Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Der CO2-Ausstoß dieses Kraftwerkes - ich hatte es schon gesagt, fast 9 Millionen t -, der nicht durch die Abschaltung anderer Kraftwerke kompensiert wird - zumindest gibt es dazu von RWE keinerlei Nachricht -, passt nicht zu den Klimaschutzzielen des Landes und führt dazu, dass das Land auch dann, wenn alle anderen im Klimaschutzkonzept geplanten Maßnahmen realisiert werden, seine Klimaschutzziele nicht erreicht.

Nun hofft RWE - und wohl auch die Landesregierung - auf die Möglichkeit, hier die Verpressung von CO2 anwenden zu können. Zum CCS-Verfahren mehren sich aber die kritischen Stimmen. Wie ddp meldete, sieht selbst der Chef der Mibrag Joachim Geisler dieses Verfahren sehr skeptisch. Es sei nicht erwiesen, dass es auch im Großmaßstab funktioniere. Des Weiteren stellte er die Frage nach den Kosten.

Auch der Sachverständigenrat für Umwelt bei der Bundesregierung hat vorgestern in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur CO2-Speicherung vor einer übereilten Weichenstellung gewarnt und eine Zukunftsdebatte vor der Speicherung gefordert. Er regt an, nur ein Forschungsgesetz zur Erprobung von CCS zu verabschieden. Für eine solche Erprobung dürfte sich das Arneburger Kraftwerk aber kaum eignen.

Die Altmark befindet sich auf einem ganz anderen Entwicklungspfad der Energieversorgung. Mit dem ILEKLeitprojekt „Innovative Biomassenutzung im Rahmen eines regionalen Energie- und Stoffstrommanagements“ wurden dafür erste Grundlagen gelegt. In diesem Jahr konnte die Altmark nun im Bundeswettbewerb der Bioenergieregionen punkten und kann mit Extraförderung rechnen. Mittel in Höhe von 400 000 € bis zum Jahr 2011 sind kein Pappenstiel. Damit können Netzwerke, regionale Wertschöpfung, Pilotvorhaben und Arbeitsplätze gefördert werden.

Diese positive Entwicklung für die Altmark wird auch in der Studie aufgezeigt, die von der Kreistagsfraktion

Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE in Auftrag gegeben wurde. Unter Nutzung der vorhandenen statistischen Daten und der Aussagen des Biomassekonzeptes des Landes kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Altmark, insbesondere durch die Nutzung von Biomasse, Repowering bei Windenergie, Solarenergienutzung, Geothermie und Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Anlagen, bis zum Jahr 2030 die Hälfte des Energieverbrauchs des Landes decken könnte, dass dabei etwa 5 000 Arbeitsplätze entstehen könnten und dass der CO2-Ausstoß um mehr als 4 Millionen t gesenkt werden könnte.

Herr Bergmann, es ist nicht so, dass wir zu allen Projekten nein sagen. Wir sagen aber nur ja zu solchen Projekten, die die wirklichen Entwicklungspotenziale einer Region aufgreifen. Weil wir diese Potenziale in der Region durch das Steinkohlekraftwerk gefährdet sehen, möchten wir dazu - das ist der zweite Teil des Antrages - die Position der Landesregierung erfahren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gestern fand im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt eine gut besuchte Tagung statt, die bei den Kommunen ein stärkeres Interesse am Klimaschutz durch den Einsatz von Bioenergie wecken sollte. Frau Ministerin Wernicke hat in diesem Zusammenhang den kommunalen Klimaschutz als Daseinsvorsorge bezeichnet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich gehe davon aus, dass auch das Land zur Daseinsvorsorge verpflichtet ist. Dann kann es nur eines geben: eine klare Position gegen ein neues Steinkohlekraftwerk. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war die Einbringung des Antrags unter der Überschrift „Vorbereitung und Planung des Steinkohlekraftwerkes Arneburg“. - Ich erteile jetzt der Landesregierung das Wort. Minister Herr Dr. Haseloff, bitte schön.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Schade, ich dachte, jetzt spricht Frau Wernicke! - Herr Miesterfeldt, SPD: Sie ist nicht zuständig für Kraftwerke! - Herr Gallert, DIE LINKE: Ich habe erst jetzt gesehen, dass sie da ist!)

Wir mischen das heute ein bisschen, damit Sie auch einmal eine Überraschung erleben. Wenn Sie schon keinen heißen Stuhl mehr haben werden, sollen Sie wenigstens ein bisschen Abwechslung bekommen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will zwei, drei grundsätzliche Bemerkungen machen und dann relativ konkret auf den Antrag von Frau Hunger und der Fraktion DIE LINKE eingehen.

