Es gibt im Wesentlichen drei Modifizierungen dieser Position, die ich, um den Personen gerecht zu werden, nennen möchte. Das erste Reaktionsmuster war: Ja, wir müssen Personal abbauen, und dann gucken wir uns das einmal ein, und wenn uns diese Konsequenz erreicht hat, dann werden wir einmal taktisch sehen, wie wir das umsetzen. - Innenministerium. Klasse Aussage!
Frage: Wie kommen Sie denn mit einem Drittel weniger Polizeibeamten im Vollzug aus? - Antwort des Staatssekretärs Erben - also offensichtlich die richtige Bezugsquelle, wenn ich nach Herrn Kosmehl gehe -: Das gucken wir uns dann an, wenn es soweit ist, aber jede dritte Polizeistation werden wir nicht schließen;
wir schauen uns einmal an, wie die Dinge aussehen, wenn wir das Personal so weit abgebaut haben. - Das war das erste Reaktionsmuster.
Das zweite Reaktionsmuster von denjenigen, die ihre Hand für dieses Personalentwicklungskonzept gehoben haben, war: Also das, was hier mit uns gemacht werden soll, geht sowieso nicht. Wir haben seit Jahren nichts anderes gemacht, als massenhaft Personal abzubauen. Wenn wir jetzt zum Beispiel in den verschiedenen Verwaltungsbereichen noch einmal 30 % des Personals abbauen sollen, dann sind wir von vorne bis hinten nicht in der Lage, die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, mit denen wir konfrontiert sind. - Das war im Wesentlichen das Reaktionsmuster des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt.
Es gab ein drittes Reaktionsmuster, das sozusagen die Mischung aus den beiden vorherigen war. Dabei ist gesagt worden: Ihr könnt diese Personalvorgaben politisch so beschließen, aber wir zeigen euch einmal auf, was das in der Konsequenz bedeutet. Man kann das alles so machen, aber das hätte dann die und die Folgen, und dann müsst ihr sehen, ob ihr das politisch wirklich wollt. - Kultusministerium.
Dazu muss ich sagen: Von diesen drei Handlungsoptionen war das mit Abstand die erfolgreichste, weil auf einmal glasklar wurde: Diesen Personalabbau könnt ihr alle beschließen, aber ich sage euch, damit beschließt ihr erstens, dass das jetzige Schulnetz, wie es existiert, nicht aufrechterhalten werden kann, zweitens, dass der Klassenteiler in Zukunft geändert werden muss, und drittens, dass das mit der Lehrerarbeitszeit so in Zukunft nicht machbar sein wird. Wenn ihr das alle wollt, dann könnt ihr das so beschließen. Das ist die logische Konsequenz, aber entscheidet darüber politisch bitte selbst. - Das ist außerordentlich effektiv.
Das hat dem Zweck der Enquetekommission eigentlich am besten entsprochen, weil diese nämlich herausbekommen sollte, was es bedeutet, wenn wir den Personalabbau in der Art und Weise vornehmen, wie er in dem Personalentwicklungskonzept vorgeschlagen worden ist.
Ich sage ausdrücklich - das meine ich wirklich ernst -: Die langen Diskussionen in Sachsen-Anhalt über die Papiere des Kollegen Bullerjahn noch aus der Zeit der vorhergehenden Legislaturperiode, über das Personalentwicklungskonzept bis hin zu den Diskussionen darüber in der Enquetekommission haben sich ausdrücklich gelohnt. Sie waren politisch außerordentlich wertvoll; denn sie haben eines gezeigt: So geht es nicht!
Ich sage ausdrücklich: Ein Stück weit haben wir diese Einschätzung sicherlich schon zu Beginn gehabt. Wir sehen aber, dass diese Einschätzung inzwischen auch von anderen geteilt wird. Natürlich kann man an den Dingen, die aufgeschrieben worden sind, festhalten, aber die Konsequenzen, die sich für die öffentliche Daseinsvorsorge aus dem Personalentwicklungskonzept, wie es jetzt beschlossen worden ist, ableiten, kann man nicht mehr ignorieren.
Ich bin außerordentlich darauf gespannt, was die verschiedenen Vertreter der Parteien und der Fraktionen in den nächsten Monaten in ihren Wahlprogrammen, in ihren politischen Aussagen für die Landtagswahl 2011
formulieren werden, welche Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge des Landes nicht mehr erledigt oder nicht mehr so gut erledigt werden sollen oder auf welche zumindest in der breiten Fläche verzichtet werden soll. - Darauf bin ich gespannt.
