Der Ältestenrat hat die Redezeitstruktur D vorgeschlagen, also eine Gesamtredezeit von 90 Minuten. Davon entfallen auf DIE LINKE 16 Minuten, auf die SPD 15 Minuten, auf die FDP acht Minuten und auf die CDU 26 Minuten.
Jetzt erteile ich für DIE LINKE dem Abgeordneten Herrn Czeke das Wort. Bitte schön, Herr Czeke, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Haseloff, ich darf Ihnen, bevor ich mit meiner Rede beginne, auch meinen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des europäischen Chemienetzwerks aussprechen. Ich hoffe, dieses Amt ist Ihnen nur Lust.
Herr Rothe, Sie hätten diese Frage jetzt nicht stellen dürfen; denn deswegen komme ich jetzt auf Ihre Partei zurück. Die Aussage stammt nicht von mir, obwohl es wahrscheinlich erwartet worden ist, sondern es stammt von Martin Schulz,
Er sagte dies am 13. Februar 2009 nicht im „Neuen Deutschland“, sondern in der „Welt“. Beachtlich ist auch seine Einschätzung zu Frankreichs Staatspräsident Sarkozy. Er sagte in diesem Beitrag auch, für die Generation unserer Eltern und Großeltern bedeutet Europa Frieden, Stabilität und soziale Sicherheit. Heute hingegen schauen viele Menschen, wenn sie an Europa denken, nur noch auf die Nutzwerte.
Damit sind wir eigentlich schon bei unserem Thema. Es muss doch aber legitim sein, wenn gerade auch jüngere Menschen nicht nur auf den Nutzeffekt, sondern auch auf den Nutzwert schauen. Wenn sich die EU den Menschen nämlich immer marktgeprägter darstellt, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen sich eben an diesen Nutzwerten orientieren und danach suchen. Gerade junge Menschen empfinden zum Beispiel in der Möglichkeit, das Land, in dem sie studieren und hoffent
lich auch eine Familie gründen wollen, auswählen zu können, einen deutlichen Vorteil. Ich kann das an meinen beiden Töchtern auch anschaulich erleben.
In der Wahrnehmung Europas durch die Menschen - das stellte Ihre Frage dar und auch die Rede des Staatsministers - stellen wir sehr viele Unterschiede fest. Es hängt von der Sozialisierung, dem Lebensalter oder auch den Lebensumständen jedes Einzelnen ab. Bei der Sicht auf die Dinge wird es sehr wahrscheinlich auch Differenzen zwischen den Reden von Herrn Robra, den Kollegen der Fraktionen und mir geben. Das mag nicht verwundern. Auf Martin Schulz komme ich eventuell nachher noch einmal zurück, wenn es meine Redezeit zulässt.
In Ihrer Rede, Herr Robra, sind Sie von A wie Alltag bis Z wie Zertifikate wirklich auf ein breites Spektrum eingegangen. Sie erwähnten sogar die Glühbirne. Das ist das, was die Menschen umtreibt, es tatsächlich zu verstehen, was in Europa passiert.
Wo stehen wir aber heute in Europa und welchen Beitrag hat die Landesregierung dazu geleistet? - Ich denke, das soll auch die Analyse sein und das muss die Diskussion hier und heute hergeben. Was ist in den letzten Jahren von der Landesregierung europapolitisch gemacht worden? Herr Robra, Sie erwähnten es: Ihre letzte Erklärung zur EU-Politik der Landesregierung war im Mai 2004. Es ist fast fünf Jahre her, dass Europa in dieser Dimension eine Rolle spielte vom Grundsatz her.
Das Ziel der Landesregierung war und ist es sicherlich auch, mit dem Konzept für europapolitische Kommunikation den Menschen die EU näher zu bringen, über Ziele und Inhalte des europäischen Integrationsprozesses zu informieren und europäische Abläufe und Entscheidungen anschaulich zu vermitteln. Just gestern ereilte uns der erste Flyer zur Europawahl am 7. Juni 2009. Das Ziel ist aller Ehren wert und wird von uns ausdrücklich unterstützt. Es hapert aber unserer Meinung nach oft noch an der Umsetzung.
