Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

In den Bundestag ist gestern oder heute - ich weiß es nicht genau - ein Gesetzentwurf eingebracht worden, nach dem die einzelnen Bundesländer die Möglichkeit erhalten sollen, den Selbstbehalt beim Agrardiesel zu erstatten. Der Selbstbehalt beträgt 350 €.

Jeder weiß, was dann passieren wird: die Rückerstattung wird bundesweit zentral erfolgen. Jeder Landwirt muss irgendwo einen Antrag stellen, damit er diese 350 € zurückbekommt. Wenn der Antrag bearbeitet wird, dann entstehen Bürokratiekosten, und wir stellen uns hin und fordern ständig Entbürokratisierung. - Das ist das eine.

Das Zweite ist: An dieser Stelle wird das, was der Bund machen müsste, auf die Länder verlagert. Es beginnt ein Wettbewerb zwischen den Ländern, wer es macht und wer es nicht macht, und wer es nicht macht, der kriegt, auf gut Deutsch gesagt, von seinen Landwirten eine übergezogen, obwohl es an der Stelle nicht zielführend ist.

Das sind Fragen, die beim Bund angesiedelt sind. Aber wir als Land können auch etwas tun. Es ist nicht so, dass die Landesregierung nicht handelt, sondern die Landesregierung hat an dieser Stelle gehandelt. Wir haben beim Health-Check und bei den Dingen, die dort neu geregelt worden sind, im Einvernehmen mit dem Berufsstand Lösungen gefunden, und zwar solche Lösungen, die dem Berufsstand helfen. Ich habe vom Berufsstand nicht gehört, dass man damit unzufrieden wäre. Insofern ist es nicht so, dass die Landesregierung diesbezüglich nichts macht.

Aber zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Nachhaltigkeit - das sind Stichworte, die im Antrag stehen - gibt es noch ein paar andere Dinge zu sagen. Wir können die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit im Land auch dadurch steigern, dass wir den Flächenverbrauch vermindern, dass die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft besser werden, dass die Produktionsbedingungen bzw. die Rahmenbedingungen in Sachsen-Anhalt besser werden, dass wir entbürokratisieren und

dass wir Akzeptanz bei den Kommunen finden. Morgen werden wir uns über Tieranlagen unterhalten. Auch das ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden aber auch darüber diskutieren müssen, ob es zielführend ist, dass beispielsweise der BUND bei jeder Tierhaltungsanlage, die im Land entstehen soll, einen Rechtsanwalt losschickt, der prüft, ob man dagegen etwas tun kann. Auch das gehört zur Akzeptanz und zur Solidarität mit der Landwirtschaft und mit dem ländlichen Raum.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schon erstaunlich, dass wir noch vor einigen Jahren berechtigterweise - das kann man nachvollziehen - Proteste gegen sehr große Tieranlagen hatten, jetzt aber gegen fast jede Anlage, die irgendwo beantragt wird, Gerichtsverfahren angestrengt werden. Es ist nicht so, dass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts ihre Auffassung in wenigen Jahren völlig umgekehrt hat, sondern das ist insbesondere dem BUND zuzurechnen.

Viele Fragen in diesem Antrag richten sich an die Bundesregierung, einiges können wir selbst tun. Wir sollten darüber diskutieren. Wir müssen das sehr intensiv machen und dabei ins Detail gehen. Deswegen glaube ich, dass unser Änderungsantrag richtig ist, darüber im Ausschuss zu beraten.

Ich beantrage, den Antrag der Fraktion der LINKEN abzulehnen und unserem Änderungsantrag zuzustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Daldrup. - Möchten Sie, Herr Krause, noch einmal das Wort nehmen? - Das ist nicht der Fall. Dann spricht jetzt Frau Ministerin Wernicke. Zuvor begrüßen wir auf der Südtribüne aber noch Damen und Herren der ländlichen Erwachsenenbildung Magdeburg.

(Beifall im ganzen Haus)

Nun, bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank, dass sich die Kolleginnen und Kollegen im Landtag mit der Problematik Landwirtschaft, mit der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft und mit den Problemen der Landwirtschaft befassen. Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass die nachhaltige Entwicklung unserer Landwirtschaft eine Aufgabe ist, die wir auch weiterhin ernst zu nehmen haben.

Der Erhalt und die Stärkung einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft muss nach wie vor eine wichtige Aufgabe der Landespolitik sein: denn die Land- und Ernährungswirtschaft hat sich in den letzten Jahren im Land hervorragend entwickelt. Sie gibt insgesamt rund 45 000 Menschen einen Arbeitsplatz, überwiegend im ländlichen Raum.

