Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Lüderitz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Um gleich zwei Vorwürfe, die bestimmt kommen werden, von vornherein auszuräumen. Zu dem ersten möglichen Vorwurf: Ja, es gibt einen fast wortgleichen Antrag in Brandenburg; dieser wurde am 25. Februar 2010 mit großer Mehrheit beschlossen. Zu dem zweiten möglichen Vorwurf: Nein, wir haben nicht nur die Braunkohle im Fokus, wie es die Brandenburger gemacht haben; es geht uns um etwas mehr.

Wir wollten mit diesem Antrag Minister Haseloff auch die Möglichkeit bieten, mit einem linken Wirtschaftsminister gemeinsam eine Bundesratsinitiative zu starten. Ich denke, das wäre einmal ein gutes Signal in dieser Bundesrepublik.

Worauf dieser Antrag abzielt, erschließt sich aus dem Antrag selbst und aus der Begründung dazu. Es geht schlicht und einfach um die Veränderung der so genannten Rohstoffsicherungsklausel im Bundesberggesetz. Dazu zitiere ich als Erstes § 48 des Bundesberggesetzes:

„Unberührt bleiben Rechtsvorschriften, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind.“

Jetzt kommt der wesentliche Satz:

„Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt wird.“

Diese Abwägungsmaxime wird dann in den folgenden Paragrafen, die sich unter anderem mit den Betriebsplänen befassen, lückenlos aufgenommen und bestimmt die weiteren gesetzlichen Vorgaben des Bundesberggesetzes.

Dies bedeutet ganz einfach, dass bei besonders geschützten Gebieten kein absolutes Aufsuchungs- oder Gewinnungsverbot besteht. Vielmehr ist - im Vergleich zu anderen Abwägungsverfahren umgekehrt - die Verträglichkeit mit dem Rohstoffabbau vorrangig zu prüfen und möglichst zu erreichen. Die Verwaltung, das Bergamt, muss ein Optimierungsgebot im Sinne der Rohstoffsicherung und des Abbaues umsetzen.

Das so berühmte Nachhaltigkeitsdreieck ist im Bundesbergrecht nicht existent. Eine gleichrangige Abwägung zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten erfolgt somit nicht. Es steht an erster Stelle die volkswirtschaftliche Abwägung, an zweiter Stelle die Abwägung direkt betroffener Eigentümer und an dritter Stelle die fachgesetzliche Abwägung unter der genannten Rohstoffsicherungsklausel bis hin zu dem bereits gestern diskutierten Naturschutzgesetz.

Hier setzt unser Antrag an. Wir wollen in diesem Bundesberggesetz eine nachhaltige Prüfklausel verankern. Das heißt einerseits die gleichrangige Berücksichtigung aller anderen Fachgesetze. Aus meiner Sicht habe ich dabei den Naturschutz als erstes im Auge. Das heißt auch, die komplette Anerkennung von Schutzgebietsklauseln, insbesondere im FFH-Bereich, als Abwägungsgrundsatz zu verankern. Das heißt die Einbeziehung von bürgerlichem Engagement und gemeindlichen Interessen, die Mitsprachemöglichkeit bei Aufsuchung, Gewinnung und Betriebsplangenehmigungen der örtlichen Gebietskörperschaften.

Das ist möglich. Dazu gibt es im Bundesberggesetz eine ganz klare Verankerung, denn das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt die Möglichkeit, Rechtsverordnungen zu erlassen. Das ist nachzulesen in § 57c. Das ist auch im Bundesrat möglich, denn in diesem § 57c ist ebenfalls verankert, dass der Bundesrat zu diesen Vorschriften zu befragen ist und dass er zustimmungsberechtigt ist. Also, Herr Minister, Sie können, wenn Sie es wollen.

Noch einige wenige Hinweise zu den Begriffen, die im Bergbau hinsichtlich des Zugriffs eine wesentliche Rolle spielen. Wir unterscheiden im Bergrecht zwischen grundeigenen und bergfreien Bodenschätzen. Grundeigene sind die, die in erster Linie übertägig abgebaut werden, und zweitens - ich will es mal sehr verkürzt sagen, auch wenn das nicht ganz § 3 entspricht - die so genannten Baustoffe und Bauhilfsstoffe. Bergfreie Bodenschätze sind fast alles außer Wasser, was einerseits untertägig gewonnen wird und/oder der Weiterverarbeitung dient. Ich will hier nur einige wenige aufzählen: Erze, Kohle, Salze, Hartgestein und andere mehr.

Damit komme ich noch einmal zu dem Unterschied unseres Antrages zu dem der Brandenburger. Wir wollen, dass die Rohstoffsicherungsklausel in geänderter Form für den Geltungsbereich des § 3 in seiner Gesamtheit gilt.

