Wir müssen das doch im Gesamtpaket sehen. Angefangen beim Kündigungsschutz über die Arbeitnehmerrechte, die Belegschaftsvertretungen, die Urlaubstage und die Feiertage bis zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - das ist die Summe dessen, was wir in Deutschland haben, das ist das, was die Arbeit teuer macht, was zum Teil auch Ursache für die Schwarzarbeit ist.
Die Schwarzarbeit ist doch jetzt schon vorhanden. Wenn wir noch etwas draufsetzen - was kommt denn dann? - Es ist wichtig, dass wir das unverändert lassen. Wir wollen das unverändert lassen.
Wir sorgen jetzt dafür, dass im Reinigungsgewerbe - es gibt inzwischen das Entsendegesetz - oder in anderen Bereichen tariflich vereinbarte Mindestlöhne gezahlt werden. Wenn wir nun von 6,90 € auf 8 € oder - die Forderungen der PDS sind dabei wie die Wasserstandsmeldungen der Elbe im Frühjahr - auf 9 €, auf 10 € - im Bundestagswahlkampf werden sie wahrscheinlich 11 € fordern - erhöhen, dann bedeutet das, dass das für einen Großteil dieser Jobs klare Folgen hat.
Von 100 000 Beschäftigten in diesem Bereich wird, wenn nicht alle mehr für die Reinigung der Räume ausgeben wollen - das betrifft auch die öffentliche Hand; die Bürgermeister und die Landräte müssen das auch von den Kreistagen bzw. in den Gemeinderäten beschließen lassen -,
nur ein Bruchteil vielleicht mehr Geld kriegen. Sie werden statt 6,90 € dann 8 €, 9 € oder 10 € gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Was ist aber mit dem Rest, für den keiner bezahlen möchte? - Der geht dann in die Arbeitslosigkeit.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen eine Studie vorstellen. Als VW die Senkung der Wochenarbeitszeit beschlossen
hat und der Staat mit Frühverrentungsprogrammen dafür gesorgt hat, dass die Beschäftigten viel mehr Freizeit haben - was hat dort stattgefunden? - Eine höchst unsoziale Geschichte, auch gegenüber legalen ordnungsgemäßen Arbeitgebern.
In Niedersachsen war ohnehin schon das Problem vorhanden, dass zwar die Handwerksmeister, Elektriker, Klempner usw. ausbildeten, aber am Ende bis zu 70 % dieser ausgebildeten Junggesellen - wohin? - in einen mitbestimmten Betrieb, nämlich zu VW gegangen sind,
Als dann VW - ich will jetzt nicht über alles, was bei VW noch stattgefunden hat, reden - die Vier-Tage-Woche eingeführt hat, ist die Schwarzarbeit im Umfeld dieser Standorte nachweislich signifikant angestiegen. Das bedeutet, der ehrliche Arbeitgeber, der Handwerksmeister, der seine Steuern zahlt, der eine höhere Ausbildungsquote als der mitbestimmte Betrieb VW vorzuweisen hat,
der hat die jungen Menschen ausgebildet und hat die Kosten der Ausbildung getragen, und am Ende der Ausbildung waren sie weg.
Weil sie aufgrund der Vier-Tage-Woche mehr Freizeit und eine ordentliche Ausbildung hatten, haben sie auch noch schwarzgearbeitet.
Zwei Drittel der Schwarzarbeit werden nämlich nicht von denen geleistet, die Stütze bekommen. Zwei Drittel der Schwarzarbeit werden von Menschen geleistet, die einen regulären sozialversicherungspflichtigen Job und trotzdem viel Freizeit haben und
sich große Konsumwünsche erfüllen wollen. Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie darum, mit dem Totschlagsargument „Mindestlöhne“, mit dem Sie immer wieder kommen,
Wenn wir einen Teil der Bürokratie, die auch für die Schaffung bzw. für die Nichtschaffung von Arbeitsplätzen mit verantwortlich ist, auf angelsächsisches Niveau herunterfahren würden - und das ist ein großer Strauß -, könnte nach ernstzunehmenden Berechnungen legal eine zusätzliche Wertschöpfung von 40 Milliarden € generiert werden. 500 000 Jobs könnten in den Bereichen des Handwerks und der industrienahen Dienstleistungen neu geschaffen werden.
