Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

gilt, dass ab dem Jahr 2020 die Länder in konjunktureller Normallage keine Schulden mehr aufnehmen dürfen. Der Haushalt muss also über einen Konjunkturzyklus von sieben Jahren hinweg ausgeglichen sein.

Im Klartext heißt das: Ab dem Jahr 2011 muss das strukturelle Defizit des Haushaltes, also ohne konjunkturbedingte Einnahmeschwankungen, schrittweise Jahr für Jahr auf null zurückgeführt werden und müssen Rücklagen erwirtschaftet werden.

Das Land Sachsen-Anhalt erhält wie vier weitere Länder zur Sicherung dieses Ziels ab dem Jahr 2011 bis zum Jahr 2019 Konsolidierungshilfen von der Ländergemeinschaft in Höhe von 720 Millionen €. Diese Haushaltsmittel stehen zumindest indirekt für die Teilentschuldung der Kommunen zur Verfügung.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD, und von Frau Budde, SPD)

Wie bereits erwähnt, gestaltet sich die Abschätzung der weiteren Einnahmeentwicklung schwierig, da nicht genau zu bestimmen ist, wann die Wirtschaftskrise wie überwunden sein wird. Deshalb steht die am 29. September 2009 von der Landesregierung beschlossene mittelfristige Finanzplanung unter entsprechenden Vorbehalten; das ist mir völlig klar.

Sie weist für die Jahre ab 2012 erheblichen Handlungsbedarf aus, für dessen Beseitigung ein Mittelvolumen zwischen 700 Millionen € und 900 Millionen € benötigt wird. Grundlage waren die Eckwerte des Haushaltsplanentwurfes 2011, vermindert oder erhöht um absehbare unabweisbare Veränderungen. Mit der Haushaltsplanung 2012/2013 ist dann eine weitere Konkretisierung vorzunehmen.

Wenn es ab dem Jahr 2010 aber doch zu einem Wirtschaftswachstum - man mag es kaum glauben - von 1 bis 2 % kommen sollte, wie es in den letzten Tagen zu lesen war - mehr sage ich gar nicht -, dann könnte ein ausgeglichener Haushalt noch vor dem Jahr 2013 erreichbar sein. Warten wir das aber bitte ab. Bereits nach der Steuerschätzung im Mai 2010 werden wir klarer sehen und weitere Planungen anpassen. Vielleicht reden wir dann über einen neuen Nachtragshaushalt.

Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin gesagt, dass ich Ihnen aus meiner Sicht einen soliden Haushaltsplanentwurf vorgelegt habe. Dazu gehören Klarheit in der Analyse und Transparenz in der Darstellung. Dazu gehört, dass wir Lösungen anbieten, die aus der Krise herausführen und Zukunft gestaltbar machen. Und schließlich gehört dazu, Vorsorge zu treffen, um künftige Krisen besser als bisher abfedern zu können.

Trotz all dieser Transparenz und zahlreicher Argumente und Begründungen durch die Finanzpolitik - eines bleibt: Ob nun tatsächlich oder nur empfunden - viele haben das Gefühl permanenter Auseinandersetzung mit den finanzpolitischen Gegebenheiten. Dies soll sogar Ministern so gehen. Ist dies auflösbar? - Ich glaube, nicht ganz.

Ich meine nicht das Recht der Abgeordneten und schon gar nicht das Recht der Opposition, es besser zu machen als die Regierung oder ich oder wer auch immer. Das meine ich nicht. Ich meine das Misstrauen in die Finanzpolitik, am Ende nur fiskalisch zu denken oder nur fiskalisch zu entscheiden. Das halte ich für falsch. Natürlich geht es um die Frage, wie Politik ausgestattet sein

muss und wie sie handeln soll, um Demokratie und Sozialstaat zu erhalten und zu gestalten.

