Mit diesem Gesetzentwurf wird jedoch eine Lücke aufgerissen, die erhebliche Nachteile für das Mittelzentrum Zerbst nach sich zieht. Die im Koalitionsvertrag benutzte Definition „die Stadt Zerbst und die sie umgebenden Gemeinden“ ist rechtlich vakant und ungenau. Die Rechtsprechung kennt derzeit nur den Begriff der angrenzenden Gemeinden. Hierzu gibt es eine klare Rechtsposition.
Mit der benutzten unklaren Bestimmung wird die Notwendigkeit des Vollübergangs der Verwaltungsgemeinschaft Elbe-Ehle-Nuthe in den Landkreis Anhalt-Bitterfeld aufgegeben. Dies widerspricht unseres Erachtens sowohl § 6 Abs. 5 Satz 2 des KommunalneugliederungsGrundsätzegesetzes als auch § 76 Abs. 1 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt, da weder die Gemeinden Prödel, Lübs, Buhlendorf, Gehrden, Gödnitz, Moritz und Walternienburg mit 2 340 Einwohnern noch die Gemeinden Hobeck, Zeppernick, Loburg, Rosian und Schweinitz mit 4 581 Einwohnern zukünftig in eine leitbildgerechte Einheitsgemeinde überführt werden können.
Gleichsam wird jedoch durch die beabsichtigte Zuordnung dieser Gemeinden in den Kreis Jerichower Land das Mittelzentrum Zerbst in der Ausübung seiner zentralörtlichen Funktion um 6 921 Einwohner erheblich geschwächt. Da offensichtlich eine Eingemeindung der nordwestlichen Gemeinden in die Stadt Gommern geplant ist, ist diese Lösung auch aus raumordnerischer Sicht nicht nachvollziehbar.
Nach den Eingemeindungen im Jahr 2005 hat die Stadt Gommern derzeit 11 303 Einwohner. Mit der Zuordnung der Gemeinden Prödel, Lübs, Buhlendorf, Gehrden, Gödnitz, Moritz und Walternienburg würde sich die Einwohnerzahl auf insgesamt 13 643 erhöhen. Damit würde
Dieses läge unmittelbar vor den Toren des Oberzentrums Magdeburg und des Mittelzentrums Zerbst und führt zu erheblichen Disparitäten in der Wahrnehmung der zentralörtlichen Funktion der Stadt Zerbst als Einzugsbereich für Schulen, Institutionen, Behörden und für kreisliche Einrichtungen sowie als Zentrum für Wirtschaft, Bildung, Kultur, Freizeit, Handel und Verwaltung.
Ähnlich verhält es sich mit der Stadt Loburg und den angrenzenden Gemeinden. Da diese nicht die nötige Einwohnerzahl zur Bildung einer Einheitsgemeinde aufbringen, wäre nur eine Verschmelzung mit dem Grundzentrum Möckern möglich. Dies hätte zur Folge, dass die Stadt Loburg auf ihre Funktion als Grundzentrum und Schulstandort verzichten müsste.
Aus diesem Grunde wird die Landtagsfraktion der Linkspartei.PDS im Rahmen der Behandlung des Gesetzentwurfes im Innenausschuss einen Änderungsantrag zur vollständigen Überführung der Verwaltungsgemeinschaft Elbe-Ehle-Nuthe in den Landkreis Anhalt-Bitterfeld einbringen.
Wir möchten eine Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss zur federführenden Beratung sowie in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zur Mitberatung beantragen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Umfangreiche Ausführungen zu dem eingebrachten Gesetzentwurf sind von meiner Seite überhaupt nicht nötig, da das Wesentliche bereits vom Innenminister Herrn Hövelmann gesagt wurde, dessen Ausführungen ich mich im Wesentlichen auch anschließe.
Die CDU-Landtagsfraktion hält, was diesen Punkt anbelangt, an den gemeinsam mit der SPD im Koalitionsvertrag geregelten Grundsätzen fest. Wir haben uns unter Punkt 9 „Funktional- und Verwaltungsreform, Kommunalpolitik, Kommunalfinanzen“ - wenn ich Ihnen das erneut ins Gedächtnis rufen darf, meine Damen und Herren - auf Folgendes verständigt:
„Falls die Stadt Zerbst mit den umgebenden Gemeinden im Zuge der Umsetzung des Kreisneugliederungsgesetzes durch Bürgerentscheid eine andere Kreiszuordnung beschließen sollte, wird die Koalition dies gesetzgeberisch umsetzen.“
Hiermit liegt eine klare Regelung vor, die wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umsetzen werden. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte betonen, dass wir mit diesem Gesetzentwurf betreffend einen neuen Landkreis Anhalt-Bitterfeld, einen neuen Landkreis Jericho
wer Land und die damit einhergehenden redaktionellen Änderungen im Gesetzestext konform gehen. Es bedeutet nicht, dass wir automatisch mit allen noch folgenden neuen Gebietszuordnungen einverstanden sein werden. Wenn es der Bürgerwille ist, eine andere Zuordnung zu Landkreisen vorzunehmen, als es bislang durch das Gesetz festgeschrieben war, wird die Koalition diesen Willen, soweit es möglich ist, berücksichtigen.
