Leider hat sich die Erwartungshaltung, dass wir einen Schritt vorangekommen sein würden, nicht erfüllt, was daran lag, dass die Landesregierung zeitgleich verkündet hat, dass in diesem Bereich gespart werden solle. Jeder von uns kennt das: Sagen Sie einem Zuwendungsempfänger, dass Einsparungen vorgesehen seien, dann können Sie von diesem Moment an nicht mehr über die qualitative Weiterentwicklung seiner Leistung reden. Dann interessiert ihn schlicht und ergreifend die Frage der puren Existenz.
Damit hat sich der Schwerpunkt der Diskussion, die wir anberaumt hatten, leider völlig verschoben. An dem Tag ist dann nur noch darüber geredet worden, wie man denn sicherstellen kann, dass die Leistungen überhaupt noch wahrgenommen werden können.
Inzwischen ist das Thema geklärt. Der Landtag hat sich ja relativ deutlich positioniert, und ich bin sicher, dass im Zuge der Haushaltsberatungen die Beratungslandschaft halbwegs wieder mit dem Umfang an Finanzmitteln ausgestattet wird, wie das ursprünglich vorgesehen war.
Für die Verbände ist das sicherlich ein Anlass zur Freude; sie können durchatmen. Aber es ist kein Anlass, sich zurückzulehnen, denn dann stehen wir im Jahr 2011 bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts oder bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2012/2013 wieder hier und diskutieren erneut über die Angemessenheit der Finanzierung.
Wir sind sehr praktisch daran gegangen und haben überlegt, wie lange denn das Parlament nach den Erfahrungen, die wir bei den letzten Legislaturperiodenwechseln gemacht haben, Themen diskutieren oder Entscheidungen treffen kann, die eine längerfristige Auswirkung haben sollen. Wenn man einmal davon ausgeht, dass wir Anfang des Jahres 2011 wählen werden und dass die Aufstellung der Listen wahrscheinlich im November nächsten Jahres erfolgen wird, dann brauchen wir uns, glaube ich, nicht viel vorzumachen: Der Zeitraum, in dem wir uns verständigen müssen, rückt doch relativ schnell nahe.
Deshalb haben wir gesagt, bis zum zweiten Quartal nächsten Jahres sollte uns das Sozialministerium ein Konzept vorlegen, das mit den entsprechenden Trägern und Wohlfahrtsverbänden dahin gehend abgestimmt ist, wie wir denn in den zukünftigen Jahren weiter vorgehen wollen.
Natürlich müssen wir zunächst einmal wissen, wie die Beratungslandschaft aussehen soll, was das Land davon finanzieren soll, was die Kommunen davon finanzieren sollen und wie die entsprechenden Träger mit den Leistungen umgehen sollen. Wir sind uns dabei durchaus einig, dass das nicht einfach ist. Es ist schwer festzustellen, wie sich die Beratungslandschaft in den verschiedenen Bereichen entwickelt. Wir haben schon einmal unterschiedliche Zuständigkeiten in den Bereichen, wir haben Dinge, die per Gesetz ganz klar geregelt sind,
bei denen das Land in der Pflicht steht. Wir haben andere Punkte, bei denen das die Kommunen sind. Das zusammenzufassen, ist schon relativ schwierig.
Wir haben natürlich das Problem, für die Zukunft festzustellen, wie sich die Bedarfe in den verschiedenen Bereichen entwickeln werden. Wenn man zum Beispiel das Thema Schwangerschaftskonfliktberatung nimmt: Wie viele brauche ich? Kann ich einfach hingehen und sagen, wenn die Zahl der Einwohner sinkt, dann brauche ich weniger Beratungsleistungen?
Das ist leider so einfach nicht zu machen. Ich kann eine Zahl hinzunehmen, um das zu zeigen. Bundesweit ist jede fünfte Frau bei der Mutter-Kind-Stiftung antragsberechtigt, in Sachsen-Anhalt jede zweite. Damit haben wir sofort ein soziales Kriterium, das man meiner Ansicht nach mit berücksichtigen muss, um zu sehen, welches Potenzial wir denn im Auge haben müssen.
