Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

Dazu gehört also - das ist die letzte Botschaft -, nicht nur Geld auszugeben, sondern genau zu überlegen, dass man ein Klima, eine Atmosphäre schafft, in der sich Menschen wohlfühlen, die mehr leisten wollen als andere, die hier investieren wollen.

Das ist für uns eine Wirtschaftspolitik, die wir auch weiter betreiben wollen. Deswegen bitte ich um Überweisung des Antrages in den Ausschuss.

(Frau Rogée, DIE LINKE: Da können wir uns dann noch einmal streiten!)

Ich werde gerne im Ausschuss mit Ihnen weiter darüber reden.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gürth, für Ihren Redebeitrag. - Wir kommen jetzt zu dem letzten Redebeitrag, dem der Fraktion DIE LINKE. Herr Dr. Thiel, Sie haben noch einmal das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gürth, Sie haben wieder einmal die wirtschaftliche Keule geschwungen und versucht, den LINKEN ihre Grenzen aufzuzeigen. Das Komische ist nur, dass Ihnen das nicht so richtig gelingt.

Mein Problem, das ich mit Ihren Ausführungen habe, ist nicht, dass es durchaus widersprüchliche Wege oder Ansichten gibt, wie man eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung künftig gestalten soll. Es ist ja gerade Sinn der parlamentarischen Diskussion, dass man sich darüber austauscht, wo die Chancen für eine selbsttragende Entwicklung in Sachsen-Anhalt künftig liegen könnten.

Wir haben mit unserem Antrag eigentlich nichts anderes gemacht als das, was Sie eben beschrieben haben, nämlich zu versuchen, auf die Lebenswirklichkeit zu reagieren.

Zu dem dicken Papier, das Sie zu den EU-Strukturfonds vorgelegt haben: Ich weiß nicht, ob wir im Jahr 2005 und im Jahr 2006 schon einmal beschrieben haben, was uns in den Jahren 2008, 2009 und 2010 an veränderten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen treffen wird. Das

war eigentlich das Anliegen des Antrages - das teilen Sie ja auch zähneknirschend, indem Sie sagen, wir würden im Ausschuss noch einmal darüber reden -: zu sagen, was die veränderten Bedingungen sind, auf die wir wirtschaftspolitisch reagieren müssen, auch wenn es nur das Förderszenario ist. Das ist mein Problem, Herr Kollege Franke.

Wir wollten den Landtag nicht überfordern, indem wir einen Antrag einbringen, in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2019 den Sozialismus auszurufen und entsprechende Dinge einzuleiten. Uns kam es vielmehr darauf an, dass wir über die letzten zehn Jahre Solidarpaktförderung und über die drei, vier letzten Jahre EU-Strukturfondsförderung reden.

Gerade jetzt, in der Situation, in der wir uns in SachsenAnhalt befinden, in der wir robust oder weniger robust aufgestellt sind, wäre es uns wichtig zu überlegen, wo wir förderpolitisch ansetzen müssen. Das war das Anliegen dieses Antrags. Es ist schade, dass Sie das nicht mittragen wollen. Sie werden um die Debatten im Ausschuss aber nicht herumkommen.

Unser Problem ist auch, dass wir über den Antrag gern direkt abgestimmt hätten, weil uns die Zeit an dieser Stelle davonläuft. Wir haben noch einmal am 1. Juli die Gelegenheit, die Prämissen im Wirtschaftsausschuss glattzuziehen, aber bereits ab September gilt es, Butter bei die Fische zu tun. Dann werden wir über die konkreten Haushaltsanforderungen reden und darüber, wo wir die weniger werdenden finanziellen Mittel sinnvoll einsetzen können.

(Herr Tullner, CDU: Der Haushalt kommt erst im Oktober!)

- Das hat nichts damit zu tun, dass der Haushalt erst im Oktober kommt, Herr Kollege Tullner. Wir werden darüber im September, im Oktober, im November, im Dezember und auch noch im Januar sprechen müssen.

Herr Minister, ich bin nachdenklich geworden bei dem, was Sie zu den verschlechterten Kreditbedingungen gesagt haben. Ich glaube, Sie haben den Aspekt schon einmal im Wirtschaftsausschuss benannt gehabt. Das Problem, das ich damit habe, ist, warum wir auf eine Verschlechterung der Kreditbedingungen der Banken mit staatlicher Hilfe reagieren müssen. Das ist das Problem.

Wir hatten im vergangenen Jahr bei der Kommunaltour in der Altmark ein Gespräch mit einem Unternehmer, der sehr erfolgreich in dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau agiert und mittelständisch geprägt ist. Der hat mir Folgendes gesagt: Wissen Sie, 15 % der Investitionszulage, die ich bekomme, beansprucht meine Bank, muss ich abtreten. 25 % der GA-Förderung, die ich bekomme, beansprucht meine Bank, muss ich abtreten. 10 % meiner Eigenmittel muss ich meiner Bank als Sicherheit hinterlegen. Das heißt, 50 % dessen, was ich an Fördermitteln bekomme und an Eigenmitteln habe, muss ich abtreten.

Wir reden hier, wenn wir Herrn Frankes Anliegen aufgreifen, vor allen Dingen über die kleinen und mittelständisch geprägten Unternehmen. Wir haben im Land mit der NordLB, mit der Investitionsbank, mit den Sparkassen und mit den Genossenschaftsbanken Kreditinstitute, auf die wir alle mehr oder weniger Einfluss haben. Die prinzipielle Frage in diesem Zusammenhang ist für uns, ob wir durch eine Erhöhung der GA-Fördersätze auf diese Bedingungen reagieren müssen. Lassen Sie uns darüber im Ausschuss streiten.