Die Ernährungswirtschaft steigert seit Jahren kontinuierlich ihren Umsatz. Wenn man das Jahr 2008 mit dem Jahr 2001 vergleicht, dann hat die Branche um 67 % zugelegt. Das ist ein Kriterium für die positive Entwicklung

in unserem Land. Unser gemeinsames Ziel ist es, diese Entwicklung fortzuführen.

Deshalb ist diese Diskussion darüber wichtig, wenn es um verbesserte Rahmenbedingungen insgesamt geht. Ich freue mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen.

Ich habe den Beiträgen entnommen, die sich die Landespolitik große Sorgen und Gedanken darüber macht, wie wir an dieser Stelle helfen können. Aber alle Beiträge, meine Damen und Herren, - deshalb habe ich alle abgewartet - belegen auch eine gewisse Ohnmacht, was wir als Landespolitik zumindest schnell tun können, um den von der jetzigen Situation und den Schwierigkeiten besonders betroffenen Betrieben helfen zu können.

Herr Krause, der Appell an die Politik, wir müssten etwas tun oder wir müssten uns alle einig sein, kommt sicher gut an, und der schnelle Beifall der Bauern ist einem damit sicher. Aber um Bedingungen zu schaffen, die die Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen - - Die Europäische Union hat den Weg eingeschlagen, die Landwirtschaft immer mehr marktfähig zu machen und sie stets den Instrumenten des Marktes auszusetzen. Diesen Weg wird die Europäische Union nicht verlassen, auch wenn im Moment insbesondere die Milchproduktion, die Milcherzeugung, davon betroffen ist.

Die Landesregierung zu beauftragen, im Bundesrat initiativ zu werden, ist sicherlich ein Vorschlag, über den man diskutieren kann. Aber es geht auch darum, Initiativen zu entwickeln, die nur auf europäischer Ebene umsetzbar sind bzw. für die man Mehrheiten im Konzert der vielen europäischen Länder finden muss. Europa ist größer geworden und die Ansprüche und Interessenlagen sind breiter geworden. Das ist eine Aufgabe, vor der wir im Land stehen, aber vor der vor allem die Bundespolitik steht.

Deshalb wird es schwierig sein, zum Beispiel die Agrardieselbesteuerung innerhalb Europas zu harmonisieren. Wenn ich damit in den Bundesrat gehe, dann überhebe ich mich damit. An dieser Stelle bin ich ganz ehrlich und möchte erst einmal abschätzen, welche Möglichkeiten man im Bundesrat hat und bei welchen Vorschlägen man sehr vorsichtig sein sollte, ob man sich dabei eine Abfuhr erteilen lässt.

Dass die Dieselsteuerrückerstattung für Agrarunternehmen begrenzt worden ist, ist eine Entwicklung, die wir alle kritisieren. Die Agrarministerkonferenz hat einstimmig die Bundesregierung aufgefordert, das Energiesteuergesetz dahin gehend zu ändern, dass die Benachteiligung der deutschen Bauern aufgehoben wird.

An dieser Stelle bleiben wir dran. Das ist nach meiner Ansicht eine realisierbare Forderung an die Bundespolitik. Wir haben uns mit den Bundesländern darauf verständigt, dass wir die Novelle des Energiesteuergesetzes in den Vermittlungsausschuss überweisen. Also, wir werden diesem Freibehalt nicht zustimmen, sondern wir werden die Bundesregierung auffordern, europäische Maßstäbe anzulegen.

Das Gleiche gilt für die Steuererhöhung für Biodiesel und Pflanzenkraftstoffe bzw. für die Rückführung des Beimischungszwanges. Auch in diesem Zusammenhang wird Sachsen-Anhalt den Vermittlungsausschuss anrufen, um den richtigen Appell an die Bundesregierung zu richten.

(Zustimmung von Frau Schindler, SPD)

Herr Daldrup hat darauf verwiesen, dass wir nicht auf den Appell der Fraktion DIE LINKE warten mussten, sondern dass wir einige Maßnahmen bereits umgesetzt haben. Ich erinnere an den Einsatz der Modulationsmittel. Ich erinnere daran, dass wir die Ausgleichszulage von 3 Millionen € auf 9 Millionen € erhöht haben. Dies kann einigen Bauern helfen. Das kann sicher auch eine Stellschraube sein, an der wir drehen können. Es finden Gespräche mit der Investitionsbank und der Landwirtschaftlichen Rentenbank darüber statt, wie die Liquidität der Unternehmen unterstützt werden kann.

Zur Verbesserung der Lage der Milcherzeuger, aber auch zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition, vor allem nach dem Ende der Quotenregelung, haben wir im PLANAK eine deutlich verbesserte Investitionsförderung nicht nur gefordert, sondern auch erreicht. Es ist zumindest teilweise gelungen, die Fördersätze und das Fördervolumen zu erhöhen. Es ist gelungen, das Mindestfördervolumen herabzusetzen, um auch kleineren Betrieben eine Möglichkeit der Förderung einzuräumen.