Wollen wir weiterhin ein breit aufgestelltes soziales Sicherungssystem? Wollen wir bessere Bildungsstrukturen? Wollen wir ein modernes Gesundheitssystem für alle, eine gute Infrastruktur? - Alle Überlegungen, die ich erwähne, auch der Hinweis auf Haushalte ohne neue Schulden, ersetzen natürlich nicht die Diskussion über diese Fragen. Sie ersetzen nicht die Diskussion über die Rolle von Bildung, von Schulen und Hochschulen. Sie ersetzen nicht den politischen Streit in der Gesellschaft oder zwischen den Parteien.

Wenn zum Beispiel allgemein die Auffassung geteilt wird und es mehrheitsfähig ist, dass Bildung das zentrale Thema ist und dass Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft die Zukunft ausmachen,

(Herr Tullner, CDU: So ist es! - Herr Kley, FDP: Da sind wir wieder bei den Hochschulen!)

dann sollten wir diese Bereiche auch ausfinanzieren.

(Herr Kley, FDP: Ah ja!)

Wenn wir der Meinung sind, dass unsere Bildungseinrichtungen von der Krippe bis zu den Hochschulen neben modernen Arbeitsplätzen und sanierten Innenstädten ein Ansatz sind, um die Menschen hier zu halten oder andere für unser Land zu begeistern, dann müssen wir das ausfinanzieren.

(Herr Kosmehl, FDP: Das ist doch Quatsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verfolge aufmerksam die Arbeit des Bildungskonvents. Respekt vor allen, die sich in dieser Debatte engagieren; denn natürlich prallen dort die unterschiedlichen Auffassungen zur Bildungs- und Familienpolitik aufeinander. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich die programmatischen Vorstellungen der SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich teile,

(Herr Scharf, CDU: Haben Sie sich das gut über- legt, ja?)

und es gibt Gründe, warum die Koalitionsfraktionen in bestimmten Punkten bei der Bildungspolitik - das können Sie mir glauben - weit auseinander liegen.

(Herr Kosmehl, FDP: Was?)

Trotzdem wurde einiges erreicht. Trennendes wird uns in einem Jahr beschäftigen. Unabhängig von den Unterschieden der jeweiligen bildungspolitischen Konzepte gilt: Sie müssen dauerhaft ausfinanziert sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Oder - um es anders auszudrücken -: Schwerpunktsetzung für die Bildung - ausdrücklich ja, aber ohne neue Schulden, die am Ende durch die dafür erhobenen Zinsen finanzielle Spielräume in den nächsten Jahren verkleinern.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU - Herr Kley, FDP: Machen Sie das!)

Meine Damen und Herren! Neben der Quantität müssen wir auch über Qualität und Effizienz der eingesetzten Steuergelder reden. Das erfordert eine stärkere strategische Ausrichtung von Politik und Verwaltung. Die Politik muss dann stärker Leitbilder und Ziele für die Entwicklung des Landes formulieren und muss beobachten, ob denn im Prozess der Umsetzung angestrebte Veränderungen auch erreicht werden.

Zurzeit erarbeitet mein Haus Leitvorstellungen für die Herangehensweise und Ausgestaltung eines strategischen Finanzmanagements in der Landesverwaltung. Dazu gehören die bereits beschlossene Einführung einer Kosten-Leistungs-Rechnung in allen Einzelplänen genauso wie konzeptionelle Überlegungen für eine politikfeldbezogene Aufstellung und Steuerung des Landeshaushaltes.

Ich beabsichtige, im Jahr 2010 die Vorbereitungen so weit zu bringen, dass beim Doppelhaushalt 2012/2013 das kamerale Haushaltswesen um eine politikfeldbezogene Budgetaufstellung erweitert werden kann. Ich werde darauf hinwirken, dass die nächste Mipla im Jahr 2010 Schritt für Schritt in diese Richtung entwickelt wird.

