Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

Vor diesem Hintergrund und der von Mal zu Mal deutlich zurückgegangenen Wahlbeteiligung müssen wir durch gezielte Aktionen und unter Nutzung größtmöglicher Synergieeffekte für die Teilnahme an der Europawahl 2009 werben. Das Europäische Parlament ist die einzige von den Bürgern unmittelbar besetzte und demokratisch legitimierte EU-Institution. Es ist der Mittelpunkt der europäischen Demokratie. Deshalb sollten alle Europäer von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

In Sachsen-Anhalt versuchen wir seit Jahren mit einer kontinuierlichen und bürgernahen Öffentlichkeitsarbeit die Vorteile und Chancen eines geeinten Europas zu vermitteln. Schwerpunkt ist dabei die Europawoche. Sie hilft, Vorbehalte abzubauen und gemeinsam über europäische Fragen zu diskutieren. Jedes Jahr beteiligen sich dankenswerterweise zahlreiche Organisationen. Sie erreichen die Menschen vor Ort und bieten ihnen einen direkten Zugang zu europäischen Themen.

Genau das ist der richtige Weg. Die Menschen müssen Europa vor Ort erfahren und verstehen können. Sie müssen spüren, dass es um ihre Anliegen geht, dass sie Vertrauen in die europäische Integration haben können, Vertrauen in die Werte und Ziele der Europäischen Union.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung ihre europapolitische Kommunikation neu ausgerichtet und ein Maßnahmenpaket erarbeitet. Wir werden stärker über Inhalte und Ziele der EU informieren. Wir bauen das Internetangebot als zentrales Medium der Informationsvermittlung aus und verbessern das Angebot von Beratungsstellen zu EU-Förderprogrammen.

Wir werden EU-Themen stärker in der Schule vermitteln und europäische Begegnungen und Partnerschaften fördern. Zugleich werden wir Veranstaltungen mit landesweiter Ausstrahlung wie den Sachsen-Anhalt-Tag stärker als bisher nutzen, um im Kontakt mit den Besuchern auch die Akzeptanz der EU im Land zu erhöhen.

Die deutsche Ratspräsidentschaft 2007 und die ihretwegen verstärkte Öffentlichkeitsarbeit bei uns haben erfreulicherweise zu einer messbar erhöhten Zustimmung zu Europa in der deutschen Bevölkerung geführt. Diese Stimmung wollen wir aufrechterhalten und vor allem um eine wichtige Komponente erweitern, nämlich die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Auch deshalb konzentrieren wir unsere europapolitische Öffentlichkeitsarbeit auf die Europawahl. Unter dem Motto „Sachsen-Anhalt wählt Europa“ starten wir eine Informationskampagne, die möglichst viele Träger in dem gemeinsamen Bemühen zusammenführt, den Menschen den Stellenwert der europäischen Ebene im Allgemeinen und des Europäischen Parlaments im Besonderen zu vermitteln.

Unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebots, das für Aktivitäten einer Landesregierung im Umfeld von Wahlen gilt, werden wir breit und dezentral über die Bedeutung des Europäischen Parlaments in der EU und für Sachsen-Anhalt informieren. Interessierte Organisationen, Vereine und Verbände, Schulen, Hochschulen, Kammern und Kommunen sind aufgerufen, sich aktiv einzubringen. Auch zu Ihrer Information, meine Damen und Herren, werden wir im Landesportal unter der Rubrik „Europa + Internationales“ Sachsen-Anhalts Aktivitäten zur Europawahl 2009 veröffentlichen und kontinuierlich fortschreiben.

Die Europawahl soll auch ein Schwerpunkt des EUSchulprojekttages im März und der Europawoche im Mai sein. Höhepunkt der Europawoche wird das Jugendevent „Europa geht weiter“ sein. Etwa 200 Schülerinnen und Schüler aus allen Landesteilen werden daran teilnehmen und in Workshops eigene Projekte entwickeln. Wir wollen junge Menschen dazu motivieren, gemeinsame eigene Aktivitäten zur Europawahl zu entfalten.

Wissensvermittlung soll in diesem Fall bewusst nicht von oben erfolgen, sondern durch die Jugendlichen selbst.

