Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein für den Städtebau sind dem Land Sachsen-Anhalt im Zeitraum von 1991 bis 2010 Mittel in Höhe von rund 2,42 Milliarden € gewährt worden. Hinzu kommen Mittel in Höhe von ca. 205 Millionen € aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, und nicht zuletzt weitere Mittel in Höhe von 22,6 Millionen € aus dem Konjunkturpaket II.
Wahr ist aber auch - wer wollte das ernsthaft bestreiten? -, dass wir die Städtebauförderung weiterhin brauchen, um die notwendigen Anpassungen in den ostdeutschen Innenstädten voranzubringen. Der Solidarpakt bis 2019 enthält Mittelzusagen für die Städtebauförderung an die neuen Länder. Diese sind notwendig, um den in der Vergangenheit sehr erfolgreichen Stadtumbau in Ostdeutschland nicht zu gefährden und um - im wahrsten Sinne des Wortes - die Altlasten zu beseitigen, die Altlasten aus 40 Jahren Diktatur.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Demografischer Wandel, von dem immer wieder die Rede ist, bedeutet nicht nur einen Rückgang der absoluten Bevölkerungszahl. Dieser ist auch meiner Sicht für den Wohnungsbau gar nicht die relevante Größe. Demografischer Wandel bedeutet vor allem auch eine Alterung der Gesellschaft und eine steigende Zahl Alleinstehender.
Wir werden also zukünftig weiterhin eine Nachfrage nach attraktivem und belebbarem Wohnraum haben. Deswegen ist es so wichtig und richtig - Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der LINKEN, wissen, dass genau dies seit Monaten geschieht -, dass sich Minister Dr. Daehre bei Bundesverkehrsminister Ramsauer für die Interessen Sachsen-Anhalts in diesem Bereich starkmacht.
Die Ergebnisse der Sonderbauministerkonferenz vom 3. September 2010, die übrigens auf Drängen von Minister Dr. Daehre stattgefunden hat, zeigen eines sehr deutlich: Die Bauminister der Länder sind sich in dieser Frage überwiegend einig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Positionspapier, das die Länderkollegen gemeinsam verabschie
det haben, macht noch einmal ganz deutlich, welche positiven Wirkungen die Städtebauförderung nicht nur für die Struktur- und Stadtentwicklung vor Ort, sondern auch für die Beschäftigung im örtlichen Handwerk hat.
Die städtebaulichen Impulse, die wirtschaftlichen Effekte für das regionale Gewerbe und Handwerk und damit auch die positiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben vor Ort zeigen, wie wichtig eine Fortführung der Städtebauförderung mindestens auf dem bisherigen Niveau ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erfolgreicher Stadtumbau Ost setzt aber auch voraus, dass wir bei der Altschuldenproblematik zu einer Regelung kommen. Ich bin durchaus der Meinung, dass die Bundesregierung aufgerufen ist, konkrete Vorschläge zu machen, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist.
Eine sklavische Bindung der Entlastung an den Abriss von Wohnraum ist dabei weniger wichtig als die Umsetzung von intelligenten Lösungen für eine erhöhte Investitionsbereitschaft in unseren Innenstädten. Insofern ist Punkt 4 des Entschließungsantrages weitreichend, aber nicht falsch.
Ja, ich gebe zu: Ich und wir in der Union insgesamt haben auch Sympathien für den Änderungsantrag der FDP-Fraktion. Wir werden unserem Entschließungsantrag zustimmen, den Änderungsantrag der FDP aber nicht ablehnen. - Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Vielen Dank für den Beitrag der CDU-Fraktion, Abgeordneter Herr Scheurell. - Wir kommen zum Beitrag der FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Dr. Schrader erhält das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Scheurell, Sie haben mit Ihrem letzten Satz nicht nur bei mir ein bisschen Verwunderung ausgelöst, sondern auch in Ihrer eigenen Fraktion. Einigen ist jetzt nicht klar, wie Sie abstimmen werden.
Meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Ausschusses geht auf einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zurück, der im Juni 2010 zu Recht an den Ausschuss überwiesen wurde. Der Antrag enthielt eine Forderung, über die man nicht ohne Weiteres abstimmen konnte. Das war die Aufforderung an die Landesregierung, sich auf der Bundesebene für die komplette Streichung der Altschulden ostdeutscher Wohnungsunternehmen einzusetzen.
Umso größer war meine Überraschung, als sich die Koalitionsfraktionen und insbesondere die CDU-Fraktion im Ausschuss plötzlich dieser Forderung anschlossen - zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gutachten, das uns Auskunft darüber geben soll, wie hoch die Altschulden überhaupt sind, noch gar nicht vorlag.
Wir, die FDP-Fraktion, können uns dieser Forderung nicht anschließen. Deshalb waren wir im Ausschuss da
gegen, dieser weitreichenden Forderung zuzustimmen; deshalb haben wir auch die vorliegende Beschlussempfehlung im Ausschuss abgelehnt und deshalb haben wir den vorliegenden Änderungsantrag eingebracht, mit dem unsere Position klar wird. Wir sind ganz klar für eine Fortführung des Altschuldenhilfeprogramms für zum Abriss stehende Wohnungen. Wir sind jedoch gegen die pauschale, komplette Streichung aller Altschulden.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich die FDPFraktion der Altschuldenproblematik sehr wohl bewusst ist. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP heißt es deshalb auch - ich zitiere -:
„soll nicht durch ungelöste Altschuldenprobleme einzelner Wohnungsunternehmen beim Abriss von Wohnungsleerstand gefährdet werden.“
Dazu stehen wir auch. Daraus kann aber kein kompletter, bedingungsloser Schuldenerlass abgeleitet werden. Bislang ist doch nicht einmal klar, wie hoch diese Altschulden eigentlich sind. Sind es 2 Milliarden €, 3 Milliarden € oder gar 7 Milliarden €?
Zur Erinnerung: Seit dem Jahr 1990 wurden in den Stadtumbau Ost in Sachsen-Anhalt Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden € investiert - Herr Scheurell hat dies gerade bestätigt. Das ist eine Summe, mit der wir etwa rechnen können, wenn es darum geht, wie hoch die Altschulden sind, die insgesamt auflaufen. Jetzt einfach einmal so zu fordern, diese Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden € herüberzureichen, also eine Summe, die in 20 Jahren für Sachsen-Anhalt ausgegeben wurde, ist nicht nur ziemlich mutig, sondern ziemlich daneben.
Meine Damen und Herren, ist Ihnen denn überhaupt klar, welches Signal Sie damit aussenden, gerade auch an die Bundesländer, von denen das Geld dafür kommen soll? Die Rücknahme der Kürzung der Städtebaufördermittel zu fordern - dieser Forderung schließen wir uns an - und gleichzeitig die Streichung der kompletten Altschulden zu verlangen ist nicht nur unseriös, sondern total überzogen.
Für meine Begriffe riskieren Sie damit auch die Rücknahme der Kürzungspläne bei den Städtebaufördermitteln. Sie müssen sich einmal vorstellen, wie zum Beispiel auch die SPD-Bundestagsfraktion darauf reagieren wird. Ich bin einmal gespannt, wie das dort ankommen wird. Wollen Sie das wirklich? - Ich denke nicht.
Wir als FDP halten es für absolut sinnvoll und angemessen, die Altschulden für abgerissene Wohnungen zu streichen. Das stellen wir gar nicht zur Disposition. Das ist auch das, was bei Ihnen im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD im Land Sachsen-Anhalt steht.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP spricht von dem Altschuldenproblem einzelner Wohnungsunternehmen; Sie aber wollen bedingungslos allen Wohnungsunternehmen die Altschulden erlassen. Den Nachweis, dass dies ein flächendeckendes Problem ist, haben Sie noch nicht erbringen können. Schließlich scheint es etlichen Wohnungsunternehmen im Land gar
nicht so schlecht zu gehen; denn beachtliche Beträge werden zum Beispiel in Halle an den Stadthaushalt abgeführt. Teilweise kann es dann gar nicht so schlimm sein.
