Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vollständigkeit halber merke ich an, dass der infolge des Urteils

des Verfassungsgerichts unseres Landes vom 22. Oktober 2008 am 30. April 2009 von der Landesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stadt-Umland-Verbandsgesetzes, der sich derzeit in der Ausschussberatung befindet, im Falle der Verabschiedung des heute eingebrachten Gesetzentwurfs gegenstandslos wird. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - So weit die Regierung. Jetzt kommen die Fraktionen. Für die FDPFraktion spricht Herr Wolpert. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode legt die Landesregierung heute dem Hohen Haus einen Gesetzentwurf zur Lösung des Stadt-Umland-Problems in Halle und in Magdeburg vor. Man muss feststellen, Landesregierung und Koalitionsfraktionen haben sich als Partner von Halle und Magdeburg sowie der übrigen Mitglieder der Zweckverbände in einer Art und Weise erwiesen, dass man sich fragen kann, ob man das Partnerschaft nennt.

(Beifall bei der FDP)

Das Ziel aller drei Gesetze war und ist die Stärkung der Oberzentren Magdeburg und Halle gewesen. Unverständlich bleibt, warum bei der Vorlage des Änderungsgesetzes im Mai 2009 nicht von Anfang an auf die gleichzeitig von der Landesregierung vorangetriebene Gemeindegebietsreform und ihre Auswirkungen auf die Zweckverbandsgebiete um Halle und Magdeburg herum reagiert worden ist.

Denn eines war doch klar: Durch die beabsichtigte Eingemeindung innerhalb der bestehenden Verwaltungsgemeinschaft war das Gebiet des Zweckverbandes so groß anzusiedeln, dass es sinnlos war, dort noch eine gemeinsame Planung vorzunehmen. Das ist der tiefere Hintergrund für den Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt. Schon damals hätte es die Möglichkeit gegeben, sich andere Dinge zu überlegen. Es passierte allerdings monatelang nichts.

Am 7. Mai 2009 wurde der Gesetzentwurf zur Änderung des Stadt-Umland-Verbandsgesetzes aufgrund der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, die der Herr Minister gerade erwähnt hat, eingebracht. Am 4. Juni gab es eine öffentliche Anhörung dazu. Man hat dann festgestellt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf so nicht umsetzbar ist, da eine Regelung gegen den in § 5 des Bundesbaugesetzes geregelten Grundsatz der einheitlichen Flächennutzungsplanung verstieß.

Am 21. August 2009 gab es dann eine Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes mit konkreten Lösungsvorschlägen. Im November 2009 gab es dann das Schreiben des Stadt-Umland-Verbandes Halle an die Vorsitzenden der Ausschüssen für Inneres sowie für Landesentwicklung und Verkehr.

Erst am 10. März 2010 beschloss der mitberatende Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr, dass eine Aufhebung des Änderungsgesetzes durchgeführt werden soll. Zumindest jetzt hätte man erwartet, dass etwas

passiert. - Aber nein, weit gefehlt. Es dauerte weitere Monate, bis heute, bis wir einen solchen Gesetzentwurf haben.

Diese Hängepartie hing über den betroffenen Gemeinden wie Mehltau und hat letztlich - man sollte glauben, was lange währt, wird endlich gut - die Entwicklung der Gemeinden und der Städte behindert.

(Beifall bei der FDP)

Doch ob die Annahme der Landesregierung in der Gesetzesbegründung wirklich trägt, die uns der Minister gerade vorgetragen hat, nämlich dass die gesetzliche Regelung der Lösung des Stadt-Umland-Problems deshalb nicht mehr notwendig ist, weil das bei der Gemeindegebietsreform berücksichtigt worden ist, wage ich zu bezweifeln.

(Beifall bei der FDP)

In dem Leitbild der Gemeindegebietsänderungen, die stattgefunden haben, ob freiwillig oder gesetzlich, war die Stadt-Umland-Problematik nicht der tragende Gedanke. Und der Stadt-Umland-Problematik ist auch in keiner Weise Rechnung getragen worden.