Außerdem habe ich gemeinsam mit der Landesmedienanstalt alle Bürgermedien des Landes - das sind die offenen Kanäle und die nichtkommerziellen Lokalradios - zu einem Europawettbewerb aufgerufen. Unter dem Motto „Was geht mich Europa an?“ erwarten wir Beiträge, in denen Menschen aus Sachsen-Anhalt ihre Gedanken zum europäischen Integrationsprozess mitteilen, sich damit auseinandersetzen, welche Rolle Europa in ihrem Alltag spielt und welche Hoffnungen, aber auch Sorgen sie mit der fortschreitenden Einigung Europas verbinden.

An dieser Stelle möchte ich einmal ausdrücklich unseren Medien in Sachsen-Anhalt danken, der „Volksstimme“, der „Mitteldeutschen Zeitung“, der „Altmark-Zeitung“, dem Mitteldeutschen Rundfunk, den privaten Rundfunkveranstaltern wie Radio SAW und Radio Brocken sowie allen anderen elektronischen und Printmedien, die mit ihren Beiträgen Europa für ihr Publikum lebendig machen.

(Herr Tullner, CDU: Man könnte noch mehr nen- nen!)

Ich möchte diese Medien schon heute ermuntern, insbesondere auch über die lokalen Aktivitäten im Vorfeld der Europawahl zu berichten und damit einen eigenständigen Beitrag der Medien zur europäischen Integration zu leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Unser aller Aufgabe ist es, den Menschen zu verdeutlichen, dass die Europäische Union mit all ihren Möglichkeiten ihnen persönlich und ihrer Familie zugute kommt. Das macht den Zusammenhalt in Europa und natürlich auch in unserer Gemeinschaft aus. Vor diesem Hintergrund sind die Europawahlen im Juni 2009 auch ein Gradmesser für unser demokratisches Gemeinwesen und eine Herausforderung an uns alle, ob es uns gelingt, die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich zu erreichen.

Sachsen-Anhalt, Deutschland und die Europäische Union sind eng miteinander verflochten. Unser Land hat von der europäischen Integration sehr profitiert. Umgekehrt will und kann unser Land Europa - wie seit Ottos und Edithas Tagen - wertvolle Impulse geben.

(Zurufe)

Europa steht vor großen Herausforderungen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Europäische Parlament als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger dabei eine entscheidende Rolle spielen wird. Wirksam werden kann das Europäische Parlament aber nur im engen Dialog mit den Europäerinnen und Europäern. Deshalb brauchen wir eine große Beteilung an den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009, auch in Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Sachsen-Anhalt braucht Europa, es braucht eine starke Stimme in Europa. Europa braucht ein starkes demokratisches Fundament, es braucht jede Stimme. Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt die Demokratie. Lassen Sie uns gemeinsam Menschen für die Demokratie in Europa begeistern. Werben wir gemeinsam für eine starke, lebendige Wahl mit hoher Beteiligung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Es gibt zwei Nachfragen, einmal von Herrn Gallert und einmal von Herrn Rothe. - Bevor ich Herrn Gallert das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Franke-Sekundarschule Magdeburg auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Gallert, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Robra, mir geht es um einen Punkt, den Sie ziemlich zu Anfang Ihrer Rede erwähnt haben. Sie haben gesagt, Meinungsumfragen zeigten eine zunehmende Kluft zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern. Sie belegten das in Ihrer Rede mit mehreren Beispielen wie zum Beispiel mit dem Verfassungsprozess und der geringen Wahlbeteiligung. Dann sprachen Sie davon, dass diese Kluft überwunden werden müsse.

Der Ministerpräsident ist heute zwar nicht anwesend, aber es ist in der Medizin auch allgemein bekannt, dass man zunächst eine Diagnose braucht, bevor man eine Therapie macht. Woran liegt es laut Ihrer Diagnose, dass diese Kluft substanziell größer geworden ist, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern europaweit? Wohin müsste die Therapie denn wirken?

(Herr Tullner, CDU: Dass DIE LINKE auch einmal für Europa wirbt!)

Herr Gallert, das ist ein Diskussionsstoff, der sich nicht in wenigen Minuten verdichten lässt. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission, aber auch die nationalen Regierungen arbeiten nicht nur mit den Mitteln der Kommunikation, sondern auch inhaltlich daran, diese Kluft zu verringern.

