Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

Wir wissen, dass derzeit schon 15 Milliarden € für die Finanzierung der GKV in den Bundeshaushalt eingestellt werden, um die Beitragssätze nicht noch weiter erhöhen zu müssen. Wir sind uns darüber einig: Die Lohnnebenkosten dürfen nicht weiter steigen.

Blicken wir 30 Jahre zurück, stellen wir fest, dass wir damals Lohnnebenkosten bzw. einen GKV-Anteil von zirka 9 % hatten. Heute beträgt der GKV-Anteil 14,9 %. Die Steigerung darf auf keinen Fall so weitergehen. Hier müssen wir gegensteuern. Dies kann nur geschehen, indem wir die Steuersäule heranziehen, um das entsprechend auszugleichen. Fest steht: Wir dürfen die Lohnnebenkosten - das ist richtig - nicht weiter ansteigen lassen.

Wir können darüber im Ausschuss gern weiter diskutieren. Das wird ein spannendes Thema sein, weil in Berlin noch nicht klar ist, wohin die Reise letztlich geht.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Brumme. Möchten Sie Fragen beantworten? Frau Dr. Hüskens und Herr Wolpert möchten Fragen stellen.

Ja. Das habe ich mir gedacht.

Bitte schön, Frau Dr. Hüskens.

Herr Brumme, ich habe eine kurze Frage, weil Sie von einem Regierungsmodell gesprochen haben. Könnten Sie das Regierungsmodell, das Sie jetzt vor Augen haben, mal kurz skizzieren?

Das Regierungsmodell, das ich jetzt vor Augen habe? - Ich sehe es so, dass die derzeitige Konstruktion mit dem Gesundheitsfonds und dem dort enthaltenen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich als Kernelement erhalten bleiben soll. Es ist richtig, wir müssen die Steuersäule heranziehen, damit der Beitragssatz nicht weiter steigt. Mit der Einstellung von 15 oder 16 Milliarden € in den Bundeshaushalt ist schon ein Anfang gemacht worden.

Wir werden das allerdings aufgrund der Haushaltslage nicht auf 30, 40 oder 50 Milliarden € treiben können, was bei der Gesundheitsprämie notwendig wäre, wenn letztlich 170 € oder 150 € - es sind unterschiedliche Sätze,

die von den Experten genannt worden sind - bei den Bedürftigen ausgeglichen werden müssten.

Eine weitere Frage hat Herr Wolpert. Bitte schön.

Das Bild, das Sie mit Bismarck gewählt haben, ist ein bisschen schräg. Das Solidarprinzip hat er von Sozialdemokraten getrieben eingeführt.

Meine Frage: Ist das, was Sie in Ihrer Rede vorgetragen haben, die Meinung Ihrer Fraktion oder Ihre Meinung?

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Als Fachpolitiker hat man die Aufgabe, bestimmte Dinge fachlich zu begleiten und diese in der Fraktion vorzutragen, was ich auch getan habe. Die Fraktion hat die einhellige Meinung bekundet, dass sie das System mittragen kann, das ich vorgetragen habe.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Brumme. - Nun bitte Frau Dr. Hüskens. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Brumme, man merkt ein bisschen, dass im Augenblick in der CDU jeder erzählt, was er möchte, und alle machen mit.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich möchte zunächst auf einen anderen Punkt eingehen, den Frau Penndorf etwas zaghaft angesprochen hatte. Es geht um die Frage: Dürfen wir in diesem Parlament überhaupt über so etwas wie die Kopfpauschale sprechen?

(Zurufe von Frau Dirlich, DIE LINKE, und von Frau Bull, DIE LINKE)

In einer Pressemitteilung eines anderen einzelnen CDUAbgeordneten war zu lesen, dass wir das nicht dürfen.

(Zurufe von Frau Dirlich, DIE LINKE, und von Frau Bull, DIE LINKE)

Auch wenn es jetzt fast 19 Uhr ist und der einzelne Herr schon seit heute Mittag nicht mehr bei uns ist - so kurz können wir eine Parlamentssitzung gar nicht machen -, möchte ich ihn trotzdem zitieren. Auf eine Vorhaltung von Frau Klein hat er im Parlament gesagt, dass es die Länder seien, die sich den Bund hielten, und dass die Länder deshalb alles interessiere, was der Bund tue und was er vor allem zulasten der Länder mache.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass das etwas ist, was auch die Länder finanziell betreffen würde. Um im Duktus von Herrn Böhmer zu bleiben, sage ich darüber hinaus: Es sind die Parlamente, die sich eine Regierung halten, und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Frau Penndorf, von daher ist das ein Thema, über das wir nicht nur reden dürfen, sondern über das wir meiner

Meinung nach sogar reden müssen. Es hat mich in den letzten Jahren maßlos geärgert, dass wir eines der wenigen Landesparlamente sind, die heute noch nicht genau wissen, welche Auswirkungen die letzte Gesundheitsreform für unser Bundesland hat.

Wir haben immer noch keine genauen Zahlen. Haben die Ärzte jetzt wirklich mehr verdient oder haben sie weniger bekommen? Wie viel mehr oder weniger haben die Krankenhäuser bekommen? Ich weiß, dass sich Frau Kuppe damals bemüht hat, uns die entsprechenden Zahlen zu besorgen; aber wir haben nie Klarheit gehabt. Ich denke, diesbezüglich bin ich voll bei Ihnen: Das sollte es bei der nächsten Gesundheitsreform nicht geben.

