Wo dieser Fehler in Teilbereichen, zum Beispiel im Bereich der sozialen Infrastruktur, gemacht wurde, deuten sich jetzt bereits Lösungen an. Jedenfalls habe ich die Kollegin Budde bei der letzten Landtagssitzung so verstanden.
Das heißt also, diese Mindestanforderung, wir dürften den Staat nicht selbst zum Gegenstand der Krise machen, ist bis auf einzelne Teilbereiche in dem vorliegenden Entwurf des Doppelhaushalts sehr wohl erfüllt. Sie ist deswegen erfüllt, weil der Entwurf eine Nettoneuverschuldung in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden € aufweist. Sie ist deswegen erfüllt, weil wir mit unserem Ausgabenvolumen in den Jahren von 2009 bis 2011 im Wesentlichen stabil bleiben.
Wir bleiben beim Ausgabenvolumen bei den Ausgaben des Landes Sachsen-Anhalt zwischen den Jahren 2009 und 2010 übrigens sogar zu 100 % stabil, weil die 200 Millionen €, die wir in Summe jetzt weniger ausgeben, die Mittel sind, um die die Zuweisungen nach dem FAG gekürzt werden. Die Ausgaben des Landes insgesamt bleiben im Wesentlichen stabil.
Das ist die Situation von der wir stehen. Das ist der Preis dafür - das sage ich ganz deutlich -, dass wir den Staat nicht selbst zum Krisenelement werden lassen. Dazu sagen wir ganz ausdrücklich: Dieser Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist richtig! Dazu gibt es keine vernünftige Alternative.
Es ist natürlich so, dass der Preis dieser Vorlage darin besteht, dass alle Aufgaben sozusagen auf ein Existenzminimum heruntergefahren werden, dass die Strukturen, die wir jetzt wohl ausfinanzieren, durch strukturelle Kürzungen überall auf ein Existenzminimum heruntergefahren werden. Es wird so sein, dass dieses Existenzmini
mum an einzelnen Stellen unterschritten wird. Dann werden wir über entsprechende Anträge versuchen, diese Differenzen auszugleichen.
Ich nenne zwei Dinge, die uns bisher aufgefallen sind, aber das werden nicht die einzigen bleiben: Das eine ist die Reduzierung des Feststellenprogramms im Jugendbereich im Jahr 2011 und das andere ist die Reduzierung der Mittel zur Entwicklung der Demokratie. Das sind zum Beispiel Dinge, die wir werden ausgleichen müssen. Aber - das sagen wir mit aller Deutlichkeit - diese Dinge wird man innerhalb des Volumens des Haushalts ausgleichen können. Dazu wird es Umschichtungsmöglichkeiten geben, um diese Dinge auszugleichen.
Es gibt zwei Dinge, bei denen wir das vermutlich bzw. sicherlich nicht hinbekommen werden. Das Erste ist der Personalbereich. Dabei werden wir uns die Sache an verschiedenen Stellen natürlich einzeln ansehen.
Wir haben erstens das Problem des Einstellungskorridors. Eines dürfte klar sein: Wir haben eine Finanz- und Wirtschaftskrise, aber das Problem, dass wir in absehbarer Zeit nicht genug Personal für die Sicherstellung der Landesaufgaben haben werden, verschwindet durch die Krise nicht. Die demografische Situation wird nicht dadurch aufgehoben, dass wir jetzt eine Krise haben. Deswegen bleibt es bei unserer Position, dafür zu kämpfen, dass der Einstellungskorridor jetzt erhöht wird, dass Einstellungen, die für die nächste Legislaturperiode vorgesehen sind, vorgezogen werden.
Wir haben auch sehr wohl registriert, dass der Haushaltsplanentwurf an einer Stelle den Vorschlägen, die wir hier seit drei, vier Jahren betonen, gefolgt ist, und zwar bei einer deutlichen Ausweitung der Referendarstellen im Bereich der Lehrer. An dieser Stelle ist genau unser Vorschlag umgesetzt worden. Wir wissen, dass sie damit noch keine festen Landesangestellten sind, aber zumindest ist in einer ersten Phase einer der zentralen Engpässe, die in der Enquetekommission deutlich geworden sind, sehr wohl angepackt worden.
Ich sage aber mit aller Deutlichkeit: Solche Engpässe gibt es in vielen anderen Bereichen auch. Deswegen bleiben wir dabei: Eine Erweiterung des Einstellungskorridors und die Verbesserung der Einstellungsmodi, die oftmals dazu führen, dass nicht einmal der vorhandene Einstellungskorridor ausgenutzt wird, werden organisiert und realisiert werden müssen. Das wird in diesem Haushalt notwendig sein. Das ist Punkt 1.