Erstens. Wir haben ein Energiekonzept. Das ist, so denke ich, durchaus ausgewogen und wird von allen Seiten dem Grunde nach akzeptiert. Dort sind unter anderem Standorte enthalten, die sich einfach aufgrund der natürlichen und historischen Gegebenheiten für Energieerzeugungsanlagen anbieten. Unter anderem findet sich dort auch eine Aussage zum Standort Arneburg.

Dank der friedlichen Revolution ist verhindert worden, dass es dort zum Bau eines Atomkraftwerkes gekom

men ist, eines Typs, gegen den ich als Physiker Bedenken gehabt hätte. Frühere Kollegen von mir sind dort, die das Gott sei Dank abreißen konnten. Dieses Unterfangen wurde abgebrochen und nicht mehr realisiert.

Aber - das ist ganz wichtig - dieses Areal ist nach der Wende aufbereitet worden. Der Versuch dieses Atomkraftwerkes ist abgerissen worden. Die Treuhand hat diese Fläche in Arneburg an RWE verkauft mit der Auflage, bis zum Jahr 2020 dort ein entsprechendes Kraftwerk zu bauen.

Wir wissen aufgrund einer aktuellen Anfrage - ich komme gleich noch auf ein Schreiben zu sprechen, das dies untersetzt -, dass diese von der - in Anführungsstrichen - ursprünglichen Treuhand formulierte Forderung jetzt bei der Treuhandnachfolgeeinrichtung gegen RWE so explizit nicht mehr besteht. Aber es war immer klar, sowohl zu DDR-Zeiten als auch danach - einschließlich der Infrastruktur, der Netzausbauaktivitäten, der Flusslage usw., was man für ein Atomkraftwerk oder ein konventionelles Kohlekraftwerk benötigt -, dass das ein Kraftwerksstandort ist.

Auch die Menschen dort waren immer mit diesem Gedanken befasst. Allerdings waren sie sicherlich auch froh darüber, dass es an diesem Standort nun nach der Wende mehr in Richtung konventioneller Nutzungsmöglichkeiten ging, als das vorher geplant war. - Das ist die erste Vorbemerkung.

Zweitens. Energiepolitische Aktivitäten in der Bundesrepublik laufen bezüglich der Investitionen immer so ab, dass Investoren versuchen, im Rahmen des geltenden Rechts das zu realisieren, was sie am Markt absetzen können und was sie genehmigt bekommen können. Hier greifen Bundesgesetze. Deswegen können wir, wenn die Gegebenheiten so sind, dass dort ein Investor nach den gesetzlichen Vorgaben eine entsprechende Genehmigung erhalten muss, nicht sagen: Hier machen wir eine landesbezogene, isolierte, eigene Energiepolitik.

Das würde zum Beispiel im Bereich der Sozialpolitik bedeuten, dass wir zwei Drittel der Renten, der Leistungen für Arbeitslose und anderer Sozialleistungen nicht zahlen könnten, weil sie in Westdeutschland erarbeitet werden. Genauso sind wir aufgrund der Möglichkeiten, die sich hier anbieten, in der nationalen Pflicht, im Rahmen der Gesetzlichkeiten Verwaltungsverfahren zu begleiten, die Investitionen ermöglichen, die am Markt gebraucht werden und absetzbar sind. Bei solchen Investitionen in Milliardenhöhe kann man davon ausgehen, dass ein Investor schon weiß, was er tut. - Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir als Landesregierung mit Ausnahme von Gesprächskontakten nicht explizit in die bisherigen Verfahren einbezogen wurden, weil die Genehmigungs- und Verwaltungsbehörden, der Landkreis, das Landesverwaltungsamt und weitere Behörden, im Rahmen ganz natürlicher, an anderen Standorten auch stattfindender Anfragen und Nachfragen in Tätigkeit versetzt wurden.

Wir als Ministerium haben versucht, einmal einen aktuellen Stand abzugreifen, weil wir die auch in der Öffentlichkeit geführte Diskussion möglichst fundiert untersetzen wollten. Wir haben - Eingangsdatum bei mir war der 1. April; es ist also etwas mehr als vier Wochen her - einen ganz aktuellen Brief von RWE bekommen, den ich, weil er nur einige Sätze umfasst, vorlesen möchte. Damit haben wir alle den gleichen Informationsstand und können an dieser Stelle auch erst einmal eine gewisse

Ruhe behalten, weil wir wissen, dass Standortuntersuchungen von Investoren bundesweit und darüber hinaus ständig stattfinden. Darin heißt es nach der Anrede:

„Vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung in den lokalen Medien und der in den Informationsveranstaltungen der Grünen in Arneburg und Stendal getätigten Aussagen und Vorwürfe möchten wir Sie über den derzeitigen Status unserer Aktivitäten informieren.

