für die Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt. Es hat die Finanzierung selbst nicht grundsätzlich auf neue Füße gestellt; vielmehr hat es die Organisationsform der Finanzierung neu geregelt.
Eigentlich stand eine echte Finanzierungsreform bei der gesetzlichen Krankenversicherung an. Sie wissen noch, dass es dafür vonseiten der CDU und der SPD unterschiedliche Modelle gab. Es gab zum einen das Gesundheitsprämienmodell der CDU und zum anderen das Bürgerversicherungsmodell der SPD. Bei der Bildung der großen Koalition im Jahr 2005 ist vereinbart worden, aus diesen beiden Grundansätzen einen Kompromiss zu entwickeln, der für die nächsten Jahre die finanziellen Grundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung sicherstellt.
Als Instrument ist dann der Gesundheitsfonds eingeführt worden, der zum 1. Januar 2009 in Kraft treten wird. Dieser Gesundheitsfonds ist erst einmal nur ein Sammelbecken für die verschiedenen Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das sind die Beiträge der Versicherten, das sind die Beiträge der Arbeitgeberseite und das ist die steuerfinanzierte Säule. Die Steuermittel gehen ebenfalls in diesen Fonds. Aus dem Fonds erhalten die einzelnen Krankenversicherungen ihre Zuweisungen, um die entsprechenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch V erfüllen zu können.
Im Wettbewerbsstärkungsgesetz ist ebenfalls vereinbart worden, dass es einen einheitlichen Beitragssatz geben wird. Bis dato hat jede Krankenversicherung ihren eigenen Beitragssatz festgelegt. Dieser wurde entsprechend der Versichertenstruktur und der Morbidität der in einer Krankenkasse Versicherten von der Krankenkasse festgelegt und unterschied sich deswegen in der Höhe.
Der einheitliche Beitragssatz bringt eine Vereinfachung in das System. Nach meiner Einschätzung - das will ich hier auch schon einmal darstellen - bringt er auch mehr Gerechtigkeit ins System.
Ich will dazu einmal ein Beispiel nennen. Ich nehme gleich Sie beide hier vorn, Frau Hüskens und Herrn Wolpert. Wenn ich davon ausgehe, dass Sie Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind,
aber in unterschiedlichen Krankenkassen, sagen wir einmal, Frau Hüskens ist in der AOK und Herr Wolpert in der TK, dann hätten Sie unterschiedliche Beitragssätze. Wenn Sie beide akut am Blinddarm erkrankten, in das Klinikum Magdeburg eingewiesen würden und sich einer OP unterziehen müssten, dann würden Sie vom selben Operateur verarztet. Sie würden also die gleiche Leistung empfangen, aber auf der Grundlage unterschiedlicher Beitragssätze.
Das ist eigentlich nicht logisch. Viel logischer ist es, dass das Grundprinzip „gleicher Beitragssatz und gleiche Leistung“ in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt.
Deswegen ist die Einführung eines einheitlichen Beitragssatzes nach meiner Einschätzung ein logischer und richtiger Schritt. Übrigens gibt es die einheitlichen Beitragssätze sowohl in der Pflegeversicherung als auch in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Das ist also überhaupt nichts Neues, sondern es ist eigentlich auch wieder die logische Folge innerhalb der Sozialversicherung insgesamt.
Die Festsetzung des Beitragssatzes von 15,5 Beitragssatzpunkten ist durch einen Schätzerkreis geleistet worden.
Für das Jahr 2009 sind, basierend auf den Einnahmen und Ausgaben des Jahres 2008, die voraussichtlichen Einnahmen und die voraussichtlichen Ausgaben berechnet worden. Dabei hat es für das Jahr 2008 völliges Einvernehmen gegeben. Für das Jahr 2009 waren im Schätzerkreis die Meinungen der Vertretungen aus dem Bundesversicherungsamt, aus dem Bundesministerium und aus den Krankenkassen unterschiedlich. Die Krankenkassen hätten gern einen höheren Beitragssatz als die jetzt festgelegten 15,5 % angesetzt.
