Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Gerade in der Tourismuswirtschaft ist ein nicht geringer Anteil der Beschäftigten davon betroffen.

Die Position der Gewerkschaft NGG dazu teilen wir. Wir haben klipp und klar formuliert, dass das Steuergeschenk weder den Hotelgästen noch den Beschäftigten in diesem Bereich einen Vorteil bringt.

Der bestehende Tarifvertrag ist im Land Sachsen-Anhalt bereits zum 31. Dezember 2008 vonseiten der Gewerkschaft NGG gekündigt worden. Es gab dazu Gespräche. Seitdem befindet man sich in einem tariflosen Zustand. Wir hoffen, dass die Chance genutzt wird, um in Sachsen-Anhalt zu einem vernünftigen Tarifvertrag zu kommen.

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich mit Blick auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit einmal an, was diesbezüglich momentan passiert. Das Magazin „Wiso“ hat am 11. Januar 2010 Recherchen im grenznahen Bereich, nämlich in Bayern und Baden-Württemberg, angestellt. Nur drei von den 50 getesteten Hotels haben sich für eine Preissenkung ausgesprochen. Darauf müssen wir uns wahrscheinlich in der nächsten Zeit einstellen.

Es gibt sicherlich Leute, die sagen, dass das der Wettbewerb irgendwann einmal richten werde, dass es zu Preissenkungen kommen werde. Ich glaube nicht, dass es der Wettbewerb richten wird. Ich denke, es wird vielleicht kurzfristig zu Preissenkungen kommen, aber langfristig werden wird es immer wieder mit Preiserhöhungen zu tun haben. Dann bleibt im privaten Bereich oftmals die Frage des Einkommens, nämlich wer sich wann wie viel Urlaub leisten kann. Das ist der entscheidende Punkt, um die Tourismuswirtschaft zu beleben.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Von den vielen Forderungen nach mehr Gerechtigkeit im Bereich der Umsatzsteuer ist einmal eine umgesetzt worden. Dann darf man sich nicht wundern, liebe Kollegen von der FDP, dass dies durch die Spende einer Hotelkette zum Thema wird. Wir sollten die Frage, wie wir mit Parteispenden umgehen, ernst nehmen. Das ist nicht nur eine Frage, die den Bundestag bewegt, sondern auch eine Frage, die uns als Parlamentarier generell bewegen sollte; allerdings ist dies ein separates Thema.

Es bleibt dabei - das will ich Ihnen mit auf den Weg geben -, dass sich die FDP durch ein paar unglückliche Entscheidungen in der Vergangenheit den Unmut der breiten Öffentlichkeit zugezogen hat. Die MövenpickKette ist das eine, die Berufung eines Spitzenfunktionärs der privaten Krankenkassen zum Abteilungsleiter durch Minister Rösler ist das andere.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)

Herr Dr. Thiel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - In dieser Richtung gibt es durchaus Dinge, über die man noch einmal reden muss.

Unsere Fraktion wollte eigentlich dem Antrag der FDPFraktion zustimmen, weil wir es für wichtig halten, dass dieses Thema behandelt wird. Es liegen nun zwei Anträge vor, nämlich einer von der FDP-Fraktion und einer von den Koalitionsfraktionen. Ich kann mit beiden nicht leben.

Wenn wir uns dieses Themas annehmen, dann wäre es für mich wichtig, nicht auf trockene Berichte zu vertrauen, sondern eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss durchzuführen und dazu den Dehoga, die Gewerkschaft NGG, Hoteliers und Beschäftigte einzuladen, um zu erfahren, was passiert ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht mehr viel Zeit.

Das ist richtig.

Wenn wir warten, bis die Saison durchgelaufen ist, wird das Jahresende vorbei sein. Im Jahr 2011 beginnt der Wahlkampf. Deswegen bitten wir darum, dieses Thema am Ende des Jahres im Wirtschaftsausschuss zu behandeln. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Zimmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als mich die Information erreichte, dass ein Tourismusthema auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung steht, hat mich das - das können Sie sich sicherlich denken - hoch erfreut. Wenn wir über den ersten Teil der Überschrift „Stärkung der Tourismuswirtschaft Sachsen-Anhalts durch reduzierten Mehrwertsteuersatz“ gesprochen hätten, dann hätten wir sicherlich eine schönere Debatte und eine schönere Situation erleben können, als es jetzt der Fall ist. Leider hat sich bisher alles nur auf den zweiten Teil dieser Überschrift reduziert.