RWE Power als Gesellschafter der BPR Energie Geschäftsbesorgung GmbH überprüft derzeit die Verhältnisse am Industrie- und Gewerbepark Altmark und in der Umgebung des Standorts, um festzustellen, ob eine Nutzung für ein Kraftwerksvorhaben möglich ist. Hierbei betrachten wir sowohl die Möglichkeit für ein modernes Steinkohlekraftwerk als auch die Variante eines Gas- und Dampfkraftwerkes.

Es gilt in diesem Zusammenhang aber festzustellen, dass es seitens RWE Power derzeit keine Beschlüsse über konkrete Vorhaben am oben genannten Standort gibt. Je nach Marktlage und energiewirtschaftlicher Situation wird darüber zu entscheiden sein, wie die weitere Nutzung der Fläche erfolgen soll. Entscheidungsrelevante Einflussfaktoren sind hier neben den Investitionskosten die Aufwendungen für Strom, Kohle oder CO2-Zertifikate.

Zudem müssen wir, wie Ihnen ja sicherlich bekannt ist, noch umfangreiche Umwelterhebungen, wie zum Beispiel die Erfassung der Fauna und Flora, weiter durchführen, um auf Basis dieser Ergebnisse die Auswirkungen für die oben genannten Kraftwerksvorhaben beurteilen zu können. Sobald sich seitens RWE Power (auch Ei- gentümer dieser Fläche seit fast 20 Jahren) die weitere Kraftwerksplanung konkretisiert, werden wir Sie rechtzeitig informieren. Sollten Sie Fragen haben …“

Das ist der jetzige Stand. Es ist völlig offen, was an diesem Standort passiert. Sie können sogar davon ausgehen, dass wir und insbesondere ich als Wirtschaftsminister es sehr gern sehen würden, wenn dort eine Milliardeninvestition stattfinden würde. Ich würde sie mir wünschen. Wir haben letztlich auch immer bei der Konzernspitze angefragt, wann die Entscheidung kommt usw.

Die klare Ansage ist, dass in dem jetzigen Zeitraum, zumindest in diesem Jahr, in Deutschland - auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Vattenfall mit Brokdorf in Hamburg - kein Mensch so eine Investitionsentscheidung treffen wird. Es ist völlig offen, was an diesem Standort passiert.

Deswegen bleiben wir da sehr zeitnah dran und wollen Sie auch jederzeit im Ausschuss und darüber hinaus von uns aus informieren, weil so ein Projekt auch gar nicht ohne öffentliche Akzeptanz und ohne Mitwirkung der verschiedensten Gremien und letztlich ohne tiefe Information der Bevölkerung am Standort erfolgen kann und vom Investor durchgezogen werden kann.

Wie gesagt, er entspricht damit geltendem Recht. Allerdings weiß er auch, wo unsere Restriktionen im Energiekonzept formuliert sind. Das heißt auch, dass wir Kraftwerksbauten grundsätzlich nur mit einer CO2-Lösung verbunden sehen wollen. Dafür haben wir auch ei

ne strategische Möglichkeit, die wir im Rahmen des geltenden Rechts - das ist gerade erst im Werden begriffen - sehr sorgsam in Gang zu setzen versuchen. Selbst die Pilotprojektverfahren werden von uns ganz klar auch im Sinne der Daseinsvorsorge und der Sicherheitsfragen begleitet, sodass wir unter dem Strich sagen können: Das ist der aktuelle Stand; mehr ist dazu nicht zu sagen. Mehr kann man auch in einem Ausschuss nicht sagen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, es gibt eine Nachfrage von der Fraktion DIE LINKE. - Bitte schön.

Herr Minister, ich würde Sie ganz gern noch einmal konkret fragen. Es gibt ein Klimaschutzkonzept der Landesregierung - das hat Frau Hunger recht deutlich gesagt -, das einem Kraftwerksneubau in der Altmark, egal welches Konzept präferiert wird, erheblich widersprechen würde. Sie haben eben gesagt, dass Sie als Wirtschaftsminister es begrüßen würden.