Von der Möglichkeit, per Bürgerentscheid zu entscheiden, haben die Bürger tatsächlich Gebrauch gemacht. Am 16. Juli 2006 fand in der Stadt Zerbst/Anhalt ein Bürgerentscheid statt. Am 13. August 2006 haben die Gemeinden Bornum, Deetz, Dobritz, Grimme, Güterglück, Hohenlepte, Jütrichau, Leps, Lindau, Nedlitz, Nutha, Polenzko, Reuden, Steuz, Straguth und Zernitz per Bürgerentscheid auf die Frage der kreislichen Zuordnung nach dem Gesetz zur Kreisgebietsneuregelung vom 11. November 2005 eine klare Richtung vorgegeben.
Alle haben sich mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen, dem neuen Landkreis Anhalt-Bitterfeld angehören zu wollen. Um der Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrer Region und der Entscheidung der dortigen Bewohner Rechnung zu tragen, werden die Stadt Zerbst und die von mir eben aufgelisteten Kommunen dem neuen Landkreis Anhalt-Bitterfeld zugeordnet werden. Dieser neue Landkreis setzt sich aus den benannten Gemeinden und den bisherigen Landkreisen Bitterfeld und Köthen zusammen.
Eine Zuordnung zu dem neu zu bildenden Landkreis Jerichower Land fand bei den Bürgern keine Akzeptanz. Einen Landkreis Anhalt-Jerichow, wie er ursprünglich in § 9 des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung vorgesehen war, wird es daher nicht geben. Aufgrund der durch die Entscheide festgestellten Tendenzen muss also das Gesetz eine Änderung, die diese Richtung widerspiegelt, erfahren.
Nur wenn wir den Wunsch der Bewohner der Region Zerbst und der umliegenden Gemeinden umsetzen, können wir erreichen, dass deren Bereitschaft zur Beteiligung an dem, was sich die Koalition als Ziel gesteckt hat, gestärkt wird. Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass wir nur durch eine Änderung des Gesetzes dem von uns mit der Kreisgebietsreform angestrebten Ziel, zukunftsfähige und leistungsstarke Selbstverwaltungsstrukturen im Land zu schaffen, ein wenig näher kommen können. - Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Kolze, es war ein hartes Stück Arbeit, gegen die eigene Überzeugung vortragen zu müssen. Aber wie gesagt: Die Grundsätze des Koalitionsvertrages ersetzen nicht die Grundsätze eines Gesetzes. Sie sind letztlich auf den verfassungsrechtlichen Stand hin zu prüfen.
Das vorliegende Gesetz zur Reform der Kreisgebietsreform, meine Damen und Herren, ist eine Verschlimmbesserung, wie sie im Buche steht. Schon die Frage, ob eine solche Reform durchgeführt werden kann, wird von Ihnen, liebe Regierungskoalition, in verfassungsrechtlich bedenklicher Art und Weise beantwortet. Die Art und Weise, wie Sie die Reform durchsetzen wollen, ist verfassungsrechtlich ebenso bedenklich. Die Begründungen, die Sie dafür abgeben, widersprechen den Grundsätzen des Kreisneugliederungsgesetzes, sind systemwidrig und verstoßen am Ende gegen das Willkürverbot. Das Ergebnis hat mit Bürgernähe und Effektivität nichts mehr zu tun.
Liest man die Gesetzesbegründung, so behauptet die Landesregierung, dass die Neuregelung einer Neuregelung verfassungsrechtlich unbedenklich sei, wenn neue Tatsachen ins Spiel gekommen sind, die bei der ursprünglichen Kreisgebietsreform nicht berücksichtigt worden seien. Als neue Tatsache wird der Bürgerentscheid in Zerbst und in den umliegenden Gemeinden angeführt.
Das ist bereits der erste Fehler, weil nämlich die neuen Tatsachen von Ihnen, insbesondere von der SPD, erst durch die Aufnahme in die Koalitionsvereinbarung provoziert worden sind. Eine Änderung ist nicht deshalb notwendig geworden, weil neue Tatsachen aufgetaucht sind, sondern es wurden neue Tatsachen geschaffen, damit eine Änderung begründet werden kann.
Ich gebe zu, meine Damen und Herren, das mag eine juristische Feinheit sein, aber zwei andere Dinge dürften Ihnen einleuchten.
Erstens. Kein Bevölkerungsteil in Sachsen-Anhalt durfte sich die Zugehörigkeit zu einem neuen Kreisgebiet per Bürgerentscheid wünschen und hatte dabei den garantieren Anspruch auf eine gesetzliche Änderung - weder Aschersleben noch Falkenstein noch die Seeland-Gemeinden.