Die Leistungsfähigkeit des Umlandes war nicht das Problem von Halle und Magdeburg. Die Leistungsfähigkeit des Umlandes, die die Gemeindegebietsreform nun angeblich hergestellt hat, kann also dann nicht die Begründung dafür sein, dass die Städte Halle und Magdeburg das Stadt-Umland-Gesetz nicht mehr brauchen. Insoweit ist dieses Gesetz nur das Zugeständnis, dass die Gemeindegebietsreform diesen Gedanken getötet hat - mehr nicht.

(Beifall bei der FDP)

„Mehr nicht“ ist vielleicht falsch ausgedrückt. Wir haben nun informatorisch von der Stadt Magdeburg gehört, dass diese für die Verbandsumlage Aufwendungen in Höhe von 750 000 € aufwenden musste. Es passt wohl eher der Spruch: Außer Spesen nichts gewesen. Ich hoffe, dass Sie dieses Gesetz jetzt wenigstens schnell verabschieden, damit die betroffenen Gemeinden zumindest Handlungsfreiheit bekommen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister Hövelmann hat zu dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Stadt-Umland-Verbandsgesetzes und des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes bereits ausführlich gesprochen. Daher kann ich mich hier relativ kurz fassen.

Das in drei Artikel gegliederte übersichtliche Gesetz, das die Aufhebung der genannten Gesetze zum Inhalt hat, resultiert letztlich aus der Gemeindegebietsreform. Die Begleitgesetze zur Gemeindegebietsreform und das Gemeindeneugliederungsgesetz, die inzwischen den Landtag passiert haben, beinhalten unter anderem, dass die Gemeinden, die unmittelbar an Magdeburg und Halle angrenzen, sich ausschließlich zu Einheitsgemeinden zusammenschließen dürfen.

Da diese neue, eigenständige Gemeinden bilden, besteht kein Erfordernis mehr, die Aufgaben der Flächennutzungsplanung der Zuständigkeit der jeweiligen kreisfreien Stadt zu entziehen und einer regionalen Planungs- und Verwaltungsebene, in diesem Fall einem Stadt-Umland-Verband, zu überlassen. Diese Aufgaben werden in Zukunft von den Einheitsgemeinden bzw. von den kreisfreien Städten wahrgenommen, sodass sowohl das Stadt-Umland-Verbandsgesetz als auch das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz entbehrlich sind.

Indem die kommunale Planungshoheit an die jeweiligen genannten Gemeinden zurückgeführt wird, wird eine Stufe im gesamten Verwaltungsaufbau abgeschafft und die Eigenständigkeit der Städte und der an sie angrenzenden Einheitsgemeinden wird gestärkt. Auch das ist ein weiterer und wichtiger Schritt unseres Bestrebens, das Land Sachsen-Anhalt und die darin befindlichen Kommunen zukunftsfähig und leistungsstark zu gestalten und gleichzeitig ihre eigenständige Verwaltung zu stärken.

Ich rege an, weitere Erörterungen zu diesem Gesetzentwurf im Innenausschuss zu führen, und plädiere deshalb für dessen Überweisung in den genannten Ausschuss. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Ich erteile jetzt Herrn Dr. Köck von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Meine Damen und Herren! Da stehe ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Das hätte ich jetzt nicht gedacht, Herr Kollege!)

Dieser Ausruf des Dr. Faustus passt sehr gut zu unserer jetzigen Situation bei der Lösung des Stadt-Umland-Problems. Mit der Aufhebung des Stadt-Umland-Gesetzes und des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes werden wir nämlich auf den Stand der Kreisgebietsreform von 1993 zurückgeworfen. Der in § 31 dieses Gesetzes ausgebrachte Auftrag, die Stadt-Umland-Beziehungen zumindest der Stadt Halle zu regeln, wäre dann erneut offen.

Meine Damen und Herren! Die Koalition meint - das war auch in den Redebeiträgen zu hören -, die Kreis- und die Gemeindegebietsreform hätte zur Stärkung der Städte Halle und Magdeburg beigetragen. Dem ist aber nicht so. Allein der Umstand, dass beide Städte expressis verbis von diesen Reformen ausgespart worden waren, spricht Bände. Die Stadt Halle ist die einzige Kommune, die seit dem Jahr 1990 keinerlei Gebietsveränderungen ertragen musste - seit dem Jahr 1950 schon.

