Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Dann gibt es eine zweite Aussage.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Herr Gürth, es ist schön, dass Sie nicht nur unsere Pressemitteilungen, sondern auch noch die aus Sachsen lesen; wir können gern beim Kaffeetrinken darüber diskutieren. Trotzdem sage ich: Kommunalfreundlicher ist die Entscheidung, die in Sachsen getroffen worden ist, allemal. Das mag damit zusammenhängen, dass die Sachsen in diesem Jahr Landtagswahl haben. Das ist durchaus möglich. Trotzdem ist die Entscheidung sinnvoll.

Wir haben eine Aufteilung zwischen den Mitteln, die pauschal an die Kommunen gehen sollen, und denen, die zweckgebunden über die Ministerien per Fördermittelbescheid ausgegeben werden sollen. Da haben wir jetzt die Erfolgsmeldung - die zur Zufriedenheit des Innenministers geführt hat -, dass knapp die Hälfte - was es nicht ist, auch nach den Vorschlägen, die Herr Bullerjahn jetzt genannt hat - der Mittel, die die Kommunen ohnehin bekommen sollen, pauschal an die Kommunen gehen soll.

Da habe ich heute gehört: Das sind 50 Millionen € Investitionspauschale für kreisangehörige und kreisfreie Gemeinden. Das sind zweimal 60 Millionen € für die Schulen. Das wussten übrigens Ihre Leute aus der Presseabteilung am Dienstag noch nicht. Da stand nicht zweimal 60 Millionen für die Schulen, sondern nur einmal. Danach wären es insgesamt nur 110 Millionen €, also weniger als ein Drittel des Geldes, das insgesamt für die Kommunen pauschal bereitgestellt werden soll. So ist es knapp über einem Drittel der Gesamtsumme. Damit ist Sachsen-Anhalt das Land mit der kommunalfeindlichsten Lösung unter allen Bundesländern, und das zu sagen werden wir Ihnen nicht ersparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme noch einmal zu der Diskussion: Wenn wir das pauschal ausgeben, dann ist das Gießkannenprinzip. Dann werden die Schwerpunkte nicht ordentlich gebildet. - Da frage ich mich: Wer entscheidet in diesem Land eigentlich darüber, welche Schwerpunkte ordentlich sind? Ist das immer nur die Landesregierung? Ist das immer nur der Landtag von Sachsen-Anhalt, oder ist es vielleicht nicht wichtig, im Interesse der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung zu sagen: Wenn es um kommunale Investitionsprojekte geht - und bei den 360 Millionen € geht es ausschließlich um kommunale Investitionsprojekte -, dann sollen die Kommunen einmal ihre Schwerpunkte definieren?

Das ist nämlich wahre Demokratie. Das ist nämlich Zuwachs an kommunaler Selbstverwaltung. Es ist nicht

angebracht, dass wir hier immer denken: Die Ministerien sind diejenigen, die die Dinge entsprechend realisieren und die richtigen Schwerpunkte bilden, und die Kommunen vor Ort sind diejenigen, die im Grunde genommen keine Ahnung haben und die Mittel verschwenden. - Deswegen ist diese Entscheidung, die diese Landesregierung getroffen hat, falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann gibt es einen zweiten Punkt; das ist die Frage des Tempos. Das heißt: Wenn dieses Konjunkturprogramm wirklich wirken soll - das hat Gustav Horn in seinen letzten Bewertungen des K II noch einmal eindeutig aufgeschrieben -, dann muss das Geld so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Da sage ich ausdrücklich: Jawohl, wir haben im Land Sachsen-Anhalt gute Erfahrungen mit der kommunalen Investitionspauschale bis zum Jahr 2001. Die lag in etwa bei der Summe von 230 Millionen € pro Jahr. Die haben wir beide noch zusammen mit verhandelt, und die damit gesammelten Erfahrungen waren außerordentlich gut.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Die Fehlerquote lag eindeutig im einstelligen Prozentbereich. Da waren die Dinge noch richtig. Heute sind sie auf einmal falsch? - Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Diesen Lernprozess habe ich nicht durchgemacht.

Nun wird auf einmal die Position vertreten: Die Kommunen sind möglicherweise nicht in der Lage, dieses Geld vernünftig und schnell umzusetzen; die Ministerien können dies mit ihren Fördermittelbescheiden offensichtlich besser. Dazu habe ich heute schon Frau Fischer gehört - mit mehr Zustimmung, als der Kollege Olbertz gehört hat.

