Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

Vielen Dank, Herr Rothe. Möchten Sie eine Frage von Herrn Stahlknecht beantworten? - Herr Stahlknecht, bitte.

Ich möchte nur eines wissen, Herr Rothe. Hinsichtlich der nicht neuen Ausführungen Ihrerseits, dass die Kreis

gebietsreform in der nächsten Legislaturperiode möglicherweise neu gemacht werden sollte mit fünf Kreisen und allem, was Sie geschildert haben, interessiert mich persönlich nur: Ist das, was Sie hier vorgetragen haben, Ihre eigene Auffassung oder die Auffassung Ihrer Fraktion oder die Auffassung der gesamten SPD? - Ich frage nur, damit wir das berechenbar wissen.

Herr Stahlknecht, ich darf daran erinnern, dass in dem Wahlprogramm der SPD im Jahr 2006 davon die Rede ist, dass wir bis zum Jahr 2020 fünf Landkreise in Sachsen-Anhalt haben wollen.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht mit uns! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Nun erteile ich Herrn Grünert von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, Herr Rothe, diese Eierei und Haarspalterei ist nicht mehr zu toppen: Wir wollen vieles, aber fragen Sie bitte nicht, was wir wollen. - So geht das nicht. Ich denke, ich werde in meinem Beitrag darauf eingehen können, dass es auch ein bisschen mehr politischen Mutes bedarf, um Veränderungen erzielen zu können.

Der damalige Innenminister Jeziorsky erklärte in seiner Rede am 21. Juni 2002 - ich zitiere -:

„Das, was wir als CDU in den letzten zwei Jahren - eigentlich schon seit Mitte der 90er-Jahre - auch immer gefordert haben, ist, dass die Aufgabenerledigung in das Zentrum der Reformbemühungen gehört. Genau dem wollen wir uns zuwenden. Welche Aufgaben muss der Staat erfüllen? Auf welche Aufgaben kann der Staat generell verzichten? Welche kann er privatisieren? Was kann im kommunalen Bereich erledigt werden? - Diese Fragen sind zu beantworten. Aus diesem Grund wird hierzu noch in diesem Jahr ein erstes Gesetz zur Landesorganisation die ersten Weichen stellen.“

Das war die Aussage von Herrn Jeziorsky. - Auf die Nachfrage meines Kollegen Herrn Gallert hin betonte Herr Jeziorsky, dass die Grundlage für das Landesorganisationsgesetz der Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt in der Drs. 3/68/5222 B vom 17. Januar 2002 sein solle.

Grundlage der damaligen Entscheidung waren die beabsichtigte Kreis- und Gemeindegebietsreform und das Ziel, ausgehend von einem zweistufigen Verwaltungsaufbau insbesondere im kommunalen Bereich alle erstinstanzlichen Aufgaben auf die Gemeindeebene zu verlagern. Es sollte der Grundsatz verwirklicht werden, dass für Anliegen der Bürgerinnen und Bürger die gemeindliche Ebene Ansprechpartner sein soll.

Dies war auch der Maßstab, mit dem die Erreichung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden für eine Gemeindegebietsreform begründet werden sollte. Nach der alten Regelung waren es Verwaltungsgemeinschaften mit dauerhaft 10 000 Einwohnern und Einheitsgemeinden mit 8 000 Einwohnern; nach der neuen Regelung sind es

Verbandsgemeinden und Einheitsgemeinden mit 10 000 Einwohnern. - So viel dazu.

Die durch meine Fraktion geforderte Verankerung der Funktionalreform im Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform wurde jedoch seitens der Koalition am 13. Dezember 2007 abgelehnt. Herr Rothe hat es bereits dargestellt. Es ist so.

Auf der Seite 36 des Koalitionsvertrages - Herr Kosmehl ist vorhin darauf eingegangen - heißt es: Eine substanzielle Aufgabenverlagerung vom Landesverwaltungsamt und den staatlichen Fachbehörden zu den kreisfreien Städten und Landkreisen soll stattfinden, die die Bündelungsfunktion stärkt. Hinzu sollte eine interkommunale Funktionalreform kommen.

