Im Bereich der Aus- und Weiterbildung soll eine noch stärkere Orientierung auf eine schnelle Eingliederung eingeführt bzw. durchgesetzt werden. Das klingt natürlich zunächst einmal wie ein lohnendes Ziel.
Was aber bei der Aus- und Weiterbildung herauskommen kann, ist, dass wir es in Zukunft mit immer weniger langfristigen Maßnahmen zu tun haben, die zu einem anerkannten Abschluss führen. Vielmehr werden wir es immer mehr mit modularisierten Dingen, mit kurzfristigen Qualifizierungen und mit einer Schmalspurausbildung zu tun haben, die dann unter dem Namen Spezialisierung firmiert. Das entspricht nicht meinem Verständnis von Aus- und Weiterbildung, zumal Politik nicht müde wird zu erklären, dass die Bedeutung des lebenslangen Lernens immer mehr zunimmt.
In der freien Förderung soll eine Projektförderung möglich bleiben. Der individuellen Förderung soll aber immer mehr Vorrang eingeräumt werden, was zur Folge hat, dass die Arbeitslosigkeit immer weniger als gesellschaftliches Problem und immer mehr als individuelles Problem betrachtet wird. Die Leute sind halt selber schuld.
Das Experimentierbudget soll im SGB III nur 2 % betragen. Die freie Förderung soll im SGB II 1 % betragen. Wenn 99 % der Mittel nach festgelegten Regeln ausgegeben werden sollen, kann man nicht sagen, es seien große Spielräume vorhanden. Ich halte das nicht für eine Vergrößerung des Spielraums, weil die Prozentsätze heute andere sind.
Hinzu kommt, dass diese Instrumente - Experimentierklausel und freie Förderung - gegenüber den gesetzlichen Regelinstrumenten nachrangig sind und bleiben. Das bedeutet, dass zunächst überprüft und dokumentiert werden muss, ob nicht irgendein Regelinstrument funktioniert, bevor ein Experiment gemacht werden oder die freie Förderung greifen darf. Ich halte das nicht für eine bessere Ausgestaltung eines Spielraumes.
Eine Vereinfachung findet statt. Das Vermittlungsbudget ersetzt neun Instrumente, die Aktivierung und berufliche Eingliederung ersetzt acht Instrumente; insgesamt sollen zehn Instrumente wegfallen. Das kann man sich zunächst einmal anschauen und sagen, dass diese Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten die Leute nur verwirrt hat.
Leider ist der Inhalt des Vermittlungsbudgets nicht definiert. Das Ziel ist ein großer Handlungsspielraum. Angesichts der Tatsache, dass in den Agenturen sehr restriktiv auf die Einhaltung der Buchstaben des Gesetzes geachtet wurde, frage ich mich, ob die Akteure vor Ort wirklich so mutig sein werden, dann ihren Ermessensspielraum auszunutzen. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil an die Arbeitsgemeinschaften, an die Optionskommunen und an die Bundesagentur hohe Einsparforderungen gestellt werden.
Ein weiteres Problem bezieht sich auf die Anwendung des Vergaberechts auch auf Weiterbildung und außerbetriebliche Ausbildung. Die Agentur ist nicht mehr verpflichtet, die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen zu überprüfen.
Ich sage Ihnen einmal, wozu das jetzt schon bei den Arbeitsmarktmaßnahmen führt: Ein überregionaler und ein
regionaler Träger bewerben sich auf eine Ausschreibung. Der überregionale Träger gewinnt, weil er das preiswertere Angebot gemacht hat. Am nächsten Tag stand der überregionale Träger beim regionalen Träger vor der Tür und wollte die Leute und Räume des regionalen Trägers, weil er über diese vor Ort überhaupt nicht verfügt. Prima!
Der überregionale Träger hat die Ausschreibung gewonnen, weil er das preiswertere Angebot gemacht hat. Diesen „Preisvorteil“ - Preisvorteil natürlich nur für die Agentur - gibt er natürlich an den regionalen Träger weiter. Das bedeutet, dass die Träger mit einem niedrigeren Budget dieselbe Qualität wie zuvor leisten sollen.
- Eine schlechtere Qualität kommt natürlich dabei heraus. Die Anforderungen werden aber höher. Ich sage: So nicht!
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es bei der Arbeitsmarktneuordnung vor allem um Einsparungen geht, dass man sich an den Zahlen berauscht und die wachsenden Probleme übersieht, dass man zum Beispiel übersieht, dass die verbliebenen Langzeitarbeitslosen immer mehr Betreuung brauchen, dass sie immer höhere Qualifikationsdefizite haben, aber auch Defizite in ihrer Sozialisation insgesamt.
