Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Aber selbst das wäre kein Argument, mit dem wir den Eigentümer dieser Fläche, der, wenn er die Gesetze einhält, ein Recht auf eine Genehmigung hat, davon abhalten könnten, eine Investition zu tätigen, zumal noch nicht einmal klar ist, ob es überhaupt um ein Steinkohlekraftwerk geht. Es ist durchaus, wie wir das mit anderen Investoren an anderen Standorten zurzeit in der Realisierung haben, der Bau eines Gaskraftwerkes möglich.

(Herr Lange, DIE LINKE: Dort entsteht auch Wär- me!)

- Ja, dort entsteht auch Wärme. - Die Wärmesenke fehlt. Die fehlt aber aufgrund der Versorgungsstruktur in Sachsen-Anhalt an jeder Stelle.

In diesem Zusammenhang muss man sich natürlich die Frage stellen, ob wir unter diesem Gesichtspunkt in der Bundesrepublik Deutschland ein Programm fahren sollten, wo es darum geht, dann vielleicht nachts auf die Stromversorgung zu verzichten. Denn irgendwo haben wir in der Bundesrepublik einen Ersetzungsbedarf, der - -

Ich bitte Sie, bei Ihren durchaus ernst gemeinten klimapolitischen Überlegungen immer wieder auch zu bedenken, dass es an einem Punkt irgendwann darum geht, dass die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland unabweisbar wird, weil wir in den anderen, konventionellen Bereichen nicht ausreichend grundlastfähige Energie zur Verfügung stellen. Ich bitte Sie, das bei all Ihren Überlegungen zu bedenken.

Man kann nicht alles gleichzeitig haben. Man kann nicht niedrige Preise, eine Versorgungssicherheit, die Weltspitze ist, einen uneingeschränkten Zugriff im Interesse des Wirtschaftswachstums und die Einhaltung klimapolitischer Ziele ohne Atomkraftwerke haben. Irgendwo muss an dieser Stelle ein Kompromiss gefunden werden. Der ist im Energiekonzept formuliert worden.

(Beifall bei der CDU)

Dann hat Herr Gallert gebeten, eine Frage stellen zu dürfen. Bevor ich Herrn Gallert das Wort gebe, möchte ich die Damen und Herren der Seniorenunion Dessau auf der Südtribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erhält Herr Gallert das Wort für seine Frage.

Mir geht es jetzt nicht so sehr um die Frage, ob das dort in der Altmark Sinn ergibt oder nicht. Mir geht es um etwas anderes. Herr Minister, Sie haben gesagt: Die könnten ohnehin bauen, wir könnten es ihnen nicht verbieten. Auf der anderen Seite habe ich Sie heute so verstanden - und an anderen Stellen schon einmal deutlicher -, dass Sie diese Geschichte sozusagen außerordentlich positiv begleiten würden.

Jetzt frage ich einmal im Guten wie im Bösen: Welchen Einfluss hat denn die Landesregierung auf diese Standortentscheidung? An welcher Stelle hat sie denn überhaupt einen Spielraum?

Die Spielräume sind in den Genehmigungsverfahren - das kann man sicherlich im Einzelnen durchaus einmal besprechen - die Von-bis-Spannen, die vom Landesverwaltungsamt bei den Umweltauflagen usw. stehen. Aber Sie werden damit Korridore eingrenzen, die sie entsprechend den Gegebenheiten auch im Sinne der gerichtlichen Überprüfbarkeit vor Verwaltungsgerichten möglichst belastbar formulieren können. Die Grundsatzentscheidung, ob ein Kraftwerk kommt oder nicht, werden Sie damit nicht kippen können.

Eine andere Problematik ist es, wenn Sie sich Brokdorf ansehen. Ich habe gerade mit dem Vorstandsvorsitzenden von Vattenfall gesprochen. Dort ist aufgrund der Vorflutsituation der Elbe an diesem Standort und der im Jahr durchschnittlich zur Verfügung stehenden Wassermenge die Situation eingetreten, dass nach Verwaltungsverfahren, die dort zum Tragen gekommen sind, eigentlich der durchgängige sichere Betrieb dieses milliardenschweren Kraftwerks, von dem schon mehr als die Hälfte steht, nur noch zu 100 plus x Tagen im Jahr gewährleistet wäre.

Das ist übrigens auch ein Grund dafür, dass sich in Deutschland zurzeit Investoren dieser Größenordnung generell - das tun auch diese großen Konzerne - erst einmal in Ruhe ansehen, was bis hin zur Verwaltungspraxis überhaupt passiert. Dass das in Hamburg so nicht standhalten wird, was dort an Genehmigungseingrenzungen erfolgt - die Bedingungen dort sind mit unseren nicht vergleichbar; das muss man auch klar sagen -, ist eine andere Geschichte.