Oder kann man die durchaus erfreuliche Meldung, die ich letztlich in der „Volksstimme“ gelesen habe, dass die Zahl der überschuldeten Privatpersonen in Sachsen-Anhalt deutlich stärker gesunken ist als etwa im Bundesdurchschnitt, gleich zum Anlass nehmen, um zu sagen: Super, dann können wir in diesem Beratungssegment einsparen? Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass das so einfach nicht machbar ist.
Wir akzeptieren deshalb durchaus, dass wir eine gewisse Zeit brauchen, um ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Wir haben jetzt einmal von einem Vorlauf von etwa acht Monaten gesprochen.
Ich hätte auch kein Problem damit zu sagen: Die Zeit bis zum dritten Quartal, also zehn oder elf Monate, ist sicherlich ausreichend, um sich auch nach dem Vorlauf, den wir alle miteinander hatten, seitens der Exekutive klar darüber zu werden, was man denn selber möchte. Will man zum Beispiel auch mobile Beratungen möglich machen? Will man verschiedene Träger dazu anhalten, Beratungsleistungen aus einer Hand anzubieten, etwa in einem Gebäude? Oder wie kann man sich sonst die zukünftigen Strukturen vorstellen? - Das muss man natürlich mit den betroffenen Trägern entsprechend diskutieren und dann dem Ausschuss vortragen. Auf dieser Basis können wir uns dann darüber verständigen, welche finanzielle Ausstattung die angemessene ist.
Nun haben wir heute Morgen - der Präsident hat das schon gesagt - noch einen Änderungsantrag der LINKEN bekommen. Wir hatten ja gestern schon einen Änderungsantrag der CDU und der SPD. Diese gehen auf den ersten Blick in die gleiche Richtung.
Ich möchte mit Blick auf den Antrag der CDU und der SPD allerdings auf einen Punkt hinweisen. Das, was Sie beantragt haben, beinhaltet, dass wir die Vorlage eines Konzeptes auf das dritte Quartal verschieben. Damit hätte ich kein Problem. Aber Sie wollen auch, dass uns das Ministerium lediglich Grundlagen dazu vorträgt.
Ich war eigentlich der Meinung, dass wir Grundlagen, zumindest zahlenmäßige Daten, bereits im Rahmen des Fachgesprächs mit den Verbänden und Vereinen seitens des Ministeriums vorgetragen bekommen haben. Das muss aus meiner Sicht eigentlich vorliegen, sodass wir heute einen zweiten Schritt beschließen könnten, nämlich dass auf der Grundlage dieser Daten ein Konzept zu erarbeiten ist, zu dem wir uns verständigen wol
len. Uns einfach nur zu sagen, es gibt vielleicht veränderte Beratungsbedarfe und es gibt eine entsprechende Landschaft, also lediglich eine Ist-Erhebung zu machen, das greift meiner Meinung nach zu kurz.
Mit dem Antrag der LINKEN können wir leben. Er ergänzt letztlich das, was wir vorgeschlagen haben, und sagt, wir sollten auch darüber reden, ob man die Angebote zukünftig aus einer Hand machen kann. Darüber müssen wir sicherlich diskutieren. Aber es ist meiner Meinung nach kein Problem, wenn seitens des Landes entsprechende Vorschläge hierzu unterbreitet werden. Darüber, ob wir all diesen Vorschlägen im Einzelfall auch wirklich folgen können, bin ich mir nicht sicher. Ich habe gerade dargestellt, dass wir im Augenblick sehr unterschiedliche Rechtszuständigkeiten haben. Daher muss man sehen, ob das alles zueinander passt. Aber diese Aspekte zusätzlich aufzunehmen wäre aus unserer Sicht kein Problem.
