Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Herr Gallert, es wärmt mein Herz, dass Sie sich auch um die Kollegen von der SPD kümmern.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Man hat eine soziale Ader, manchmal auch für die FDP!)

So viel Mitgefühl unter Kollegen ist sicherlich schön, aber ich glaube, dass die Fraktion der SPD groß genug ist und das nicht nötig hat. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Frau Hüskens, Herr Gürth möchte noch eine Frage stellen oder eine Zwischenbemerkung machen.

(Herr Gürth, CDU: Ich ziehe zurück!)

- Das hat sich erledigt. Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Nun hören wir Frau Take von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren. Nach dem Vortrag von Frau Bull möchte ich mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, mit einem Zitat beginnen. Dieses Zitat stammt aus der Ausgabe des „Flensburger Tageblatts“ vom 17. Februar 2010:

Vor jeder Debatte über die Auswirkungen des Karlsruher Urteils, vor jeder Untersuchung über das steigende Armutsrisiko sei festgehalten: Sowohl das allgemeine Wohlstands- als auch das Wohlfahrtsniveau in Deutschland liegen weltweit an der Spitze. Es herrschen weder soziale Kälte, noch ist die Not vieler Menschen, denen frag- und klaglos geholfen werden muss, mit der Armut vieler Menschen in anderen Ländern vergleichbar. Sozialer Friede kann nicht nur durch Einkommensdefizite gefährdet werden, sondern auch durch falsche Töne.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, solche Töne haben wir in der Rede von Frau Bull reichlich gehört. Ich gehe da nur von solchen Phrasen oder von solchen Wortstrukturen aus wie „flächendeckende Substrukturen für Menschen, die sich erstklassige Ware nicht leisten können“. Also wissen Sie, das schlägt dem Fass den Boden aus.

(Zuruf von der CDU: ja!)

Ich denke einmal, wir sollten uns selbst bemühen, eine solche Wortwahl zu vermeiden.

(Zuruf von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Mein Enkelkind lag in dem Stubenwagen, in dem schon meine Kinder lagen, und sitzt heute in dem Hochstuhl, in dem ich vor 60 Jahren schon saß.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das sind jetzt aber Kroko- dilstränen, Frau Kollegin! - Zurufe von der CDU)

- Nein, nein, Frau Bull. Das geht noch weiter. - Sie sprechen von „subtilem Hochmut“ der Leute, die sich um die Hartz-IV-Empfänger kümmern müssen. Ich glaube, das ist nicht subtiler Hochmut, sondern da ist auch ein bisschen Scham dabei, dass sie nicht besser helfen können.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE - Zuruf von der CDU: Sie müssen mit Ihrem Hochmut mal in Tschechien auftreten!)

Ich denke einmal, man sollte ganz genau aufpassen, was man da sagt.

Sie fordern in Ihrem Antrag eine schrittweise Erhöhung des Eckregelsatzes auf 500 €. Dies hat der Bundesgerichtshof ohne fundierte Ermittlung bereits als unzulässig verworfen. Frau Hüskens hat es Ihnen vorgerechnet, wie viel jemand, der arbeitet, haben müsste, um auf das Geld zu kommen, das ein Hartz-IV-Empfänger erhält, wenn Sie diese Forderung durchsetzen wollen.

Haben Sie schon einmal berechnet, mit wie viel mehr die Gesellschaft aufwarten muss, wie viel mehr die Gesellschaft erwirtschaften muss, um Ihre Vorstellungen umzusetzen?

(Zuruf von der LINKEN: Das ist ja das Schlimme!)

Haben Sie auch schon einmal daran gedacht, wie der arbeitende Teil der Bevölkerung solche Segnungen des Sozialstaates sieht?

In diesen Tagen führen wir, und zwar völlig zu Recht, eine breite Diskussion darüber, ob wir uns den Sozialstaat auf Dauer so leisten können. Es ist endlich eine Diskussion über Gerechtigkeit und Solidarität zwischen denen entbrannt, die das System durch ihrer Hände Arbeit tragen, und denen, die durch dieses System unterstützt werden.

Deutschland zählte im Jahr 2009 40,6 Millionen Arbeitnehmer, von denen nur 27,4 Millionen Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt waren. Hinzu kommen 4,2 Millionen Selbständige. Diese kleine Gruppe erwirtschaftet den Wohlstand und die soziale Sicherheit für 82 Millionen Bundesbürger.

