Vielen Dank, Herr Minister Bischoff. - Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Ich erteile Frau Dr. Hüskens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir machen heute gleich weiter mit relativ konsensfähigen Gesetz
entwürfen. Über den Gesetzentwurf ist zumindest von den behindertenpolitischen Sprechern schon mehr als einmal mit dem Behindertenbeirat diskutiert worden, sodass wir die Genesis alle sehr gut kennen.
Für uns als Liberale sind natürlich die Begriffe „Inklusion“ und „Barrierefreiheit“ die beiden zentralen Punkte in diesem Gesetzentwurf. Ich glaube, dass das, was die Landesregierung hier vorlegt ist, sozusagen so etwas wie der Stand der Gesetzgebung ist, wenn es das geben würde.
Die von der Bundesgesetzgebung ausgehenden Anregungen und das, was in einigen anderen Bundesländern inzwischen vorgelegt worden ist, ist übernommen worden. Es ist, wie ich finde, zu einem guten Gesetzentwurf zusammengefügt worden.
Für mich ist nach der Debatte, die wir im Sozialausschuss hatten - nicht mit dem Sozialressort, sondern mit dem Kultusressort und einigen anderen Ressorts -, wichtig, dass wir im Gesetz eine ganz klare Definition haben, was Barrierefreiheit ist. Denn wir haben immer wieder mit dem Problem zu tun, dass man Barrierefreiheit auf das selbstverständlich wichtige Thema verkürzt, ob etwa ein Gebäude für Rollstuhlfahrer zugänglich ist oder nicht. Das ist wichtig, das ist ein Punkt, den wir dringend im Auge behalten müssen, aber es ist nicht der einzige Punkt.
Wir haben festgestellt, dass in diesem Punkt das Problembewusstsein schon vorangeschritten ist. Aber bei sinnesbehinderten Menschen sind viele der Auffassung, dass man vor unüberwindbaren Hindernissen steht. Das gilt etwa für den Bereich der Gebärdensprachdolmetscher, das gilt für technische Ausrüstungen von Gebäuden sowohl in der Schule als auch in der Hochschule, das gilt für Behördengänge, wo nach wie vor keine Barrierefreiheit gegeben ist, sondern Menschen mit entsprechenden Behinderungen auf Angehörige und Freunde angewiesen sind, wenn sie Behördengänge machen wollen. Ich glaube, das ist etwas, was man in der modernen Gesellschaft so nicht mehr zulassen kann.
Wichtig ist auch der Bereich der Kommunikation. Der Minister hat es schon angedeutet. Wir müssen berücksichtigen bzw. akzeptieren, dass bei einem Menschen, der in Bezug auf das Hören eine Beeinträchtigung hat, die Sprechfähigkeit beeinträchtigt sein kann. Es kann nicht sein, dass wir einfach sagen: Jemand, der nicht hört, kann eine Internetseite ganz normal nutzen. Das ist nicht in allen Fällen so. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir gerade im Bereich der öffentlichen Hand dafür Sorge tragen, dass entsprechende Angebote im Internet barrierefrei sind und den Standards in diesem Bereich entsprechen.
Das sind aus unserer Sicht die wesentlichen Aspekte. Die Änderungsanträge, die von der Fraktion DIE LINKE eingebracht worden sind, sind im Vorfeld schon diskutiert worden. Es wird vor allem eine finanzielle Frage werden, was man auf der einen Seite den Kommunen vor dem Hintergrund der derzeitigen schwierigen finanziellen Lage zumuten kann und was auf der anderen Seite das Land bringen kann, was die Monitoringstelle anbelangt.
Vielleicht sollten wir auch diskutieren, ob es in diesem Bereich nicht schlecht wäre, wenn wir eine Monitoringstelle außerhalb des Landes hätten, ob sich mehrere Bundesländer auf eine Monitoringstelle einigen könnten. Vielleicht wäre das eine Institution, mit der wir eine Kon
trolle bekommen könnten, die außerhalb der üblichen Landesverwaltung und der Landeshierarchie steht. Das ist ein Aspekt, den wir im Ausschuss diskutieren müssen. Aber ich bin mir sicher, dass wir in den betroffenen Ausschüssen entsprechende Lösungen finden können, die wir alle für tragfähig halten.
Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen und bin mir sicher, dass wir dieses Gesetz dann zeitnah verabschieden können. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Nun erteile ich Herrn Schwenke das Wort, der für die CDU-Fraktion spricht. Bitte, Herr Schwenke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir vor meinen Ausführungen zum Gesetz aus aktuellem Anlass einen kurzen Abstecher nach Kanada zum olympischen Behindertensport. Wir können glücklicherweise - damit ist das auch schon gesagt - die derzeitigen Paralympischen Winterspiele live im Fernsehen verfolgen und das noch mit großartigen Erfolgen und Leistungen deutscher Sportlerinnen und Sportler. Da freut es mich als Magdeburger ganz besonders, dass Magdeburg jetzt zur Wintersporthochburg wird und dass eine Sportlerin des USC Magdeburg, Andrea Eskau, gestern eine Bronzemedaille im Biathlon 10 km sitzend erringen konnte. Von dieser Stelle herzlichen Glückwunsch und einen Applaus für diese Leistung.
Nun zurück zu dem eigentlichen Anlass, dem Behindertengleichstellungsgesetz. Herr Minister Bischoff, vielen Dank für Ihre umfänglichen Ausführungen zum Behindertengleichstellungsgesetz. Frau Dr. Hüskens hat schon einiges von dem gesagt, was ich auch sagen will. Man könnte fast versucht sein zu sagen, es ist alles gesagt und ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Noch viel lieber wäre es mir allerdings, ich könnte sagen, wir brauchen ein solches Gesetz gar nicht, weil in unserem Land die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so selbstverständlich sind, dass wir gesetzliche Vorschriften nicht nötig haben. Da dies aber leider noch nicht der Fall ist, halten auch wir das Gesetz für richtig und wichtig. Deshalb auch von mir einige wenige, kurze Ausführungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Als das Behindertengleichstellungsgesetz im Jahr 2001 beschlossen wurde, war Sachsen-Anhalt neben Berlin Vorreiter in Deutschland. Nach inzwischen neun Jahren Praxis des Gesetzes in unserem Bundesland, nach Beschluss des Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen im Jahr 2002 und nach dem innerstaatlichen Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2009 - wir diskutierten mehrfach darüber - ist nun eine Novellierung unseres Landesgesetzes angezeigt.
Dieser Gesetzentwurf liegt uns jetzt vor. Besonders erfreulich ist, dass in diesem Gesetzentwurf viele Vorschläge des Landesbehindertenbeirats, die in Zusammenarbeit mit dem Landesbehindertenbeauftragten ent
standen sind, Berücksichtigung finden. Da der Behindertenbeirat quasi Initiator der Novellierung dieses Gesetzes ist, auch von mir von dieser Stelle aus herzlichen Dank für das engagierte, fachlich fundierte und konstruktive Arbeiten an alle Mitglieder dieses Gremiums.
Da ich eine intensive Diskussion des Gesetzentwurfs im Ausschuss erwarte, möchte ich heute nur auf zwei inhaltliche Aspekte hinweisen. Interessanterweise sind das ähnliche wie schon im Vorfeld benannt.
Besonderes Augenmerk muss bei dem Theama „Barrierefreie Infrastruktur“ neben dem barrierefreien Bauen und Wohnen - da ist schon sehr viel erreicht worden - zukünftig auf die barrierefreie Kommunikation und Information gerichtet werden. Da freut es mich sehr, dass besonders in den §§ 6 und 13 bis 15 diese Notwendigkeiten geregelt sind.
Ein weiterer Diskussionspunkt - das zeigt der Änderungsantrag der LINKEN - wird sicherlich die Vertretung der Behinderten auf kommunaler Ebene sein. Auf Landesebene sind wir da - ich erwähnte es bereits - mit Behindertenbeauftragten, Behindertenbeirat und Rundem Tisch hervorragend aufgestellt. Im kommunalen Bereich gibt es meines Wissens in jedem Landkreis, in jeder kreisfreien Stadt Behindertenbeauftragte, teilweise hauptamtlich, teilweise ehrenamtlich.