Man muss aber erst einmal davon ausgehen, dass das eine seriöse Berechnung ist, die auch die Ausgaben für das Jahr 2009 abdecken wird; denn die gesetzliche Vorgabe ist, dass der jetzt festgelegte Beitragssatz die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr zu 100 % abdeckt. Das muss gewährleistet sein.
Wir alle wissen, dass im kommenden Jahr höhere Ausgaben erforderlich sind, unter anderem für die Steigerung im vertragsärztlichen Bereich. Dafür werden Mittel in Höhe von rund 2,7 Milliarden € zusätzlich aufgewendet werden müssen. Im Krankenhausbereich stehen zusätzliche Ausgaben in Höhe von ungefähr 3 Milliarden € ins Haus. Das allein macht schon eine Steigerung um 0,6 bis 0,7 Beitragssatzpunkte aus.
Ich denke, dass diese Berechnung solide ist und dass der vorgesehene Beitragssatz gerechtfertigt ist, um die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren. Nach dem SGB V haben die Versicherten einen Anspruch auf ausreichende Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werden müssen und das notwendige Maß nicht überschreiten dürfen. Es ist also genau festgelegt, welche Leistungen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sein werden.
Frau Hüskens, Sie haben Recht, die gesetzliche Krankenversicherung ist in ihrer Finanzierung auf die Beiträge von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite angewiesen. Das ist die Grundlage des umlagefinanzierten Systems.
Es wird eine stärker steuerfinanzierte Säule in das System eingebaut. Im kommenden Jahr werden der gesetzlichen Krankenversicherung Steuergelder in Höhe von 4 Milliarden € zur Verfügung stehen. Diese Säule wird in den Folgejahren sukzessive auf bis zu 14 Milliarden € ausgebaut. Jedes Jahr kommen also zusätzlich Steuermittel in Höhe von 1,5 Milliarden € ins System, bis 14 Milliarden € jährlich erreicht sind, sodass auch für weitere Ausgabensteigerungen die steuerfinanzierte
Säule vorhanden ist und dass die Belastung der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite begrenzt sein dürfte.
Welche Auswirkungen diese Festsetzung des Beitragssatzes für Sachsen-Anhalt für beide Seiten haben wird, lässt sich in Gänze noch nicht abschätzen. Für die Seite der AOK-Versicherten und der Unternehmen, deren Beschäftigte bei der AOK versichert sind, kann ich sagen, dass es eine Entlastung geben wird. Ungefähr ein Drittel der Versicherten in Sachsen-Anhalt ist bei der AOK versichert. Dort wird es eine Entlastung um 0,1 Beitragspunkte geben. Das heißt, auch die Arbeitgeberseite wird diese Entlastung spüren. Die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch die Rentnerinnen und Rentner, die bei der AOK versichert sind, werden diese Entlastung um 0,1 Beitragssatzpunkte zu verzeichnen haben.
Die Versicherten bei anderen Versicherungen, also im Ersatzkassenbereich, werden in der Regel einen höheren Beitrag zahlen müssen. Wie sich das bei den einzelnen Ersatzkassen und dann auch mit den Folgen für die einzelnen Arbeitgeber auswirkt, lässt sich derzeit vonseiten der Landesregierung nicht einschätzen, weil der Landesregierung für die einzelnen Unternehmen auch nicht die Strukturen bekannt sind, welcher Arbeitnehmer, welche Arbeitnehmerin bei welcher Krankenkasse versichert ist und wie die Zusammensetzung der Beschäftigten mit der entsprechenden Krankenkassenstruktur bei einzelnen Unternehmen aussieht. Es wird sicherlich einer besonderen Betrachtung und Studie bedürfen, um das im Einzelnen zu eruieren. - So weit erst einmal.