(Zustimmung bei der CDU)

45 % des Bundeshaushalts werden mittlerweile für Sozialleistungen ausgegeben. Rechnet man noch die Zinsen für die Schulden, die gemacht werden müssen, hinzu, sind es 60 % des Gesamtetats.

(Zuruf von Herrn Höhn, DIE LINKE)

- Das hat damit nichts zu tun, Herr Höhn. Das wissen Sie ganz genau.

Das alles reicht aber der LINKEN nicht aus. Sie heizen mit Ihrem Antrag erneut eine unsachliche, eine unfaire Neiddebatte an und schüren Ängste in der Bevölkerung. Aber Sie zeigen den Hilfeempfängern keinen Weg, wie sie aus der Misere herauskommen können, was sie tun können, um mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihr Brot zu erwerben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zurufe)

Wenn Sie mit Ihrer Umverteilungspolitik so weiter machen, dann wird der normale Steuerzahler bald selbst zum Sozialfall.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Ph!)

Denken Sie daran, meine Damen und Herren von der LINKEN: Ihre Vorgängerpartei hat mit dieser Politik schon einmal einen Staat gegen die Wand gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Sie schicken sich an, Steuern zahlende Arbeitnehmer gegen Hartz-IV-Empfänger auszuspielen. Das ist nicht unsere Politik. Das ist nicht die Politik der CDU.

Wir stehen für Leistung und Gegenleistung. Unser Ziel ist es, Menschen in Arbeit zu bringen; unser Ziel ist nicht, Arbeitslosigkeit zu verwalten. Wir stehen dafür, dass sich Leistung lohnen muss und der besser gestellt sein muss, der sich morgens den Wecker stellt und für seinen Broterwerb 40 Stunden lang fleißig arbeitet.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Wir sollten uns weniger Gedanken über die Höhe der Transferleistungen machen, sondern eher darüber, wieder mehr Menschen in Lohn und Brot zu bringen.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

- Ja, natürlich. Das weiß ich, Herr Dr. Thiel, dass Sie damit d’accord gehen. - Nur dann ermöglichen wir wieder Teilhabe. Dann können die Menschen auf sich und auf ihre Arbeit wieder stolz sein.

Nur so, meine Damen und Herren, können Eltern Vorbild für ihre Kinder werden; denn nur durch Arbeit kommt man aus Hartz IV heraus. Das ist unstrittig, und zwar, wie ich denke, in allen Parteien.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen Unternehmergeist und Verantwortung belohnen. Wir wollen diejenigen unterstützen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihren Arbeitsplatz verloren haben. Wenn es für den Einzelnen keinen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt - darauf hat unser Minister schon hingewiesen -, dann gibt das Modell der Bürgerarbeit diesen Menschen die Möglichkeit, ihren Einsatz für die Gesellschaft zu bringen, indem sie gesellschaftlich tätig sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Hartz IV ist ein Arbeitsmarktinstrument mit einem unverdient schlechten Ruf. Sie, die SPD, haben mit den Grünen dieses Gesetz installiert. Das war im Grunde genommen richtig.

Wir sind nach der Einführung dieses Hartz-IV-Gesetzes von einer Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen ausgegangen. Heute sind wir bei 3,8 Millionen Arbeitslosen. Das heißt, dieses Gesetz hat Wirkung gezeigt. Das kann ich begrüßen, auch wenn wir damit nicht immer die Wirkung erreichen, die Vollzeitbeschäftigung zu sichern. Aber jeder Mensch, der arbeitet, ist besser dran als derjenige, der nur von Hartz-IV-Leistungen lebt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Sie haben Menschen durch das Gesetz, das Sie gemacht haben, die Möglichkeit gegeben, wieder in den Arbeitsprozess hineinzukommen. Das war nämlich den Sozialhilfeempfängern verwehrt. Die Sozialhilfeempfänger standen in dem Amt vor einem Beamten, der nach

Gutdünken entscheiden konnte und gesagt hat: Na gut, der kriegt eine Waschmaschine oder er kriegt keine. Dieses Gesetz stellt alle Menschen auf eine Stufe, es gibt ihnen die Möglichkeit, gefördert zu werden und dabei auch gefordert zu werden.