(Beifall bei der FDP)

Zu dem Einverständnis zwischen den Fraktionen auf Bundesebene: Ich muss offen gestehen, ich habe für die CSU wahnsinnig viel Verständnis, dass sie sich schwer tut, sich von diesem Modell zu verabschieden. Ich weiß nicht, ob Sie sich entsinnen: Herr Seehofer hat die Nacht, in der er das Ganze mit Frau Schmidt verhandelt hat, als die schönste Nacht in seinem Leben bezeichnet. Gut, das sind Erinnerungen, von denen man sich halt nicht so gern trennt.

(Zustimmung bei der FDP - Herr Scharf, CDU: Vielleicht gibt es noch andere Gründe!)

Was die CDU anbelangt: Die Kopfpauschale ist Ihre Idee; die kommt von Ihnen. Es gibt bei der FDP unterschiedliche Finanzierungsmodelle und Berechnungen. Herr Brumme, wenn Sie anderer Auffassung gewesen wären und sich in Ihrer Fraktion hätten durchsetzen können, wären wir sicherlich auch einen anderen Weg mitgegangen.

Wichtig ist nur eines, und diesbezüglich will ich allen Gerüchten vorbeugen: Unser derzeitiges System funktioniert vielleicht noch für uns, aber in der Zukunft wird es nicht mehr funktionieren. Ich glaube, es gibt niemanden, der daran zweifelt. Wir alle werden, wenn wir ein paar Jahre älter sind, dieses System nicht mehr finanzieren können, weil es zu stark auf einem demografischen Faktor aufbaut. Das muss man ehrlicherweise sagen. Es wird zukünftig nicht mehr funktionieren. Wir brauchen ein neues Finanzierungssystem. Ich denke, es ist durchaus erlaubt, sich andere Systeme auszudenken. Diesbezüglich bin ich sehr nah bei der CDU.

(Herr Scharf, CDU: Wir müssen besser sein!)

- Herr Scharf, ich bin sehr optimistisch, dass die CDU den Parteitagsbeschluss über mehrere Jahre x-mal diskutiert und geprüft hat und dass dies sicherlich ein besserer Vorschlag ist als der, den andere Parteien vor Ihnen gemacht haben. Sonst hätten Sie bei den Koalitionsverhandlungen sicherlich nicht solchen Druck gemacht und das unbedingt haben wollen.

(Herr Wolpert, FDP: Seit 2003!)

Darin bin ich mir ganz sicher. Deshalb werden wir diesen Weg auch gemeinsam gehen.

Ich möchte aber noch einen Punkt anmerken. Ich finde schon, dass es fair wäre, eine Kommission erst einmal mit der Arbeit beginnen zu lassen. Wir kennen das doch alle: Natürlich versucht man, den einen oder anderen ordentlich zu treiben, indem man die Diskussion erst einmal anheizt. Es ist über 500 € Beitrag gespro

chen worden, inzwischen spricht man über 29 € als Einstieg.

Welcher Betrag es letztlich sein wird, werden wir sehen. Wir werden auch sehen, in welcher Art und Weise der Steueranteil hinzukommt. Ob das ein Einzelantragsverfahren sein wird oder ob vieles von diesen Dingen über die Lohnsteuer ablaufen wird, wissen wir nicht. Das sind Diskussionen, die wir diese Regierungskommission erst einmal führen lassen sollten.

Ein weiterer Punkt betrifft die Solidarität. Wenn wir bei anderen Versicherungsformen, bei denen die Versicherten am Ende das Gleiche herausbekommen, auch unter diesem Gesichtspunkt diskutieren würden, dann könnte man sagen: Okay, das ist in Deutschland so.

Aber die GKV ist die einzige Versicherung, bei der man gehaltsbezogen einzahlt - übrigens nicht in Gänze gehaltsbezogen; denn es gibt eine Kappungsgrenze, und diejenigen, die darüber hinaus verdienen, müssen nicht mehr zahlen; es gibt eine ganze Reihe von Merkwürdigkeiten -, bei der aber am Ende alle die gleiche Leistung erhalten. Bei allen anderen Versicherungen richtet sich der Beitrag nach dem Risiko oder der Höhe der Versicherungssumme. Deshalb muss ich sagen: Unsozial ist das zunächst einmal nicht.

Die CDU hat einen Entwurf erarbeitet, in dem der solidarische Ausgleich über die Steuern erfolgen soll. Ein solidarischer Ausgleich über Steuern ist meiner Meinung nach das Gerechteste, was es überhaupt gibt. Denn dabei wird nicht nur das direkte Einkommen veranlagt, sondern auch das Vermögen und alle anderen Einkommensarten, die Sie vielleicht aus Kapitaleinkünften oder anderen Dingen haben.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Gerechter geht es überhaupt nicht, sofern man davon ausgeht, dass das deutsche Steuerrecht in irgendeiner Form zu Gerechtigkeit führt. Also, mehr geht gar nicht.

(Frau Budde, SPD: Mehr Ungerechtigkeit!)

- Gut, Frau Budde, wenn wir über Steuerreformen reden würden, dann wären Sie auch nicht bei mir. Daher, so denke ich, nehmen wir das als gesetzt an.

(Frau Budde, SPD: Ich habe nur gesagt, dass es nicht zu mehr Gerechtigkeit führt, sondern zu Ungerechtigkeit!)

Ich möchte noch einmal auf die Vergleiche mit anderen Staaten hinweisen. Das deutsche Gesundheitssystem hat sich bezüglich der Kosten deutlich intensiver entwickelt als das schweizerische und das niederländische. Natürlich gibt es auch dort Dinge, die sicherlich nicht so sind, wie man es sich überlegt hat. Aber auf der anderen Seite sichern beide Staaten ihren Bürgern ein hochwertiges Gesundheitssystem, und das ist das, was auch wir wollen