Es gibt allerdings nachvollziehbare Gründe, wie etwa das Konnexitätsprinzip, eine generelle Hauptamtlichkeit nicht im Gesetz festzuschreiben. Wenn ich ganz ehrlich bin, gehe ich auch nicht von einer Änderung des Gesetzes an dieser Stelle aus. Aber ich möchte schon auf die erfolgreiche Arbeit hauptamtlicher Behindertenbeauftragter verweisen. Ich kann alle Kreistage bzw. Stadträte und auch die Kommunalaufsicht in Zeiten komplizierter Haushaltssituationen nur bitten, wohlwollend zu prüfen, ob die Bestellung einer hauptamtlichen Beauftragten/eines hauptamtlichen Beauftragten nicht doch freiwillig leistbar ist. - So viel dazu heute von mir.
Als Letztes von mir der Hinweis - das sage ich zu diesem Thema immer wieder -, dass Gesetze das eine sind, dass aber Sachsen-Anhalt erst dann wirklich barrierefrei ist, wenn auch die Barrieren in den Köpfen aller Menschen abgebaut sind. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!
Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Soziales und freue mich auf eine konstruktive und interessante Diskussion in selbigem. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwas mehr als zehn Jahren hat die damalige PDS-Fraktion ihren Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in den Landtag eingebracht. Unsere Fraktion war damals als tolerierende Fraktion aktiv in den Prozess der Erarbeitung eingebunden. Wir haben damals vor allem mit der SPD intensiv um Inhalte und Formulierungen gestritten.
Bei einer Reihe von Regelungen haben wir uns nicht durchsetzen können, beispielsweise mit dem Vorschlag für eine regelmäßige Berichterstattung des Beauftragten im Landtag. Das ist nunmehr in dem vorliegenden Entwurf geregelt. Das heißt, es hat ein Lernprozess stattgefunden und die Gesellschaft ist fortgeschritten. Das Bewusstsein für die Belange behinderter Menschen, für deren Anspruch auf Selbstbestimmung und Normalität in den Lebensbedingungen hat sich in der Gesellschaft schon etwas gewandelt, auch wenn wir als Betroffene immer noch erhebliche Defizite sehen.
Jeder Mensch mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung, der darauf aus ist, seine Ansprüche auf Selbstbestimmung und Teilhabe außerhalb eingefahrener Gleise umzusetzen, kennt die Barrieren, die von Bürokratie, von Baulichkeiten, von Ignoranz und Unkenntnis aufgetürmt werden. Diesbezüglich muss es einen Wandel geben. Vielleicht wird dieser Wandel befördert, wenn künftig ein Mal in jeder Legislaturperiode der Bericht des Behindertenbeauftragten im Landtag diskutiert wird.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die seit einem Jahr auch hier gilt - der Minister erwähnte es -, hat Grundlagen für ein neues Herangehen festgeschrieben. Das geltende Recht im Land muss entsprechend angepasst werden. Diese Anpassung versucht die Landesregierung mit diesem Entwurf in Angriff zu nehmen.
Festzustellen ist, dass der Weg auch dieses Gesetzentwurfs nicht mit weniger Kampf verbunden war als der Weg des Gesetzes vor zehn Jahren, wie wir als behindertenpolitische Sprecher aus mehreren Beratungen des Landesbehindertenbeirats wissen. Insofern gilt dem Landesbehindertenbeirat auch Dank, dass auf seine Initiative hin dieser Gesetzentwurf entstanden ist.
Natürlich gibt es weiterhin Kritikpunkte und Forderungen, die in diesem Entwurf nicht ausreichend geregelt sind. Trotzdem sind einige Forderungen, die vor zehn Jahren noch nicht durchsetzbar waren, heute im Entwurf schon etwas deutlicher enthalten. Das betrifft vor allem die Einführung eines ganzen Abschnitts zur Barrierefreiheit mit Regelungen für die Teilhabe am politischen Leben, an Kommunikation und Informationstechnik und der Möglichkeit des Abschlusses von Zielvereinbarungen. Barrierefreiheit etwa bei Formularen ist ein hoher Anspruch. Wenn wir das wenigstens schrittweise umsetzen könnten, wäre das schon ein sehr großer Erfolg.
