Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)

Jede Medaille, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat aber zwei Seiten. So möchte ich auf das wenige Positive verweisen, das am Ende noch übrig geblieben ist. Aufgrund der Dringlichkeit des Inkrafttretens der in Artikel 6, 8 und 9 enthaltenen Regelungen, insbesondere zur Sprachförderung, haben wir diese aus dem Gesetzentwurf herausgelöst und wollen sie heute als Gesetz zur Förderung der frühkindlichen Bildung abschließend beraten. Mit diesen Regelungen schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass rechtzeitig vor der Einschulung der Kinder deren Sprachstand festgestellt und gegebenenfalls eine Sprachförderung erfolgen kann. Damit können wir erreichen, dass alle Kinder bei Eintritt in die Grundschule vielleicht über vergleichbare Startchancen verfügen.

Ferner enthält der Gesetzentwurf eine Regelung zur Finanzierung der Vor- und Nachbereitungsstunden der Erzieherinnen zur Verbesserung der Angebote der vorschulischen Bildung. Ich denke, auch das ist ein wichtiges gemeinschaftliches Ziel. Gleichzeitig wird dieser Gesetzentwurf dazu genutzt, aus Gründen der Rechtsförmlichkeit einige Passagen des geltenden Kinderförderungsgesetzes zu modifizieren, ohne dass damit inhaltliche Veränderungen verbunden wären.

Da dieses Vorhaben im federführenden Ausschuss für Soziales mit elf Jastimmen und einer Enthaltung ohne Neinstimme einvernehmlich beschlossen worden ist, erlaube ich mir, davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Regelungen zwischen fast allen Fraktionen im Landtag, wie wir es eben gehört haben, unstrittig sind.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig; heute ist nicht der Tag, an dem wir uns über die Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern freuen können, aber es ist auch nicht das Ende dieses Vorhabens. Meine Stimme ist zwar fast am Ende, aber - -

Die Redezeit ist es auch bald.

Dass dies nicht bereits heute geschieht, ist dem bereits erwähnten Umstand geschuldet, dass die in Artikel 1 § 5 vorgesehenen Regelungen über die Einrichtung und Aufgaben einer zentralen Früherkennungsstelle verfassungsrechtliche Bedenken des Landesbeauftragten für den Datenschutz, des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes sowie zahlreicher Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses ausgelöst haben. Das hat uns veranlasst, dieses Gesetz nicht vorschnell zu beschlie

ßen, da es möglicherweise in Teilen nicht im Einklang mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung stehen könnte.

Wir gehen aber - darüber sind wir uns in den Koalitionsfraktionen einig - davon aus, dass es auch bei uns in Sachsen-Anhalt, wie in vielen anderen Bundesländern, möglich sein wird, einen Weg zu finden, um die Durchführung von Früherkennungsuntersuchungen zukünftig auf eine verfassungskonforme Art und Weise zu regeln.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Mitten- dorf, SPD)

Die CDU-Fraktion wird dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales inklusive des Ihnen ebenfalls vorliegenden Änderungsantrages der Regierungsfraktionen zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kurze. Es gibt eine Nachfrage vom Abgeordneten Herrn Kosmehl. - Bitte sehr.

Frau Präsidentin, ich habe zwei Nachfragen.

Erstens. Herr Kollege Kurze, ich würde mit meiner Frage auch die Hoffnung verbinden, dass Sie das, was Sie gesagt haben, noch etwas deutlicher werden lassen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Auffassung sind, dass Tierschutz wichtiger ist als der Schutz von Kindern?

(Zurufe von der CDU)

- Ich habe sehr genau zugehört.

Zweitens. Können Sie, Herr Kollege Kurze, uns bitte einmal erläutern, wie es zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, insbesondere zu der darin aufgeführten Nr. 3 gekommen ist? Nachdem wir in mehreren Ausschussberatungen darauf hingewiesen haben, dass das Sozialministerium das Kultusministerium kurzzeitig aus dem Gesetz verbannt hatte, stellt sich die Frage, wie es doch noch dazu kommt, dass das Kultusministerium bei der Sprachstandsfeststellung mitreden darf.