Wir dürfen nicht übersehen - auch das haben wir heute schon diskutiert -, dass wir es mit einer Krise zu tun haben. Gestern geisterte die Zahl von möglichen zusätzlichen 700 000 Arbeitslosen im Jahr 2009 durch die Medienlandschaft. Ich sage: Dann brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Geld.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass der Gesetzentwurf in dieser Form nicht in Kraft treten darf. Daher muss es Nachbesserungen geben. Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch der Bundesrat, auch wenn er nicht alle unsere Forderungen teilt; aber Nachbesserungen muss es nach der Auffassung des Bundesrats geben. Ich fordere Sie deshalb auf, unserem Antrag direkt zuzustimmen. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag von Union und SPD auf Bundesebene ist eine ganze Reihe von Vereinbarungen getroffen worden, unter anderem die Vereinbarung, die Vielzahl der Förderinstrumente im SGB II und im SGB III auf den Prüfstand zu stellen. Hierbei geht es darum, dass man aufgrund der langjährigen Erfahrung und des Wirksamwerdens dieser Instrumente und auf der Basis von Evaluierungsberichten unwirksame und ineffiziente arbeitsmarktpolitische Maßnahmen abschaffen bzw. mit anderen so zusammenfügen will, dass man im Rahmen der Zuständigkeit eines Arbeitsvermittlers bzw. einer Arbeitsvermittlerin mit größerer Flexibilität Integrationsmaßnahmen planen und realisieren kann.
Die öffentliche Arbeitsverwaltung soll in diesem Zusammenhang entbürokratisiert und damit effektiver werden. Das sind platt klingende Begriffe. Wer aber die technischen Vollzüge im Detail kennt, der weiß, dass in dieser Hinsicht durchaus Handlungsbedarf besteht.
Es gibt ein in Teilen unüberschaubares Struktur- und Instrumententableau. Das führt oftmals dazu, dass der normale Mitarbeiter, der das Tagesgeschäft bei hoher Belastung gestalten und abarbeiten soll, Möglichkeiten nicht nutzt, weil er sie für zu kompliziert oder zu zeitaufwendig hält, und dass Schulungen und Nachschulungen oftmals nicht so intensiv vollzogen werden können, dass sie effektiv zum Tragen kommen. Außerdem ist es für die Träger oftmals sehr schwierig, sich in dem gesamten Wust zurechtzufinden, wenn es darum geht, adäquate Anträge zu stellen, damit man Inhalte mit den technischen Möglichkeiten, aber auch mit den geeigneten und zur Integration zur Verfügung stehenden Personen in Einklang bringen kann.
Ich denke, der Handlungsbedarf ist unbestritten. Dass gehandelt wird, ist zunächst einmal positiv einzuschätzen.
Natürlich können wir unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung zum jetzigen Zeitpunkt und in dieser Größenordnung richtig war. Die Senkung zum jetzigen Zeitpunkt war richtig. Das sage ich ganz klar als Wirtschaftsminister.
Wir können in dieser Legislaturperiode keine Steuerreform mehr angehen. Das hat seine Ursache nicht in der Konstellation in dieser Koalition. Vielmehr sind die aktuellen Probleme, die uns drängen, anderer Natur.
Dennoch sind die Arbeitskosten in Deutschland korrekturbedürftig. In den Bereichen, in denen sie korrigiert worden sind, hat dies durchaus Effekte gezeigt. Bei den Sozialversicherungsabgaben hatten wir sicherlich Handlungsbedarf.
Wenn im nächsten Jahr die Kostendeckung bzw. die Einnahmedeckung innerhalb des SGB III zum Beispiel nicht mehr gegeben sein sollte, dann ist der Bundeszuschuss gefragt. Dann muss das steuerfinanziert werden, sodass die Sozialversicherungsbeiträge unangetastet bleiben können. Es ist aber Spekulation, in das Jahr 2009 hineinzuschauen und bis zum Letzen extrapolieren zu wollen, welche außerordentlichen Handlungsbedarfe sich gegebenenfalls noch ergeben könnten.