Nach wie vor ist jedoch zu kritisieren, dass in § 12, der die Herstellung von Barrierefreiheit im Bau- und Verkehrsbereich regelt, die Forderung nach konsequenter Anwendung der einschlägigen DIN-Normen wieder nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es gibt eine sehr weiche Formulierung in Absatz 2, die mit den Schlupflöchern in der Landesbauordnung korrespondiert. Sie ermöglicht es, dass bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten die Träger der öffentlichen Verwaltung die Norm nur so weit wie möglich anwenden sollen. Man kann sich also wieder mit vielen mehr oder weniger stichhaltigen Gründen vor der Umsetzung der Barrierefreiheit drücken. Der Behindertenbeirat hatte hierzu andere Vorstellungen vorgelegt.
Erneut ist der Einsatz hauptamtlicher kommunaler Behindertenbeauftragter nicht zur Zufriedenheit der Betroffenen geregelt, und das, obwohl sich in vielen Kommunen bereits hauptamtlich tätige Beauftragte bewährt haben. Sie haben den Kommunen nicht nur Personalkosten verursacht, sondern mit ihrer Tätigkeit bei der Schaf
fung von Barrierefreiheit auch viele Umbau- und Folgekosten verhindert und für mehr Lebensqualität aller Menschen gesorgt. Zugleich ist festzustellen, dass die meisten der hauptamtlich Beauftragten nur anteilig für den Bereich der Behindertenpolitik zuständig sind.
Wenn ich mir einen Blick auf die demografische Entwicklung erlaube und dabei feststelle, dass viele Kommunen zur Barrierefreiheit getragen bzw. gescheucht werden müssen, dann halte ich es nach wie vor für notwendig, so etwas hauptamtlich zu tun, es sei denn, die kommunalen Spitzenverbände erkennen in diesem Bereich endlich ihre Verantwortung.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, in diesem Gesetz Regelungen zu treffen, die in allen Landkreisen und kreisfreien Städten - in Magdeburg und Halle ist dies seit vielen Jahren der Fall - die Bestellung hauptamtlicher Behindertenbeauftragter sichern. Über die konkreten Modalitäten der Finanzierung sollte im Gesetzgebungsverfahren beraten werden.
Ein letzter Kritikpunkt betrifft § 10 bezüglich der Bildung. Das reicht nicht. Es ist eine Zeitschiene einzubauen, bis wann die entsprechenden Regelungen umzusetzen sind, denn alle Erfahrungen - gerade der letzten Jahre - zeigen, wie integrations- bzw. inklusionsfreudig - in Anführungszeichen - unser Schulsystem ist. Hier ist Druck notwendig, wenn wir reale Fortschritte erreichen wollen.
Noch ein Satz zu den Änderungsanträgen. Wir möchten, dass ihr Inhalt bereits in den Anhörungen explizit zur Diskussion gestellt wird. Einen Grund habe ich eben angeführt. Für die Monitoringstelle bleibt keine Zeit. Die Begründung ist nachzulesen. Die unterbreiteten Vorschläge wären zu überlegen. Ich glaube, dass es notwendig ist.
Ein letzter Satz, und zwar zu den Paralympics: Es ist richtig, was gesagt wurde: In der „Tagesschau“ bzw. in der „heute“-Sendung musste man vor vier Jahren noch nach solchen Meldungen suchen. Aber es ist auch heute noch kein Vergleich mit der Berichterstattung über die Olympischen Winterspiele. Es ärgert mich, dass der MDR federführend ist und genau hier eine neue Chance zur offensiven Darstellung, was behinderte Menschen leisten können, vergeben hat.
Die Berichterstattung läuft von 10.30 Uhr bis 11 Uhr und nach 22.30 Uhr. Das tut mir einfach leid. Ich möchte Andrea Eskau und Herrn Braxenthaler sehr herzlich gratulieren. Ich kenne sie persönlich.
Ein letzter Satz: Nicht nur der Sozialausschuss, sondern auch der Innenausschuss sollte einbezogen werden. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Zum Schluss der Debatte hören wir den Beitrag der SPD-Fraktion, für die Frau Dr. Späthe spricht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Dass parallel zu den Paralympics hier in diesem Hohen Haus die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes beraten wird, finde ich ausgesprochen sympathisch. Andrea Eskau müssen in
Vancouver die Ohren klingen. Auch von uns die herzlichsten Glückwünsche zu ihrer taufrischen Bronzemedaille!