Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Nein. Zur Beschlussempfehlung?

Genau, zur Beschlussempfehlung.

Das ist nicht so, Herr Franke.

Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Take. Es gibt noch eine Frage. - Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Das ist eine Frage. Ich habe mich damit vorher nicht so intensiv beschäftigt. All das, was Frau Rogée zu dem Antrag der LINKEN vorgetragen hat, ist ja in sich schlüssig und entspricht völlig der Vorstellung, dass man die Leiharbeit auf ein Mindestmaß zurückdrängen möchte, auf eine kurze Zeit. Im Endeffekt soll es so sein, wie es vorher war, bevor Rot-Grün das Ganze - im Grund übrigens ganz ohne Zutun der Liberalen, Herr Miesterfeldt - erweitert hat.

In Ihrem Antrag steht aber oben drin, dass Zeitarbeit ein ganz tolles Instrument ist; und Sie haben es auch so dargestellt. Unten stehen aber die gleichen Punkte wieder drin, also materiell, wie auch im Antrag der LINKEN. Das heißt, Sie finden das zwar toll, wollen aber auch, dass die Zeit reduziert wird und dass nach einer entsprechenden Zeit die Arbeitsentgelte wieder angepasst werden.

Ich hätte gern eine Aussage dazu: Was stellen Sie sich unter der zeitlichen Begrenzung vor? Wie wollen Sie sie haben? Welche Auswirkungen erwarten Sie dann in dem Bereich? Und wie erklären Sie sich den Widerspruch zwischen diesem zweiten Absatz in Ihrem Antrag und den beiden Spiegelstrichen?

Ich hatte bereits ausgeführt, dass es sich hierbei um einen Kompromiss handelt. Als Zweites möchte ich dazu sagen, dass wir in diesem Beschlussvorschlag ausdrücklich auf die Tarifhoheit eingegangen sind. Wenn wir sagen, die Gehälter müssen angeglichen werden, dann ist es ausdrücklich die Aufgabe von Gewerkschaften und

von Arbeitgebern, diese Angleichung herbeizuführen, weil wir eine Tarifhoheit in unserem Lande haben. Reicht Ihnen das aus, Frau Dr. Hüskens?

Klar. Aber können Sie zu der Zeit, die Sie sich vorstellen, noch etwas sagen? Unten im Antrag steht, dass Sie die Begrenzung der Verleihdauer von Zeitarbeitern fordern. Wie lange soll das so sein? Wieder nur drei Monate oder ein halbes Jahr? Welche Vorstellung haben Sie dazu?

Wir haben darüber gesprochen. Wir werden sehen, ob es dazu eine Einigung gibt. Es ist ein Vorschlag und, wie gesagt, ich habe darauf hingewiesen, dass es ein Kompromiss ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Take. - Damit ist die Debatte beendet.

Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 5/1643. Wer stimmt dieser zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die FDP. Wer enthält sich der Stimme? - DIE LINKE. Damit ist dieser Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich schlage vor, dass wir um 14 Uhr mit dem nächsten Punkt weitermachen. Wenn niemand gute Gründe dagegen vorbringt, dann machen wir das so.

Ich bin gebeten worden, die Mitglieder des Wirtschaftausschusses daran zu erinnern, dass sie sich unmittelbar zu Beginn der Mittagspause im Raum B0 05 treffen. Ich wünsche guten Appetit.

Unterbrechung: 13.13 Uhr.

Wiederbeginn: 14.01 Uhr.

Meine verehrten Damen und Herren! Es ist bereits 14.01 Uhr. Wir fahren mit der Sitzung fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Neuausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1628

Ich bitte Frau Dirlich, den Antrag für die Fraktion DIE LINKE einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum ersten Mal seit Langem ist es gelungen, dass die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit einem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit einhergeht. Zum ersten Mal ist es gelungen, dass innerhalb eines Konjunkturzyklus auch insgesamt eine strukturelle Verbesserung festgestellt werden kann. Schließlich ist es nicht mehr so, dass die Arbeitslosigkeit erst

dann zurückgeht, wenn das Wirtschaftswachstum über 2 % liegt.

So begeistert, meine Damen und Herren, ist der Sachverständigenrat. Diese Begeisterung hat Olaf Scholz, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, begierig aufgegriffen. Ich frage trotzdem, ob wir uns über die bislang unbestrittenen Zahlen tatsächlich uneingeschränkt freuen dürfen. Ich bezweifle das und frage, welchen Preis die Gesellschaft dafür zu zahlen hat.

Wir haben es mit einer massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors zu tun. Auch das ist unbestritten. Wir haben es seit der Einführung von Hartz IV mit einer massiven Ausweitung der Leiharbeit zu tun - unbestritten. Und wir haben es mit allen möglichen negativen Folgen zu tun, die ich jetzt nicht wiederholen muss, weil wir die Debatte dazu gerade eben geführt haben.

Wir haben es zu tun mit einer massiven Ausweitung der Mini- und Midijobs. Auch haben wir es damit zu tun, dass ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wenn sie in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden, im Leistungsbezug bei den Arbeitsgemeinschaften oder bei den Optionskommunen bleiben. Es sind bis zu zwei Drittel.

Im Jahr 2007 waren es - ich kenne die Zahlen für das Jahr 2008 nicht, weil sie uns noch nicht zugearbeitet worden sind - im Altkreis Schönebeck etwa 1 000 von ca. 1 400 Menschen, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden, die aber trotzdem im Leistungsbezug bei der kommunalen Beschäftigungsagentur geblieben sind. Ich halte das nicht für ein gutes Ergebnis.