Dies verlangt Ihnen und der Regierung mehr strategische Diskussion ab und gibt allen nach ressortübergreifender Schwerpunktsetzung, also nach dem, was wir in den letzten Wochen, denke ich, versucht und gemacht haben, auch mehr Planungssicherheit. Wenn dann die Vorsorgeelemente in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die Stabilisatoren greifen, dann haben diese Beschlüsse auch weiterhin Bestand. Mehr Unterstützung durch Finanzpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es gar nicht geben.

Dann wird in den Haushaltsberatungen mehr über die Sinnhaftigkeit und weniger über die Umsetzung von Strategien geredet. Und das ständige Starren auf Steuerschätzungen verliert gravierend an Bedeutung. Das ist das Angebot einer modernen Finanzpolitik.

Dabei wird es auch immer grundsätzlich; denn es ist auch kein einfacher Weg. Ja, vor allem in den Zentren ist die effektivste Mittelverwendung zu konstatieren, weil dort die meisten Menschen wohnen und die öffentliche Hand - ganz logisch - dort am umfangreichsten Daseinsvorsorge gewährleistet. Was machen wir dann mit den Dörfern und den Menschen, die dort leben?

Ja, wir müssen auch über die Einkommenssituation unserer Menschen reden. Ohne vernünftige Einkommen keine vernünftige Rente, keine Nutzungsmöglichkeit für viele öffentliche Einrichtungen, die wir in Sachsen-Anhalt aufbauen.

Die prekäre wirtschaftliche Situation unserer Menschen trifft alle Generationen und schließt viele aus. Wir können noch so viele Ideen und Geld in Schulen, Hochschulen, Museen, Infrastruktur und Innenstädte geben - vielen Menschen in unserem Land wird es nicht helfen, wenn sie nicht über die nötigen Mittel verfügen, diese Angebote wahrzunehmen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Klar ist, wenn wir den Sozialstaat sichern wollen, müssen wir auch über die Sicherung seiner ökonomischen und finanziellen Grundlagen reden. Zu all diesen Themen brauchen wir die gesellschaftliche Diskussion. Wir brauchen die Debatte darüber, was uns diese Zukunft wert ist und wer dafür zahlt. Innerhalb des finanzpolitischen Dialogs suche ich jedenfalls nach Antworten. Wir brauchen den nötigen Mut, die Verantwortung und den Gestaltungswillen für eine solche Politik. Diese Fragen klärt man nicht in zwei Jahren. Deshalb ist Langfristigkeit und die Beteiligung aller Fraktionen - das ist eine dauerhafte Aufgabe - vernünftig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns aber auch darüber reden, was schon an vernünftigen Dingen

in Sachsen-Anhalt von allen Regierungen auf den Weg gebracht wurde: beste Kinderbetreuung in Deutschland, kostenlose Schülerbeförderung, sanierte Dörfer und Städte, moderne Hochschulen ohne Studiengebühren, eine Kulturlandschaft wie kaum eine zweite in Deutschland, eine moderne Wirtschaftsstruktur mit hohen Wachstumsraten und sinkenden Arbeitslosenzahlen, modernste Krankenhäuser in hoher Dichte. Das und vieles mehr prägt Sachsen-Anhalt und soll die Menschen überzeugen, hier zu bleiben oder zurückzukommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Herzlichen Dank, Herr Finanzminister Bullerjahn, für die Einbringung der beiden Gesetzentwürfe. - Meine Damen und Herren! Während der Rede des Finanzministers saßen Damen und Herren der Bildungsgesellschaft Magdeburg auf der Südtribüne. Sie sind bereits gegangen, sodass wir sie nicht mehr begrüßen können.

Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Als erstem Debattenredner erteile ich Herrn Gallert von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Werter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Kollegen! Werte Gäste! Der vorliegende Doppelhaushalt der Landesregierung führt uns anschaulich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise vor Augen. Damit meinen wir nicht zuallererst die einzelnen Haushaltsansätze, die in diesem Etat enthalten sind, sondern wir meinen damit die Rahmendaten, also das Korsett, das diesen Haushalt schon von außen bestimmt und somit bestimmte Entscheidungen erzwungen hat, bevor man an die Binnenverteilung des Geldes gegangen ist.