Das Gesetz, das jetzt auf den Weg gebracht worden ist, ist nicht zustimmungspflichtig. Das heißt, wir sind - diesmal in einem ordentlichen Verfahren - als Bundesrat darüber informiert worden, wie das Kabinett auf der Bundesebene entschieden hat und wie der Bundestag das Gesetz auch weiter zu behandeln hat. Wir können im Rahmen des Bundesrates für die einzelnen Bundesländer und über die entsprechenden Ausschüsse Stellung nehmen.
Das werden wir auch tun, sehr intensiv und sicherlich auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, was das aus den unterschiedlichen Regionen Deutschlands Beizutragende anbelangt bzw. das, was sich auch landesbezogen an ganz konkreten Erwartungen abzeichnet. Schließlich wurden die Instrumente sehr unterschiedlich gehandhabt und auch die Schwerpunkte sehr unterschiedlich gesetzt. Sie wissen, dass wir zum Beispiel umfangreiche Erfahrungen mit dem Einstiegsgeld im
SGB II gesammelt haben. Woanders wurde eben mehr Wert auf Fortbildung und Umschulung gelegt. Das muss sich hier mit abbilden.
Die Zielstellung des Gesetzes ist es aber nicht, die Konditionen und die Chancen für die Arbeitslosen oder für die Langzeitarbeitslosen zu verschlechtern. Das wäre eine falsche Unterstellung. Das ist auch von Ihnen, Frau Dirlich, nicht gemeint gewesen; denn Sie haben sehr dezidiert versucht, sich in die einzelnen fachlichen Details hineinzubegeben, um produktiv an diesem Meinungsbildungsprozess und Gesetzgebungsprozess mitzuwirken. Das ist legitim und das ist okay.
Aber wir stehen vor der Grundsatzentscheidung: Wollen wir den Instrumentenkasten so groß lassen, wie er ist, und nur in Teilen, vielleicht an Verwaltungsvorschriften, gegebenenfalls Korrekturen vornehmen, damit der bürokratische Aufwand geringer wird und sich vielleicht die Handhabungsfähigkeit verbessert? Oder ist es nicht günstiger, stärker auf den Erfahrungshorizont der Vermittlerinnen und Vermittler zu setzen und ihnen größere Spielräume einzuräumen, was natürlich heißt, dass dann in den finanziellen Bereichen und in den einzelnen Paragrafen und Artikeln ein größerer Spielraum eingeräumt werden muss?
Ich persönlich plädiere eindeutig für Letzteres. Ich plädiere eindeutig für Letzteres, weil ich sage: Jeder Arbeitslose verkörpert ein Schicksal für sich mit einer besonderen Biografie. Man kann nur in Kenntnis der Details versuchen, die Integrationsleistung auf den Markt abzustimmen. Dabei ist der Spielraum das A und O, wenn es darum geht, diese individuelle Lösung herbeizuführen.
Wenn damit auch noch verbunden ist, dass man zwischen den einzelnen Positionen finanziell disponieren kann und damit also auch zwischen den entsprechenden Schwerpunktsetzungen, die ja vor Ort zu besprechen sind, in den Gremien der Arbeitsverwaltung bzw. der Arbeitsgemeinschaften, dann, so denke ich einmal, ist damit auch ein basisdemokratisches Mitbestimmen der Akteure möglich, die sich aus den Kammern, aus den Gewerkschaften, aus den Landkreisen, aus den Stadtverwaltungen usw. usf. rekrutieren.
Ich denke, in der Richtung sollte man diese Chance sehen und das grundsätzliche Gesetzesanliegen unterstützen und befördern. Das heißt nicht - das wäre sozusagen der Prozess der nächsten Wochen -, dass wir nicht an dieser oder jener Stelle Korrekturen anmelden sollten bzw. einfach auch Erfahrungen hineinprojizieren sollten, wenn es darum geht, den endgültigen Gesetzestext zu finden.
Unter dem Strich heißt das: Wir würden auch im Einvernehmen bzw. nach Rücksprache mit all denjenigen, die sich weiterhin arbeitsmarktpolitisch engagieren wollen, unsere Stellungnahme für die einzelnen Ausschüsse vorbereiten, breit kommunizieren und uns in diesen Diskussionsprozess einbringen. Aber dann ist es letztlich Sache des Bundestages und der Bundestagsfraktionen, zu einer endgültigen Gesetzesfassung zu kommen.