Frau Kuppe, Sie haben schon darauf hingewiesen, dass von der Kassenseite eine andere Beitragshöhe gefordert worden ist. Wenn der Beitrag nicht auskömmlich ist, gibt es für diese Kassen jetzt die Möglichkeit, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Sie haben auch gerade darauf hingewiesen, dass die AOK-Versicherten zukünftig wahrscheinlich etwas niedrigere Beiträge zahlen müssen.
Von wie vielen Kassen in Sachsen-Anhalt wird Ihrer Meinung nach ein Zusatzbeitrag von den Versicherten erhoben werden müssen, um auskömmlich arbeiten zu können?
Für die AOK steht schon fest, dass es günstiger wird. Dort gibt es jetzt einen Beitragssatz von 15,7 %; dieser wird künftig 15,5 % betragen. Gesplittet auf Arbeitgeberbeitrag und Arbeitnehmerbeitrag bedeutet dies eine Entlastung für beide Seiten um je 0,1 Beitragssatzpunkte. Das steht schon fest.
Für das kommende Jahr - so sieht es das Gesetz vor - soll der Beitragssatz zusammen mit dem steuerfinanzierten Anteil eine hundertprozentige Ausgabendeckung gewährleisten. Das heißt, im kommenden Jahr dürfte bei keiner Krankenkasse ein Zusatzbeitrag notwendig sein.
Allerdings wissen wir, dass es im Gesamtsystem auch Unwägbarkeiten geben kann. Dann hat eine Kranken
kasse, wenn sie mit dem vorhandenen Geld nicht auskommt, die Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben. Sie können ohne Berücksichtigung der Einkommensgrenze um bis zu 8 € erhöhen, bei Berücksichtigung des Einkommens bis maximal 1 % des beitragspflichtigen Einkommens.
Ich habe gelesen, dass die Erhebung von Zusatzbeiträgen von der Bundesgesundheitsministerin so aufgefasst worden ist, dass das nur Kassen machen müssten, die unwirtschaftlich und ineffizient arbeiteten. Wie würden Sie das für Sachsen-Anhalt sehen? Arbeiten die Kassen, die Zusatzbeiträge erheben müssen - die AOK vielleicht -, dann unwirtschaftlich und ineffizient? Oder wäre das in Sachsen-Anhalt eher der besonderen Situation, der Altersstruktur oder der Morbidität geschuldet?
Ich wiederhole: Ich gehe erst einmal davon aus, dass der Beitragssatz zusammen mit der Steuermitfinanzierung für die Krankenkassen so auskömmlich ist, dass die notwendigen Leistungen finanziert werden können, also das, was der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung vorschreibt, was auch über Satzungs- und Ermessensleistungen noch möglich und notwendig ist und was die Verwaltungskosten der Krankenkassen anbelangt.
Die AOK Sachsen-Anhalt erwartet - so ist die Rückmeldung ins Ministerium -, dass sie mit dem Beitragssatz und den Grund- und Zusatzpauschalen, die sie aus dem Gesundheitsfonds erhalten wird, gut zurechtkommen wird. Die AOK in Sachsen-Anhalt geht davon aus, dass sie im kommenden Jahr keine Zusatzpauschale von ihren Versicherten erheben muss; denn für das Land Sachsen-Anhalt und eben auch für die AOK in Sachsen-Anhalt wird sich die Einführung eines verbesserten Risikostrukturausgleichs positiv bemerkbar machen.
Bis jetzt hatten wir einen Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen, der im Wesentlichen auf den Kategorien Alter, Geschlecht und Erwerbsminderung beruhte.
Seit dem Jahr 2001 sollte eigentlich der morbiditätsabhängige Risikostrukturausgleich zusätzlich eingeführt werden; das war bisher nicht möglich, es ist aber jetzt über die Umstrukturierung und die Neuorganisation in der Finanzierung möglich und wird auch geschehen.