(Herr Miesterfeldt, SPD: Wenn der Präsident sagt, es steht 1 : 0, dann steht es 1 : 0! - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Sozialdemokraten im Landtag konnten nicht widerstehen und haben den Wahlkampf doch noch vor der Sommerpause eröffnet.
(Frau Hampel, SPD: So ein Quatsch! - Herr Mies- terfeldt, SPD: Herr Franke, das Thema ist viel zu wichtig und zeitlich viel zu langlebig, als dass es Wahlkampf wäre! - Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)
Denn der Antrag, der dieser Aktuellen Debatte zugrunde liegt, liest sich wie ein Auszug aus Ihrem Wahlprogramm. Und was Sie dort schreiben, ist doch keineswegs falsch. Im Gegenteil.
(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Ham- pel, SPD - Herr Miesterfeldt, SPD: Oh! Klasse! Danke! - Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)
Auch wir Liberale halten es für notwendig, dass wir - ich zitiere aus der Begründung zu Ihrem Antrag - über Strategien diskutieren, um jungen Menschen Perspektiven für eine Ausbildung und eine Ausübung des erlernten Berufes in Sachsen-Anhalt zu bieten.
Was ich dagegen in der Begründung zu dem Antrag vermisse, ist der konkrete, aktuelle Anlass. Die Bertelsmann-Studie von Anfang dieses Monats wäre da ein ganz einfacher Aufhänger gewesen.
Dass das Thema Fachkräftemangel von großer Wichtigkeit ist, stellt ja niemand infrage. Aber Sie hätten auch den Weg eines normalen Antrags gehen können, wie es die Fraktion DIE LINKE getan hat.
(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD - Frau Ham- pel, SPD: Wir haben jetzt eine Aktuelle Debatte! Jetzt hören Sie mal auf! Mann!)
Vielleicht liegt ja auch hierin der wahre aktuelle Anlass. Die Fraktion DIE LINKE hat vor kurzem ein Gespräch mit Herrn Meine von der IG Metall geführt und hat dies mit einer Pressemitteilung begleitet. Das Ergebnis dieses Gespräches ist der hier vorliegende Antrag.
Ich glaube, Herr Miesterfeldt, Sie haben dann Ihre Felle davonschwimmen sehen. Zügig haben Sie dann einen recht allgemeinen Antrag aus dem Hut gezaubert, um die Aktuelle Debatte heute zu initiieren.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das Problem des Fachkräftemangels hängt schon seit geraumer Zeit über dem Land wie ein Damoklesschwert. Von daher ist natürlich in einem gewissen Sinne ein aktueller Anlass immer gegeben,
auch weil es heute genauso akut ist wie vor fünf Jahren, Herr Miesterfeldt, wenn nicht gar noch drängender.
Dies gilt natürlich vor allem für die vom Fachkräftemangel betroffenen Unternehmen. Die Projektion auf die Zukunft verheißt hier wenig Gutes. Die Zahlen und Größenordnungen über die weniger werdenden Jugendlichen und die älter werdende Bevölkerung sind uns allen bekannt. Das ist hier auch schon vorgetragen worden.
Die LINKEN haben in der Begründung zu Ihrem Antrag einige Zahlen dazu aufgelistet. Ebenso heißt es, dass bis zum Jahr 2016 kein flächendeckender Mangel zu befürchten sei.
Sehr geehrte Damen und Herren! Zu dem gleichen Schluss kommt auch das Wirtschaftsministerium in seiner Studie zur Fachkräftesituation im Dezember 2009.
Das heißt jedoch nicht, dass wir keine wachstumsgefährdenden Probleme hätten. Denn erstens stellt sich die Frage: Was passiert nach dem Jahr 2016?
Erstens. Langfristig wird sich danach ein rechnerischer Mangel einstellen. Die Absolventenzahlen werden dann nicht mehr ausreichen, um die geburtenstarken Jahrgänge, die dann in Rente gehen, zu kompensieren.
Zweitens ist die Aussage eine verallgemeinernde Aussage. Differenziert man nach Branchen, so stellt man fest, dass mit der Chemie und der Kunststoffindustrie zwei der produktivsten und stärksten Branchen des Landes betroffen sein werden. Differenziert man nach Größenklassen, stehen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen vor großen Problemen, also gerade diejenigen Unternehmen, die das Land prägen.
