Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

Trotzdem, da sind wir ganz dicht beieinander: Wir müssen aufpassen, dass wir in Sachsen-Anhalt nicht überdimensionierte Viehanlagen haben, die sich weit von dem weg bewegen, was in anderen Bundesländern möglich ist.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

Danke, Herr Minister. - Jetzt spricht der Abgeordnete Herr Bergmann für die SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin schon wieder hier. Erst die Pflicht, dann die Kür. Die Debatte ist zu einem Teil schon geführt worden. In diesem Zusammenhang vielleicht noch einmal ein Hinweis, Herr Minister. Es geht uns eigentlich gar nicht so sehr um die landwirtschaftliche Produktion, sondern es geht uns um die Raumordnungskriterien für die industrielle Produktion von Schweinefleisch und die damit verbundenen eventuellen raumordnerischen Relevanzen.

Ich glaube, dabei ist es schon richtig, dass wir hier gemeinsam zu einer Beschlussempfehlung gekommen sind, die wir auch mittragen. Wir möchten natürlich auch noch einmal kundtun, dass wir als SPD-Fraktion den ei

nen oder anderen Wunsch haben, der dann vielleicht im Hause mit einfließen kann.

Wir haben zurzeit in Sachsen-Anhalt einige laufende Verfahren und einige abgeschlossene Verfahren. Die Namen Gerbisbach, Allstedt, Mahlwinkel sind sicherlich dem einen oder anderen bekannt und es gibt viele mehr. Wir haben festgestellt, dass das Ganze vor Ort doch auf gehörigen Protest trifft. Das hat teilweise auch etwas damit zu tun, dass man sich im Vorfeld vielleicht doch nicht genügend Gedanken gemacht oder die Raumrelevanz nicht ausreichend geprüft hat.

Deswegen halte ich es auch für notwendig, dass wir über diese Kriterien noch einmal sehr genau diskutieren. Wenn das Ministerium dann in seiner Weisheit so weit ist, dass dem Ausschuss der Erlass vorgestellt werden kann, dann wäre das schon sehr nett.

Die Kriterien, die Sie, Herr Minister, und ich in meiner Berichterstattung vorgestellt haben, sind grundsätzlich völlig in Ordnung. Mit denen können wir arbeiten. Es sind aber auch Kriterien, die zum Teil im Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ohnehin geprüft werden.

Dass wir auch eine raumordnerische Voruntersuchung brauchen, haben wir schon deswegen festgestellt, weil es in den Niederlanden mit den Tierproduktionen, gerade mit den Schweinemastanlagen große Probleme gibt, die vielleicht zu verhindern gewesen wären, wenn man hierbei rechtzeitig in eine raumordnerische Prüfung eingetreten wäre.

Deshalb habe ich namens der SPD schon damals in der Debatte vorgeschlagen, die Grenzwerte des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes für die Prüfung hinsichtlich des Raumordnungsverfahrens anzuwenden. Bei dieser Forderung bleiben wir; sie sollte durch das Ministerium noch einmal geprüft werden.

Ich glaube schon, dass die Bürger klare Kriterien haben wollen und keine weichen Kriterien, bei denen man immer nicht genau weiß, wie die Behörde geprüft hat und unter welchen Umständen was wie zu sehen ist. Das ist immer sehr schwierig. Deshalb fordern wir auch klare Zahlen neben der Nutzung der bereits hier vorgestellten Kriterien.

Ich bin auch der Meinung - das will ich noch einmal klar unterstreichen -: Es geht nicht um die Begrenzung eines bestimmten Tierbestandes, sondern darum, wann ein Raumordnungsverfahren angewandt wird und wann nicht. Ich denke, wenn wir eine klare Abgrenzung haben, eine klare Zahl haben, sollte es grundsätzlich ein Raumordnungsverfahren geben. Wenn die Zahl der Tiere darunter liegt, sollte im Einzelfall vom Landesverwaltungsamt geprüft werden, ob ein Raumordnungsverfahren notwendig ist.

Ich bin zusätzlich dafür - das habe ich auch in der Ausschussberatung schon gesagt und Herr Staatssekretär Schröder hat es sich wohl zumindest notiert -, dass bei einer Einzelfallprüfung anschließend die Standortgemeinde darüber informiert wird, warum das Landesverwaltungsamt eventuell zu einem negativen Ergebnis gekommen ist und warum das Raumordnungsverfahren nicht durchgeführt werden soll. Auch das gehört unserer Meinung nach zu einer vernünftigen Transparenz im Umgang mit diesen industriellen Tiermastanlagen.

Ansonsten kann ich abschließend nur noch einmal sagen: Herr Dr. Daehre, wir haben großes Vertrauen in

das Haus, dass die Regelung auch entsprechend unseren Vorstellungen erarbeitet wird.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Dennoch möchten wir rechtzeitig darüber informiert werden, wie Sie sich das vorstellen können. Auf jeden Fall aber sind wir der Meinung, dass wir hiermit insgesamt eine Verbesserung im Land herbeiführen werden, wenn ich sehe, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Herr Bergmann. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Hauser. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt noch den Tagesordnungspunkt 14, die Qualifizierungsinitiative, behandeln werden. So wurde es mir signalisiert. Herr Hauser, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Bergmann, wir müssen es fertig bringen, sachlich und fachlich schlüssig über diese Problematik zu diskutieren.