Ich muss sagen: Das Schulbauprogramm aus EU-Mitteln ist völlig richtig. Da gibt es noch keine Bewilligungsbescheide. Bei der Kita-Sanierung sieht es ähnlich aus. Bis wann sollten die Anträge abgegeben worden sein? - Die sind im August letzten Jahres abgegeben worden. Ein halbes Jahr lang ist nichts passiert. Die Antwort des Herrn Olbertz war: Das liegt im Plan. - Na klasse liegt es im Plan!

Was heißt denn das für das Konjunkturprogramm? - Jetzt werden die Kommunen in drei Monaten ihre entsprechenden Anträge abliefern. Dann folgen sieben Monate Prüfung und der erste Bewilligungsbescheid ergeht im Frühjahr nächsten Jahres.

(Zuruf von der SPD)

Das ist nicht zu fassen! Das ist dann kein Konjunkturprogramm mehr. Da müssen wir einmal ganz deutlich sagen: Leute, wir legen das Geld auf Halde, bis der Wahlkampftermin 2011 ran ist. Dann können wir die Fördermittelbescheide durch die Gegend tragen. Das ist unser Ziel. - Mit dem Konjunkturprogramm und Kommunalfreundlichkeit hat das aber nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Ja, das hätten Sie gern, Herr Gürth, aber so einfach ist das nicht. - Warum das alles? - Ganz einfach deswegen, weil es in dieser Landesregierung ein substanzielles Misstrauen gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung gibt. Natürlich hätten wir die Möglichkeit gehabt, die Gelder an die Kommunen so weiterzureichen, dass sie

die 65:35-Quote selbst einhalten können. Man hätte es nicht mehr kleinteilig in jede Gemeinde geben müssen.

Der Städte- und Gemeindebund hat einen Vorschlag unterbreitet, nämlich gesagt: Dann gebt es doch bitte in die Einheitsgemeinden, die bereits existieren, und auf die Ebene der Verwaltungsgemeinschaften. Dann müssen sich die Gemeinden dort einmal einen Kopf darüber machen, wie die Mittel vernünftig untereinander aufgeteilt und eingesetzt werden. - Das heißt, es ist ein vorgeschobenes Argument. Ich könnte es verantwortungsvoll in die Kommunen geben, und die könnten dort auch die Rahmenbedingungen einhalten, wenn sie sich an einen Tisch setzten.

Das wäre für sie, Herr Innenminister, vielleicht eine Motivation, zu sagen: Okay, dann setzen wir uns einmal an einen Tisch, den wir später als Einheitsgemeinde oder Verbandsgemeinde sowieso bilden müssen, und versuchen jetzt schon einmal perspektivisch die Mittel so effektiv wie möglich einzusetzen. - Das wäre einmal eine positive Motivation für die Gemeindegebietsreform. Das wäre einmal ein Beitrag für unsere kommunale Struktur an der Stelle.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir haben bei uns auch darüber diskutiert: Gibt es vielleicht noch Rahmenbedingungen, die wir den Kommunen bei der Verwendung dieser Mittel vorgeben sollten, gerade bei der Verwendung von Mitteln für Kindertagesstätten und Schulen?

In diesem Zusammenhang gibt es bei uns eine sehr ernsthafte Diskussion. Da geht es um die Barrierefreiheit gerade in diesen Institutionen im Interesse einer integrativen Beschulung, im Interesse der Existenz von integrativen Kindertagesstätten. Wir haben uns letztlich dazu entschlossen, gegenüber unseren kommunalen Abgeordneten in den Landkreisen und kreisfreien Städten die Bitte zu äußern, darauf zu achten, dass die Maßgaben der Barrierefreiheit eingehalten werden.

Wir werden eines nicht tun: Wir werden keinen Antrag stellen, dass es jetzt noch einmal eine gesetzliche oder Verordnungsverfügung geben muss, die die Mittelverwendung in diese Richtung noch weiter einschränkt. Wir setzen vielmehr darauf, dass die kommunale Selbstverwaltung auch an dieser Stelle die notwendigen Dinge entscheidet und die notwendigen Prozesse in Gang setzt. Wir werden nicht noch einmal darüber nachdenken, ob der Nächste mit einem Fördermittelbescheid extra für die Gestaltung der Barrierefreiheit noch einen zusätzlichen Bonus realisiert, weil wir sagen, das fällt in die kommunale Selbstverwaltung, und wir hoffen, dass die kommunalen Mandatsträger sich mit diesen Zielstellungen insoweit identifizieren, dass sie diese Dinge selbst realisieren können.