Interessant war auch der Verbandstag der Wohnungsbauunternehmen Sachsen-Anhalts am letzten Mittwoch in Magdeburg. In dessen Presseerklärung geht es um genau dieses Thema, Erlass der Altschulden für die zum Abriss stehenden Wohnungen - nicht mehr und nicht weniger.
Zum Abschluss noch zwei Sätze zur Städtebauförderung: Wir unterstützen die Forderung in der Beschlussempfehlung, die angekündigte Kürzung der Städtebauförderung auf 50 % zu korrigieren. Eine Reduzierung auf 80 % ist angemessen - der Minister hat es mehrfach betont. 100 % können nicht kofinanziert werden; das gibt der Landeshaushalt gar nicht her.
Ich möchte darauf hinweisen, dass künftig eine Konzentration auf die Innenstadtsanierung gilt. Dafür gibt es einen zunehmenden Bedarf, weil auch junge Leute, weil auch junge Familien in die sanierten Innenstädte ziehen möchten. Zum Beispiel gab es in Quedlinburg im Innenstadtbereich einen Bevölkerungszuwachs. Das sollte uns nicht nur nachdenklich machen, sondern uns ein klares Signal dafür sein, worauf die Konzentration künftig liegen sollte. Hierauf muss künftig ein deutlicher Schwerpunkt liegen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Ich danke dem Abgeordneten Herrn Dr. Schrader von der FDP-Fraktion. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Felke erhält das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Signal aller Landesbauminister vom vergangenen Freitag gegen die Kürzungspläne des Bundes bei der Städtebauförderung war deutlich. Der Bundesbauminister konnte daher offensichtlich nicht anders, als sich diesem Protest anzuschließen. Der Ausgang ist freilich offen.
Fakt bleibt: Für das Sparpaket hat das Bundesbauministerium die Halbierung der Städtebauförderung, die Halbierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms für das Jahr 2011 und die komplette Streichung des Heizkostenzuschusses zum Wohngeld angeboten.
Gemeinsame Beschlüsse des Bundestages, noch aus dem letzten Jahr, und selbst die eigene Koalitionsvereinbarung gelten plötzlich nichts mehr. Dem Stadtumbau droht damit ein empfindlicher Rückschlag, sollte es nicht gelingen gegenzusteuern.
Positiv ist ohne Zweifel, dass jetzt Bewegung in die Sache kommt. Wir können meiner Meinung nach aber erst zufrieden sein, wenn die Kontinuität insbesondere beim Stadtumbauprogramm wirklich gesichert ist.
Natürlich müssen die Städtebaufördermittel vom Land und zu einem großen Teil auch von den Kommunen gegenfinanziert werden. Der Verweis auf den Landeshaushalt für das Jahr 2011 ist sicherlich richtig. Derart massive Kürzungen des Bundes, wie sie angekündigt worden sind, waren bei der Haushaltsaufstellung allerdings noch nicht erkennbar.
In diesem Zusammenhang muss sicherlich auch daran erinnert werden, dass wir vor nicht allzu langer Zeit einen Landesfinanzminister hatten, der aus der Wohn- und Städtebauförderung komplett aussteigen wollte.
Meine Damen und Herren! Gravierend sind aber auch die Folgen, sollte es bei der Halbierung der Mittel des CO2-Gebäudesanierungsprogramms bleiben. Die Investitionen für die energetische Sanierung um einen Betrag von 450 Millionen € zu beschneiden, ist nicht nachvollziehbar. Angesichts der anstehenden Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie und der nächsten Stufe der Energieeinsparverordnung hat man sich offensichtlich eher für den Kurs „Fordern statt Fördern“ gegenüber den Wohnungseigentümern aus dem privaten und dem öffentlichen Bereich entschieden.
Vollends unverständlich werden die geplanten Kürzungen, wenn man die dadurch angestoßenen Multiplikatoreffekte und deren Auswirkungen auf die Bauwirtschaft und das Handwerk betrachtet. Die Magdeburger Erklärung der betroffenen Verbände vom 1. September 2010 spricht dazu eine deutliche Sprache und unterstreicht, dass es hierbei nicht um eine Subvention im üblichen Sinne geht.