Ich will auf den ersten Teil ganz kurz eingehen. Wir sind im Land Sachsen-Anhalt, wenn Sie die letzten Zahlen verfolgt haben, im touristischen Bereich sehr gut aufgestellt. Sachsen-Anhalt wächst in diesem Bereich gegen den Bundestrend. Die Maßnahmen, nämlich die Privatisierung der TMSA und der IMG, greifen. Es läuft positiv. Gott sei Dank trotzt der Kulturtourismus in SachsenAnhalt der Krise. Wir hoffen, dass es in dem schweren Jahr 2010 so bleiben wird. Ich denke, dass es vielleicht wichtig wäre, auch an anderer Stelle einmal über die Stärkung der Tourismuswirtschaft generell und nicht in Bezug auf diesen einen Punkt zu reden.

Meine Damen und Herren! Die FDP hat nicht ohne Grund das Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Wir haben viel darüber gehört. Zum einen ist es

die Forderung der CDU/CSU und der FDP im Wahlkampf gewesen und es ist Bestandteil des Koalitionsvertrages geworden. Ich freue mich, dass der Tourismus in diesem Koalitionsvertrag eine explizite Stellung einnimmt und damit auch deutlich gemacht wird, dass der Tourismus als Leitökonomie des 21. Jahrhunderts angenommen wird.

Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass es die CDU-Landtagsfraktion war, die bereits vor einem Jahr mit dem ersten politischen Tourismuspapier im Land Sachsen-Anhalt die Forderung der Entlastung des Hotel- und Gaststättengewerbes aufgenommen hat. Insofern, meine Damen und Herren, ist die Absenkung der Mehrwertsteuer Bestandteil der Steuersenkungsbestrebungen der schwarz-gelben Koalition. Darin sind wir uns einig. Die Kanzlerin hat erst Mitte letzter Woche deutlich gesagt, dass sie an den Plänen zur Steuersenkung keine Abstriche machen werde.

Meine Damen und Herren! Wir können aber die Debatte um die Steuersenkung in der Hotellerie und in der Gastronomie weiterführen und noch viele Stunden darüber diskutieren; aber eines werden wir nicht erreichen, nämlich dass die Entscheidung in Magdeburg und nicht in Berlin getroffen wird.

Meine Damen und Herren! Die Zahlen der zurückliegenden Woche haben gezeigt, dass die deutsche Wirtschaft um 5 % geschrumpft ist. Die Medien bezeichnen diese Schrumpfung als historischen Rückgang. Diese Schrumpfung ist sogar noch etwas schlimmer; denn sie ist entgegen den Erwartungen nicht langsam, sondern eher plötzlich eingetreten. Damit ist das Steueraufkommen quasi über Nacht zusammengebrochen. Wir haben in diesem Hause am heutigen Vormittag bereits die Auswirkungen auf den Haushalt diskutiert. Das möchte ich jetzt nicht wiederholen.

Ich denke, dass dies alles eine Motivation für unseren Ministerpräsidenten war, deutlich zu sagen, dass wir so nicht weitermachen können, dass sinkende Steuereinnahmen plus steigende Staatsausgaben und dann noch Steuersenkungen eine Mischung sind, die man mathematisch nur sehr schwer erklären kann. Aus diesem Grund treten CDU und CSU eben auch auf Bundesebene richtigerweise ein Stück weit auf die Bremse. Sie machen keine Vollbremsung, sondern sie drosseln ganz vorsichtig und mit Bedacht.

(Herr Scheurell, CDU: Aha!)

Meine Damen und Herren! Ich darf zum Schluss für uns als CDU-Fraktion noch einmal ganz deutlich sagen: Ein klares Ja zu Entlastungen auch für die Hotel- und Gaststättenbranche, aber Steuersenkungen erst dann, wenn die Zeit reif ist, wenn sich die Wirtschaft wieder stärker erholt, wenn die Steuereinnahmen wieder eine Deckung der Haushalte erwarten lassen.

