Protokoll der Sitzung vom 11.12.2009

Keine Revision der Ergebnisse der Bodenreform zulassen

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2302

Als Einbringer spricht der Abgeordnete Herr Krause. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Worum geht es bei unserem Antrag? - Es geht letztlich um 424 000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, die sich

per 30. September 2009 über alle neuen Bundesländer hinweg noch in der Verwaltung der BVVG befanden. Davon befanden sich zum oben genannten Stichtag 79 000 ha in Sachsen-Anhalt. Es geht in unserem Bundesland noch um mehr als 1 000 Pächter, die eine Fläche von mehr als 65 000 ha von der BVVG gepachtet haben.

Im Jahr 2008 wurden laut dem BVVG-Bericht 1 686 EALG-Kaufanträge abschließend bearbeitet. Hierbei handelt es sich um Berechtigte, die selbst Landwirtschaft betreiben, Wieder- oder Neueinrichter sind, die ortsansässig sind und über langfristige Pachtverträge verfügen.

EALG bedeutet Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. Nach diesem Gesetz können nach bestimmten Regeln und für einen bestimmten berechtigten Personenkreis in einer ebenfalls vorgegebenen Größenordnung begünstigte Flächenankäufe wahrgenommen werden.

Ich möchte an dieser Stelle nicht darauf eingehen, dass es sich um Regeln handelt, die nach wie vor die Agrargenossenschaften benachteiligen. Das war immer ein großer Streitpunkt, über den schließlich die Mehrheit im Bundestag befunden hat.

Für das Jahr 2009 lagen noch 1 263 Anträge vor, die weitestgehend abgearbeitet worden sind. Zu bearbeiten sind aber noch 190 EALG-Anträge in Bezug auf eine Fläche von 4 000 ha, die von so genannten Berechtigten gestellt wurden, die § 3 Abs. 5 unterliegen, denen also land- oder forstwirtschaftliches Vermögen entzogen worden ist und bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist oder denen solche Vermögenswerte durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind.

Diese können kaufen, wenn die Kaufmöglichkeiten von den vorher zu berücksichtigenden Berechtigten nicht ausgeschöpft wurden. Genau hierzu mache ich mir meine Gedanken.

Seitens dieses Personenkreises wird es mit Sicherheit unter neuen und verbesserten Bedingungen ohne Zweifel einen Ansturm geben. Wenn das Interesse der heutigen Pächter am begünstigten Erwerb landwirtschaftlicher Flächen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb und ca. 11 300 ha weniger verkauft wurden als geplant war, dann ist dies aus unserer Sicht natürlich einfach logisch. Denn sie mussten zu Preisen kaufen, die betriebswirtschaftlich gesehen bis an die Schmerzgrenze angehoben worden sind.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE, und von Herrn Gebhardt, DIE LINKE)

Was folgte, war ein Verkaufsstopp. Das Pachten war nur noch kurzfristig möglich - kurzfristig deshalb, um nicht neue begünstigte Flächenankäufe zu ermöglichen. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass bis zum Jahr 2009 das Geschäft mit dem EALG-Paket abgeschlossen sein muss. Das heißt, ab dem 1. Januar 2010 können Agrargenossenschaften oder Landwirte im Einzelbetrieb nicht mehr zu begünstigten Konditionen kaufen.

Daraus folgt, dass der so aufgesparte Boden allein den Alteigentümern vorbehalten bleibt. Sie dürfen noch über den 1. Januar 2010 hinaus begünstigt kaufen. Damit sie sich dabei auch wirklich schadlos halten, soll es ihnen

mit der vorgesehenen Änderung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes ermöglicht werden, zu einem Preis zu kaufen - so ist es in der Diskussion -, der zum Stichtag 1. Januar 2004 galt, und nicht zu dem heute geltenden, der weit höher ist. Damit wäre der begünstigte Flächenerwerb für die Alteigentümer unabhängig von jeglicher Preisentwicklung gesichert.

Die Absicht, die sich hinter der Ankündigung im Koalitionsvertrag verbirgt, ist: Man setzt sich für Verbesserungen am Flächenerwerbsänderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer ein und bietet den Betroffenen Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, zum bevorzugten Erwerb an.

Auch wenn tausendfach von allen Parteien beteuert wurde und heute noch beteuert wird, dass die Ergebnisse der Bodenreform nicht angetastet werden dürfen, so läuft eine solche Politik doch unweigerlich darauf hinaus. Erinnert sei daran, dass es in der Volkskammer zur Zeit der De-Maiziere-Regierung einen für die damaligen Verhältnisse einmaligen breiten Konsens über alle Parteien hinweg gab, der darauf hinauslief - so wörtlich -:

„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage von 1945 bis 1949 sind nicht mehr rückgängig zu machen.“

Das hat auch die Regierung Kohl akzeptiert und damit fand dieser Grundsatz seinen Platz in der „Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen“ vom 15. Juni 1990 und wurde als Anlage Bestandteil des Einigungsvertrages.

In allen Fraktionen des Bundestages gab es dazu breite Zustimmung. Auffällig aber war damals vor allem die FDP. Während es bei der CDU/CSU-Fraktion vor 20 Jahren lediglich eine Minderheit war, die dem Einigungsvertrag nur mit der Forderung zustimmte, dass sich ein künftiges gesamtdeutsches Parlament erneut mit der Bodenreform befassen müsse, haben sich 32 von 46 Bundestagsabgeordneten der FDP unmissverständlich für das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ stark gemacht und so dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 nach einem jahrelangen politischen Tauziehen ihren Stempel aufgedrückt und damit den Einigungsprozess bis heute schwer belastet.