Das sind unsere Vorstellungen dazu. Wir haben sie in einem Alternativantrag aufgeschrieben. Er ist etwas - das gebe ich gern zu - durch einen Beschluss auf dem letzten SPD-Parteitag, der dazu gepasst hat, initiiert.

Deswegen haben wir unsere Maximalforderung auch reduziert. Wir haben noch im Elf-Punkte-Plan gesagt: Das gesamte Geld soll vollständig kofinanziert durch das Land an die Kommunen gehen. Wir fordern jetzt nur, dass wenigstens das Geld, das die Kommunen ohnehin bekommen sollen, auch in die Entscheidungshoheit der Kommunen geht, damit wenigstens sie diese Pauschalen ordentlich verwenden.

Wir fordern des Weiteren, dass ihnen, wenn sie eine Kofinanzierung leisten sollen, das Landesverwaltungsamt keinen Strich durch die Rechnung macht. Das bedeutet in der Konsequenz allerdings auch, dass die Konsolidierungsauflagen und die Konsolidierungsprogramme dieser Kommunen angepasst werden; sonst müssten sie im nächsten Jahr einsparen, was sie jetzt ausgegeben haben, und das wäre völliger Blödsinn.

Wir können das natürlich auch recht schnell machen, so wie das nach dem FAG üblich ist, nämlich indem wir den Kommunen über einen Orientierungsdatenerlass die entsprechenden Gelder, die auf sie entfallen würden, zukommen lassen. All das geht, wenn man es will, wenn man die kommunale Selbstverwaltung stärken will.

Wenn man aber Wahlkampf mit Ministerbescheiden bis 2011 realisieren will,

(Oh! bei der CDU - Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

dann geht das natürlich nicht. Das ist die klare Alternative und dazu beantrage ich eine Namentliche Abstimmung durchzuführen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der SPD - Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Vielen Dank für Ihren Beitrag. - Wir kommen zu dem Debattenbeitrag der Fraktion der CDU. Der Abgeordnete Herr Tullner hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Gallert, zuerst einmal möchte ich Ihnen ganz herzlich für Ihren sachorientierten und rein pragmatischen Debattenbeitrag danken, der mit dem Wahlkampf ja nun rein gar nichts zu tun hatte.

(Heiterkeit bei der CDU - Frau Dr. Paschke, DIE LINKE: Stimmt gar nicht! - Zustimmung von Mi- nister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Darüber hinaus muss ich Ihnen sagen: Es war ja fast zu erwarten, dass Sie hier eine flammende Rede für die Gerechtigkeit in der Welt im Allgemeinen und in Sachsen-Anhalt im Besonderen halten würden.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Das war erfrischend, aber es macht Sie so berechenbar.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja, das ist so!)

Deswegen, denke ich, können wir uns diese rhetorischen Mittel, die wir draußen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auf den Marktplätzen verwenden können, hier schenken.

Gestatten Sie mir trotzdem, dass ich drei kurze Vorbemerkungen mache, weil Sie ein paar konkrete Punkte angesprochen haben, die auch mich umgetrieben haben.

Der erste Punkt ist: Sie haben natürlich zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger, was den Konjunkturpakt I und die Rettung der Bankenlandschaft angeht, gerade bei der Hypo Real Estate kaum noch nachvollziehen können, warum da Milliardenbeträge hineinfließen. Sie haben das so ein bisschen gebrandmarkt

und haben dabei Kapitalbeteiligungen und Bürgschaften ein wenig miteinander vermengt.

Ich finde das alles ganz spannend, denke aber, dass man solche Debattenbeiträge dann auch stringent halten sollte. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass ausgerechnet Sie die Ersten waren, die bezüglich der Bürgschaften für die NordLB „Ja!“ gerufen haben.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich denke da an das Geld!)

Ich denke, vor diesem Hintergrund sollten Sie Ihre Haltung zu Bürgschaften im Allgemeinen noch einmal überdenken. Das können Sie auch nachher in Ihrem Debattenbeitrag unter dem TOP 7 noch machen. Ich bin der Meinung, dass man in der eigenen Argumentation glaubhaft bleiben sollte.

Bezüglich des zweiten Punktes „Commerzbank-Beteiligung versus Schulspeisung“ enthielt Ihr Redebeitrag eine Argumentationslinie, die ich Ihnen gar nicht so richtig zugetraut hätte. Aber man lernt immer dazu.