Herr Minister Dr. Daehre, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Vorschläge. Vor allem die gemeindeübergreifende kumulative Wirkung muss mit einbezogen werden, dann die Bodengüte am vorgesehenen Standort. Wir haben die Diskussion hierüber nachhaltig. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig.

Die verkehrliche Belastung, also die Futtertransporte, die Tiertransporte, in welchen Rhythmen und ob sie in der Nacht erfolgen usw. - - Dann die Entsorgung anfallender Stoffe, die Dungtransporte. Ich sehe vor allem, dass wir in der letzten Zeit eine Riesenhitze bis zu 33° C gehabt haben, und ich sehe es als Landwirt nicht ein - das sage ich hier ganz offen -, dass man den Flüssigdung womöglich zwei Tage lang liegen lässt. Das kann nicht sein. Dadurch schadet sich die Landwirtschaft selbst. Das muss man offen ansprechen.

Dann der Abstand zu Wohnsiedlungen, immer ein neuralgischer Punkt. Ich komme gleich darauf. Oder welche raumbedeutsamen Konflikte können auftreten?

Aber jetzt kommen wir zu einem gefährlichen Bereich, Herr Bergmann, für mich als Fachmann: Was ist denn Massentierhaltung? Definieren Sie mir einmal den Begriff Massentierhaltung. Sie haben von den niederländischen Großinvestoren gesprochen. Das sind die treibenden Keile in dieser Angelegenheit. Auf der einen Seite spricht Herr Krause von 100 000 Schweinen, auf der anderen Seite sagen Sie, Sie wollen keine Mengenbegrenzung. Bei dem Trip, auf dem Sie die niederländischen Agrargroßinvestoren verscheuchen wollen, müssen wir aufpassen, dass wir die heimische Landwirtschaft nicht knebeln. - Das ist sehr gefährlich.

Ich beschreibe einmal die folgenden Situation: Mit dem Prüfverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, so die Antwort auf meine Kleine Anfrage, dauert das Genehmigungsverfahren ohne eine Öffentlichkeitsbeteiligung bis zu drei Monate; mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung dauert das Verfahren bis zu sieben Monate. Der Haken ist jedoch, dass das nur bei Abgabe vollstän

diger Unterlagen gilt. Die Kommunen werfen hierbei immer neue Probleme auf und Unterlagen müssen nachgereicht werden.

Ich nenne Ihnen zwei Fälle, die garantiert nicht unter die Massentierhaltung fallen: In einem Fall wurde eine Anlage für 500 Zuchtsauen und 700 Ferkel - hierbei ist die Anzahl der Plätze und nicht der Jahresumtrieb gemeint - beantragt. Der so genannte Scoping-Termin war am 16. Juni 2006. Der Investor hat mittlerweile einen Betrag in Höhe von 275 000 € für Gutachten aufgewendet, aber noch keine Genehmigung erhalten. Bei einem anderen Fall wurde im Januar 2007 die Erweiterung einer Anlage für insgesamt 2 000 Zuchtsauen und 1 500 Ferkel beantragt. Im Mai 2009 ist die Genehmigung erteilt worden. Die Verfahrenskosten beliefen sich dabei auf 130 000 €.

Ich bitte darum, dass wir uns im Bereich des Möglichen und des Praktischen bewegen. Forderungen und Fantastereien kommen zwar draußen gut an und fantastische Vorschläge finden fantastische Zustimmung, aber es stellt sich die Frage nach der Umsetzung. Darum geht es mir vor allem.

Die Frage, ob unsere Landwirte damit leben können, stellt sich ebenfalls. Auf der einen Seite wird die Veredelung gewünscht, auf der anderen Seite existiert ein gewisses Genehmigungsverfahren. Dieses so genannte BImSch-Verfahren ist knallhart. Ich bitte darum, dass wir die Diskussion versachlichen. Herr Dr. Daehre, man sieht, Sie haben erhebliche Probleme, vor allem mit der SPD-Fraktion. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das hinbekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Hauser. - Bevor ich dem Abgeordneten Herrn Scheurell das Wort erteile, haben wir die Freude, Gäste der Landeszentrale für politische Bildung bei uns begrüßen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bevor Herr Scheurell beginnt, kann ich feststellen, dass nicht nur im Schulobst der Wurm drin ist, sondern auch in der Tagesordnung. Der Tagesordnungspunkt 14 wird nicht vorgezogen. - Kollege Scheurell, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Stellt bitte jemand die Redezeit neu ein; denn sie ist schon abgelaufen.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Thema war Gegenstand der auswärtigen Sitzung des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr am 26. August dieses Jahres in Halberstadt. Dort hat uns das zuständige Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr bereits in Abarbeitung der heute in Rede stehenden Beschlussempfehlung die raumordnerischen Kriterien vorgestellt, nach denen zukünftig zu entscheiden ist, ob vor dem eigentlichen Planungsverfahren für eine Anlagengenehmigung ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden muss. Darüber hinaus wurde mit dem Ministerium vereinbart, dass nach dem Erlass der entsprechenden Rechtsverordnung über den Stand der Umsetzung berichtet wird. - Eigentlich ist alles in Butter.

