(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU - Beifall von der Regierungsbank - Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Jetzt müsst ihr klatschen!)
Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kosmehl. Doch zuvor haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen des Landkreises Ohrekreis aus Haldensleben bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass ich mit meiner Rede nicht an dem Thema vorbei gehe, das Herr Stahlknecht gerade vorgetragen hat. Ich werde sie trotzdem halten. Vielleicht finden wir am Ende doch noch ein paar Gemeinsamkeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Zu Gast bei Freunden - weltoffenes Deutschland, weltoffenes Sachsen-Anhalt“ - die heutige Aktuelle Debatte, zumindest habe ich das der Begründung in der Drucksache entnommen, soll sich der Frage annehmen, welche Chancen sich für Deutschland und speziell für Sachsen-Anhalt daraus ergeben, dass Deutschland von unseren internationalen Gästen als sympathisches Land und die Deutschen als weltoffene Patrioten wahrgenommen werden, und wie die Landespolitik diese Chancen nutzen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zu spät. Die Menschen in unserem Land, die Menschen in Europa, nahezu weltweit, nutzen die Chance, die sich ergeben hat, bereits heute. Ich möchte heute zumindest am Anfang auf einen typischen Debattenbeitrag verzichten und versuche, Ihnen zu verdeutlichen, wovon ich spreche.
Alle folgenden Zitate stammen aus dem offiziellen Gästebuch der FIFA-Website. So sagt Frau Suhr aus Blaubeuren in Deutschland:
„Ich freue mich über die gute Meinung, die sich unser Land während dieser WM international erarbeitet hat. Unsere Mannschaft hat entscheidend dazu beigetragen. Wir als Deutsche haben unser Image in der Welt richtig gerückt und unter Beweis gestellt, dass wir nicht nur Weltmeister im Organisieren sind, sondern auch im Feiern und im Umgang mit all unseren Gästen. Deutschland hat sein Nationalbewusstsein wieder und ich denke, wir sind wieder stolz auf uns.“
„Es ist ein Volksfest. Diese WM und die Gäste der Welt werden dieses Festgefühl in ihre Länder weitertragen. Das macht mich stolz. Und so wird die Mannschaft mitgetragen. Sie gibt diesem WM-Volk Vertrauen durch ihre Erfolge zurück und das macht Spaß und wird das Land verändern. Sport frei!“
„Ich bin 16 Jahre alt und finde, das ist das beste Alter für eine WM im eigenen Land. Was ich am besten an dieser WM finde? - Ganz klar, die Euphorie. Seit der WM ist jeder in Deutschland glücklich. Alle feiern zusammen und man wird nach einem Sieg der deutschen Elf von wildfremden Leuten umarmt.“
„Habe keine Worte. Ist einfach schön, was Fußfall erreichen kann. Die Welt rückt zusammen und freut sich. Super, super, super, wie schön alle Nationen feiern. Wer Weltmeister wird, spielt keine Rolle - für uns sowieso nicht mehr.“
„Germany is hosting one head of a world cup. It seems to be fitting that the nations of the world be united by the colour of football here. A time to make friends, indeed.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht belasse ich es an dieser Stelle bei diesen Zitaten. Sie gehen über viele, viele Seiten. Sie sind wirklich sehr lesenswert, weil sie ausdrücken, was die Gäste, aber natürlich auch Stadionbesucher und andere Teilnehmer von unserer Fußball-WM in Deutschland denken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich war einer der schönsten Slogans in den Stadien: Freunde zu Gast beim Weltmeister. - Fußballweltmeister können wir nicht mehr werden, es sei denn, wir gehen davon aus, dass wir für die vielen ausländischen Besucher der Weltmeister der Herzen sind. Vielleicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen die ersten Reaktionen, dass die Menschen uns tatsächlich als weltoffen ansehen.
Vielleicht - damit komme ich auf die Aktuelle Debatte und den Beitrag von Herrn Kollegen Stahlknecht zurück - nehmen wir uns alle in der Politik einmal ein Stück zurück, nehmen uns nicht zu ernst und lassen die Menschen einfach sprechen. Sie sehen an den wenigen Beispielen, dass die Menschen diese Möglichkeit bereits nutzen, zumindest im Internet, aber ich denke, auch anderswo.
