Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Ich sage das auch deswegen, weil manch einer sagt: Herr Kurze ist ja beim DRK. Ich komme vom ArbeiterSamariter-Bund; das könnte man mir also genauso unterschieben. Alle, die irgendwo bei den Rettungsdiensten engagiert sind, kennen das auch. Warum soll jemand, der dort engagiert ist, nicht auch im Landtag die Probleme ansprechen und lösen? Ich halte das für einen ganz normalen Vorgang.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von Herrn Mewes, DIE LINKE)

Daher fand ich diese Reaktion nicht angemessen, noch dazu, weil bei den Ausschreibungen davon gesprochen wurde, dass der billigste Anbieter zu nehmen sei. Das haben wir noch nicht einmal in der Wirtschaft. Dort ist es immer der wirtschaftlichste Anbieter. Also, es war schon ein harter Tobak. Aber so ist das. Wir bemerken jetzt auch bei den Leitstellen Diskussionen, auf die die Krankenkassen noch einmal kräftig aufspringen.

Es sei noch einmal deutlich gesagt: Die Leitstellen sind nicht der eigentliche Kostensteigerungsfaktor. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, sonst haben wir eine innerfamiliäre Auseinandersetzung.

Natürlich können sich die integrierten Leitstellen zusammenschließen. Wenn sie sich freiwillig zusammenfinden, spricht überhaupt nichts dagegen. Aber ich glaube, wir sollten an dieser vernetzten Struktur festhalten.

Es ist tatsächlich nicht der Grund für die Kostensteigerung. Es sind tatsächlich die Notarzteinsätze. Es liegt daran, dass wir zu wenige Notärzte in den Krankenhäusern haben. Die haben sich teilweise verabschiedet. In diesem Gesamtzusammenhang müssen wir das sehen.

Wir müssen im nächsten Jahr auf jeden Fall im Blick haben, ob der Sicherstellungsauftrag erhalten bleiben soll. Darüber ist die KV auch nicht so ganz glücklich, weil sie nicht anders hantieren kann, als sie es jetzt macht. Sie muss an die Börse gehen, damit sie das sicherstellen kann. Das ist unheimlich teuer.

Die Überlegung, ob man die Krankenhäuser oder die Krankenkassen - das ist erst einmal egal - mit in das Boot nehmen sollte, halte ich für absolut richtig.

Insofern bedanke ich mich. Ich wünsche eine gute Beratung und Anhörung. Dann werden die ganzen Pro

bleme noch einmal auf den Tisch kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister Bischoff.

Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, begrüßen wir Seniorinnen und Senioren der Ortsgruppe Biere der Volkssolidarität. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Als erster Debattenredner spricht der Abgeordnete Herr Dr. Eckert für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Gesetzentwurf selbst komme, gestatten Sie drei Anmerkungen.

Erstens. Bemerkenswert ist der Wandel in den Auffassungen der Regierungskoalition: von Desinteresse und gleichzeitiger Ablehnung einer Notwendigkeit der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes über die Beantragung einer Anhörung und Sondersitzung des Ausschusses für Soziales Anfang Juni 2010 zum jetzt vorliegenden Gesetzentwurf - beachtlich!

Die zweite Anmerkung betrifft die nunmehrige Anerkennung der besonderen Rolle der Hilfsorganisationen im Gesamtsystem sowie des damit verbundenen umfänglichen ehrenamtlichen Engagements durch die CDUFraktion.

Im Jahr 2005 hatten sowohl DIE LINKE als auch die SPD entsprechende Änderungsanträge eingebracht, die von der CDU und der FDP weggewischt worden sind. Ich sehe es positiv: Man sollte die Hoffnung auf Einsicht nie aufgeben.

Herr Kurze, Sie benannten die DLRG als Rettungsorganisation. Ich gehe davon aus, dass Sie dann auch die Absicht haben, die Berg- und Wasserrettung in das neue Gesetz einzubeziehen. Das wäre positiv.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Dritte Anmerkung. Die Notwendigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs ist selbst verursacht. Auf viele heute drängende Probleme als Folgen des gegenwärtig geltenden Gesetzes wurde bereits im Jahr 2005 in den Beratungen und in den Anhörungen zu dem Gesetzentwurf hingewiesen.