(Zustimmung bei der LINKEN - Widerspruch bei der FDP)

Dann, zwischen 1996 und 1998, gab es verbriefte Wortmeldungen aus höchsten Regierungskreisen, die meinten, dass unter einem FDP-Justizminister Schmidt-Jortzig die Interessen der Alteigentümer gut aufgehoben seien.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP)

Mit einem gewissen historischen Abstand zu diesen damaligen Ereignissen muss ich bei allem, was ich mit den Sozialdemokraten im Zusammenhang mit der Abwicklung der Bodenreform erlebt habe, einfach einschätzen: Die SPD hat sich für eine solche Schweinerei, wie sie jetzt vorbereitet wird, nicht hergegeben.

(Unruhe bei der FDP)

Selbst die CDU hat sich dabei schwer getan, so offensichtlich geringschätzig mit dem damaligen Bekenntnis zur Bodenreform umzugehen. Das mag sicherlich daran

liegen, dass sich bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, ein relativ großer Anteil ehemaliger DBDMitglieder wiedergefunden hat.

Meine Damen und Herren von der FDP, ich bin erschrocken, wie unbekümmert und zielstrebig Ihre Bundespartei, kaum ist sie erneut an der Macht, ihren alten Faden wiederaufgenommen hat und Lobbyarbeit für Alteigentümer betreibt und dafür sorgt, dass die über die Bodenreform Enteigneten für ’nen Appel und ’n Ei ihre Flächen zurückkaufen können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Akteure Ihrer Bundespartei unterstellen, dass die angestiegenen Bodenpreise ausgeglichen werden müssen, damit der laut EALG mögliche Erwerbsumfang von den Alteigentümern auch in Anspruch genommen werden kann.

Meine Damen und Herren! Der Erwerbsumfang wird doch von der aktuellen Rechtslage überhaupt nicht infrage gestellt; der Erwerb wird lediglich teurer. Wer schützt die bedürftigen Menschen und Familien, wenn soziale Leistungen, Bildung und Kultur teurer werden? Dann heißt es: Die LINKEN wollen immer nur verteilen. Während Sie für Ihre Klientel angestiegene Bodenpreise ausgleichen wollen, fallen Agrarunternehmen und ortsansässige Wiedereinrichter hinten herunter.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Hauser, diese Politik Ihrer Partei hätten Sie am letzten Mittwoch einmal den Junglandwirten in Haldensleben offenbaren sollen, als es um den Flächenerwerb und die Betriebsprämien ging.

Sehr verehrte Damen und Herren! Außerdem läuft eine solche Politik darauf hinaus, dass massenhaft Kapital vom ländlichen Raum, von der hiesigen Landwirtschaft abfließt, während andererseits der Flächenerwerb für bestimmte Leute subventioniert werden soll. Ausgerechnet die FDP und Subventionen! Das ist doch sonst nicht Ihr Stil als Gralshüterin der freien Marktwirtschaft.

Bei aller Kritik, die wir auch am geltenden Verfahren haben: Bisher gilt zumindest das Prinzip eines einheitlichen Preises für Pächter und erwerbsberechtigte Alteigentümer. Aber das, was Sie jetzt auf den Weg bringen wollen, ist pure Klientelpolitik. Sie ist außerdem ungerecht, weil Betrug an denjenigen begangen wird, die in der Vergangenheit zu den gestiegenen Preisen kaufen mussten, weil ihnen sonst der Boden unter dem Pflug weggekauft worden wäre, die jetzt aber nicht mehr teilhaben können.

(Herr Daldrup, CDU: Ist doch gar nicht wahr!)

So viel zur wirtschaftlichen Komponente unseres Antrages.

Zur politischen Komponente unseres Antrages sei noch gesagt: Sie sind auf dem besten Weg, die im Einigungsvertrag festgeschriebene und international anerkannte Bodenreform ernsthaft infrage zu stellen, ihre Ergebnisse zu revidieren und die alten Eigentumsstrukturen zu restaurieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ganz Schlimme ist, dass langsam vergessen wird, dass von der Bodenreform nicht nur Eigentümer von Flächen mit mehr als 100 ha betroffen waren, wozu es ja

durchaus - das möchte ich hier noch einmal deutlich betonen - berechtigten Diskussionsbedarf gab,

(Zuruf: Das stimmt doch gar nicht!)

sondern dass es zum größten Teil immer noch aktive Nazis und Kriegsverbrecher waren, die enteignet worden sind. Daran möchte ich auch aus aktuellem Anlass ausdrücklich erinnern.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Wolpert, FDP - Herr Daldrup, CDU: Ist doch gar nicht wahr! Die politisch Motivierten! - Herr Gürth, CDU: Ganz viele Bauernfamilien sind von den Kommunisten enteignet worden! Menschenver- achtend!)

Erinnern möchte ich außerdem daran, dass es vor allem Flüchtlinge und Übersiedler waren, die damals den Boden erhielten,

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

und dass mehr als 70 000 Bodenreformlandbesitzer

(Zurufe)

und deren Erben ab dem Jahr 1992 zielstrebig und entschädigungslos enteignet worden sind.

(Herr Gürth, CDU: Die Kommunisten haben da- mals mithilfe der russischen Geheimdienste so viele Familien umgebracht oder zwangskollekti- viert! Die kann man nicht alle mit Nazis gleichset- zen!)

Sie waren nicht bereit, für diese Menschen etwaige Gesetze oder Verordnungen zu ändern.