Noch einmal zu dem Verhältnis mit den 60 % und mit den 71 % und zu dem mutigen Vergleich, Herr Miesterfeldt. Ich habe versucht, möglichst unverdächtig zu erscheinen,

(Herr Miesterfeldt, SPD: Nicht gelungen!)

indem ich sowohl den Herrn Ministerpräsidenten als auch den Kollegen Scharf zitiert habe

(Herr Tullner, CDU: Nicht gelungen!)

mit zwei Aussagen, die sich beide auf das Bruttoinlandsprodukt bezogen haben.

Es mag sein, dass es unter Umständen etwas schwierig ist, diese Überlegungen nachzuvollziehen. Entscheidend ist für uns aber Folgendes - das habe ich, glaube ich, zu Beginn meiner Rede gesagt -: Wir sind sehr erfreut über das, was sich im Bereich Standortmarketing und Servicemanagement im Land nach außen getan hat.

Sie haben auf das Beispiel Norditalien verwiesen. Ich habe es auf der Investorenkonferenz gespürt und ich merke es auch bei vielen Gesprächen vor Ort: Das, was die Behörden des Landes leisten, die Schnelligkeit und die Bereitschaft mitzuwirken, das ist wirklich anerkennenswert, dieser kostenlose Service.

Trotzdem stellt sich aber die Frage, wo man noch genauer hinschauen muss, und das betrifft nach unserer Meinung - Herr Gürth, Sie haben es gesagt - die Beschäftigungsverhältnisse. Es hat keinen Sinn, wenn Sie darauf stolz sind, dass wir die Arbeitslosenzahlen in den letzten Jahren gesenkt haben, weil wir wissen warum, wenn wir hinter die Fassade schauen. Es waren eben zum Teil Dinge, bei denen wir in den Bereich der prekären Beschäftigungsverhältnisse gekommen sind.

Es ist wenig hilfreich, darauf stolz zu sein, dass wir mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen haben, wenn die Betroffenen nach Beendigung der Arbeit zum Arbeitsamt oder zur Arbeitsgemeinschaft gehen, um ihre Aufstockungsbeträge abzuholen. Das ist doch der Punkt, den wir an dieser Stelle kritisieren. Wir halten es für wesentlich, dass man in den Förderbedingungen des Landes darauf reagiert.

Wie gesagt: Wir sind sehr gespannt auf das, was uns erwartet. Ich denke, die Zeit ist reif, nicht nur über die bestehenden und auf vielen Seiten beschriebenen Förderszenarien nachzudenken, sondern einmal zu überlegen, was wir tun müssen, um zu einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung zu kommen.

Das, was wir bisher gemacht haben, war ein wichtiger Baustein, aber in dem Tempo, in dem wir bislang vorgegangen sind, und bei dem Anforderungsprofil, das uns momentan vorliegt, werden wir dieses hochfliegende Ziel nicht erreichen können. Wir sollten gemeinsam diskutieren, wo die Ansatzpunkte sind.

Minister Haseloff hat gesagt, DIE LINKE würde jetzt wieder die soziale Marktwirtschaft unterstützen.

Schauen Sie bitte einmal auf die Uhr, Herr Thiel!

Diese Auffassung teile ich nicht ganz, weil wir über einen sozialökologischen Umbau der Gesellschaft reden. Wir wissen, dass wir den Kapitalstock unserer Industrie und

unserer Wirtschaft in den nächsten Jahren kräftig umbauen müssen, um auf neue Produkte, auf neue Märkte und auf innovative Dinge reagieren zu können. Es ist ein erheblicher Finanzbedarf vorhanden. Den kann eben nicht allein die staatliche Hand tragen.

Herr Thiel, würden Sie langsam zum Schluss kommen?

Hierbei sind private Investoren genauso gefragt, und diese wollen wir einladen.

Ich weiß, ich habe zwei Minuten länger gesprochen. Ich bitte um Entschuldigung. Ich beende meine Rede und bedanke mich, dass Sie mir geduldig zugehört haben und dass Sie dem Anliegen unseres Antrages gerecht werden wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Thiel. Bei einem so wichtigen Thema schaut man auch einmal nicht auf die Uhr. Das ist klar.

Meine Damen und Herren! Bevor ich über den Antrag abstimmen lasse, möchte ich noch Schülerinnen und Schüler des Norbertus-Gymnasiums Magdeburg begrüßen. Sie haben ein bisschen das Pech, dass wir gleich in die Mittagspause gehen, aber seien Sie trotzdem herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/2008. Es ist beantragt worden, den Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei den Koalitionsfraktionen und bei der Fraktion DIE LINKE. Wer lehnt die Überweisung ab? - Ablehnung bei der FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen worden und wir sind am Ende des Tagesordnungspunktes 19.

Ich unterbreche die Sitzung. Wenn Sie wollen, machen wir um 13.30 Uhr weiter; wir könnten aber auch schon um 13.15 Uhr beginnen. - Wir bleiben bei 13.30 Uhr und setzen die Sitzung dann mit dem Tagesordnungspunkt 20 fort.

Unterbrechung: 12.28 Uhr.

Wiederbeginn: 13.31 Uhr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir setzen die Sitzung fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2009

Ich bitte Herrn Dr. Thiel, als Einbringer das Wort zu nehmen. Bitte schön.