Wenn man sich die Volumina dieses Haushalts anschaut und diese mit dem Ausgangspositionen der Jahre 2008 und 2009 vergleicht, stellt man fest: Wir haben einen Haushalt vorliegen, der im Verhältnis zum Haushaltsplan 2009 für das Jahr 2010 einen Volumenrückgang um insgesamt rund 2 % vorschlägt und für das Jahr 2011 einen weiteren Volumenrückgang um ca. 1,5 % vorsieht.

Das bedeutet, dass der Haushalt - der Finanzminister hat ihn eben begründet - insgesamt ein degressives Volumen hat, und das, obwohl wir in diesen Jahren die größte Schwelle der Anpassung der öffentlichen Gehälter an 100 % Westgehalt, steigende Ausgaben im Bereich der Pflege und vieles andere mehr bekommen. Im Normalfall würde ein Finanzminister einen solchen Haushalt vorlegen und mit stolzgeschwellter Brust erzählen, welchen riesigen Beitrag er zur Konsolidierung der Landesfinanzen geleistet hat.

Der Haushalt enthält aber auch eine andere Seite. Für die nächsten beiden Jahre werden ca. 1,2 Milliarden € an Neuverschuldung vorgeschlagen, die auf die ohnehin schon relativ hohe Sockelverschuldung des Landes Sachsen-Anhalt draufkommen, und das, obwohl es in vielen Bereichen aufgrund dieses Haushalts bereits massive Einschnitte gibt.

Ich sage mit aller Deutlichkeit: Ein Haushalt, der mit solchen Rahmendaten daherkommt, kann nicht gut sein, und er wird dieses Haus auch nach seiner Beratung viel

leicht etwas besser, aber nie und nimmer gut verlassen, weil die Rahmendaten so sind, dass gute Haushaltspolitik in Sachsen-Anhalt unter diesen Voraussetzungen nicht möglich ist. Dass muss klar sein.

(Beifall bei der LINKEN)

In den Haushaltsjahren 2007 und 2008 - daran will ich auch erinnern - scheint etwas in Vergessenheit geraten zu sein, und zwar die strukturellen Defizite der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland, die auch die strukturellen Defizite der öffentlichen Hand im Land Sachsen-Anhalt sind. Wir waren in diesen beiden Konjunkturjahren in der Lage, eine ausgeglichene Einnahmen-Ausgaben-Bilanz vorzulegen. Wir waren in der Lage, das, was wir an Geld ausgegeben haben, im Wesentlichen mit den Einnahmen zu realisieren, und es war mit diesem Haushalt auch möglich, einige kleine Vorsorgemaßnahmen zu realisieren, die man auch zum Schuldenabbau hätte einsetzen können.

Aber - das ist das zentrale Problem, vor dem wir stehen - wir haben die Situation, dass die öffentlichen Ausgaben nur dann gerade so ausfinanziert werden, wenn wir auf einer konjunkturellen Höhe stehen. Es müsste aber so sein, dass wir die Defizite, die wir in den Depressionsphasen, in Phasen der Stagnation aufbauen, in den Konjunkturphasen wieder abbauen.

Schauen wir uns einmal die Entwicklung des Landeshaushalts über eine längere Phase an. Wir haben von 1999 bis zum Jahr 2006 jährlich eine durchschnittliche Neuverschuldung von 1 Milliarde € gehabt, die in der konjunkturellen Hochphase eigentlich hätte abgebaut werden müssen, damit wir eine ausgeglichene Einnahmen-Ausgaben-Bilanz über die Jahre haben. Nun kann man sich überlegen, wie viel von diesen 6 Milliarden € in diesen beiden Jahren ausgeglichen worden ist. Die Zahl liegt im Null-Komma-Bereich.