Der Ministerpräsident erklärte dies aufgrund der täglichen geräuscharmen Tätigkeit der Koalition übrigens zur Chefsache. Offensichtlich hatte diese Äußerung bei Staatsminister Robra keinerlei bleibenden Eindruck hinterlassen; denn dieser Prozess wurde weder durch die Staatskanzlei als Koordinierungsstelle noch durch einen zeitweiligen Ausschuss - diesen hat die Koalition verhindert - begleitet und geführt.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Mehrzahl der vormals vereinbarten Aufgabenbereiche aus ressortegoistischen Überlegungen, aber auch aufgrund einer nicht weit genug gegangenen Kreisgebietsreform einer Kommunalisierung nicht unterworfen werden konnte. Die Ergebnisse des Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetzes sind eher mager als substanziell: Gestartet als Tiger, gelandet als Bettvorleger.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wurde dem Anliegen des Städte- und Gemeindebundes mit seinem Beschluss vom 18. April 2005 in Tangermünde „Städte und Gemeinden 2020 - Leitbild für eine nachhaltige Kommunalpolitik“ nicht entsprochen.

Werte Damen und Herren! Im Rahmen der Anhörung zum Entwurf eines Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform in der Drs. 5/902 im Innenausschuss am 29. November 2007 führte der Städte- und Gemeindebund Folgendes aus - ich zitiere -:

„Eine notwendige interkommunale Funktionalreform soll mit der geplanten Neugliederung der Gemeinden verbunden werden, indem zumindest die Vorstellungen von der Gemeinde als erstes Portal der Bürger aufgenommen werden. Dazu zählt man den Auftrag, im Sinne eines optimalen Bürgerservices Aufgaben, Funktionen und Einrichtungen auf die Gemeindeebene zu verlagern.“

Der Umstand, dass der Landkreistag ob der Ergebnisse der Übertragung von Landesaufgaben auf die Landkreise eher auf die Bremse als auf das Gaspedal getreten ist, ist nicht verwunderlich. Die Mofa-Prüfung eignet sich nun wirklich nicht als substanzielle Aufgabenverlagerung von der Landesebene auf die Kommunalebene.

(Beifall bei der LINKEN)

Nunmehr steht unser Land kurz vor dem Abschluss einer grundlegenden Gemeindegebietsreform. Während die Gutachter noch über die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Gemeindemodelle stritten, bleibt festzustellen, dass es einer Gebietsreform ohne Funktionalreform nicht bedurft hätte.

Was ist das Fazit? - Infolge der Verringerung der Mandatsdichte wurden Einsparungen erzielt, die jedoch aufgrund der Zulässigkeit von Verwaltungsaußenstellen wieder ausgeglichen wurden. Die Anzahl der Städte und Gemeinden wurde drastisch reduziert und damit eine Reduzierung der allgemeinen Finanzzuweisungen begründet.

Der Umstand, dass neben der ausgebliebenen Funktionalreform keinerlei Angleichung der Landesplanungsgrundsätze erfolgte, führt zu einer weiteren Schwächung der grundzentralen Versorgungsfunktionen.

Weiterhin wurden durch ein teilweise willkürliches und parteipolitisch gefärbtes Zuordnungsverfahren Strukturen geschaffen, die landsmannschaftliche Bindungen, verkehrliche, kulturelle und religiöse Beziehungen sowie Identifikationsmöglichkeiten der Bürgerschaft ausschließen.

Werte Damen und Herren! Der Inhalt unseres Antrages war auf die Einforderung eines Konzeptes der Landesregierung zur interkommunalen Funktionalreform gerichtet. Aber selbst dieses Konzept ist offensichtlich schon eine Überforderung dieser noch amtierenden Landesregierung und ein Beweis für deren Politikunfähigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind darauf gespannt, ob es dem Innenministerium gelingt, dass uns das mit Beschluss vom 19. Oktober 2006 in der Drs. 5/8/298 B angekündigte Landesorganisationsgesetz, welches nach den Äußerungen des ehemaligen Innenministers Jeziorsky bereits am 31. Dezember 2002 eingebracht werden sollte, noch in der fünften Legislaturperiode erreicht.