Wir Freien Demokraten freuen uns über einen unverkrampften Umgang mit unserem Land. Wir meinen aber, dass diesem Umstand nicht so viel Pathos beigemessen
(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung von Herrn Kurze, CDU, und von Frau Budde, SPD)
Anstatt zu fragen, wie die Landespolitik die Entwicklung hin zu einem positiveren und weltoffeneren Deutschlandbild nutzen kann, sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Politik, auch nicht die vielen Mitglieder der Bundesregierung, die von den VIP-Plätzen winken, keinen Anteil an der Fußballeuphorie hat.
Wir sollten diese Euphorie unserer Ansicht nach auch nicht für unsere Zwecke missbrauchen. So würde es nämlich bei einem Großteil der Bürger ankommen, wenn die Politik nun auf den WM-Zug aufspringen würde.
Ich muss gestehen, ich habe nicht damit gerechnet, dass eine solche Euphorie einen großen Teil von uns Deutschen und unseren internationalen Gästen erfasst. Fahnen sind überall; Zuschauer sind überall in den Stadien und auf den Plätzen beim Public Viewing. Es sind fast ebenso viele Frauen wie Männer, Alte wie Junge anzutreffen. Die WM ist das allbeherrschende Thema in den Medien, einmal abgesehen vielleicht von Bär Bruno.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alles - das ist besonders wichtig - ist bisher friedlich geblieben. Ich hoffe, dass wir das auch am Sonntagabend nach dem Ende des Spieles feststellen können.
Deutschland gibt ein fröhliches, ein weltoffenes Bild ab, zunächst einmal für diese vier Wochen. Danach wird der Alltag einkehren und sich damit die Frage stellen, ob die WM langfristig in unserem Land etwas verändert hat. Sicherlich überlegt sich der eine oder andere ausländische Besucher, noch einmal nach Deutschland zu reisen. Die Tourismusbranche profitiert von einem solchen positiven Deutschlandbild. Das hoffe ich; dennoch bin ich etwas skeptisch. Vertrauen, meine sehr geehrten Damen und Herren, in und die Identifikation mit einem Land, mit seinem Heimatland, kann nur langfristig erreicht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man erreicht sie zumindest aus meiner Sicht nicht, wenn man - das wird gerade von der großen Koalition in Berlin exerziert - den Bürgern stets und ständig durch massive Steuer- und Beitragserhöhungen immer wieder dreist in die Tasche greift.
- Ja, Herr Kollege Stahlknecht, ich habe Ihre Kritik gestern zur Kenntnis genommen, sodass ich nicht gleich mit der Mehrwertsteuererhöhung anfange.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich konnte mich in den letzten drei Wochen weiß Gott nicht des Eindrucks erwehren, dass alles ganz schnell gehen musste, um bittere Einschnitte zu beschließen, in der Hoffnung, dass der Jubel über den Fußball und unsere Mannschaft die bitteren Einschnitte vergessen macht oder sie untergehen lässt.
Herr Kollege Stahlknecht, ich verstehe Ihren Redebeitrag, zumindest vom Thema der Debatte, auch als ein Pfeifen im Walde, dass Sie vielleicht Angst haben, dass dann, wenn das kollektive Glücksgefühl, der Stolz auf unsere Mannschaft und das Organisationskomitee dem Alltag weichen, klar wird, was die große Koalition in den vergangenen Wochen eigentlich auf den Weg gebracht hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundespräsident ist stolz auf die Menschen in unserem Land - zu Recht. Die Menschen sind stolz auf unsere Mannschaft und auf unser Land, wenn sie deutsche Fahnen schwenken - zu Recht.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren - damit schließe ich -, Rainer Brüderle hat zu Recht in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag festgestellt: Jede deutsche Flagge zeigt: Schwarz-Rot, das reicht nicht, da fehlt etwas; es braucht die gelbe Kraft der Vernunft. - Vielen Dank.
Danke sehr, Herr Kollege Kosmehl. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fußballbegeisterung hat sich weit über die Sportstadien, Vereine und Fanclubs hinaus im ganzen Land verbreitet, und zwar in einem Ausmaß, das wir bisher nicht kannten und in seiner positiven Form kaum zu hoffen wagten.