Herr Kollege Kosmehl, aufgrund meiner angekratzten Stimme - ich habe einen grippalen Infekt - versuche ich, wenigstens eine Antwort zu geben, und zwar zu der ersten Frage. Ich habe gesagt, es ist scheinbar einfacher, Tierschutz in der Verfassung zu verankern als Kinderschutz. Das habe ich so gesagt und das wird auch so im Protokoll wiederzufinden sein. - Vielen Dank.

Danke sehr, Herr Kurze. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau von Angern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zum Verlauf der Diskussion über diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen und zu der kritischen Betrachtung schließe ich mich den Ausführun

gen meiner Vorrednerin Frau Dr. Hüskens und ihren kritischen Bemerkungen in Gänze an.

Ich möchte in die Richtung der Ministerin sagen, die zu den verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte, dass sie sie ernst nehme, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht erst durch den Landesdatenschutzbeauftragten bei der Anhörung geäußert wurden, sondern zumindest von den Oppositionsfraktionen bereits in der ersten Lesung sehr intensiv thematisiert wurden.

Es geht dabei auch nicht - in diese Ecke lassen wir uns auch nicht stellen - um einen größeren Schutz von Daten im Gegensatz zu einem geringeren Schutz von Kindern. Es geht allein um die Frage, wie sinnhaft die Maßnahmen sind, die an dieser Stelle im Sinne des Kinderschutzes vorgenommen werden, in dem Wissen, dass der Datenschutz beeinträchtigt wird.

Nichtsdestotrotz möchte ich für meine Fraktion sagen, dass wir froh darüber sind, dass zumindest die Rechtspolitiker der Koalitionsfraktionen Teile des Gesetzes zunächst zum Ruhen gebracht haben. Ich halte es in diesem Sinne so, dass die Vernunft scheinbar gesiegt hat.

Ich kann Ihnen allen empfehlen, das Protokoll über die Beratung im Finanzausschuss zu lesen, in der es nicht nur um die verfassungsrechtlichen Bedenken bei der zentralen Früherkennungsstelle, sondern auch um die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Finanzierung der lokalen Netzwerke, wie in Artikel 1 § 3 des Gesetzentwurfes beschrieben, ging.

Ein Kollege der CDU-Fraktion hat diesbezüglich ein sehr engagiertes Votum für die Kommunen und für eine ausreichende finanzielle Untermauerung des Kinderschutzes abgegeben. Ich hoffe, dass auch bei dieser Regelung ein Umdenken in den Koalitionsfraktionen stattfindet und dass sie den Kinderschutz nicht nur auf die Landkreise abwälzen, sondern dass auch wir unsere Verantwortung diesbezüglich wahrnehmen.

Nun aber zu den einzelnen Regelungen. Wir hatten es bereits im Sozialausschuss gesagt und die Ministerin hat es auch ausgeführt: Meine Fraktion war diejenige, die die in den Artikeln 6 und 8 gefundenen Formulierungen unterstützt hat. Ich denke, die Vor- und Nachbereitungszeiten dahin gehend zumindest zu eröffnen, dass pro Einrichtung pro Woche ein bis maximal zwei Stunden für die vorschulische Bildung gewährt werden sollen, ist ein erster Schritt. Es ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein; das wissen Sie.

Ich kann mich an eine Empfehlung der BertelsmannStiftung erinnern, die sogar davon sprach, man müsse 25 % der Wochenstunden der Erzieherinnen für die Vor- und Nachbereitung verwenden, um den hohen Anspruch, der in Kindertageseinrichtungen gesetzt wird, tatsächlich erfüllen zu können. Das ist eine Forderung, die nicht einmal wir erhoben haben, weil sie finanziell sehr schwer umsetzbar ist. Nichtsdestotrotz sollten wir an dem Thema dranbleiben und schauen, ob wir noch mehr bewerkstelligen können.