Ich prognostiziere eines: Das, was das Personalentwicklungskonzept 2009 jetzt noch qualitativ beinhaltet, wird niemand aus diesem Landtag in seine politische Agenda, in sein Landeswahlprogramm 2011 übernehmen - nicht bei der Schule, nicht bei der Polizei, nicht bei der Hochschule und auch nicht in vielen anderen Bereichen. Niemand wird diese Konsequenz als sein politisches Programm 2011 verkaufen.
Und weil das so ist, ist unsere inständigste Bitte: Lassen Sie uns heute ein Signal setzen, dass wir uns von diesem Personalentwicklungskonzept verabschieden und nicht erst in einem Jahr! Dann ist es nämlich zu spät.
Nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch darüber hinaus gibt es eine interessante politische Debatte über die Frage, ob die zentrale These vom schlanken Staat, die neoliberale These vom schlanken Staat wirklich eine Perspektive für diese Gesellschaft darstellt.
- Ja, das war zehn Jahre lang die heilige Kuh: Personalabbau, Personalabbau, Personalabbau. Die Götter waren der Kollege Seitz und wie sie alle heißen, und ihre Schriften sozusagen Common Sense. Glücklicherweise ist diese Gesellschaft aber lernfähig.
Ich sage dazu ausdrücklich: Im Westen weht der Wind inzwischen an verschiedenen Stellen aus einer anderen Richtung. Dort redet man inzwischen über die massenhafte Einstellung von Lehrern und auch von Personal in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, weil man sagt: Nein, Leute, so geht es nicht weiter. Wir sind nicht in der Lage, diese Dinge zu privatisieren. Wir müssen diese Aufgaben im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge durch einen starken Staat in hoher Qualität wahrnehmen. Das sind wir dieser Gesellschaft schuldig. - Da müssen wir hin, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es gibt inzwischen zwei interessante Koalitionsvereinbarungen, nämlich die aus Brandenburg und die aus Thüringen, in denen auf diesen neuen Wind ausdrücklich Bezug genommen wird. Die aus Brandenburg wird für den Kollegen Tullner nicht so wahnsinnig interessant sein, aber die Koalitionsvereinbarung aus Thüringen könnte auch für den Kollegen Tullner interessant sein. Was steht darin, falls Sie sie noch nicht gelesen haben?
Innerhalb der nächsten Legislaturperiode 2 500 neue Lehrer. Das bedeutet, dass die nicht nur darauf bestehen, den jetzigen Lehrerbestand in der laufenden Legislaturperiode zu halten, nein, sie wollen noch zusätzliches Arbeitskräftevolumen aufbauen, um über die Hungerjahre von 2015 bis 2020 im Bereich der Lehrer zu kommen.
Die gehen über ihren jetzigen Bestand hinaus, obwohl Thüringen das Land ist, das die beste Schüler-LehrerRelation in der gesamten Bundesrepublik Deutschland hat. Eine CDU-SPD-Regierung beschließt das und verabschiedet sich damit in diesem Bereich vollständig von der heiligen Kuh des Personalabbaus. Dafür haben Sie von uns ein dickes Lob verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Bereich der Polizei sieht es in Thüringen ähnlich aus. In diesem Bereich wird der Personalabbau erst einmal vollständig gestoppt.
Ich will noch kurz auf die Dinge eingehen, über die bei uns diskutiert wird. Sehen wir uns einmal das gültige Personalentwicklungskonzept an: Wir gehen im Bereich der Lehrer von etwa 14 500 Vollzeitlehrereinheiten aus, die etwa 170 000 bis 175 000 Schüler unterrichten müssen. Diese Schülerzahl haben wir im Jahr 2020 auch noch, aber im Personalentwicklungskonzept stehen nur noch 9 800 Vollzeitlehrereinheiten - ein Drittel weniger. Zwei Drittel der Lehrer sollen also die gleiche Zahl von Schülern unterrichten.
Wir wissen alle, dass das nicht geht. Jeder, der sagt, wir brauchen einen Schwerpunkt Bildung in diesem Landeshaushalt, jeder der darauf hinweist, dass wir an diesem Schwerpunkt nicht vorbeikommen, der muss bitte sagen: Diese Zahl im Personalentwicklungskonzept ist falsch. Sie muss jetzt revidiert werden - sofort! Jede andere Zahl ist unglaubwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nun könnte man sagen: Warten wir einmal die nächste Legislaturperiode ab. Vielleicht kriegen wir es dann hin.
Nein, so lange können und dürfen wir nicht warten, weil das Problem darin besteht, dass ich dann, wenn ich sie brauche, die Leute nicht haben werde. Jetzt müssen wir die Kapazitäten der Hochschulen des Landes für die Ausbildung von Lehrern erhöhen. Jetzt müssen wir die Zahl der Referendariatsstellen radikal erhöhen, was zum Teil schon passiert ist, um diesen Effekt eventuell ausgleichen zu können.