Drittens ist die Aussage eine rein quantitative. Sie sagt nichts über die künftigen Anforderungen an die Arbeitskräfte. Die Anforderungen werden steigen - nicht unbedingt in körperlicher Hinsicht; denn der Bedarf an so genannten einfachen Tätigkeiten geht zurück. Aber die fachlichen Anforderungen nehmen zu.
Damit wären wir auch sofort im Bereich der Bildungspolitik. Aber als Wirtschaftspolitiker will ich jetzt nicht über bildungspolitische Konzepte sprechen.
Für mich zählt einfach nur, dass der Wirtschaft ausbildungsfähige Schulabgänger angeboten werden. Ich will das nicht vertiefen. Aber dass es hier einen Verbesserungsbedarf gibt, wissen wir alle. Man braucht sich nur bei den Unternehmen und den Kammern umzuhören. Man bekommt dort, ich glaube seit längerer Zeit, immer die gleichen Aussagen.
Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist auch die Arbeitsagentur gefragt. Der Mangel an Arbeitskräften stellt also auch eine Chance dar, und zwar für viele Langzeitarbeitslose, die ansonsten keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten. Hier sind Vermittlungsbemühungen zu intensivieren.
Gleichzeitig müssen wir Qualifikationsmaßnahmen noch zielgenauer ausrichten. Unter den Umständen des Mangels aber bietet sich erstmals die große Chance, dass diese Maßnahmen zu einer langfristigen Integration in den ersten Arbeitsmarkt führen und nicht mehr nur dazu dienen, Zeiträume der Arbeitslosigkeit überbrücken.
Des Weiteren müssen wir als Gesellschaft insgesamt einen Bewusstseinswandel erleben und uns fragen, wie wir mit dem demografischen Wandel umgehen. Schicken wir die Menschen weiter mit Erreichen eines bestimmten Alters aufs Abstellgleis oder geben wir ihnen die Chance, auch nach dem 60. oder 67. Lebensjahr am Berufsleben teilzuhaben?
Meiner Meinung nach kann es sich unsere Volkswirtschaft nicht leisten, fitte 60-Jährige, die noch arbeiten wollen, in die Frühverrentung zu schicken und deren Erfahrungsschatz brachliegen zu lassen.
- Aber freiwillig, Herr Kosmehl, genau. - Hier sind flexible, individuelle Lösungen gefragt, beispielsweise auch die Frage der Hinzuverdienstmöglichkeiten. Dann können diese Menschen nämlich selbst und freiwillig entscheiden, wann sie in Rente gehen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend noch ein paar kurze Worte zu dem Antrag der LINKEN. Sie haben sich sehr intensiv mit der Materie befasst und nehmen das Problem ernst. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Mit den ersten beiden Punkten können wir als FDP auch noch mitgehen. Mit dem dritten Punkt habe ich jedoch große Probleme.
Wir als Landtag sollen danach feststellen, dass Sachsen-Anhalt kein Standort für Fachkräfte ist. Also, tut mir leid, mit dieser Formulierung kann ich nicht mitgehen, die kann ich nicht mittragen. Selbst wenn es in Deutschland bestimmt attraktivere Regionen gibt, werden wir keinesfalls unser eigenes Bundesland an dieser Stelle schlechtreden.
Was für ein Bild soll das nach außen abgeben? Wenn schon die Politiker selbst nicht an ihr Land glauben, wer dann?
Damit würden wir gerade interessierte Fachkräfte abschrecken. Kontraproduktiver könnten wir uns als Landtag hierbei gar nicht verhalten.
Ebenso halten wir nichts davon, dass sich die Landesregierung für die Tarifbindung einsetzt. In Zeiten des Mangels werden die Löhne von ganz allein steigen. Unternehmen, die keine wettbewerbsfähigen Löhne zahlen, werden ihre Fachkräfte an besser zahlende Konkurrenten verlieren und werden vom Markt verschwinden. Um die noch vorhandenen Fachkräfte und ihre Löhne brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen; denn sie werden von der Knappheit, die entsteht, profitieren. Deshalb geht dieser Antrag in die falsche Richtung. Wir lehnen ihn folglich ab. - Danke.
Vielen Dank, Herr Franke, für Ihren Redebeitrag. - Wir kommen dann zu dem Redebeitrag der Fraktion der CDU. Frau Take hat das Wort. Bitte schön, Frau Take.