Protokoll der Sitzung vom 09.10.2009

d) Bestätigung der Benennung des Vertreters des Landes Sachsen-Anhalt als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR) der Europäischen Union

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/2204

e) Bestätigung der Benennung des Vertreters des Landes Sachsen-Anhalt als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR) der Europäischen Union

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2206

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat auf folgendes Verfahren verständigt: Erstens. Die Fraktion die LINKE bringt ihren Antrag in der Drs. 5/2192 ein. Zweitens. Danach bringt die Landesregierung ihren Antrag in der Drs. 5/2162 ein. Drittens. Im Anschluss daran erfolgt die Fünfminutendebatte, in deren Verlauf die übrigen Anträge zur Benennung eines stellvertretenden Mitgliedes im AdR von den antragstellenden Fraktionen zu begründen sind. Viertens. Im Anschluss an die Debatte wird über die einzelnen Anträge abgestimmt.

Ich bitte nun Herrn Czeke von der Fraktion DIE LINKE, als Einbringer das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die LINKE hält nichts von Krieg. Die LINKE hält ebenso wenig von Stellvertreterinnen-Kriegen. Dass jedoch ein EU-Gremium wie der Ausschuss der Regionen so hart umkämpft ist, finden wir schon in Ordnung; denn genau um die Zusammensetzung des Ausschusses der Regionen geht es uns in unseren Anträgen.

Der Ausschuss der Regionen, kurz AdR, ist die einzige Institution auf europäischer Ebene, die die Interessen der regionalen und lokalen Ebenen vertritt. In ihm sitzen 344 Vollmitglieder und ebenso viele Stellvertreterinnen. Entsprechend den Unterschieden beim innerstaatlichen Aufbau der Mitgliedstaaten ist die Zusammensetzung sehr inhomogen. Viele kommen aus den Kommunen,

sind Bürgermeisterinnen, zum Beispiel in Schweden, Portugal oder Estland.

Es ist hauptsächlich eine deutsche Besonderheit, dass die regionalen Interessenvertreter dominieren. Zumeist sitzen Ministerpräsidenten, Minister oder Staatssekretäre der Länder in diesem Gremium. Die lokale und auch die parlamentarische Ebene ist in der bundesdeutschen Delegation des AdR dagegen sehr schwach vertreten.

Von den insgesamt 24 Mitgliedern der bundesdeutschen Delegation werden 21 von den Ländern bestimmt. Die kommunalen Spitzenverbände haben lediglich drei Mitglieder. Daraus ergibt sich eine sehr ungleiche Kräfteverteilung in Sachen EU-Politik; denn die Landesregierungen können sich europapolitisch zusätzlich über den Ministerrat und den Bundesrat Gehör verschaffen.

Diese Ebenen sind für die Landtage und erst recht für die Kommunen passé. Ihnen bleibt hauptsächlich der AdR als Interessenvertretung, jedoch, wie gesagt, mit marginaler Repräsentanz.

Deshalb haben die Landtagspräsidenten und -präsidentinnen bereits im Jahr 2004 gefordert, im AdR eine parlamentarische Vertretung durchzusetzen. Doch diese blieb im AdR sehr schwach und ist erst in den vergangenen Jahren ein wenig gestiegen. Es fehlt also die vom AdR selbst festgeschriebene Balance im politischen und geografischen Sinne.

Die deutsche Delegation des AdR wird nach 15 Jahren nach wie vor von Repräsentanten der Exekutive dominiert. Lediglich das Land Schleswig-Holstein hat zwei Vertreter der Legislative in den AdR entsandt. Ansonsten bleibt den Landesparlamenten zumeist nur der Stellvertreterposten wie in Sachsen-Anhalt. Das war ja einmal anders. Erst in der Legislaturperiode 2002 bis 2006 gab es eine Rotation. Diese fällt jetzt den Machern selbst auf die Füße.

Übrigens muss auch die Einbeziehung des Landtagsausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten in Sachen AdR seitens der Landesregierung als rudimentär bezeichnet werden. Aber darauf kommen wir heute noch unter dem Tagesordnungspunkt 18 - Integrationsverantwortung der Landtage gerecht werden - zu sprechen.

Noch dürftiger sieht es für die Kommunen im AdR aus. Vor allem sind keine ostdeutschen Kommunen präsent und das, obwohl die EU gerade die neuen Bundesländer, was die demografische Entwicklung angeht, als Krisengebiet ansieht. Die drei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände - es sind zwei Bürgermeister und ein Landrat - kommen aus Süddeutschland. Auch deshalb haben wir unseren Benennungsvorschlag unterbreitet; aber dazu später.

Für die Gemeinden und die kommunalen Spitzenverbände sieht die Sache also trist aus. Der einzige unmittelbare Kontakt zwischen den Gemeinden und dem AdR wird somit durch ihre Repräsentanten im Ausschuss vermittelt, die jedoch in Deutschland über die kommunalen Verbände benannt werden und die gegenüber den Ländervertretern deutlich in der Minderheit sind.