Insofern ist es eine sehr differenzierte Betrachtung. Ich sage Ihnen auch: Wir können über Schwarzarbeit lange
schimpfen oder reden. Wenn die Ursachen, die gesellschaftliche Akzeptanz und der wirtschaftliche Anreiz, nicht beseitigt werden, werden wir weiter reden und das Problem wird nicht kleiner, sondern größer.
Ich möchte zum Schluss einen weiteren Punkt ansprechen, weil es auch wichtig ist, sich einmal anzuschauen, wer schwarzarbeiten lässt und wer schwarzarbeitet. Zwei Drittel der Schwarzarbeiter - das hatte ich schon gesagt - sind Menschen, die eigentlich einen regulären sozialversicherungspflichtigen Job haben und hinzuverdienen. Das andere Drittel sind Leistungsbezieher. Das sind Menschen, die eine Frührente erhalten, die Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II oder andere Leistungen bekommen, aber dennoch schwarzarbeiten.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ca. ein Drittel, nämlich 27 % der so genannten Besserverdienenden, also derjenigen, die monatlich mehr als 2 500 € netto frei zur Verfügung haben, schwarzarbeiten lassen. Wir gehören alle mit dazu.
Das heißt, jeder Dritte von uns würde schwarzarbeiten lassen, wenn wir dem statistischen Durchschnitt entsprächen. Jeder Dritte lässt schwarzarbeiten. Das kann die Nachhilfe für die Kinder sein, die das Abitur machen wollen, das kann eine Handwerksleistung, Rasenmähen oder die Haushaltshilfe sein.
Ein Teil dessen geschieht vielleicht nicht einmal mutwillig. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass aufgeklärt wird. Nehmen wir einmal die so genannten Haushaltshilfen; das macht einen großen Teil der Schwarzarbeit aus. Es wurde ja auch einmal als „Dienstmädchenprivileg“ über viele Jahre hinweg kritisiert. Das ist ja jetzt bessergestellt.
Es weiß aber kaum jemand, dass es sich im haushaltsnahen Bereich gar nicht mehr lohnt, schwarzarbeiten zu lassen. Wenn Sie als Arbeitgeber für 280 € im Monat eine Haushaltshilfe für den Garten oder zum Bügeln - was weiß ich - beschäftigen, kostet das rund 283,60 € pro Monat, weil Sie jetzt - das hat die große Koalition beschlossen - nämlich einen Großteil des Geldes steuerlich absetzen können. Sie haben also einen günstigeren Steuersatz. Wer dennoch schwarzarbeiten lässt, macht das zum Teil aus Unwissenheit. Vielleicht sollte man hierüber ein bisschen stärker aufklären.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss meines Redebeitrages kommen. Ich möchte noch zusammenfassend sagen: Wenn wir allesamt politische Verantwortung tragen - das tun wir ja -, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die Ursachen der Schwarzarbeit bekämpft werden und dass nicht an den Symptomen herumgebastelt wird.
Das bedeutet - Wirtschaftskrise hin, Wirtschaftskrise her -: Wir müssen es gemeinsam hinbekommen, dass die Schere zwischen brutto und netto bei den Arbeitseinkommen weniger weit auseinandergeht und dass diejenigen, die ordentliche reguläre Arbeit schaffen sollen bzw. wollen, nicht zunehmend durch Bürokratie belastet werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Gürth. Es gibt natürlich - das war nicht anders zu erwarten - drei Nachfragen von Herrn Miester
feldt, Herrn Gallert und Frau Rogée. Möchten Sie diese beantworten? - Jawohl. Bitte schön, Herr Miesterfeldt.
Lieber, hoch geschätzter Kollege Gürth, ich hoffe, Sie beziehen das mit dem Herunterfahren der Bürokratie auf das angelsächsische Niveau nicht auf die Bankenaufsicht.
Bezüglich der Mindestlöhne empfehle ich Ihnen, einmal ein Glas Rotwein mit den Herren Blüm und Geißler zu trinken,
(Oh! bei der CDU - Zurufe von Herrn Borgwardt, CDU, und von Frau Budde, SPD - Frau Weiß, CDU: Die Gläser muss er dann ja mittrinken!)
Woher haben Sie denn - ich gebe an dieser Stelle in der Umkehrung die Antwort auf die Große Anfrage wieder - die verifizierbaren Erkenntnisse über die Wechselwirkung von Mindestlohn und Schwarzarbeit, wenn das Ministerium sagt, es gebe keine?