Ich denke, wir sollten Vertrauen haben; denn gerade an dieser Stelle ist niemandem damit gedient, auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf, vor Ort etwas unerschlossen zu lassen oder suboptimal zu entwickeln. Jeder will eigentlich den Erfolg. Das Erfolgskriterium soll letztlich bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. In der Richtung glaube ich, dass wir mitten im Pro
Vielen Dank, Herr Minister Haseloff. - Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Späthe. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Obwohl wir in Sachsen-Anhalt in letzter Zeit eine sehr erfreuliche Entwicklung im Bereich der Beschäftigung zu verzeichnen hatten und auch die Jugendarbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen ist, war in keinem Moment strittig, dass wir derzeit noch nicht ohne eine aktive Arbeitsmarktpolitik auskommen.
Hinzu kommen die noch nicht endgültig absehbaren Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, die heute in der Diskussion auch schon eine Rolle gespielt haben. Wir müssen eventuell davon ausgehen, dass die arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Zukunft wieder an Bedeutung gewinnen.
Das Gesetz, auf das sich der Antrag bezieht, wurde in umfangreichen Beratungen im Bundestag und in den Ausschüssen des Bundestages diskutiert und hat in der Sitzung des Bundestages am 5. Dezember, also heute vor einer Woche, eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Die erwähnten Änderungen im Gesetz, die auf Anregungen des Bundesrates zurückgehen, wurden auch unter dem Einfluss von Sachsen-Anhalt vorgenommen. SPD und CDU setzten Korrekturen in dem Gesetzentwurf durch, die durchaus positiv zu bewerten sind. Natürlich bleiben Wünsche offen; natürlich wären auch andere Regelungen denkbar gewesen. Aber das Gesetz war zum jetzigen Zeitpunkt einfach das Machbare.
Einige der im vorliegenden Antrag enthaltenen Kritikpunkte sind aber beseitigt worden und im Gesetz nicht mehr enthalten. So sind zum Beispiel 10 % der Eingliederungsmittel als Mittel der freien Förderung in das SGB II eingearbeitet worden. Der Einsatz dieses in der Praxis sehr begrüßten Instrumentes ist im SGB III in der so genannten Vermittlungspauschale enthalten. Das in Ihrem Antrag unter Punkt 3 als unzureichend ausgestaltet kritisierte Vermittlungsbudget wird von den Vermittlern vor Ort - ich spreche jetzt von meiner Heimat Merseburg - grundsätzlich positiv aufgenommen.
Natürlich bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung des Gesetzes durch die Bundesagentur in der Praxis erfolgen wird, das heißt konkret, welche Durchführungsanweisungen der Bundesagentur die Intentionen des Gesetzes letztlich aufgreifen werden und in welcher Form. Genauso wie bei der freien Förderung und den Vermittlungsbudgets muss man die so maßgeblichen ermessenslenkenden Anweisungen im Blick behalten, die in der Hoheit der einzelnen Ämter liegen. Hier kann ich Ihre Befürchtungen sogar teilweise verstehen.
Ich denke, der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit dieses Hohen Hauses sollte mit der Bundesagentur in Kontakt treten und sich zu gegebener Zeit über die Umsetzung berichten lassen.
Meine Damen und Herren! Das Gesetz soll in Kürze in Kraft treten. Das bedeutet, dass der eigentliche Antrag
von der Zeit überholt worden ist. Gestatten Sie mir aber noch einige fachspezifische Bemerkungen aus der behindertenpolitischen und seniorenpolitischen Sicht.
Einige Neuerungen im Gesetz begrüße ich sehr, zum Beispiel die Aufnahme der Altenpflegerausbildung in den Förderkatalog. Das ist eine Maßnahme, die der Entwicklung am Arbeitsmarkt und der demografischen Entwicklung sehr entgegenkommt. Es ist zwar eine Ausnahme, dass die Förderung einer so genannten schulischen Ausbildung mit aufgenommen wurde. Aber das erscheint mir vor diesem Hintergrund mehr als gerechtfertigt zu sein.
Begrüßenswert ist auch, dass nach einer abgebrochenen betrieblichen Ausbildung, das heißt einer Lehre, nunmehr auch eine Ausbildung im außerbetrieblichen Bereich stattfinden kann. Das wird die Bildungschancen einiger Jugendlicher, denke ich, durchaus erhöhen. Zu diesem Bereich gehört auch der von uns sehr begrüßte gesetzlich verankerte Anspruch auf den Erwerb eines Hauptschulabschlusses.
Meine Damen und Herren! Wir erwarten jetzt die zügige Umsetzung des Gesetzes vor Ort. Wir erwarten auch, dass die Spielräume, die das Gesetz nunmehr einräumt, so belassen werden und von den Vermittlern vor Ort kreativ eingesetzt werden.