Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Vielen Dank, Herr Miesterfeldt. - Nunmehr erteile ich Frau Rogée das Wort, um für die Fraktion DIE LINKE zu sprechen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für unsere Fraktion ist Leiharbeit immer noch Teil des Niedriglohnsektors, trotz aller Gesetze, die es gibt. Sie haben eines genannt. Das muss ich nicht wiederholen. Ich finde, Herr Miesterfeldt hat noch einmal sehr deutlich gemacht, wo eigentlich der Knopf drückt.

Meine Fraktion hat sich für die heutige Debatte zur Zeitarbeit entschlossen, weil die Auswirkungen hochaktuell sind. Das haben wir alle festgestellt. Deshalb freue ich mich auch, dass Sie sich so in die Debatte einbringen.

Zu der dem Landtag vorgelegten Beschlussempfehlung der regierungstragenden Fraktionen. Wir haben uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten, weil es aus unserer Sicht drei Punkte gibt, die wir so nicht mittragen.

Im Großen und Ganzen halten wir den Beschluss für einen Schritt in die richtige Richtung. Aber einen Prüfantrag ohne begrenzte Zeitvorgabe, das heißt, bis wann geprüft werden soll, an die Bundesregierung zu richten, das halten wir für sehr negativ, weil es eben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ausgedehnt werden kann.

Das Gleiche gilt für den Begriff „angemessene Frist“ in dem Antrag bezüglich der Angleichung der Einkommen der Leiharbeiter an die Einkommen der Stammbelegschaften. Das ist uns zu wenig. Eine konkrete Terminsetzung wäre ein gutes Zeichen für die Betroffenen gewesen.

Ein letzter Punkt ist - das hat Herr Tögel als Berichterstatter des Ausschusses gesagt -, dass die Beschäftigtenvertretungen keine Berücksichtigung in der Beschlussempfehlung gefunden haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, es ist so, die Leiharbeitnehmer werden zuerst entlassen, das wollen auch die Stammbelegschaften so; es gibt Betriebsvereinbarungen dazu. Das alles weiß ich.

Das Problem ist jedoch: Der Einsatz von Leiharbeitern war einmal für ein Vierteljahr gedacht und nicht für drei und mehr Jahre. Und das ist jetzt das große Problem.

(Zustimmung von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Leiharbeiter werden trotz der Tarifverträge gering oder schlechter bezahlt und sind dann diejenigen, die als Erste gehen müssen.

Aus meiner Sicht wird der Staat an dieser Stelle mehrfach zur Kasse gebeten, und zwar erstens dadurch, dass bei Niedriglöhnen zusätzliche Sozialleistungen gezahlt werden müssen, zweitens dadurch, dass bei dem dann gezahlten geringen Arbeitslosengeld wieder zusätzliche Sozialleistungen erforderlich sind und drittens fallen ehemalige Leiharbeiter sehr schnell in Hartz IV und anschließend in die Altersarmut. Und am Ende müssen sie auch noch auf Kosten der Kommune bestattet werden. So dramatisch ist das in diesem Bereich. Deswegen müssen wir uns dem Problem dringend annehmen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg Herr Trümper hat erneut gefordert, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Seine Begründung dafür ist, dass die Kosten im Sozialbereich unermesslich ansteigen. Ich möchte nur eine Zahl nennen: Insgesamt wandten die Kommunen und die überörtlichen Sozialhilfeträger für die Hilfe zum Lebensunterhalt im Jahr 2007 Mittel in Höhe von 765 Millionen € netto auf. Ich finde, das sind enorme Größenordnungen, mit denen die Kommunen belastet werden. Wir stehen in der Verantwortung, uns das anzusehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zeitnahe Umsetzung unseres Antrages vom Oktober 2007 hätte aus meiner Sicht wesentlich dazu beigetragen, dass für Familien nicht ein so großer Einbruch zu verzeichnen wäre. Ich weiß, dass ich nicht über eine Krise oder Derartiges reden darf, aber es ist so, dass Tausende von Arbeitnehmern im Bereich der Leiharbeit - Herr Miesterfeldt hat Zahlen genannt, deshalb will ich sie nicht wiederholen - betroffen sind.