Ich würde jetzt ganz konkret wissen wollen, welche Haltung die Landesregierung hat. Ist die Meinung des Wirtschaftsministers dominierend oder die Meinung, die insbesondere aus dem Hause von Frau Ministerin Wernicke kommt?

Es gibt überhaupt keinen Widerspruch, weil die Grundlage das gemeinsam im Kabinett beschlossene Energiekonzept ist. Darin steht auch, dass Kraftwerksbauten - - Sie können von uns ohnehin nicht verhindert werden; das müssen wir uns auch einmal ganz klar ins Gesicht sagen. Wir müssen auch immer sehen, wo unser Zuständigkeitsbereich ist.

Unser energiepolitischer und unser damit verbundener klimapolitischer Ansatz besteht darin, dass wir die CO2Bilanz dieses Globus nicht durch wirtschaftlich nicht benötigte Aktivitäten verschlechtern wollen. Das heißt ganz konkret, dass wir uns auf der einen Seite durchaus so eine große Milliardeninvestition bis hin zur Arbeitsplatzgewinnung, die damit einhergeht, wünschen können.

Wir wissen, dass zum Beispiel durch die CCS-Technologie, wenn sie denn funktioniert - die Pilotversuche sollen demnächst auf einer gesetzlichen Basis gegebenenfalls in Gang gesetzt werden -, die CO2-Problematik auch unter Nutzung der strategischen Möglichkeiten in der Altmark - zumindest nach jetzigem Stand - theoretisch lösbar wäre, sodass kein Widerspruch entstehen muss. Deswegen gehen wir auch sehr sorgsam mit dieser strategischen Option der Verbringungsmöglichkeit in der Altmark um.

Aber Sie wissen auch, dass ich mich an dieser Stelle sehr defensiv verhalte, wenn es darum geht, die Sicherheitsaspekte in den Vordergrund zu stellen, und dass ich nicht durch Umgehungstatbestände und durch Genehmigungsverfahren, zum Beispiel nach dem Bergrecht, Dinge präjudiziere bzw. in Gang setze, die ich klar dem CCS-Schema zuordne.

Ich brauche eine ganz klare CCS-Gesetzesgrundlage, ein Bundesgesetz mit klaren Regelungen, sodass angefangen beim Bundes-Immissionsschutzgesetz bis zu dieser Bundesregelung dann auch für den Investor ab

schließend klar ist, was er bei diesem Standort und von der Begleitung der Landesregierung und ihrer Behörden überhaupt erwartet. Mehr ist momentan leider nicht drin.

Wir, der Ministerpräsident und meine Wenigkeit, haben mehrfach auch Herrn Großmann von RWE angesprochen. RWE wird die Entscheidung nicht in diesem Jahr treffen. Es ist ein völlig offenes Rennen, weil Standortentscheidungen und Investitionsentscheidungen in dieser Größenordnung von ganz gravierenden politischen Rahmenbedingungen abhängen, die derzeit nicht transparent sind. Das müssen wir respektieren, sodass wir das momentan auch mit einer relativen Gelassenheit begleiten können.

Nun gibt es eine weitere Frage von Herrn Lange. Dann hat Herr Gallert noch eine Nachfrage, Herr Minister. - Jetzt fragt Herr Lange.

Herr Minister, Sie haben eben auf die bundespolitische Verantwortung hingewiesen, insbesondere was die Energieversorgung betrifft. Sie haben auch noch einmal die Umweltschutzziele und die Klimaschutzziele genannt. Bundesweit setzt sich der Trend, der Wille durch, dass man den Wirkungsgrad der Kraftwerke erhöht, indem man die Kraft-Wärme-Koppelung nutzt. Wie beurteilen Sie unter dieser Prämisse den Standort Arneburg?

Man muss ganz klar sagen, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Ein ähnliches Thema ist übrigens die Überlegung, in der Altmark Tiefengeothermie zu betreiben. Es fehlen uns dort oben, auch aufgrund der dünnen Besiedlung, die Wärmesenken. Das ist ein ganz klares Defizit, das man benennen muss.

Aber selbst das wäre kein Argument, mit dem wir den Eigentümer dieser Fläche, der, wenn er die Gesetze einhält, ein Recht auf eine Genehmigung hat, davon abhalten könnten, eine Investition zu tätigen, zumal noch nicht einmal klar ist, ob es überhaupt um ein Steinkohlekraftwerk geht. Es ist durchaus, wie wir das mit anderen Investoren an anderen Standorten zurzeit in der Realisierung haben, der Bau eines Gaskraftwerkes möglich.