Wenn ich eine damalige positive Absicht unterstellen sollte, dann kann ich nur feststellen: sehr schlecht gemacht damals. Fachleute waren mit Sicherheit nicht daran beteiligt.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf besteht aus zwei Teilen. In § 15 - Übergangsregelungen - wird vorgeschlagen, die derzeit geltenden Genehmigungen bis zum Jahr 2013 fortgelten zu lassen. Damit soll, wie der Begründung entnommen werden kann, Zeit für eine umfängliche Novellierung eines verkorksten Gesetzes gewonnen werden. - Das kann man so tun. Das findet unsere Zustimmung.

In § 12 werden zwei Sätze sowie das Wort „kostendeckende“ vor dem Wort „Benutzungsentgelte“ einge

fügt. Diese Kosten werden vom Träger des Rettungsdienstes ermittelt und sollen die Grundlage für die Benutzungsentgelte bilden, die Ergebnis von Vereinbarungen mit dem Kostenträger sein sollen.

Erfahrungsgemäß ist hierbei mit erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen demjenigen, der die Rechnung aufmacht, sprich: die Landkreise als Träger des Rettungsdienstes, und dem, der sie bezahlen soll, also den Kassen, zu rechnen. Bei Unstimmigkeiten soll die Schiedsstelle vermitteln.

Das ist stark zu hinterfragen. Zu beachten ist dabei, dass ein Schiedsstellenverfahren zurzeit wegen eines Gerichtsentscheids nicht möglich ist. Aus unserer Sicht ist deshalb sicherzustellen, dass mit Verabschiedung des Gesetzes die Schiedsstelle rechtskonform zusammengesetzt und arbeitsfähig ist.

Ein zweiter Grund, den man hinterfragen sollte, ist die vorhandene Struktur und das Vorhaben der Landesregierung, den Digitalfunk einzuführen. Gemessen am ursprünglichen Plan ist man hiermit stark im Rückstand. Die Einführung steht praktisch nunmehr bevor.

Wir haben eben 14 Leitstellen. Herr Kurze wies darauf hin. Aber in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind es erheblich weniger, meist nur fünf, sechs. Ich glaube, in Schleswig-Holstein sind es acht Leitstellen. Auch dort sind es - Herr Kurze, das muss man einfach sagen - integrierte Leitstellen, nicht einfach Leitstellen.

Es besteht die Gefahr, dass die Beitragszahler für diese beabsichtigten Investitionen in allen 14 Leitstellen zur Kasse gebeten werden. Allein die Ankündigung in dem Gesetzentwurf hat zum Beispiel im Südharz zu entsprechend teuren Vorhaben geführt.

Deshalb sagen wir: Ohne eine klare Aussage seitens der Landesregierung, wie viele Leitstellen für das Land künftig notwendig sind und welche es sein werden, drohen erhebliche Fehlinvestitionen oder die Zementierung veralteter Strukturen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern, und zwar - das möchte ich immer wieder hervorheben - Zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Und diese bezahlen wir alle. Die Landesregierung ist also vor der Beschlussfassung gefordert.

Meine Damen und Herren! Ich möchte feststellen, dass wichtige Fragestellungen mit diesem Gesetzentwurf nicht aufgegriffen werden. Herr Kurze wies zwar darauf hin, wir brauchten Zeit. Aber trotzdem - die Leitstellenproblematik habe ich schon genannt -: Offen ist die Frage einer stringenten Einbeziehung der Krankenhäuser in die Notfallrettung sowie die Frage der Notfallärzte und ihrer Qualifikation und Fortbildung.