Wenn unser Antrag zeitnah umgesetzt worden wäre, dann hätten wahrscheinlich nicht so viele Menschen ihre Festanstellung verloren und es würden in diesem Bereich andere soziale Bedingungen herrschen.

Es gibt auch Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die mit der Leiharbeit positiv umgehen. Das will ich an dieser Stelle sagen. Gerade deswegen finde ich die Anhörung, die wir vorbereiten, sehr gut; denn es geht nicht darum, nur negative Beispiele aufzuzeigen, sondern auch darum, Unternehmen mit positiven Beispielen anzuhören.

Wir haben - wenn ich das richtig verstanden habe - verabredet, auch zu gucken, wie die wirtschaftliche Entwicklung gerade in der gegenwärtigen Zeit ist, wie sie sich darstellt und welche Möglichkeiten wir haben, um an dieser Stelle zu unterstützen.

Deswegen haben wir beantragt, die Anhörung durchzuführen. Ich bedanke mich bei Ihnen für die Unterstützung. Unsere Fraktion wird sich bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung der Stimme enthalten; das habe ich vorhin ausreichend begründet.

(Beifall bei der LINKEN)

Möchten Sie eine Frage beantworten?

Ja.

Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Frau Rogée, wenn man Ihren Antrag umsetzen würde, was, meinen Sie, würde das dann für eine Auswirkung auf die Anzahl der Leiharbeiter haben? Gehen Sie davon aus, dass diese Anzahl drastisch sinken würde?

Ich denke, eine grundsätzliche Forderung unsererseits müsste sein, dass die Leiharbeit begrenzt wird. Als die Leiharbeit eingeführt worden ist, gab es einen Begrenzungszeitraum von einem Vierteljahr. Dieser hat sich mit bestimmten Gesetzesentscheidungen immer weiter verlängert. Ich kann dies nicht mit Zahlen belegen; das will ich auch nicht..

Wir haben 34 000 Leiharbeitnehmer im Land SachsenAnhalt. Wenn man sich dies richtig ansieht und sagt, man begrenzt die Leiharbeit auf ein halbes Jahr oder, meinetwegen, auf ein Jahr, aber nicht darüber hinaus, dann wäre das schon ein gutes Ergebnis.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Dr. Schrader, FDP: Dann sind sie arbeitslos!)

- Wenn Sie Leiharbeit lediglich als Alternative zur Arbeitslosigkeit sehen, dann werden sie arbeitslos. Wir stehen aber hier - deswegen haben wir heute früh bereits über Wirtschaftspolitik diskutiert - und sagen: Wir wollen mehr Arbeit schaffen. Es hat auch ein wenig etwas mit der Kaufkraft zu tun; deswegen stehen wir nach wie vor für den Mindestlohn. Denn die regionale Wirtschaft kann nur durch eine Erhöhung der Kaufkraft gefördert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Rogée. - Am Ende der Debatte hören wir den Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Frau Take. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr haben wir schon einmal über dieses Thema gesprochen. Die Beratungen sind im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit erfolgt und sind in die Beschlussempfehlung gemündet, zu der der Ausschussvorsitzende hier vorgetragen hat. Ich denke, wir haben einen ganz guten Kompromiss gefunden. Trotzdem möchte ich für die CDU-Fraktion in sechs Punkten meine Sicht auf das Thema Leiharbeit vortragen.

Erstens. Für die CDU-Fraktion ist die Leiharbeit ein wichtiger Teil des ersten Arbeitsmarktes, weil sie angesichts des starren deutschen Arbeitrechts ein geeignetes Instrument ist, um auf Schwankungen im Auftragseingang usw. reagieren zu können.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Leiharbeit hält Fachkräfte. Wie wichtig die Leiharbeit für den Erhalt von Facharbeitern ist, können

wir in diesen Tagen bei vielen Autoherstellern beobachten. Durch das Zurückfahren der Leiharbeit an einzelnen Standorten werden Entlassungen bei der Stammbelegschaft verhindert. Die Unternehmen bleiben handlungs- und wettbewerbsfähig und können bei einer verbesserten konjunkturellen Situation die Produktion schnell wieder mit einer hohen Qualität anlaufen lassen.