Ebenso positiv stehen wir den Sprachstandstests und der Sprachförderung gegenüber. Hierdurch ist ein erster Schritt für mehr Chancengerechtigkeit auf dem weiteren Bildungsweg gesetzt worden. Ich denke, ganz wichtig ist, dass wir auch die Elternhäuser mitnehmen, dass wir auch als Landtag dies weiterhin verfolgen.

Das Problem, das der Logopädenverband in der Anhörung angesprochen hat, dass der Sprachstandstest erst

sehr spät erfolgen soll, müssen wir weiterhin beobachten, möglicherweise auch im Zuge einer Evaluation, um gegebenenfalls nachzubessern.

Ebenfalls positiv sehen wir die Öffnung des Zugangs für Fachkräfte, die einen anderen pädagogischen Abschluss oder Studienabschluss und adäquate praktische Erfahrungen nachweisen können. Ich denke, wer sich den Altersbaum in den Kindertageseinrichtungen anguckt, der sieht das Problem sofort: Wir haben eine Überalterung. Wir haben nicht ausreichend Nachwuchs in diesem Bereich. Über die Defizite, die noch in der Ausbildung unseres Nachwuchses bestehen, wurde ebenfalls schon in den Ausschusssitzungen debattiert. Ich denke, es muss noch etwas getan werden.

Den Änderungsanträgen, die heute vorgelegt wurden, werden wir zustimmen. Ich denke, es ist nur in sich logisch, dass es beispielsweise nicht mehr heißt, dass das Ministerium, das für Gesundheitsschutz zuständig ist, in die Verantwortung genommen wird, sondern das Ministerium, das für Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist. Ich denke, diese Änderung ist eher redaktioneller Art. Auch dem werden wir zustimmen.

Zum Abschluss möchte noch etwas Grundsätzliches sagen, eben weil wir heute nur noch über die frühkindliche Bildung im Rahmen des Kinderschutzes im weitesten Sinne reden. Wir werden an unserer Forderung nach einem Ganztagsanspruch für alle Kinder nach wie vor festhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist Kinderschutz im weitesten Sinne.

(Herr Kurze, CDU: Die Kinder ihren Eltern weg- nehmen?)

Wir haben die Empfehlung des Bildungskonvents im Raum, der genau dies fordert, wir haben die letzte Anhörung zu dem Thema Kinderarmut im Raum, in der sich fast alle Anzuhörenden genau dafür ausgesprochen haben, und wir haben Landesparteitagsbeschlüsse sowohl der SPD als auch der LINKEN im landespolitischen Raum, in denen genau das gefordert wird. Ich hoffe, dass auch an dieser Stelle irgendwann die Vernunft siegen wird - und das möglichst bald. - Vielen Dank, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Kurze, CDU, mel- det sich zu Wort)

Danke, Frau von Angern. - Für die SPD Fraktion - -

(Herr Kurze, CDU: Sie müssen einmal hoch- gucken!)

- Oh, Entschuldigung. - Frau von Angern, würden Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Kurze beantworten?

Ja.

Dass Sie sich gemeldet haben, habe ich nicht gesehen. Frau von Angerns breites Kreuz war vor meiner Sicht.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Herr Stahl- knecht, CDU: Das ist aber jetzt politisch gemeint, das Kreuz!)

- Nur.

Engagierte Frauen haben ein breites Kreuz. Darin gebe ich der Präsidentin Recht.

(Oh! bei der CDU)

Frau Kollegin, noch einmal eine kurze Rückfrage: Wie meinen Sie das, wenn Sie sagen, eine Ganztagsbetreuung, der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Land sei der beste Kinderschutz? - Das haben Sie eben gesagt.

Ja.