Ich möchte es so ausdrücken: Wichtigstes Ziel der Novellierung 2005/2006 waren eine erhebliche Kostensenkung und höhere Effektivität. Jetzt geht es um die Heilung eines verkorksten Gesetzes und um die Herstellung der Rechtssicherheit. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Dr. Eckert. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Heute hätte ich gern nach der FDP gesprochen;

(Lachen bei der FDP)

denn das, was wir, die SPD-Fraktion, in Regierungsverantwortung jetzt korrigieren, das haben wir damals schon gesagt, als dieses Rettungsdienstgesetz verabschiedet worden ist.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Höhn, DIE LIN- KE: Genau!)

Das muss man deutlich sagen. Deshalb hoffe ich, Frau Bull, dass Sie mich nicht so sehr haftbar machen

(Frau Bull, DIE LINKE: Machen wir doch nicht!)

für die Entwicklung bei den Leitstellen bzw. dafür, dass die Kostenreduzierung doch nicht so erfolgt ist, wie man es erhofft hat.

Die „Volksstimme“ hat heute getitelt: Damit verschaffen wir uns für drei Jahre Luft. - Ich habe von allen Landtagskollegen, die sich in diesem Bereich auskennen, gehört: Das ist gut. Dann haben wir für die Leistungserbringer die notwendige Luft. Wir müssen nicht Entscheidungen treffen, die wir hinterher nicht zurückholen könnten. Das ist gut.

Aber dann kamen die ersten Pressemitteilungen. Mit dieser Wucht hatte ich das von den Kassen nicht erwartet, nämlich dass man hinsichtlich der drei Jahre gesagt hat: Ja, gut, aber der Kostendeckungsansatz... - Es wird so getan, als wenn in dem geltenden Rettungsdienstgesetz das Kostendeckungsprinzip nicht enthalten ist und wir schon immer Kosten, die den Landkreisen für ganz andere Bereiche entstanden sind, vermengt haben und die Kassen immer wieder haben zahlen lassen. Das Kostendeckungsprinzip galt auch da. Es geht jetzt auch nicht darum, dass die Landkreise, wie Sie, Herr Dr. Eckert, es gesagt haben, das bestellen und die Kassen es bezahlen müssen.

Es geht vielmehr im Wesentlichen darum, dass im Augenblick die Leistungserbringer mit Kostenabschlägen arbeiten müssen und dass die Kassenärztliche Vereinigung unabhängig davon, ob sie das vertragen kann, ob sie liquide genug ist oder nicht, in dem Bereich der Notarztversorgung erheblich in Vorleistung gehen muss, ohne dass beachtet wird, dass diese Entgelte explodiert sind, und ohne zu gucken, ob man hierfür eine vernünftige Regelung findet. Das war der eine Punkt.

Der zweite Punkt war bei den Kassen die Satzungslösung. Dazu muss ich sagen: Wir haben schon damals in der Opposition einen Gegenentwurf zum Rettungsdienstgesetz gemacht, der sehr wohl die Satzungslösung beinhaltete. Denn wir waren der Auffassung, man soll sich schnell einigen. Das muss eben nicht alles bei der Schiedsstelle landen. Denn man ist es den Menschen vor Ort schuldig, dass der Rettungsdienst vernünftig funktioniert.

Wir werden ja noch eine Anhörung haben; dann werden wir sehen, zu welchen Ergebnissen wir kommen.

Der dritte Punkt sind die Leitstellen. Wir haben auch damals gesagt, dass die Zahl der Leistellen reduziert werden muss.

Aber, Herr Dr. Eckert, ich sage Ihnen eines: Die Diskussion über die Reduzierung der Zahl der integrierten Leitstellen ist auch von Ihnen erst wieder aufgenommen worden, als man noch einmal in das Gesetz hineingeguckt und gesehen hat, dass darin steht, dass das in dieser Legislaturperiode gemacht werden soll.

Aber ich habe nicht mitbekommen, dass Sie während der Gebietsreform oder zu irgendeinem anderen Anlass noch einmal proklamiert haben, dass es ein wesentlicher Punkt ist, an dieser Stelle landkreisübergreifend zusammenzuarbeiten. An dieser Stelle muss ich sagen, ich finde es ein bisschen unlauter, das jetzt so als einen Punkt hineinzubringen.