Auch die Leiharbeitsfirmen haben so viel Flexibilität, dass sie die Mitarbeiter, die dann zum Beispiel bei den Automobilzulieferern oder bei den Autobauern entlassen werden, in anderen Branchen unterbringen und dabei am Markt halten können. Diese Möglichkeit besteht bei den einzelnen Firmen, die Entleihbetriebe sind, nicht in dem Maße. Deshalb halten wir dadurch Fachkräfte.

Drittens. Leiharbeit ist unbürokratisch. Weil die Leiharbeiter Verträge mit den Verleihfirmen haben, können die Nutzer von Leiharbeit Arbeitskräfte schnell disponieren.

Viertens. Leiharbeit schafft Arbeit. Auch durch dieses flexible Arbeitsmarktinstrument ist es deutschlandweit gelungen, Arbeitslosigkeit abzubauen. Für viele Langzeitarbeitslose ist die Leiharbeit die erste Chance nach Jahren, mit der eigenen Hände Arbeit wieder ihr Brot zu verdienen.

Ich halte es immer noch für besser, Frau Rogée, zusätzliche Sozialleistungen zu zahlen, als langfristig Arbeitnehmer in der Arbeitslosigkeit zu alimentieren.

(Beifall bei der CDU)

Fünftens. Leiharbeit ist keine Billigarbeit. Die Verleihbranche zahlt Tariflohn. Wichtig für mich war, dass wir in der Beschlussempfehlung ausdrücklich auf die Tarifhoheit verwiesen haben. Diese ist ein verfassungsmäßiges Recht, welches Arbeitnehmer erstritten haben. Mit dem Verweis auf die Tarifhoheit stärken wir das Verhandlungsmandat von Arbeitgebern und Gewerkschaften.

Sechstens. Wir sollten Leiharbeit als Chance verstehen. Durch Leiharbeit kann durchaus der Sprung in eine feste Anstellung gelingen, wenn das denn gewollt ist. Herr Franke sagte bereits, dass 30 % der Leiharbeiter in Stammbelegschaften übernommen werden. Ich habe allerdings von einer Kollegin auch gehört, dass ihr Sohn, der sich in Zeitarbeit befindet, bei einer Festanstellung etwa 300 € weniger verdienen würde. Auch das ist eine Auswirkung, die bei der Zeitarbeitsbranche als positiv anzuführen ist.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gäbe noch eine Vielzahl von Argumenten, die wir austauschen könnten. Dennoch möchte ich an dieser Stelle meine Ausführungen schließen. Das Thema, diesbezüglich bin ich mir ganz sicher, wird uns im Frühjahr beschäftigen. Darauf haben wir uns im Ausschuss geeinigt.

Obwohl wir zu einzelnen Punkten durchaus unterschiedlicher Meinung waren, glaube ich, dass mit dieser Beschlussempfehlung einer guter Konsens - vielleicht auch nur ein Kompromiss - gefunden worden ist. Gleichwohl denke ich, dass wir einen Schritt weiter gekommen sind. Die Beschlussempfehlung ist auch ein klares Bekenntnis zur Tarifautonomie. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Take, möchten Sie eine Frage von Herrn Franke beantworten?

Ja, natürlich, Herr Franke.

Bitte.

Es ist eher eine Intervention. - Frau Take, ich kann jeden Ihrer Punkte unterstreichen. All das, was Sie gesagt haben, ist wichtig. Es steht aber alles total im Widerspruch zu dem Antrag, der hier vorliegt. Damit vernichten Sie die Leiharbeitsfirmen.

Nein. Zur Beschlussempfehlung?