(Herr Gürth, CDU: Halle-Neustadt! - Zuruf von Herr n Borgwardt, CDU - Herr Wolpert, FDP: Da wird er wohl 50 000 Einwohner vergessen haben!)

- Ja, gut. Ich gebe mich geschlagen. Jawohl. Sie haben es gemerkt. Gut.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Lass dich nicht ärgern!)

- Nein, nein. - Gestärkt wurde einzig das Umland. Hier wurde die Zahl der handelnden oder auch nicht handeln

den Akteure deutlich reduziert und die zersplitterten Potenziale wurden zusammengeführt. Die neuen Einheitsgemeinden denken aber auch zuerst einmal an sich. Und der Landkreis ergreift Partei für seine Gemeinden und nicht für die kreisfreie Stadt. Schließlich werden sich auch die neu entstandenen Umlandkommunen immer dann schneller einig werden, wenn es gegen das Zentrum geht, sei es geografisch und politisch gesehen. Insofern hat sich nichts verändert.

Die CDU hat aber eines erreicht: Das Umland der kreisfreien Städte ist auf absehbare Zeit durch ein unüberwindbares Paragrafengestrüpp vor Zwangseingemeindungen nach Magdeburg oder Halle geschützt. Insofern war die im Beitrag der Gemeinde Peißen enthaltene Begründung sehr wertvoll.

Es ist genau so gekommen, wie ich es in der Landtagsdebatte am 14. Dezember 2006 prophezeit hatte. Die SPD-Fraktion hat den Koalitionsvertrag hoch gehalten und in der Zwischenzeit haben die CDU-Kollegen vollendete Tatsachen geschaffen.

Meine Damen und Herren! Mit dem Vorschlag, neben dem Stadt-Umland-Gesetz auch das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz zu streichen, sind Landesregierung und Parlament im Begriff, sich aus der Mitverantwortung für die Gestaltung zukunftsfähiger StadtUmland-Beziehungen zu schleichen. Mit der Streichung wäre auch der gesetzlich fixierte moralische Zeigefinger - denn mehr ist dieser Satz nicht wert - in § 1 Abs. 3 verschwunden, für einen angemessenen Finanzausgleich zu sorgen.

Mit dem Scheitern auch des zweiten Versuchs, im Raum Halle von oben einen Stadt- Umland-Verband zu errichten, ist die Landesregierung mit ihrem Latein in puncto Gestaltungskompetenz von Stadt-Umland-Beziehungen augenscheinlich am Ende.

(Zuruf von der FDP: Ist sie schon länger!)

Die anfängliche Euphorie, die im Jahr 2005 herrschte, war wegen der kalten Schulter, die von allen Seiten gezeigt wurde, sehr schnell verschwunden, und nun überlässt man die Kontrahenten einfach sich selbst. Das darf nicht sein.

Deshalb also unser Änderungsantrag. Er weist den Weg zu einem Paradigmenwechsel weg von Strafandrohung und Zwangseingemeindung hin zur Förderung von kommunaler Zusammenarbeit und Stärkung des regionalen Denkens sowie zu einer Konfliktmoderation. - Danke schön.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Köck. Möchten Sie eine Frage beantworten? - Bitte schön, Herr Kosmehl, fragen Sie.

Herr Kollege Köck, ich habe Ihren Änderungsantrag gelesen. Können Sie uns vielleicht einen Hinweis darauf geben, ob mit Förderung - das Land soll das ja fördern - finanzielle Förderung gemeint ist und wenn ja, aus welchem Topf diese finanzielle Förderung kommen soll?

Förderung wird hier wirklich allgemein verstanden; sie kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Es

kann natürlich - das wäre die wertvollste Förderung - in bestimmten Dingen auch Förderung finanzieller Art sein. Das ist so. Es kann auch die Förderung eines Flächennutzungsplanes sein. Da kann man entsprechende Richtlinien erarbeiten.

(Herr Borgwardt, CDU: Aus welchem Haushalt?)