Während die Landesregierungen die Kommunen im Bundesrat und bei den Ministerkonferenzen gleich mit vertreten, haben die Kommunen nicht einmal Gaststatus in diesen Gremien, um Einfluss nehmen zu können. Sie setzen zwar die EU-Richtlinien um und werden dabei auch noch von der Landesregierung allein gelassen wie bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie - ich möchte an un

sere Anhörung dazu erinnern -, aber Einfluss auf oder frühzeitige Kenntnis von Richtlinien, zum Beispiel der Feinstaubrichtlinie oder der Lärmschutzrichtlinie, um nur zwei Beispiele zu nennen, haben sie kaum.

Dass die Kommunen als Praktiker vor Ort und Umsetzer von EU-Recht keine starke Stimme haben, wiegt umso schwerer, da ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht durch das EU-Recht stark eingeschränkt wird. Ihre sozialen und wirtschaftlichen Gestaltungsspielräume sind durch europäische Beihilfevorschriften und europäisches Wettbewerbsrecht stark eingeengt.

Obwohl wir bei allen Debatten hier im Haus von allen Rednerinnen und Rednern immer wieder hören, dass die Menschen mitgenommen werden sollen, wenn es um die EU geht, ist das hier nicht der Fall.

Die sozialen und wirtschaftlichen Gestaltungsspielräume der Kommunen sind durch europäische Beihilfevorschriften und europäisches Wettbewerbsrecht stark eingeengt. So besteht beispielsweise eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der Sanierung von kommunalen Freibädern und Inhausvergaben. Quersubventionierungen sind wettbewerbsrechtlich verboten und es liegt ein Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck auf kommunalem Eigentum.

Sehr treffend hat das Martin Schulz, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament, bei der Wiederwahl von Kommissionspräsidenten Barroso gesagt:

„Diese EU-Kommission gibt keine Ruhe, bis der letzte kommunale Friedhof privatisiert ist.“

Nachzulesen ist das in der „FAZ“ vom 16. September 2009. Kollegen Schulz führe ich sehr gerne für solche markigen Sätze an.

(Herr Scharf, CDU: Das ist aber quatsch! Wer will denn bei uns einen Friedhof privatisieren?)

Die Kommunen erfüllen eine wichtige Doppelfunktion. Zum einen erbringen sie für alle Menschen wichtige Leistungen der Daseinsvorsorge wie Abwasserent- und Wasserversorgung, Stromversorgung sowie ÖPNV oder freiwillige Leistungen im kulturellen Bereich. Zum anderen haben sie eine demokratische Funktion, indem vor Ort auf der untersten Ebene Bürgerinnen und Bürger direkt und indirekt entscheiden, wie das Leben in der Kommune aussehen soll. Die Sonderstellung der Kommunen in Deutschland spiegelt sich in ihrem im Grundgesetz in Artikel 28 gesicherten Selbstverwaltungsrecht wider.

Die Verwirklichung des EU-Binnenmarktes zielt auf einen freien Wettbewerb und Handel mit Dienstleistungen - ursprünglich war das nur im privaten Finanz- und Versicherungsbereich vorgesehen -, wovon besonders die öffentlichen Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge der Kommunen betroffen sind.

Als ein weiteres Problem kommt der durch den EU-Stabilitätspakt erzwungene finanzielle Druck auf die öffentlichen Haushalte und Ausgaben in diesen Bereichen hinzu. Europapolitik ist also Innenpolitik. EU-Gesetze wie die Transparenzrichtlinien, die Vergabeverordnung sowie das Subventionen verbietende Wettbewerbsrecht benachteiligen unserer Meinung nach die öffentliche Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge.

Um die Kommunen handlungsfähig zu halten und um ihrer grundgesetzlich festgeschriebenen Selbstverwaltung

gerecht zu werden, müssen Quersubventionierungen weiter erlaubt sein. Um die Finanzierungsbasis der Kommunen für die Erbringung der Leistungen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten und um den Druck, öffentliche Einrichtungen auszugliedern oder zu verkaufen, zu verringern, muss ein europäisches Gesetz festschreiben, dass Gewerbe- und Kapitalertragsteuern dort gezahlt werden, wo Unternehmen Umsatz machen. Zu diesem Zweck sind auch EU-Fördergelder der Strukturfonds auf den Erhalt der KMU zu konzentrieren.