Was hat die Landesregierung nun tatsächlich unternommen, um Europa den Menschen näher zu bringen und positive Aspekte der EU hervorzuheben? - Wir können feststellen - das ist in wissenschaftlichen Erhebungen auch schon getan worden -, dass eher das Gegenteil bei den Menschen der Fall ist - wenn auch nicht so gewollt -, nämlich dass mit der Europapolitik auch in SachsenAnhalt dazu beigetragen wird, Europa den Menschen zu entfremden und ihre Zweifel - ich will nicht von Misstrauen sprechen - gegenüber der EU zu verstärken. Beispiele dafür gibt es eine ganze Menge.
Die EU - das ist sehr positiv - hat in der neuen Förderperiode, beginnend im Jahr 2007 - nun sind wir zwar das Land der Frühaufsteher, aber wir haben das ganze Jahr 2007 benötigt, um die Genehmigungen für unsere Fonds zu erhalten -, einen breiten Rahmen für die Förderung vorgegeben.
Ich erwähne ganz positiv, auch wenn es bei den Vertretern des ländlichen Raumes kritisiert wird, den Bau von Schulen und Kitas gerade im ländlichen Raum. Wir haben aber gestern darüber gesprochen, dass sich das mit den Anträgen und den Bewilligungen zeitlich immer noch ein Stück hinzieht. Durch den nationalen Rahmenplan und die Ausrichtung der operationellen Programme ist
Natürlich ist es richtig, dass das Land Sachsen-Anhalt für sich eine eigene Strategie, die seinen Stärken und Schwächen gerecht wird, finden muss. Aber es kann keinem Menschen verständlich gemacht werden, warum gerade jetzt - Herr Staatsminister, Sie sprachen es ja an - massiv Geld fast ausschließlich in große Unternehmen investiert wird, deren Erfolgsaussichten mehr oder weniger fraglich sind, es aber bei uns mit dem Schulbauprogramm noch nicht so funktioniert wie gedacht.
Die Förderperiode - - Das ist schon mal sehr positiv. Es gab einen Film, in dem hatte ein Zeitgenosse immer einen Plan. Das endete immer hinter Schwedischen Gardinen.
Ein anderes Beispiel, das wiederum Schulen betrifft: Die Landesregierung hat es sich ganz groß auf die Fahnen geschrieben, die Schulabbrecherquote zu verringern, aber das dazugehörige „Programm zur Förderung von Projekten zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“ lief erst Ende des letzten Monats an. Es sollte schon zu Beginn des letzten Schuljahres, also im Herbst letzten Jahres, losgehen. Auch das eine geringe Verzögerung, aber wir sind im Plan.
Bedenkt man, welche Bedeutung die EU der Bildung zur Erreichung des Ziels, weltweit wettbewerbsfähigster wissensbasierter Wirtschaftsraum zu werden, beimisst, kann man sich schon fragen, ob die Landesregierung hierbei den Startschuss verpasst hat. So bringt man Europa den Menschen nicht näher.
Auch die Verwendung der technischen Hilfe hier im Land für Werbekampagnen, beispielsweise die allseits beliebte Frühaufsteher-Kampagne oder die neue, von Frau Ministerin Wernicke vorgestellte Ökomenta-Kampagne, bei der, ganz salopp gesagt, die landwirtschaftlich genutzten Felder im Schachbrettmuster gemäht werden sollen, es um bunte Kühe geht oder ein selbstverliebter Professor mit freiem Oberkörper im Kuhstall posiert - - Die zahlreichen Leserbriefe sprechen eine deutliche Sprache dahin gehend, dass die Bevölkerung das nicht so positiv wahrnimmt.
Mit solchen Aktionen versucht die Landesregierung, Europa den Menschen näher zu bringen, nur weniger sinnvoll. Da nützt es auch nichts, wenn Frau Wernicke bei der Rechtfertigung der Kampagne - wahrscheinlich durch Zufall nur - herausrutscht, dass es sich ja „nur“ um EU-Mittel handelt. Vielleicht ist es nicht jedem bewusst, aber EU-Mittel sind auch Steuergelder unserer Bürgerinnen und Bürger.
Die Bürgerinnen und Bürger freut das bestimmt nicht, da es sich ja „bloß“ um ihre Steuergelder handelt.