Unsere Fraktion lehnt die Beschlussempfehlung ab. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Bevor ich Herrn Kolze das Wort erteile, der für die CDU-Fraktion spricht, habe ich die Freude, auf der Südtribüne Damen und Herren der Bildungsgesellschaft Magdeburg zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben erst einmal in meinen Kalender geschaut, weil ich bei der einen oder anderen Passage meiner Vorredner den Eindruck hatte, dass wir uns heute schon im Jahr 2011 befinden.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Die CDU hat nicht vor, von Reform zu Reform zu hetzen. Ich bin der Meinung, dass im kommunalen Bereich nun endlich Ruhe herrschen muss.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben im Jahr 2007 eine Kreisgebietsreform erfolgreich zu Ende gebracht. Diese Strukturen bewähren sich, meine Damen und Herren. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden unserer kommunalen Gebietsreform. Daher verbieten sich aus meiner Sicht derartige Debatten von vornherein.

Meine Damen und Herren! Wir haben bereits im Innenausschuss lange und intensive Diskussionen zum Thema „Interkommunale Funktionalreform“ geführt. Dort haben wir beschlossen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen.

Sicherlich ist eine interkommunale Funktionalreform für Sachsen-Anhalt ein guter Gedanke und auch im Zuge der bisher hier erfolgten Reformen ein sinnvoller Schritt. Wir haben aber im Ergebnis nicht darüber befunden, ob diese Funktionalreform stattfinden soll oder nicht, sondern wir haben lediglich darüber befunden, dass sie jetzt bzw. in naher Zukunft, nämlich in dieser Legislaturperiode, nicht mehr durchzuführen sein wird.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Selbst die kommunalen Spitzenverbände haben hierzu keinen Konsens gefunden und auch die Landesregierung, wie Herr Minister bereits ausgeführt hat, sieht es derzeit nicht als zwingend erforderlich an, eine entsprechende Reform durchzuführen.

Wenn wir zu dem Schluss kommen, eine interkommunale Funktionalreform durchzuführen, soll diese letztlich Hand und Fuß haben. Aus diesem Grunde plädiere ich dafür, dass wir uns die nötige Zeit nehmen und genau überlegen und prüfen, welche Aufgaben von den Landkreisen tatsächlich auf die Kommunen übertragen werden können. Die von uns in dieser Legislaturperiode durchgeführte Funktionalreform hat gezeigt, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Wir sollten uns von daher die Zeit nehmen, die eine solche Reform erfordert.

Meine Damen und Herren! Außerdem ist es meines Erachtens sinnvoll, die neuen Gemeindestrukturen im Land hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit in diese Überlegungen einzubeziehen. Die neu gegründeten Gemeinden müssen zunächst mit der neuen Situation, dass sie bei weitem größer sind als zuvor, zurechtkommen. Erst in einem weiteren Schritt kann man sehen, welche Aufgaben diese neuen Gemeinden dann zusätzlich übernehmen können.

Sicherlich wäre es schöner gewesen, wenn sämtliche Reformen in einem Guss erfolgt wären. Wir müssen jedoch vom derzeitigen Stand ausgehen. Aus diesem Grunde ist es, denke ich, besser, zunächst abzuwarten, wie sich die Gemeinden in den neuen Strukturen zurechtfinden, und dann erneut über eine interkommunale Funktionalreform nachzudenken.

Letztlich darf auch die Kostenfrage nicht außer Acht gelassen werden. Die Kommunen unseres Landes sind derzeit in einer extrem schlechten finanziellen Situation. Im Rahmen der Beratungen zum Finanzausgleichsgesetz sind verschiedentlich Bedenken der einzelnen Kommunen hinsichtlich der zukünftigen Leistungsfähigkeit an uns herangetragen worden. Diese dürfen wir nicht außer Acht lassen.

Meine Damen und Herren! Aus den dargelegten Gründen bleibe ich bei dem bereits im Innenausschuss von mir unterstützten Votum, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen, und bitte um Ihre Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Wünscht dazu noch jemand das Wort? - Bitte, Herr Kosmehl. Sie haben drei Minuten Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die üppige Zeit. Die werde ich nicht brauchen.