Zweitens. Laut Pressemitteilung der Landesregierung soll es im Personalbereich neben der normalen Entwicklung im Personalentwicklungskonzept 77 Millionen € Einsparungen im Jahr 2010 und 100 Millionen € Einsparungen im Jahr 2011 geben. Das werden wir uns im Einzelnen anschauen, das wurde noch nicht bis ins Letzte diskutiert. Wir wissen und ahnen, welche Grausamkeiten dahinterstehen, aber wir werden prüfen, ob sich diese Dinge wirklich so gestalten dürfen und können und ob wir an dieser Stelle nicht andere Auswege brauchen. Auch das ist möglicherweise innerhalb des vorgeschlagenen Haushaltsvolumens zu realisieren.
Es gibt einen großen Dissens zwischen der Auffassung unserer Fraktion und dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf: die Kommunalfinanzen. Bezüglich der Kommunalfinanzen will ich den Blick des Hohen Hauses ein Stück weit auf die Situation in diesem Bereich lenken.
Ich will nicht die Umstellung auf das neue FAG und eine neue Binnenverteilung diskutieren, nein, ich rede von der Masse des Geldes.
- Das sage ich Ihnen gleich, Herr Gürth. Wenn Sie noch zehn Minuten zuhören und nicht hinausgehen, werde ich es Ihnen erzählen können.
Wir haben eine Situation, in der wir zwar eine Erhebung der Kosten haben, für die die Kommunen in unserem Auftrag aufkommen müssen. Eigenartigerweise hat die Kommission unter Leitung des Innenministeriums 1,58 Milliarden €, der Städte- und Gemeindebund jedoch 1,97 Milliarden € ausgerechnet. Die Differenz beträgt 400 Millionen €. Das überrascht mich nicht; das hatte ich in etwa erwartet. Es hilft nicht, sich daran zu orientieren. Es gibt aber andere Vergleichszahlen, die leicht nachzuvollziehen sind.
Wir haben bei den Kommunen im Jahr 2008 eigene Steuerereinnahmen - um die geht es mir – in Höhe von 1,3 Milliarden € gehabt. Die sinken bis zum Jahr 2010 auf 1,1 Milliarden €. Wir haben im Jahr 2009 FAGZuweisungen - etwa in gleicher Höhe wie im Jahr 2008, da waren sie etwas niedriger - von 1,7 Milliarden €. Die sollen jetzt real auf 1,502 Milliarden € sinken, weil die 1,582 Milliarden € nicht der wahre Überweisungsbetrag sind, sondern die Kommunen Rückzahlungen für die Gelder aus dem Jahr 2009 realisieren sollen, und zwar in Höhe von 80 Millionen €.
Das bedeutet, sie haben nicht nur 200 Millionen € weniger an eigenen Steuereinnahmen, sondern bekommen auch noch 200 Millionen € weniger vom Land. Das heißt, die Kommunen haben in ihrem Finanzbereich einen Rückgang der Einnahmen um 15, 20 % innerhalb von zwei Jahren zu realisieren, und sie haben nicht die Chance - wie wir als Land -, diesen Rückgang über eine Neuverschuldung abzufedern.
Das bedeutet, wir verlangen von den Kommunen, dass sie ihre Ausgaben innerhalb von zwei Jahren um 15 bis 20 % reduzieren. Dabei haben sie dieselben Probleme wie wir: TVöD 100 % West sowie steigende Ausgaben im Bereich SGB II und im Bereich Jugendhilfe. Trotzdem verlangen wir von den Kommunen ein Minus von 15 bis 20 % innerhalb von zwei Jahren. Wenn wir das als Land machen würden, würde das bedeuten, dass wir diesen Haushaltsplanentwurf in jedem Jahr um etwa 1,2 Milliarden € reduzieren müssten. Das ist das, was wir den Kommunen abverlangen.
Was passiert jetzt? Jetzt passiert bei den Kommunen genau das, was wir auf Landesebene verhindern: Die werden jetzt die strukturellen Einbrüche realisieren müssen, die wir als Land nicht machen wollen.
Die werden jetzt von uns in diese krisenhafte Entwicklung gestoßen, weil sie es nicht über eine eigene Neuverschuldung ausgleichen dürfen - was wir als Land nicht machen.
Wir behalten die weiße Weste, und die Kommunen werden die Drecksarbeit machen. Das ist die Situation, vor der wir jetzt stehen.
Herr Ermrich hat mit aller Deutlichkeit gesagt: Wenn die Ausgaben nicht reduziert werden - die Ausgaben können in diesem Bereich nicht reduziert werden, ich habe nur drei Stellen genannt, an denen sie im kommunalen Bereich radikal steigen -, werden die Kassenkredite bei den Kommunen in den nächsten Jahren um etwa 200 Millionen € nach oben schnellen.
Ich finde es amüsant, wenn gesagt wird: Passt auf, Leute! Wir wissen, dass das so wird. Wir wissen, dass eure Kassenkredite im Jahr um 200 Millionen € steigen werden, aber wir geben euch jetzt schon ein Teilentschuldungsprogramm in Höhe von 60 Millionen € pro Jahr.