Das hat viel damit zu tun, dass zum Beispiel der Vertrag von Lissabon noch nicht wirksam geworden ist. Der Vertrag von Lissabon soll gerade dazu dienen, auch in den Politikfeldern zu einer Abgrenzung zu kommen, sodass für die Menschen in Europa deutlicher wird, welche Ebene wofür verantwortlich ist. Das heißt aber auch, am Ende deutlich zu machen, wofür Europa wirklich verantwortlich ist.

In dem Maße, in dem uns das gelingt, werden die Menschen auch klarer erkennen können, welche Erwartungen sie an die jeweilige Ebene stellen können und dann natürlich auch leichter zuordnen können, wenn diese Erwartungen von der jeweiligen Ebene nicht erfüllt werden.

Zurzeit haben wir das Problem, dass in dieser relativ diffusen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Regionen, den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union Europa am ehesten die Region ist, auf die alle Probleme verlagert und projiziert werden.

Auch deswegen ist es wichtig, dass wir mit dem Vertrag von Lissabon die Grundlage bekommen, um diese Zuweisung von Verantwortung zu klären, und es damit eben auch ermöglichen, dass das, was tatsächlich in Europa zu entscheiden ist, besser kommuniziert werden kann und am Ende auch auf größere Akzeptanz stößt.

Dazu gehört dann ganz maßgeblich natürlich auch die größere Aufmerksamkeit, die die Arbeit des Europäischen Parlaments, die Arbeit der demokratisch legitimierten Abgeordneten Europas finden sollte.

Vielen Dank. - Herr Rothe, Sie haben das Wort.

Herr Minister Robra, dem vorherigen Fragesteller wünsche ich die Kraft durchzusetzen, dass engagierte Proeuropäer wie Sylvia-Yvonne Kaufmann und André Brie bei der LINKEN auf aussichtsreiche Listenplätze für die Europawahl gelangen.

(Heiterkeit bei der SPD - Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir darüber reden, Europas Regionen zu stärken, dann fällt mir immer noch die Initiative Mitteldeutschland ein,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ich habe es gewusst, dass das kommt! - Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU)

die die Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer, Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel im August 2002 auf den Weg gebracht haben. Im Oktober 2004 hat ein SPDLandesparteitag in Sachsen-Anhalt beschlossen, dass wir längerfristig eine Länderfusion anstreben. Ich halte diese Finalität auch für wichtig, damit wir wirklich konkrete Schritte zu diesem Ziel hin unternehmen.

(Herr Kosmehl, FDP: Schreiben Sie das in das Wahlprogramm! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich frage Sie, Herr Minister Robra: Welche Chance sehen Sie, diese wirklich verdienstvolle Initiative Mitteldeutschland mit neuem Leben zu erfüllen?

(Unruhe bei der CDU und bei der FDP - Frau Budde, SPD: Eine europäische Region, um das klarzustellen!)

Sehr geehrter Herr Rothe, eines der Probleme, das hinter meiner Antwort steckte, die ich Herrn Gallert gegeben habe, ist, dass Europa sich so wunderbar dazu eignet, fast jedes Thema damit zu verknüpfen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

In diesem Sinne bin ich gern bereit, wenn im Parlament die Initiative ergriffen wird, auch einmal wieder über die Initiative Mitteldeutschland und den zwischenzeitlich durchaus auch von der Öffentlichkeit gar nicht so wahrgenommenen Stand zu diskutieren.

Aber wir sollten uns tatsächlich hüten, alle diese auch lokalen Fragen immer gleich wieder in den Kontext von Europa zu stellen. Europa hat eine andere Dimension, einen anderen Stellenwert und auch andere Aufgaben. Wir können unsere Probleme in Mitteldeutschland gern im mitteldeutschen Geist miteinander besprechen und lösen. Der europäische Geist geht dann doch noch erheblich viel weiter. Auch die Dimension der Aufgaben und Probleme, die dort zu lösen sind, ist gewiss noch größer als die, die wir in Mitteldeutschland zu bewältigen haben.

Also in diesem Sinne gern mein Angebot, darüber bei anderer Gelegenheit intensiver zu diskutieren, aber keine Abstriche an der europäischen Integration, trotz aller Probleme, die es in der Initiative Mitteldeutschland geben mag.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Beantwortung der Fragen.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 1 b:

Aussprache zur Regierungserklärung