Deshalb hoffe ich, dass wir uns heute - wenn das nicht geht, ist das auch in einer Beratung des Ausschusses für Soziales möglich - darauf einigen können, dass wir zumindest bis zum dritten Quartal 2010 ein Konzept bekommen, mit dem uns das Land vorträgt, wie seine eigenen Vorstellungen sind, und nicht nur Zahlen und Datenmaterialien vorträgt, auf deren Basis wir uns dann erst wieder entscheiden müssten, sodass wir - ich hatte auf die zeitliche Abfolge hingewiesen - dann doch Gefahr laufen, eine erneute Debatte zum Thema Finanzierung der Beratungslandschaft zu eröffnen.
Ich glaube - das habe ich auch den Diskussionen der letzten Tage und Wochen entnommen -, dass wir uns das nicht zumuten wollen, sondern dass wir der Beratungslandschaft zukünftig mittelfristig sichere und planbare Finanzierungsgrundlagen geben wollen. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Bevor wir die Beiträge der Fraktionen hören, hat Ministerin Frau Dr. Kuppe um das Wort gebeten. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten! Wir alle wissen, dass es zur Begleitung und zur Unterstützung von Menschen in persönlichen, in familiären und in sozialen Problemlagen ebenso wie im Bereich der gesundheitlichen Prävention und des Verbraucherschutzes, aber auch in anderen Lebensbereichen eines Netzes an qualifizierten Beratungsstellen bedarf.
Wir alle wissen auch zu schätzen, dass die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und andere Träger mit finanzieller Förderung des Landes und anderer öffentlicher Stellen ein solches Netz in unserem Land vorhalten. Ich will mich an dieser Stelle bei allen Frauen und Männern, die dieses Beratungsangebot in unserem Land durch ihre berufliche und durch ihre ehrenamtliche Arbeit möglich machen, ausdrücklich bedanken.
Gleichwohl, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird auch die Zukunft der Beratungsangebote wesentlich
Erstens. Das Land Sachsen-Anhalt hat seit 1990 ziemlich genau eine halbe Million Einwohnerinnen und Einwohner verloren. Ende 2008 lebten nur noch 2,38 Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt. Nach der vierten regionalisierten Bevölkerungsprognose wird diese Entwicklung so weitergehen. Spätestens im Jahr 2025 werden wir aller Voraussicht nach die Marke von zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern unterschritten haben.
Zweitens. Sachsen-Anhalt ist mit rund 20 Milliarden € Schulden eines der Flächenländer mit der höchsten Verschuldung pro Einwohner in Deutschland. Durch die Folgen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise werden diese Schulden nochmals weiter anwachsen. Wir haben darüber im Landtag ausführlich diskutiert. Wir müssen deshalb pro Jahr fast 1 Milliarde € für Zinszahlungen aufwenden.
Angesichts dieser finanzpolitischen Ausgangslage, angesichts der Abschmelzung der Solidarpaktmittel und in Anbetracht der nunmehr im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse werden unsere Spielräume zur Finanzierung nicht gesetzlich verpflichtender Leistungen - dazu gehören auch viele der vom Land finanzierten Beratungsangebote - zwangsläufig geringer.
Meine Damen und Herren! In dieser Lage benötigen wir zweifellos ein Zukunftskonzept für die Neustrukturierung der Beratungsangebote.
Ausgangspunkt dafür müssen die Beratungsbedarfe der Menschen in Sachsen-Anhalt sein. Um es deutlich sagen: Es geht nicht um die Pflege einer Beratungslandschaft im Status quo, sondern es geht um die nachhaltige Bereitstellung der Beratungsangebote, die die Menschen benötigen. Ich bin deshalb dankbar dafür, dass die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag eingebracht haben, der diesen Aspekt der Bedarfsgerechtigkeit besonders hervorhebt.
Die demografische Entwicklung bewirkt in vielen Bereichen eine Veränderung der Beratungsbedarfe, und dies durchaus nicht immer im Sinne einer Bedarfsverringerung. An dieser Stelle gehe ich mit Ihnen, Frau Hüskens, völlig konform. Wenn beispielsweise der Anteil der alten Menschen in der Bevölkerung und auch ihre absolute Anzahl weiterhin zunehmen, dann kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Schwerpunktsetzungen in den Beratungsangeboten bleiben. In anderen Bereichen wird die Bedarfsentwicklung dagegen dem allgemeinen Bevölkerungsrückgang folgen.