Ich wiederhole an dieser Stelle unsere Forderung - wir werden nicht müde werden, sie an jeder sich irgend bietenden Stelle zu wiederholen - nach einem Mindestlohn, weil nur er Abhilfe gegen die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt schaffen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Anlehnung an einen anderen Schirm einen „Schutzschirm für den Arbeitsmarkt“ genannt. Die Ziele, die sich das Bundesministerium damit gesetzt hat, sind durchaus anspruchsvoll.

Im Mittelpunkt sollen die Stärkung und die Verbesserung der Arbeitsvermittlung stehen. Die Instrumente sollen so überarbeitet werden, dass sie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeberinnen sowie für die Arbeitsvermittler und Fallmanager vor Ort verständlicher und leichter handhabbar werden - wunderbar!

Es soll eine Verbesserung und Vereinfachung der Instrumente erreicht werden. Des Weiteren soll eine rechtskreisübergreifende - übergreifend insofern, als es diejenigen, die Arbeitslosengeld I bekommen, und diejenigen, die Arbeitslosengeld II bekommen, betrifft - integrative Arbeitsmarktpolitik gewährleistet werden - Klasse!

Es soll durch größere Handlungsspielräume vor Ort eine erfolgreichere und nachhaltigere Vermittlung in Erwerbsarbeit erreicht werden. - Ich find’s toll.

Und wahrhaftig wäre eine Vereinfachung und bessere Handhabbarkeit der Instrumente für die Betroffenen und auch für die Träger ein Segen. Ich bin neulich bei einem Träger in Schönebeck gewesen; der sagte mir: Wir haben ca. 1 000 Maßnahmenteilnehmerinnen und produ

zieren im Monat 40 000 Blatt Papier in Form von Anträgen, in Form von Dokumentationen, in Form von Rechenschaftslegung usw. usf.

Größere Handlungsspielräume würden die Möglichkeit eröffnen, Betroffene und Träger nicht mehr pauschal zu betrachten; denn ein Träger, der in der Fläche tätig ist, hat natürlich höhere Kosten als einer, der nur punktuell an einem bestimmten Ort tätig wird.

Betroffene brauchen höchst unterschiedliche Hilfen und sie brauchen auch einen höchst unterschiedlichen Betreuungsgrad. Das wird immer deutlicher, je mehr Menschen, die leichter vermittelbar sind, in den ersten Arbeitsmarkt hineinkommen.

Betroffene und Träger klagen darüber, dass die bitter notwendige und zurzeit auch geforderte sozialpädagogische Betreuung nicht adäquat finanziert wird. Leider wird das Gesetz den hohen Ansprüchen, die es an sich selbst formuliert, in keiner Weise oder besser: nur wenig gerecht. Nein, ich möchte gerecht sein: Es wird diesem hohen Anspruch nicht in jeder Hinsicht gerecht.

Bisher gab es zumindest eine Möglichkeit, den Rechtskreis Hartz IV in Richtung SGB III, also Arbeitslosengeld I, zu verlassen, und zwar die Entgeltvariante, nach der auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt wurden. Das wird abgeschafft.

Die Behauptung, dass rechtskreisübergreifend integrative Arbeitsmarktpolitik gemacht wird, wird dadurch konterkariert, dass man die ABM für SGB-II-Empfängerinnen abschaffen möchte. Das verstärkt die Trennung der beiden Regelkreise.

Wer das anders sieht, muss mir erklären, wie er das meint bzw. wie das gehen soll, wenn man eine integrative und eine rechtskreisübergreifende Arbeitsmarktpolitik macht und sagt: Die einen bekommen diese, die anderen jene Instrumente. Der Grundsatz bei der Einführung des Gesetzes war eigentlich, dass allen Arbeitslosen die Instrumente der Arbeitsförderung gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden sollen. Das wird jedoch immer weiter eingeschränkt.

Die Eingliederungsvereinbarung soll jetzt für alle Arbeitslosen durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden können. Vielleicht ist gemeint, dass man die schlechteren Bedingungen des SGB II jetzt eben auch auf die vom SGB III Betroffenen anwendet. Ich würde zumindest das nicht einen Fortschritt nennen.

Das größere Problem ist allerdings, dass Widersprüche gegen solche Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung mehr haben sollen und dass damit die Rechtsposition von Arbeitslosen weiter geschwächt wird.

Interessant ist übrigens die Begründung hierfür: Die Inanspruchnahme von Leistungen soll nicht durch offensichtlich unbegründete Widersprüche hinausgezögert werden. Da frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was ist denn mit den begründeten Widersprüchen? - Wir wissen aus den Urteilen und aus Erfahrungen mit sehr vielen Widerspruchsbescheiden, dass sehr viele Widersprüche begründet sind. Ich glaube einmal die Zahl von 60 % gehört zu haben.

Sanktionen werden weiter verschärft, obwohl Untersuchungen und auch das Projekt „Bürgerarbeit“, über das wir hier ja mehrfach diskutiert haben, eigentlich eindeutig gezeigt haben, dass die überwiegende Zahl der Arbeitslosen keine Sanktionen braucht, um Arbeitswillen

zu entwickeln. Wir alle kennen die Ausnahmen, haben aber ein Problem damit, wenn man Gesetze für Ausnahmen macht.

Im Bereich der Aus- und Weiterbildung soll eine noch stärkere Orientierung auf eine schnelle Eingliederung eingeführt bzw. durchgesetzt werden. Das klingt natürlich zunächst einmal wie ein lohnendes Ziel.