Na klasse, da werden die sich richtig freuen! Jetzt bauen sie pro Jahr 200 Millionen € auf, um dann 60 Millionen € für eine Teilentschuldung zu bekommen. Das funktioniert nicht. Das geht nicht, und deswegen sind wir dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das bedeutet, dass wir den Kommunen eine Finanzierung in Höhe von 1,7 Milliarden € als Stabilisierungsgrundlage für die nächsten beiden Haushaltsjahre geben müssen. Das wird nicht anders funktionieren. Dann haben die übrigens immer noch 6 bis 7 % des Haushaltsvolumens innerhalb von zwei Jahren zu reduzieren.
Dazu sage ich ganz klar und deutlich: Diese 200 Millionen € werden aus diesem Haushalt nicht herauszubekommen sein. Diese 200 Millionen € werden die Neuverschuldung des Landes erhöhen. Die Alternative lautet: Wir machen es nicht und lassen die Kommunen höhere Kassenkredite aufnehmen. Entweder die verschulden sich oder wir verschulden uns. - Das ist die Alternative und nicht die Frage, ob sich überhaupt jemand verschuldet.
Entweder die Kommunen oder das Land, und da sagen wir: Ehrlicher wäre es, die Neuverschuldung des Landes im Interesse der Kommunen und im Interesse der sozialen Sicherung und der Sicherung der Strukturen in Krisenzeiten um 200 Millionen € zu erhöhen. Das ist unsere Position.
Jetzt sage mir bitte niemand: 660 Millionen € bei der Nettoneuverschuldung ist ein Konsolidierungshaushalt und 880 Millionen € bzw. 860 Millionen € wären der Untergang. - Das kann man gern erzählen, glaubwürdig ist es beim besten Willen nicht.
Ich will noch auf den Drittmittelverzicht eingehen. Ja, wir werden in der jetzigen Situation die Frage stellen müssen: Was müssen wir machen, um die Neuverschuldung nicht ins Unendliche auszudehnen?
Wir unterstützen im Wesentlichen den Ansatz, die Abrufung von Drittmitteln kritisch zu hinterfragen, weisen jedoch auf einen Unterschied hin: Es gibt bei den Dritt
mitteln zwei große Geber, die EU und den Bund. Wir haben die Erfahrung gemacht - in den letzten Jahren übrigens auch die Landesregierung -, dass die EU-Mittel deutlich zu präferieren sind. Sie haben zwei Vorteile: Sie sind flexibler einsetzbar und mit einer niedrigeren Selbstbeteiligung ausgestattet, nämlich im Normalfall von 25 %. Da ist der Bund in seinen Vorgaben stringenter und „vormundschaftlicher“ gegenüber den Ländern, als es die Europäische Union ist.
Deswegen müssen wir überlegen, ob es gelingt, europäische Mittel einzusetzen, um Landesgelder zu substituieren. Es wird nicht funktionieren, die schon jetzt bestehende Bugwelle von 300 Millionen € nicht abgerufener EU-Mittel der letzten Jahre explosionsartig in das Jahr 2013 zu tun. Wir müssen überlegen, ob es nicht doch besser ist, EU-Mittel abzurufen und möglicherweise Landesaufgaben mit EU-Mitteln zu gestalten.
Nun weiß ich: Die operativen Programme sind alle bewilligt. Aber wenn es sein muss, gibt es eigenartigerweise gerade bei der Verwendung von EU-Mitteln riesige Spielräume. Ich sage ausdrücklich: Imagekampagnen wie „Frühaufsteher“ oder „Ökomenta“ haben in den nächsten beiden Jahren nichts bei uns zu suchen. Dafür ist das Geld - gerade das der EU - zu schade.
Die Reduzierung der GA ist sicherlich für den einen oder anderen ein schmerzhafter Prozess. Aber auch sie muss realisiert werden. Es gab in meiner Fraktion nach der letzten Landtagssitzung erheblichen Ärger ob einer Antwort der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage von uns, zum Beispiel, warum man in der Stadt Thale mit sage und schreibe 10 Millionen € GA-Mitteln ein Wellness-Bad fördert, obwohl es in unmittelbarer Nähe drei Konkurrenzstandorte gibt, und die Stadt Thale sich dabei verpflichten muss, dafür jedes Jahr eine halbe Million Euro Betriebskosten zu zahlen. So etwas hat hier in Zukunft nichts zu suchen. Das ist Verschwendung öffentlichen Geldes, und dagegen werden wir uns wehren. Offensichtlich gibt es da Spielräume einzusparen.
Nächster Punkt: Not macht erfinderisch, und da kommt man auf neue Abgaben. Ich sage mit aller Deutlichkeit: Ja, auch das wird in absehbarer Zeit nicht anders funktionieren.