Das Ministerium hat in vorauseilendem Gehorsam gehandelt und hat alles umfänglich erfüllt. Nun könnte man die Frage stellen, warum zu diesem Thema nochmals im Landtag debattiert werden muss, wenn die Landesregierung den Beschluss des Landtages bereits im Vorfeld erledigt. Der Grund hierfür besteht darin, dass durch eine öffentliche Kommunizierung des Themas, so in der „Volksstimme“ vom 27. August 2009, die Klarstellung erfolgen muss, dass der Ausschuss entsprechend seinem Kompetenzbereich ausschließlich mit den raumordnerischen Belangen befasst war. Der Landtag hat sich hierzu in seiner ersten Beratung über das Thema am 8. Mai 2009 entschieden, indem er die Federführung im parlamentarischen Verfahren dem Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr übertrug.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus raumordnerischer Sicht ist es jedoch nicht möglich, eine generelle zahlenmäßige Obergrenze für Tierbestandskonzentrationen vorzugeben, wie es in dem Artikel der „Volksstimme“ vom 27. August 2009 gefordert wurde. Raumordnung bedeutet nämlich immer die Abwägung von raumbedeutsamen Belangen, die natürlich von Region zu Region verschieden sind.

Deshalb haben wir uns im Ausschuss auf Initiative der CDU-Fraktion darauf verständigt, die Landesregierung zu bitten, Kriterien zu erarbeiten, nach denen die Raumbedeutsamkeit und die überörtlichen Auswirkungen von Tierproduktionsanlagen zu beurteilen sind. Mit dieser Verfahrensweise hat sich auch der mitberatende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einverstanden erklärt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass nunmehr alle Irritationen beseitigt sind, und ich bitte, auch wenn die Beschlussempfehlung bereits in großen Teilen umgesetzt ist, um Zustimmung. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Dr. Köck.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer hätte das gedacht: Im Mai erst eingebracht, liegt die Beschlussempfehlung zum Antrag über die Obergrenzen für Tierbestandskonzentrationen trotz Sommerpause bereits im September im Plenum wieder auf dem Tisch; zwar in einem völlig anderen Wortlaut als der Ursprungsantrag, aber die neue Form entspricht in ihren Intentionen etwa dem, was wir uns vorgestellt haben, sodass ich für meine Fraktion signalisieren kann, dass es zumindest keine Ablehnung geben wird. Ich selbst werde zustimmen. - So viel zur Vorrede.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Diese Zustimmung ist jedoch mit einem erheblichen Vertrauensvorschuss verbunden. Wie notwendig die Kriterien in der Praxis sind, zeigt, dass beinahe jedes Verfahren in irgendeiner Form Klagen bis hin zur obersten Instanz nach sich zieht, und das, obwohl nach Aussagen der Bundesregierung oder auch der Landesregierungen auf Kleine Anfragen de jure alles paletti sei.

Aber es gibt entsprechende Löcher in diesem doch sehr eng geknüpften Netzwerk von Rechtsbestimmungen auf

Bundesebene. Einige Länder haben sich bemüßigt gesehen, die TA Luft dahin gehend zu ergänzen, bei Rinderstallanlagen die nicht vorhandene Abstandskurve in einer Landesregelung festzulegen, so beispielsweise in Sachsen. Allein diese Lücke in der TA Luft in Verbindung mit dem Ende der Kurve bei einer Größenordnung, für die kein Landwirt, weder ein niederländischer noch ein einheimischer, eine Anlage beantragen würde, wäre erneut eine Initiative im Bundesrat wert. Aber Schwamm über das Problem Bundesratsinitiative.

Die Raumordner beklagen allenthalben die geringe Wirksamkeit der Raumordnung und ihrer Instrumente im Vollzug, begnügen sich dann aber mit einer Nebenrolle bei der Beurteilung von Anlagen, die von ihren Verflechtungsbeziehungen einer Kleinstadt entsprechen. Um es etwas deutlicher zu machen: Eine 100 000er-Schweinemastanlage entspricht abwasserseitig einer Bevölkerung von etwa 33 000 Einwohnern. Dies entspricht der Stadt Bernburg, eine halb so große Anlage immer noch der Stadt Zerbst.

(Herr Gürth, CDU: Die Bernburger sind doch kei- ne Schweine!)

Die Anlage ist aber auf ein Sechstel der Stadtfläche konzentriert.