Aber fest steht eines: Es ist ein Ermessensspielraum da, der allerdings wiederum durch Gesetzlichkeiten und Verordnungen fixiert ist und einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss.

Sie haben über diese Instrumente aber keine Möglichkeit, ein totales k.o.-Kriterium zu formulieren. Das war sozusagen auch die Grundlage für den Standort Arneburg, dass, egal in welchem System, die grundsätzliche Eignung des Standorts nie infrage gestellt war.

Dann hat Frau Dr. Paschke noch eine Frage, Herr Minister. - Frau Dr. Paschke, bitte.

Herr Minister, Sie hatten auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Hunger geantwortet, dass bisher noch keine Anträge gestellt und auch noch keine Fördermittel bewilligt worden seien. Ich frage Sie erstens, ob das nach wie vor, was die Antragstellung betrifft, der aktuelle Stand ist und ob zu den Spielräumen der Landesregierung auch die Entscheidung gehört, das entsprechend zu fördern, und wie Sie dazu stehen.

Die zweite Frage ist: Sie hatten jetzt gesagt, es sei noch gar nicht heraus, was für ein Kraftwerk es sein solle. Ist Ihnen bekannt, dass drei Doppelblöcke bereits im Jahr 2007 geordert wurden, zwei Doppelblöcke eben schon stehen und für den dritten händeringend ein Standort gesucht wird, sodass man nicht einfach sagen kann, dann mache ich eben ein Gaswerk daraus?

Ich fange bei dem Letzten an. Energiekonzerne ordern grundsätzlich immer im Voraus, weil die Lieferzeiten derzeit weltweit bis in das Jahr 2015 reichen. Das heißt, wenn RWE das wollte, dann wäre es überhaupt kein Problem, diese Blöcke sofort nach China oder wohin auch immer zu verkaufen, wo man andere klimapolitische Vorstellungen als in Europa hat - leider, muss ich sagen, weil das von uns nicht infrage zu stellen ist. - Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Die Genehmigungs- bzw. Anfrageverfahren laufen auf normalem Wege beim Landkreis, beim Landesverwaltungsamt, dort, wo Bauvoranfragen und all die Dinge, die zur Standortbewertung gehören, bearbeitet werden. Es sind ja noch konkurrierende Standorte im Rennen; das muss man dazu sagen. Es gibt noch mindestens einen Standort, von dem wir wissen, dass er als konkurrierender Standort mindestens auf Augenhöhe mitwirkt.

Diese Abfragen, was wäre, wenn wir kämen, usw. usf. laufen. Ich kann das gern einmal zusammenstellen lassen. Das erfolgt, wie gesagt, im Sinne einer Standortvorbewertung. Wir haben ein offizielles Schreiben der Konzernspitze, die schlicht und einfach sagt: Wir lassen uns unter den jetzigen Rahmenbedingungen zu keiner Entscheidung - sagen wir einmal - provozieren, weil momentan in Deutschland überhaupt niemand sagen kann, wer was baut und wer was bauen kann.

Fest steht aber eines: Energieerzeugungsanlagen sind grundsätzlich durch uns nicht förderfähig, sodass wir als Förderministerium bezüglich dieses Konzerns überhaupt nicht im Rennen sind.

Vielen Dank. - Weitere Nachfragen gibt es nicht, Herr Minister. Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Ich erteile jetzt Herrn Bergmann für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Steinkohlekraftwerk bei Arneburg beschäftigt uns nun im Landtag. Ich will vielleicht mit einem Satz beginnen, der da lautet:

„Vielleicht gibt es ein intelligentes Modell, bestehende und neue Kapazitäten so zu verrechnen, dass man unter dem Strich die CO2-Emissionen Jahr für Jahr senkt. Wenn man das über den Emissionshandel hinkriegt, dann können wir darüber reden.“

Die sind die Worte von Cem Özdemir, dem jetzigen Vorsitzenden der Grünen, aus dem Jahr 2008. Ich muss sagen, das halte ich für Realpolitik. Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland ohne den Bau neuer Steinkohlenkraftwerke auskommen.

(Zustimmung von Herrn Miesterfeldt, SPD, und von Herrn Stadelmann, CDU)

Ich sage Ihnen auch noch eines, Frau Hunger: Wir sind umweltpolitisch vielleicht gar nicht weit auseinander. Darüber können wir noch in aller Ruhe diskutieren.

Aber zu mir ganz konkret. Ich bin ja mehrfach betroffen, auch als Bürgermeister einer Anrainergemeinde, und habe auch eine Teilfläche - nicht persönlich, aber die Gemeinde - in dem Industrie- und Gewerbepark. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich bin nicht in die Altmark gezogen - ich bin ja ein Kind des Ruhrgebiets -, weil die Arsenschauer im Ruhrgebiet derart eklatant häufig und schwerwiegend waren, dass ich das Gefühl hatte, ich kann dort nicht alt werden. Das hatte völlig andere, rein private und persönliche Gründe.