Ich verhehle dabei nicht, dass die Erfahrungen des Elften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu dieser Erkenntnis wesentlich beigetragen haben. Aber sie waren es nicht allein. Fast jeder Abgeordnete von uns hat die Probleme bei der Auffindung und dem Abbau von Bodenschätzen in seinem Wahlkreis erlebt, weiß um die Probleme der Beteiligung der gemeindlichen Ebene bei Betriebsplänen, Verfüllungen oder Rekultivierungen. Auch diesbezüglich wäre eine andere Rohstoffsicherungsklausel im Bundesberggesetz hilfreich, würde mehr Transparenz und vielleicht etwas mehr Verständnis auf beiden Seiten ermöglichen.

Die Änderung der Rohstoffsicherungsklausel bedeutet keine revolutionäre Änderung des Bundesberggesetzes. Das ist uns sehr wohl bewusst. Aber es ist eine dringend erforderliche Modernisierung eines doch sehr antiquierten Gesetzes und es ist letztlich eine Anpassung an die geltenden Aspekte der Nachhaltigkeit.

Ich beantrage für unsere Fraktion die Überweisung des Antrages in den Umweltausschuss zur federführenden Beratung sowie in den Wirtschaftsausschuss und den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zur Mitberatung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich danke dem Abgeordneten Herrn Lüderitz für seinen Beitrag. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Wirtschaftsminister Herrn Dr. Haseloff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesberggesetz ist Teil der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 Nr. 11 des Grundgesetzes. Dadurch wurde eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen; und das trägt zur Vereinheitlichung des Bergrechts bei. Es ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten.

Die Ziele des Bundesberggesetzes sind zum Beispiel in § 1 die Sicherung der Rohstoffversorgung durch die Ordnung der Aufsuchung und Gewinnung der volkswirtschaftlich bedeutsamen Bodenschätze bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden, die Gewährleistung der Sicherheit der Bergbaubeschäftigten, verstärkte Vorsorge gegen bergbauliche Einwirkungen auf die Erdoberfläche sowie die Verbesserung des Ausgleichs für unvermeidbare Schäden.

In der Rohstoffsicherungsklausel gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 des Bundesberggesetzes wird etwas zur Sicherung des Aufsuchens und der Gewinnung von Rohstoffen gesagt. Sie stellt keine generelle Befreiung von Verboten und Beschränkungen des Bergbaus durch andere gesetzliche Vorschriften dar, sondern fordert in dem jeweiligen Erlaubnis- und Befreiungsverfahren eine entsprechende Interessenabwägung.

Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem Landesentwicklungspläne, Bebauungspläne sowie Festlegungen auf der Grundlage der Schutzgebietsverordnung und der damit ausgewiesenen Schutzgebiete. Aber auch die Prüfung von Betriebsplänen ist vorzunehmen. Diese erfolgt nach den in § 55 des Bundesberggesetzes abschließend genannten Kriterien.

Des Weiteren werden im Bundesberggesetz die bereits implementierten ökologischen und sozialen Kriterien formuliert. Aufgrund der Umsetzung der EG-Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie in nationales Recht sind bereits umfangreiche umweltrechtliche Belange und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit in das Bundesberggesetz eingeflossen.

So sind für die in § 1 der UVP-Verordnung Bergbau genannten bergbaulichen Vorhaben Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung gesetzlich vorgesehen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist dabei über die §§ 52 Abs. 2a, 57a des Bundesberggesetzes und §§ 72 ff. im Verwaltungsverfahrensgesetz sichergestellt, sodass Einwände gegen diese Verfahren eingebracht werden können.

Diese Rechtsentwicklung greift auch in den Fällen, in denen kein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist. Die umweltrechtlichen Belange werden hier im Rahmen der Durchführung anderer Genehmigungsverfahren,

zum Beispiel wasserrechtlicher Erlaubnisverfahren oder naturschutzrechtlicher Verfahren, berücksichtigt.

In diesen Fällen ist die Beteiligung der Öffentlichkeit, wenn diese nicht bereits aufgrund der Anwendung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften besteht, durch § 48 Abs. 2 Satz 2 des Bundesberggesetzes gewährleistet, wonach Betriebspläne ausgelegt werden können, wenn mehr als 300 Personen betroffen sind oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist.

Als Ergebnis kann Folgendes gesagt werden: Durch die EU-, Bundes- und Landesgesetzgebung ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von ökologischen und sozialen Kriterien in die gesetzlichen Vorschriften für den Bergbau eingeflossen und sind bereits heute bei den bergbaulichen Vorhaben und der Rohstoffgewinnung entsprechend zu berücksichtigen. Eine Änderung des Bundesberggesetzes wird daher derzeit für nicht erforderlich gehalten.

Aufgrund der Komplexität des Gesamtsystems sage ich aber bewusst an dieser Stelle „derzeit“. Ich weiß, dass aufgrund von ständig nachzuführenden und auch von aktuellen Verfahrensergebnissen sicherlich immer wieder ein Handlungsbedarf geprüft werden sollte. Das könnten wir gemeinsam auch weiterhin tun. Aber derzeit wird auch von unserer Arbeitsebene eine unmittelbare Änderung des Gesetzes nicht für erforderlich gehalten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Fischer, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister, für Ihren Beitrag. - Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen.