Sie sehen, dass wir einige Forderungen durchgesetzt haben und einige Angebote an die Landwirte unterbreiten können, und das auch schon in diesem Jahr. Die Europäische Union hat sich auch dazu bereit erklärt, die Prämien eher auszuzahlen. Zumindest wäre die Europäische Union damit einverstanden, dass die Prämien wahrscheinlich Ende Oktober 2009 ausgezahlt werden können. Auch das hilft sicher einigen Betrieben dabei, ihre Liquidität zu verbessern.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, grundsätzlich helfen all diese kleinen Maßnahmen nicht. Es ist zu viel Milch auf dem Markt. Dieser Situation muss man sich stellen. Die Bauern in dem Glauben zu lassen, dass wir als Landespolitiker ihnen die Entscheidung für die Zukunft abnehmen können, dass wir ihnen dabei helfen können, dass sie wie bisher arbeiten und wirtschaften können und ihre Betriebe in der jetzigen Form erhalten können, ist meines Einachtens unehrlich.

Ich denke, wir sollten den Bauern ehrlich sagen, was auf sie zukommt. Wir sollten den Bauern ehrlich sagen, dass sie sich auf die Marktbedingungen einzustellen haben, und wir sollten ihnen, wenn es um Rahmenbedingungen und um investive Förderungen geht, an dieser oder jener Schaltstelle hilfreich zur Seite stehen, aber mit ihnen die ehrliche Diskussion führen.

Ich denke, dazu sind Sie auch alle bereit. Wir werden im Ausschuss sicherlich über diese oder jene Maßnahmen, die wir als Land selbst leisten können oder bei der wir gegenüber dem Bund und der europäische Ebene aktiv werden können, diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Krause, Sie dürfen noch zwei Minuten reden.

Frau Ministerin, ich habe eine Frage.

Ach so, eine Frage. - Möchten Sie eine Frage beantworten, Frau Ministerin?

Ja, gern.

Dann fragen Sie bitte.

Herr Barth hat das vorhin auch geschildert: Die Milchproduktion, die jetzt zusammenbricht bzw. aufgegeben wird - darüber kann man mit den Landwirten reden -, wird nicht wieder aufgebaut. Wer das nicht akzeptiert, möge an die Reproduktionsrate denken. Wir wissen, wie lange es dauert, bis wieder die Kühe da sind, die Milch geben müssen. Das geht verloren.

Ich habe nicht ohne Grund ein klein wenig den Zusammenhang zur Weltkrise hergestellt, um deutlich zu machen - jetzt die Frage -, dass es aus der Sicht der Ernährungs- und der Versorgungssicherheit wichtig ist, als ein Ergebnis dieser weltweiten Krise zu sagen, die Ernährung darf nicht den global agierenden Märkten überlassen bleiben.

Der regionale Bezug darf nicht verloren gehen. Wir können uns die Ernährungssicherheit doch nicht durch vermeintlichen Wettbewerb aus Neuseeland organisieren, wie es Herr Hauser sagte. Herr Frank Pieper aus der Agrargenossenschaft Pretzier sagte darauf aufbauend - ich war sehr überrascht darüber -, dass wir unsere Versorgung dadurch sichern, dass wir in Eis gefrorene Milch hierher holen.

Wollen Sie den internationalen Wettbewerb als eine Lösung sehen

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP - Weitere Zu- rufe von der FDP)

oder ist es nicht notwendig, Frau Ministerin, aufgrund der Krise diese Strategie der EU im Ergebnis der Weltwirtschaftskrise noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen und zu sagen, die Ernährungssicherheit darf nicht den international agierenden Kapitalmärkten überlassen bleiben?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Krause, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist eine der wichtigsten Aufgaben, vor der wir alle stehen. Aber das Argument, die Ernährung wäre nicht gesichert; wenn einige Bauern bedauerlicherweise ihre Milcherzeugung aufgeben müssen, zieht nicht, vor allem dann nicht, wenn ich den internationalen Markt und die Globalisierung betrachte.

Wenn es uns nicht gelingt - ich bin mir sicher, dass wir es trotz der schwierigen Situation schaffen -, die Milcherzeugung und Milchverarbeitung im Lande zu lassen, dann wird die Ladentheke durch Produkte von außerhalb Deutschlands und Europas gefüllt werden. Das ist in dieser Zeit so. Dieser Situation muss man sich stellen. Sie wissen, der Ernährungswirtschaft geht es wie anderen Branchen auch.

Das Zusammenspiel zwischen der Bedienung des regionalen und des internationalen Marktes funktioniert in Sachsen-Anhalt recht gut. Wenn der regionale Markt