Der Zugang und die Informationen zu EU-Fördermitteln für Kommunen und kleine Unternehmen muss erleichtert werden. Die Förderziele müssen stärker an den Interessen und Problemen der Kommunen ausgerichtet werden. Doch wo sollen die Kommunen ihre Position artikulieren oder gar durchsetzen? - Die Zeitschrift „Die öffentliche Verwaltung“ - ich darf wirklich sagen: das ist kein linkes Blatt -

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

schreibt in ihrem Heft Nr. 19 - ich zitiere -:

„Es ist ein Einwirkungspotenzial des Gemeinschaftsrechts auf die kommunale Ebene in unterschiedlicher Intensität festzustellen,... welches zukünftig zunehmen wird. Dem steht derzeit nur ein geringer Schutzgehalt für die Kommunen sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch nationaler Ebene entgegen, sodass ein Ausbau der Schutzmöglichkeiten zugunsten der lokalen Gebietskörperschaften notwendig erscheint.“

Der AdR ist die einzige institutionalisierte Interessenvertretung der Kommunen, wenngleich der Ausschuss der Regionen im EU-Institutionengefüge nur sehr schwach ist. Er ist ein beratendes Organ, dessen Stellungnahmen leider nicht bindend sind. Sein Konsensverfahren verwässert oft die Pluralität seiner Vertreterinnen und Vertreter. Dennoch eröffnet der Ausschuss der Regionen die Möglichkeit, kommunale Belange in den europäischen Integrationsprozess einzuspeisen. - Das ist sehr notwendig, wie wir meinen.

Alle Bundesländer können in Rotation mit einer AdRMandatsperiode auch einmal zwei Vollmitglieder und zwei Stellvertreter entsenden. Allerdings ist SachsenAnhalt hiermit leider noch nicht an der Reihe. Sonst wäre es für uns der Idealfall, eine Vertreterin der Kommunen und eine Vertreterin des Landesparlamentes zu entsenden.

Wir möchten der kommunalen Vertreterin den Vortritt lassen und möchten heute um Zustimmung zu der Benennung von Petra Hort, gewählter Bürgermeisterin der Stadt Wanzleben, bitten. In der Kommune engagiert sie sich bei der Volkssolidarität und im DRK. Außerdem ist sie Kreistagsabgeordnete. - Vielen Dank, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Bevor ich Herrn Staatsminister Robra das Wort erteile, haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Fachschule für Agrarwirtschaft aus Haldensleben auf der Südtribüne zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun Herr Staatsminister Robra, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Antrag kurz begründen, die Entscheidung der Landesregierung zu bestätigen, Staatssekretär Herrn Dr. Schneider in den Ausschuss der Regionen zu delegieren. Wir machen das zum wiederholten Mal. Herr Dr. Schneider ist inzwischen seit acht Jahren Mitglied des Ausschusses der Regionen. Er arbeitet dort außergewöhnlich erfolgreich. Ich glaube, in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich ihm auch einmal von diesem Pult aus und bei dieser Gelegenheit dafür danke,

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Miester- feldt, SPD, und von Herrn Kosmehl, FDP)

dass er Sachsen-Anhalt in den vergangenen acht Jahren vorzüglich repräsentiert hat. Er ist mittlerweile der Vizepräsident des Ausschusses der Regionen, Mitglied des Präsidiums und - das ist für uns das Wichtigste - Präsident des COTER-Ausschusses. Das ist jener Ausschuss, in dem die Strukturfondsdimensionen auf der europäischen Ebene besprochen werden und in dem es zurzeit - ganz aktuell - darum geht, wie die europäische Strukturfondsförderung nach dem Jahr 2013 fortgesetzt wird.

Das ist kein leichtes Geschäft. Ich setze großes Vertrauen und auch große Erwartungen in Herrn Dr. Schneider, dass er unsere sehr speziellen Interessen als ein Land im Übergang auch in diesem Ausschuss so vertritt, dass wir im Ausschuss der Regionen letztlich unterstützt werden. Das erleichtert wiederum die innerstaatliche Entscheidungsfindung und letztlich auch die Argumentation gegenüber dem Europäischen Parlament.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Scheurell, CDU)

Weil dies so ist, hat die Landesregierung entschieden, Herrn Dr. Schneider abermals in den Ausschuss der Regionen zu delegieren. Und weil wir eine parlamentarische Anbindung wollen und benötigen, legen wir abermals Wert darauf, dass dies auch durch das Parlament bestätigt wird.

Es ist richtig, Herr Czeke, dass die Länder 21 Sitze im Ausschuss der Regionen haben. Die kommunale Ebene hat drei Sitze. Wir werden - das wurde bereits angesprochen - im Jahr 2015 zwei dieser 21 Sitze besetzen und demzufolge auch zwei Stellvertreter im Ausschuss der Regionen stellen können. Zurzeit stellen wir ein Mitglied und einen Stellvertreter. Es hat sich bewährt, den Vertreter durch die Exekutive, aber doch angebunden an das Parlament, zu benennen und die Benennung der Stellvertreter dem Parlament zu überlassen.

Ich will bei dieser Gelegenheit auch gern Herrn Kosmehl dafür danken, dass er als Vertreter von Herrn Dr. Schneider die Belange Sachsen-Anhalts im Ausschuss der Regionen engagiert und erfolgreich vertreten hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)