Ich bitte uns alle und fordere uns alle ein Stück weit auf, das alles mit Bedacht und ohne Panik anzugehen und dafür zu sorgen, dass die jetzige Steuersenkung erfolgreich wird. Mit erfolgreich meine ich, dass sie für den Gast spürbar ist, ob in der Qualität, im Preis, in der Ausstattung oder in anderen Bereichen ist völlig egal, nur muss sie für den Gast spürbar sein; denn ansonsten haben wir den Kritikern von Steuersenkungen nur noch ein weiteres Argument gegen Steuersenkungen geliefert. Das sollte es nicht sein. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Zimmer. - Für die FDP-Fraktion hat noch einmal Herr Dr. Schrader das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf einige Aspekte reagieren, wenn Sie gestatten.

Die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie hatten wir seit 2005 in unserem Wahlprogramm, wir haben es 2009 im Wahlprogramm gehabt und haben damit Wahlkampf gemacht. Die Wähler haben uns mit zum Wahlsieger erklärt und jetzt wird es umgesetzt. So einfach ist das.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Wahlsieger war immer noch die CDU!)

Die SPD hat dagegen gekämpft. Sie sind nun einmal der Wahlverlierer; damit muss man sich auch einmal abfinden. Das ist tatsächlich so.

Herr Minister, ich gebe Ihnen Recht in der sehr umfangreichen Einschätzung der allgemeinen Lage. Aber ich hätte mir schon einen stärkeren Beitrag zum Thema „Tourismus und Mehrwertsteuersenkung“ gewünscht und zur Chancengerechtigkeit unserer Tourismuswirtschaft in Europa, die sehr, sehr gut aufgestellt ist, die aber jetzt nicht ins Hintertreffen geraten durfte, insbesondere bei den bevorstehenden Dingen, bei denen wir ausländische Touristen heranholen möchten.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Der Minister spricht halt nur über Wichtiges!)

Frau Hampel, den Zusammenhang zwischen Mehrwertsteuerreduzierung und Mindestlohn in Europa müssen Sie mir noch einmal erklären. Er erschließt sich mir tatsächlich nicht.

Dass es zu einer Bürokratiezunahme gekommen ist, gestehe ich Ihnen zu; das habe ich vorhin auch eingestanden. Nur, Sie müssen sich entscheiden, Wettbewerbsungerechtigkeit in Kauf zu nehmen, Wettbewerbsungerechtigkeit zulasten unserer Hotellerie im Vergleich zu den Nachbarländern, oder diese zusätzlichen Belastungen durch Bürokratie in Kauf zu nehmen.

(Herr Scharf, CDU: Das ist aber keine FDP-Po- litik, eine Bürokratie! - Zuruf von Frau Fischer, SPD)

- Wir haben praktisch doch einen Mindestlohn in Deutschland.

(Lachen bei der LINKEN - Frau Fischer, SPD: Das Thema wollen wir jetzt bitte nicht aufmachen! - Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

- Ich habe es nicht aufgemacht, Sie haben es mir zugerufen. Machen wir eine extra Debatte dazu.

Meine Damen und Herren! Es wurde bezweifelt, dass wir Daten über die Effekte bekommen können. Ich denke schon. Diese bekommen wir durch Abfragen der Dehoga, durch Abfragen der einzelnen Institutionen. Denn die Hoteliers sind gefordert, jetzt zu reagieren und zu sagen, was sie damit machen, und die ersten haben es schon getan.

Dass sich das nicht zu 100 % in Preissenkungen niederschlägt, ist doch vollkommen klar. Aber viele sind jetzt

erstmals in die Lage versetzt, zusätzlich jemanden einzustellen oder ein wenig mehr zu bezahlen, damit der Service und die Dienstleistungen sich zum Wohle des Kunden verbessern. Dann kommen die Kunden nämlich auch, auch von woanders her.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

- Herr Miesterfeldt, seien Sie doch nicht immer so pessimistisch.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Was?)

- Seien Sie doch nicht immer so pessimistisch.