Wir kritisieren nach wie vor die fehlende Legitimation der EU - Herr Robra sprach schon einige Dinge an -, was auch die Wahlbeteiligung angeht, Wahlmüdigkeit oder wie auch immer man will. Es fehlt aus unserer Sicht an Referenden über die Verträge der EU. Der LissabonVertrag spricht in dieser Hinsicht eine wirklich beredte Sprache. Jetzt muss ausgerechnet die tschechische Ratspräsidentschaft nach Irland fahren und die Iren zu überzeugen versuchen, das sie nun doch endlich so abstimmen, wie Europa sich das wünscht, obwohl Tschechien selbst das Abkommen noch nicht gebilligt hat.
Es ist legitim, wenn ein Land für sich ein Referendum festgeschrieben hat, es durchführt und es dann nicht so ausfällt, wie die Allgemeinheit es sich gewünscht hat. Wenn es dann nur einen positiven Diskussionsprozess in Gang setzt, ist das aus unserer Sicht sehr, sehr positiv, denn das bringt Europa den Menschen tatsächlich näher.
Der tschechische Präsident wartet voller Ungeduld auf den Urteilsspruch aus Karlsruhe zum Vertrag von Lissabon. Erst dann will er sich entscheiden. Da beißt sich aus meiner Sicht die Katze in den Schwanz.
Zurück zur europapolitischen Kommunikationsstrategie der Landesregierung. Es ist aller Ehren wert, wenn sich die Landesregierung vor allem für Jugendliche engagiert, versucht, ihnen Europa näher zu bringen. Die Europa-Woche ist solch ein Thema. Es muss aber aus unserer Sicht kontinuierlich passieren, nicht nur einmal im Jahr in der Europa-Woche oder kurz vor den Wahlen, wie wir es jetzt gerade wieder feststellen.
Erst gestern ist uns seitens der Staatskanzlei in der Vorbesprechung zur nächsten Sitzung des Europaausschusses gesagt worden, dass die Anzahl der Schulen, die sich beteiligen wollen, doch wohl - ich sage es mal ganz diplomatisch-vorsichtig - deutlich rückläufig ist. Das zeigt mir nun, dass es nicht so verstanden wird, wie es angelegt ist.
Problematisch ist bei der Konzentration auf Jugendliche aber auch, dass andere Bevölkerungsgruppen nicht mitgenommen werden, nämlich ab 30 plus, sage ich jetzt mal.
Denn auch diese Menschen geht Europa etwas an. Es geht aber, wenn sie keine Informationen erhalten, an ihnen vorbei. Wir müssen auch diese Altergruppe erreichen und mitnehmen, auch wenn das schwieriger ist als bei Jugendlichen, da diese sich in großer Anzahl meist in Schulen befinden und wir dort sehr zentral an ihre Meinungsbildung in Veranstaltungen herankommen.
Meines Erachtens reicht als Information eben eine Plakataktion über den Einsatz der europäischen Strukturfonds in Sachsen-Anhalt nicht aus. Die reine Bereitstellung von Informationen in Form von Flyern, Broschüren und Plakaten ist unzureichend.
Was hat die Landesregierung seit der letzten Grundsatzrede aus dem Mai 2004 für und in Europa tatsächlich getan und erreicht? Welche Initiativen hat sie beispielsweise im Bundesrat gestartet? - Gestern hatten wir schon einmal solch eine Auswertung per Statistik.
Herr Dr. Schneider hat am letzten Freitag im Rahmen der auswärtigen Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien über seine Tätigkeit im Ausschuss der Regionen und im Bundesrat berichten können. Jedoch schien die Arbeitstätigkeit der Landesregierung auf Bundesratsebene zu Vorhaben der Europäischen Union etwas lau.
Es gab seit dem 4. November 2005 bis zum 19. Dezember 2008 im Bundesrat 446 Vorlagen durch die Europäische Union, davon 135 Verordnungsvorschläge und 331 sonstige Vorlagen. Nur zu zwei Verordnungsvorschlägen hat der Bundesrat einmal eine Stellungnahme und einmal eine Kenntnisnahme vorgenommen bzw. abgegeben und zu sonstigen EU-Vorlagen lediglich neun.
Bei allem Respekt, das ist aus unserer Sicht zu mager. Es spiegelt aber auch die Behandlung Europas in der aus unserer Sicht dünn gesäten Behandlung von Vorlagen der Europäischen Union in unserem Hohen Haus wider. Auch im Landtag hält sich bekanntermaßen die Begeisterung für Vorlagen der Europäischen Union arg in Grenzen.