(Zurufe von der FDP: Bitte lauter! - Nichts zu ver- stehen! - Sprechen Sie ins Mikrofon!)

- Entschuldigung. - Was mir im Moment in der Diskussion nicht gefällt, ist, dass wir mehr oder weniger eine Katastrophenstimmung erzeugen. Wir sollten über bestimmte Dinge in aller Ruhe diskutieren.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Herrn Gürth, CDU)

Es gibt zu diesem Standort ja auch eine Historie. Seit Ende der 90er-Jahre wird ein B-Plan erarbeitet. Dieser B-Plan war auch Grundlage für den Bau des Zellstoffwerkes, dieser B-Plan war auch Grundlage für den Bau einer Papierfabrik und dieser B-Plan war Grundlage für weitere kleinere Ansiedlungen, die vielleicht nicht in aller Munde sind.

Dieser B-Plan soll inzwischen zum vierten Mal geändert werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe oft an den Beratungen über diesen B-Plan teilgenommen und wir haben uns immer geärgert, dass die Öffentlichkeit keine Lust hatte, daran teilzunehmen. Es waren öffentliche Sitzungen. Es hat niemanden interessiert.

Heute, wo ein Interessent da ist, der ein Steinkohlekraftwerk bauen will, wirft man denjenigen, die dort handeln,

Heimlichtuerei vor. Das finde ich schlicht und ergreifend unverschämt. Das hat mit der Realität nichts zu tun.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Herrn Kley, FDP)

Ich will auch darauf hinweisen, dass dieser Standort seit Anfang der 90er-Jahre im LEP als Industriefläche festgelegt ist. Das haben Sie als LINKE noch nie kritisiert. Die Baunutzungsverordnung lässt auf Industrieflächen den Bau von Kraftwerken zu. Damit war es eigentlich, wenn man es genau nimmt, schon immer Wille der Landesregierung, dass auf dieser Fläche Ansiedlungen industrieller Art, also auch Kraftwerke, passieren können, ohne dass das im Landtag in irgendeiner Weise thematisiert wurde - zumindest solange ich im Landtag bin.

Die Verwunderung - das weiß ich - kommt immer erst hinterher. Ich erlebe das in der Region auch. Seit das Zellstoffwerk steht, merken manche Leute auch, dass Industrie bemerkbar ist, dass man das hin und wieder riecht. Aber das ist so, wenn man Arbeitsplätze und Industrieansiedlungen will. In unserem SPD-Programm steht nach wie vor „Arbeit und Umwelt“ und „Arbeit und Bildung“. Auf jeden Fall steht immer „Arbeit“ dort drin, und diese brauchen wir auch. Darum können wir keine Alternativen ausschließen, zumindest nicht handstreichartig sagen: Das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Herrn Franke, FDP)

An dieser Stelle - ich danke Ihnen, Herr Minister Haseloff - wollte ich Ihnen übrigens auch den Brief vorlesen, den ich im gleichen Wortlaut auch als Bürgermeister bekommen habe. Es steht dasselbe drin. Für mich ist auch interessant, dass vor Ort Arbeitsplätze entstehen. Das ist ganz klar.

Ich wünschte mir übrigens - Frau Hunger, ich habe das einmal spaßeshalber gesagt -, dass die Nachfahren eines gewissen Hans Riegel aus Bonn bei uns investieren würden; denn wenn Sie die ersten beiden Buchstaben seines Vor- und Nachnamens und des Namens der Stadt zusammenfügen, dann kommt „Haribo“ heraus und „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“. Das wissen wir alle.

(Zustimmung bei der SPD)

Die haben aber nicht angefragt. Die wollen bei uns nicht investieren. Ich hätte gern Goldbären aus der Altmark.

Ich muss mir das also schon überlegen. Wenn als einzige Investition im Moment ein Steinkohlekraftwerk ansteht, dann muss ich zumindest darüber nachdenken, ob das eine Alternative für uns ist, in einer Region, in der die Arbeitslosigkeit landesweit am größten ist, in einem Bundesland, in dem die Arbeitslosigkeit bundesweit am größten ist. Ich muss zumindest darüber nachdenken.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Herrn Franke, FDP)

Es hat schon viele Konzepte für die Altmark gegeben, wie „endogenes Wirtschaftspotenzial“ und dergleichen mehr. Ich könnte viel dazu sagen, aber die Menschen werden nicht von Konzepten satt, sondern von Arbeit, und deswegen müssen wir darüber nachdenken.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es kein Widerspruch dazu ist, dass die Altmark eine Bioenergieregion