Dritter Punkt. Es wird gern argumentiert, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dürfe man nicht ausplündern. Auch das ist eine recht eingängige Argumentation, mal abgesehen davon, dass sich der Leidensdruck für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bei der Absenkung der Steuern für die Mövenpicks doch arg in Grenzen gehalten hat. