Protokoll der Sitzung vom 12.11.2009

Der vorliegende Gesetzentwurf lenkt den Blick besonders auf ein Zusammenwirken im Bereich des Kinderschutzes. Die Bildung von kommunalen Netzwerken schließt ein Zusammengehen verschiedener Bereiche ein. Das bedeutet, dass Eltern bei der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder nicht allein gelassen werden und dass ihnen mehrere Hilfen zu Verfügung stehen. An den Stellen, an denen Kinder erkennbar nicht optimal versorgt werden oder gar Gefahr für ein gesundes Aufwachsen droht, sollen sich alle, die im Umfeld der Kinder leben, verantwortlich fühlen, diese Kinder zu beschützen.

Der Blick soll sich auch auf einen Mentalitätswechsel hin verändern. Wegschauen, oft aus Unsicherheit und aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus, darf nicht mehr sein. Denn ein Wegsehen kann für einzelne Kinder zur Gefahr für Seele, Leib und Leben werden. Es gilt, sich wieder stärker umeinander zu kümmern, füreinander da zu sein und Hilfe anzubieten.

Frühe Hilfen für Familien wirken präventiv, sind prozessorientiert und können passgenau wirken. Wir brauchen dabei auch die Jugendämter in den Landkreisen und in den kreisfreien Städten, die allgemeinen sozialen Dienste, die schon jetzt ein Auge auf Familien mit Belastungen und Problemen haben und passgenaue Hilfen anbieten.

Darüber hinaus ist aber eine Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Einrichtungen notwendig. Ein Austausch von Informationen und eine Rückkopplung über die Wirksamkeit von Hilfen und Maßnahmen sind unerlässlich. Ein abgestimmtes Handeln, verbindliche Absprachen und die Begleitung des Einhaltens dieser sind Voraussetzung.

Frau Ministerin hat bereits angeführt, dass gerade die Praktiker vor Ort dieses Zusammenwirken wollen. Sie sagen, es gebe zwar viele Hilfen in einem Landkreis, aber sie wüssten manchmal nicht voneinander und daher wäre ein Netzwerk hilfreich.

Damit dieses Netzwerk effektiv arbeiten kann, bekommen die Kommunen, die eine Koordinierungsfunktion übernehmen sollen, finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes.

Der vorliegende Gesetzentwurf unterstützt und ergänzt auf sinnvolle Weise die laufenden Projekte zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern, führt alle, die mit

Kindern zu tun haben, in einem Netzwerk zusammen und gibt einen verlässlichen Rahmen für ein abgestimmtes gemeinsames Handeln im Sinne des vorrangigen Schutzes für die Kinder.

Ich bitte daher um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Frau Grimm-Benne. - Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens. Doch zuvor können wir Damen und Herren des Instituts für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege Magdeburg bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Frau Dr. Hüskens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die inhaltliche Bewertung der FDP-Fraktion zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf ist relativ kurz zusammenzufassen.

Wir haben schon anlässlich der Einbringung gesagt, dass der Netzwerkgedanke ein richtiger Gedanke ist. Die jugendpolitischen Sprecher waren auch in Dormagen, um sich dort noch einmal von dem Dormagener Modell zu überzeugen. Dies wird jetzt leider nicht komplett umgesetzt, aber zumindest ein Baustein wird übernommen und wird in Sachsen-Anhalt per Gesetz normiert. Wir halten das für den richtigen Weg. Der Rest des Gesetzes nützt nichts und schadet nichts.

Ich kann nicht die wertvollen Erkenntnisse teilen, die Frau Grimm-Benne oder Frau Dr. Kuppe vorzutragen versucht haben. Aber ich denke, dass das, was heute verabschiedet wird, in Relation zu dem ursprünglichen Gesetzentwurf doch schon eine deutliche Verbesserung darstellt.

Wir haben damals die erheblichen und massiven verfassungsrechtlichen Bedenken des Ausschusses für Recht und Verfassung und des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes geteilt und sind froh, dass die Regierungsfraktionen hierzu inzwischen zu einer völlig anderen Lesart, zu einer anderen Überzeugung gekommen sind. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist.

Damit könnte ich es fast bewenden lassen, wenn mich nicht Herr Kurze mit seiner etwas flapsigen Berichterstattung motiviert hätte, zum Thema Verfahren noch zwei, drei Sätze zu sagen.

Auch wenn es sicherlich gut gewollt ist und auch wenn es das Hauptziel war, bevor die Haushaltsberatungen zum Einzelplan des Sozialministeriums den Finanzausschuss erreichen, für entsprechende Regelungen zu sorgen, ist es schon ein wenig seltsam, dass Sie jetzt nicht entsprechend der dezidierten Ansage des Ausschusses für Recht und Verfassung handeln. Dieser hat dem Sozialausschuss nur einen Teil weitergegeben mit dem Hinweis, der Rest solle noch einmal beraten werden.

Ich denke, bei diesem Gesetz wird es nicht unbedingt zu Klagen kommen, denn ich sehe im Augenblick keine groß Betroffenen. Da kann man ein solches Risiko vielleicht einmal salopp eingehen. Ich glaube, das haben

Sie so bewertet. Zumindest habe ich Herrn Kurze mit „Bürokratieabbau“ als Stichwort so verstanden.

Wir sollten uns das aber nicht zur Gewohnheit machen, denn wir haben die Interessen von drei mitberatenden Ausschüssen bei dieser Gelegenheit ignoriert. Einfach zu sagen, der Sozialausschuss wisse es besser, reicht nicht. Ich muss darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren einige Gesetze beschlossen worden sind, zu denen das Verfassungsgericht unseres Bundeslandes anderer Auffassung war als der Sozialausschuss in seiner Mehrheit. Deshalb: Das ist jetzt so passiert, aber es ist nicht richtig.

Ich finde es auch ärgerlich, dass im Sozialausschuss die Darstellung des Verfahrens eine andere war, als sie sich ergibt, wenn man hinterher einmal die Protokolle liest. Aufgrund der Kurzfristigkeit werden die meisten von uns das nicht zur Sitzung gekonnt haben. - Wir sind montags informiert worden, dass man eine endgültige Beschlussempfehlung machen möchte, am Dienstag sitzen wir alle in den Fraktionen und am Mittwoch ist die Sitzung des Sozialausschusses gewesen. - Ich habe das aber einmal nachgeholt und ich meine, der Ausschuss für Recht und Verfassung hatte schon sehr deutlich gesagt, was er möchte. Das ist so nicht berücksichtigt worden.

Wie die Mehrheit miteinander umgeht - zwischen den Fachkollegen -, ist interessant. Ich hoffe, dass Sie dieses Verfahren während des Restes der Legislaturperiode nicht für weitere Gesetze, die in der Öffentlichkeit weniger kritisch gesehen werden, durchführen.

Die FDP-Fraktion wird sich nicht aus diesem Grund, sondern aus inhaltlichen Überlegungen bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Denn es gibt einen positiven Ansatz „Netzwerke“, es gibt einen besseren Ansatz als bei der Einbringung, aber wir sind insgesamt der Auffassung, dass dieses Gesetz deutlich zu kurz springt. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Frau Dr. Hüskens. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kurze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielleicht vorweg eine kleine Bemerkung: Wer flapsig einwirft, muss auch flapsig zurücknehmen können. Dass die Opposition danach lechzt, sich tagtäglich in die Debatte einzubringen, und dann natürlich etwas säuerlich vorträgt, wenn sie meint, eine Chance der Einbringung verpasst zu haben, das ist so, wie es ist.

Aber ich kann keinesfalls im Raum stehen lassen, dass die Berichterstattung aus dem Ausschuss hier flapsig vorgetragen worden sei, Frau Dr. Hüskens. Wir haben die inhaltliche Beratung kurz und knapp wiedergegeben, so wie sie letztlich auch bei anderen Gesetzentwürfen dargelegt wurde, wenn die Beratungen erfolgt sind. - Die flapsige Bemerkung am Rand war, wie gesagt, eine Erwiderung auf die flapsige Bemerkung Ihrerseits.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu fragen ist natürlich das gute Recht der Opposition und das wollen wir Ihnen nicht beschneiden. Lieber Herr Kosmehl, ich freue mich immer, wenn Sie an das Mikrofon gehen und die eine oder andere interessante Frage stellen. - Vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Kinder sollten wie das Gold unseres Landes behandelt werden,

(Zurufe von der LINKEN)

da sie unser Zukunftsschatz sind. Leider ist es oftmals nicht so. Wie ernst wir das Thema Kinderschutz nehmen, merken wir gerade an der momentanen Unruhe. Ich freue mich, dass das Plenum mittlerweile voll ist, vor ein paar Minuten sah es nicht so aus. Ich denke, angesichts der Ernsthaftigkeit dieses Problems, dessen wir uns angenommen haben, ist die Aufmerksamkeit selbstverständlich auch gefordert.

Kindesvernachlässigung, Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch und sogar Kindstötung sind Realität und werden oft in unserer Gesellschaft als Kavaliersdelikte gesehen. Um mit den Worten von Oberstaatsanwalt Vogt zu sprechen: Manchmal hat man auch als Erwachsener das Gefühl, dass die strafrechtliche Ahndung, da es „nur“ um Kinder geht, ähnlich betrachtet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Stichwort Tierschutz hatte ich schon einmal in einer anderen Debatte erwähnt. Wenn wir uns derart um unsere Kinder kümmern würden, wie wir manchmal den Tierschutz ausleben, dann wären wir in dieser Debatte schon ein Stück weiter.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen dagegen etwas tun, ob in Form einer gesellschaftlichen Debatte über Rechte unserer Kinder und Pflichten ihrer Eltern oder in Form von Hilfs- und Beratungsangeboten für betroffene Familien, ob über eine Debatte über christlich-abendländische Werte oder den Stellenwert von intakten Familien und mehr Elternbildung für überforderte Eltern oder die Verabschiedung eines Kinderschutzgesetzes als eine Möglichkeit der Hilfe seitens des Staates.

Die kritischen Stimmen der Opposition zu dem heute zu beschließenden Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Kindern überraschen nicht. Sie waren bereits im Ausschuss für Soziales hier und da erkennbar. Ich teile diese Bedenken ausdrücklich nicht.

Niemand hat während der Beratung zu diesem Gesetz behauptet, dass nur durch die verpflichtende Einführung der Wahrnehmung der U-Untersuchungen der Schutz des Kindes nachhaltig erhöht werden könnte. Es sollte lediglich ein weiterer Baustein sein und sollte auch ein Versuch sein, den wir als Gesetzgeber anbieten wollten. Die Feststellung einer Kindswohlgefährdung in einer solchen Untersuchung ist oftmals ein Zufallstreffer. Ziel dieser Untersuchung ist primär die Feststellung des Entwicklungsstandes des Kindes. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder Zufallstreffer, den man auf diese Art hätte landen können, würde das eine oder andere Kind von manchem Leiden befreien.

Insofern stellt der Verzicht auf diese Regelung, die, wie wir wissen, aus verfassungsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen gestrichen wurde, keine grundsätzliche Schwächung dieses Gesetzes dar. Aber aus der Sicht des einen oder anderen Fachkollegen ist es schon bedauerlich. Daher soll am Rande auch angemerkt sein, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht in allen Bundesländern, die vergleichbare Gesetze haben, so gesehen werden.

Überrascht hat mich allerdings die Kritik an unserem Vorstoß, den Aufbau lokaler Netzwerke zum Kindesschutz,

den wir auch finanziell untersetzen, verbindlich einzuführen. Mittlerweile wird in dieser Frage zurückgerudert und darüber freuen wir uns. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass gerade die engere Zusammenarbeit von Ärzten, Beratungsstellen und Behörden unter der Leitung des Jugendamtes das Instrument sein könnte, den Schutz des Kindeswohls in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu verbessern.

Erfreulicherweise wissen wir in der Koalition, dass diese Einschätzung auch von vielen Praktikern vor Ort so getragen bzw. so gesehen wird und dass sie dieses auch begrüßen.

Wir sehen in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf daher eine qualitative Verbesserung und sind der Meinung, dass es sich gelohnt hat, so lange daran zu arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb bitte ich Sie in diesem Hohen Hause um Zustimmung dazu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Kurze. Es gibt noch eine Nachfrage. - Nein, es gibt doch keine Nachfrage. Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau von Angern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Erlauben Sie mir zu Beginn meiner Rede einen kurzen Vergleich des in der ersten Lesung beratenen Gesetzentwurfes mit dem Gesetzentwurf in der Fassung der nunmehr vorliegenden Beschlussempfehlung.

Hinsichtlich der Aufgaben und Ziele des Gesetzes sind beide Entwürfe identisch. Es geht um den Schutz des Kindes, um den Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit, den Schutz seines Lebens, um die Pflicht der Eltern, dies tatsächlich zu gewährleisten, aber auch um die Pflicht der Gesellschaft, dies zu überwachen und zu begleiten. Das sind sehr gute Ziele. Ich denke, sie werden auch schon durch das Grundgesetz gedeckt. Ich denke aber, eine Wiederholung an dieser Stelle schadet nicht.

Die Umsetzung stellte sich nach dem ersten Gesetzentwurf - etwas zugespitzt aufgezeigt - folgendermaßen dar: Es sollten massive Eingriffe in Grundrechte der Familien vorgenommen werden. Die Familien standen unter Generalverdacht. Zudem waren in dem Gesetzentwurf lokale Netzwerke ohne finanzielle Untersetzung vorgesehen.

Ich teile deshalb die Auffassung von Frau Dr. Hüskens, dass es gut und richtig war, dass der Ausschuss für Recht und Verfassung den ersten Gesetzentwurf gestoppt hat.

(Zuruf von der LINKEN: Ja!)