Hierzu gilt es Lösungen zu entwickeln, um erreichbare Beratungsangebote in hoher Qualität auch weiterhin vorhalten zu können. Wir werden in solchen Fällen über neue Formen mobiler multipler Beratungsangebote oder auch Stützpunktbratungen nachdenken müssen, also auch neue Formen entwickeln müssen.
Unter dem Gesichtspunkt der Finanzknappheit ist ein weiterer Aspekt besonders wichtig: Wir müssen bei den vom Land geförderten Beratungsangeboten Redundanzen vermeiden und Synergien fördern helfen. Darüber hinaus, und nicht nur aus finanziellen Gründen, müssen wir gewährleisten, dass die von uns geförderten Bera
tungsangebote zu den vielfältigen Beratungsleistungen passen, die die Kommunen oder auch die Sozialversicherungsträger fördern oder eigenständig vorhalten. Auch im Hinblick darauf begrüße ich den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der gerade diese Aspekte deutlich macht.
Meine Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass die Neustrukturierung der vom Land geförderten Beratungsangebote auch deshalb ein heikles Thema ist, weil die Menschen, die in den Beratungsstellen tätig sind, damit Befürchtungen verbinden. Ich setze deshalb darauf, dass es uns gelingen wird, bei der Erarbeitung des Konzeptes für die Neustrukturierung, möglichst auch unter Hinzuziehung von externem Sachverstand und gemeinsam mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, aber nicht nur mit ihnen, wie es in dem Antrag der FDPFraktion heißt, sondern auch mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern, zu denen beispielsweise die Verbraucherzentrale gehört, ein hohes Maß an Transparenz zu gewährleisten.
Dem Ergebnis will ich nicht vorgreifen. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir durchaus über stärker pauschalierte Zuwendungen zu diskutieren haben. Dies geht in die Richtung, die der Änderungsantrag der LINKEN verfolgt. Deshalb bitte ich insgesamt um Ihre Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.
(Sprechchor von der Nordtribüne: Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut! Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut! - Flugblätter werden von der Tribüne in den Plenarsaal geworfen - Zurufe)
- Deswegen müssen wir die Sitzung nicht unterbrechen. Das war zwar nicht zulässig, wurde aber schnell beendet. Vielen Dank dafür.
Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Es spricht Frau Grimm-Benne von der SPD-Fraktion. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Dr. Hüskens hat es bereits gesagt: Wir werden am Montag im Sozialausschuss über den Einzelplan 05 beraten. Wir werden voraussichtlich die Kürzungen bei den Beratungsstellen, die aus Gründen der Konsolidierung vorgenommen worden sind, rückgängig machen.
Ich bin dem Hohen Haus und allen Fraktionen dankbar dafür, dass sie durch ihre Anträge gezeigt haben, dass das nicht heißt, die Beratungsstellenlandschaft sei für zwei Jahre gesichert und „Weiter so!“, sondern dass es auch ein Zeichen geben muss an die Liga, an die Verbände und an die Vereine, dass es zwar wieder ein Niveau gibt, auf das man sich einstellen kann, indem es keine Kürzungen gibt, dass man sich aber auf neue Konzeptionen und neue Entwicklungen in der Zukunft einlassen muss.
Gestatten Sie mir, den gestern von den Regierungsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag nochmals darzu
stellen. Die Landesregierung soll auch nach unserem Änderungsantrag gebeten werden, Grundlagen für die unterschiedlichen Beratungsangebote zu erarbeiten.
(Frau Dirlich, DIE LINKE, verteilt Flyer in den Reihen der Fraktion der CDU - Herr Harms, CDU: Herr Präsident, können Sie das nicht beenden?)
Frau Dirlich, ich bitte Sie dringend, diese Verteilung einzustellen. Das ist bei uns nun wirklich nicht zulässig. Dafür rüge ich Sie jetzt.