Zweitens. 25 000 Bürger aus Zerbst und Umgebung wurden gefragt, 170 000 Bürger aus Bitterfeld und Köthen nicht. Sie verfahren nach dem Motto: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich; nur manche sind gleicher.
Meine Damen und Herren! Es sind aber nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen das Gesetz sprechen. Auch die in der Begründung behandelten Aspekte der Raumordnung, der Infrastruktur und der landsmannschaftlichten Zugehörigkeit führen bei nüchterner Betrachtung dazu, dass dieses Gesetz abzulehnen ist.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie planen ein Gesetz zur Einräumigkeit der Verwaltung und schaffen mit diesem Gesetz einen Verwaltungsraum, der durch die Elbe geteilt ist und der nur durch eine Fährverbindung oder durch eine Verkehrsanbindung, die um das Kreisgebiet herum führt, zu erreichen ist. Abgesehen davon, dass dies bereits gegen den Grundsatz des Kreisneugliederungsgesetzes, nämlich den der Beachtung der natürlichen Grenzen, verstößt, ist es für jeden offensichtlich, dass damit eine praktische Zweiteilung der Verwaltung und damit eine doppelte Vorhaltung der Dienste festgeschrieben wird.
In Ihrer Begründung argumentieren Sie, dass eine solche trennende Wirkung der Elbe unbeachtlich sei, weil es eine Straßenanbindung nach Dessau gebe. - Mit einer solchen Argumentation können Sie auch die Verbin
Raumordnerisch gefährden Sie mit diesem Gesetz das Mittelzentrum Zerbst, weil durch die Teilung der Verwaltungsgemeinschaft Elbe-Ehle-Nuthe das Hinterland von Zerbst in eine andere Verwaltungseinheit übergeht und so zum Beispiel der Schulstandort Gommern weiterentwickelt wird, während der Zerbster - schon jetzt unterentwickelt - dem Niedergang preisgegeben wird. Eine Schülerbeförderung über die Elbe hinweg zu organisieren ist über Dessau nicht möglich.
Es wird argumentiert, dass der Erhalt der Planungsgemeinschaft Wittenberg-Anhalt durch das Gesetz gewährleistet würde. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass eine Regionalplanung nicht mehr stattfinden würde, wenn Zerbst dem Jerichower Land zugeordnet werden würde. Welche Gefährdung gäbe es dann, sodass etwas gewährleistet werden müsste?
Nun zu dem landsmannschaftlichen Aspekt. Ja, Zerbst und Köthen gehörten dem Fürstentum Anhalt an, ebenso wie Sandersleben, Quedlinburg und Bernburg. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf - das ist bemerkenswert, weil der Gesetzentwurf aus der Feder der SPD kommt; denn bei der CDU habe ich trotz Ihrer Rede, Herr Kolze, ein gesteigertes Interesse nicht festgestellt - heißt es tatsächlich, es sei gelungen, das Jerichower Land entlang der ehemaligen preußischen Grenze gezogen zu haben, um nunmehr anhaltische Gebiete von Zerbst und Köthen wieder zu vereinen.
Meine Damen und Herren! Bismarck wäre glücklich gewesen, hätte er mit einer SPD verhandelt, die die Zukunft in feudalistischen Strukturen gesucht hätte. Die Probleme des 21. Jahrhunderts damit bewältigen zu wollen, mag eine originelle Idee sein, allein an der Effektivität zweifle ich.
Außerdem hat die landmannschaftliche Argumentation einen Schönheitsfehler: Zwei Drittel des Gebietes des Landkreises Bitterfeld waren kursächsisch, eine historische Ausrichtung gen Süden. Delitzsch heißt es, nicht Brandenburg. Die perfide Folge Ihres Gesetzes ist, dass Anhalter gefragt werden und Kursachsen nicht. Allein daran merken Sie die Sinnhaftigkeit Ihres Gesetzes.
In Ihrem Gesetz werden die Belange von Köthen und Bitterfeld lediglich mit einem Satz erwähnt und die Bedenken damit hinweggewischt, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Ich frage Sie: Was sind die Vorteile für Bitterfeld und Köthen? Das Vorhalten einer weiteren Struktur betreffend Schülerverkehr, Müllentsorgung, Rettungsdienst, Personalverwaltung, Schulentwicklungsplan - von den ehrenamtlichen Strukturen ganz zu schweigen?
Die Mehrkosten sind offensichtlich und durch die betroffenen Gemeinden über die Kreisumlage zu tragen Es gibt - deswegen hatte ich gefragt - keinen Zuschuss vom Land.
(Heiterkeit und Zustimmung bei der FDP - Minis- terpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Sie wissen doch, wer daran schuld ist!)
- Ja, der sitzt neben Ihnen. Wäre er nach Wittenberg gegangen, dann hätten wir das Problem überhaupt nicht.