Vorher wollte ich noch Studentinnen und Studenten der Hochschule Anhalt, Bernburg, auf der Südtribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Als erstem Debattenredner erteile ich Herrn Abgeordneten Miesterfeldt von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man wie ich in der alten Bergstadt Freiberg geboren ist, dann hat man eine angeborene positive Einstellung zum Bergbau.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP)

Allerdings sollte auch bei genetischen Voraussetzungen der Verstand nicht ausgeschaltet werden. Ich habe in den vergangenen Tagen gerade die Jugenderinnerungen des Kabarettisten Rolf Lange gelesen, in denen er unter anderem beschreibt, wie einfältig-naiv die Menschen - alle Betroffenen, muss man eigentlich sagen - in den 40er-, 50er- und zum Teil noch in den 60er-Jahren in den heutigen Ländern Sachsen und Thüringen mit dem Uranbergbau umgegangen sind.

Damit positive oder weniger positive Einstellungen zur Ordnung gebracht werden, gibt es das Bundesberggesetz. Dort ist geregelt, wer zum Bergbau berechtigt ist, wer Lagerstätten aufsuchen oder Bodenschätze gewin

nen darf. Es gibt darüber hinaus Auskunft über das Verhältnis von Bergbau und Grundbesitz.

Das Bundesberggesetz regelt alle Fragen von der Erkundung über die Gewinnung eines Rohstoffs bis zur Schließung eines Bergwerkes oder eines Tagebaus. Gerade wir in Sachsen-Anhalt wissen, dass es auch nach der Schließung zu sehr schwerwiegenden Problemen kommen kann. Der Minister hat viele dieser juristischen Dinge bereits ausgeführt. Ich kann mich deshalb an dieser Stelle kurz fassen.

Das Bundesberggesetz stammt in Teilen noch aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Eine Einbeziehung ökologischer und auch sozialer Aspekte ist deshalb tatsächlich nur marginal zu finden. Natur- und Umweltschutz darf selbstverständlich auch zukünftig nicht auf der Strecke bleiben. Ich denke, darüber herrscht in diesem Hohen Hause auch bezüglich des Bergbaus Konsens.

Die genaue Abwägung bergbaurechtlicher Verfahren muss erfolgen, um Schäden für die Anwohner und für die Umwelt auszuschließen oder möglichst gering zu halten. Daher ist eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit zwingend geboten. Als Politiker sind wir gut beraten, nicht nur bei Katastrophen aktiv zu werden, sondern auch im Vorfeld etwas zu tun, um sie zu verhindern.

Die Bürger sollten beteiligt werden, und sie sollten insbesondere dann beteiligt werden, wenn sie auch die Berücksichtigung von Umweltbelangen fordern. Deshalb ist die Forderung nach einer Erweiterung des Bundesberggesetzes um eben diese sozialen und ökologischen Kriterien sehr löblich.

Aber, wie der Minister bereits ausführte, gibt es schon implementierte ökologische und soziale Kriterien. Die umfangreiche EU-, Bundes- und Landesgesetzgebung gibt in der Regel umfangreiche Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit vor. Als Beispiel sei hier nur die Umweltverträglichkeitsprüfung genannt.

Es ist zu prüfen, ob eine Überarbeitung der bestehenden Gesetze derzeit vonnöten ist oder ob die bestehenden Gesetze ihren Zweck erfüllen. Um als Land und insbesondere auch als Landtag einen Beitrag leisten zu können, ist es gut, wenn wir die aufgeworfenen Probleme im Ausschuss oder gegebenenfalls in den Ausschüssen - ich glaube, darüber wird jetzt hier noch ein wenig gestritten werden - diskutieren, damit wir dann nach dem Vortrag und der Diskussion zu entsprechenden Entscheidungen kommen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Haseloff)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Miesterfeldt, für Ihren Debattenbeitrag. - Jetzt folgt der Beitrag der FDPFraktion. Herr Abgeordneter Franke erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie sich dem Energiekonzept der Landesregierung entnehmen lässt, ist der Anteil der Braunkohle am Primärenergieverbrauch des Landes von ehemals 50 % auf inzwischen weniger als 20 % gesunken. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die heimische Braunkohle weitgehend auch für unsere heimische Energieversorgung verwendet wird.

Die Kraftwerke sind sauberer geworden und arbeiten effizienter als zu DDR-Zeiten. Dennoch ist die Braunkohle unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes umstritten, ebenso aufgrund der starken Einschnitte in die Landschaft, die der Abbau mit sich bringt.

Der vorliegende Antrag der LINKEN greift also ein emotionales und sehr sensibles Thema auf. Der Antrag selbst dagegen ist recht dünn.