Ich sage aber auch ausdrücklich: Das demografische Fenster für solche Entwicklungen schließt sich im Wesentlichen in dieser Legislaturperiode, und das ist das Problem.
Wir werden diese Verluste nicht vollständig ausgleichen können - damit hätte man 2006 anfangen müssen -, sie aber möglicherweise ein Stück weit begrenzen können. Wir wissen, dass es in anderen Bereichen nicht anders ist. Es gibt im Hochschulbereich jetzt eine Vereinbarung, wonach etwa 42 000 Studenten das Potenzial des jetzigen Arbeitszeitvolumens ausmachten, das wir an den Hochschulen haben. Ja, Leute, es gibt aber zurzeit 52 000 Studenten! Wer wird denn ernsthaft davon ausgehen, dass wir in der nächsten Legislaturperiode die Zahl von 42 000 so unterschreiten, dass wir dort abbauen?
Zurzeit diskutieren wir über einen Personalabbau im Polizeivollzug, in dem zurzeit knapp 7 200 Beamte tätig sind. Dort soll der Personalbestand auf 5 400 Beamte gekürzt werden. Das macht ca. ein Viertel der Polizisten aus. Meiner Kenntnis nach gab es im Jahr 2009 jedoch zum ersten Mal die Situation, dass Überstunden an Poli
zisten ausgezahlt werden mussten, weil es nicht mehr möglich war, das über Freizeitausgleich zu realisieren - und das bei einem Viertel mehr, das wir bei nur gering abnehmender Bevölkerungszahl in Zukunft brauchen. Ich sage ausdrücklich: Da sind die Grenzen erreicht.
Rund 30 % Abbau in allen anderen Bereichen - wie es jetzt im Personalentwicklungskonzept steht - ist ohnehin völlig illusorisch. Das funktioniert definitiv nicht. Dann müssen wir aber auch so ehrlich sein, dies hier zu sagen.
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein Personalentwicklungskonzept des Landes Sachsen-Anhalt darf nicht mehr darüber entscheiden, wie schnell wir den öffentlichen Dienst abbauen. Ein Personalentwicklungskonzept muss eine zentrale neue Losung ausgeben: Junge Menschen, die hier qualifiziert werden, die eine Qualifikation für den öffentlichen Dienst besitzen, wollen wir hier halten. Jeder, der eine solche Qualifikation besitzt, soll in Sachsen-Anhalt eine Zukunft bekommen. Jeder, der sie in einem anderen Land realisiert hat und hierher zurückkommt, soll die Chance erhalten zurückzukommen.
Die zentrale Losung muss sein: Wir brauchen euch. Wir geben euch in unserem Landesdienst eine Chance, weil wir auf euch nicht verzichten können. - Das ist die neue Losung des Personalentwicklungskonzepts. Das brauchen wir schon im Jahr 2010, und das ist der Gegenstand unseres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sehr verehrter, lieber Kollege Gallert, es ist nicht neu, dass es eine gewisse Diskrepanz zwischen dem gibt, was die Fachressorts nach bestem Wissen und Gewissen errechnen, was bei gewisser Aufgabenerledigung an Personal wünschenswert ist, und dem, was auch nach bestem Wissen und Gewissen uns an globalen Kennziffern im Benchmark-Vergleich vorgerechnet wird, wie effektiv andere Länder offensichtlich in der Lage sind, Verwaltung bei ähnlicher Aufgabenstruktur zu organisieren. Diesen Widerspruch wird es auch in den nächsten Jahren geben, weil es methodisch zwei verschiedene Ansatzpunkte sind und man sehen muss, inwieweit man dort eine zumindest teilweise Konvergenz erreichen kann.
Ich frage Sie: Glauben Sie denn, dass uns die anderen Länder in der Finanzdiskussion - wir werden wahrscheinlich auch zukünftig auf Finanzhilfen angewiesen sein - daraus entlassen werden, dass wir nicht ernsthaft geprüft werden, wie effektiv wir unsere Landesaufgaben im Verhältnis zu anderen Flächenländern erledigen?
- Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Rede irgendjemanden in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen beeindruckt, der mit ähnlichen Finanzschwierigkeiten zu kämpfen hat. Der wird mit gutem Recht von uns verlangen, dass wir unsere Aufgabe erst dann als erfüllt ansehen, wenn wir unser Land genauso effektiv organisiert haben. Da helfen auch keine Brandreden.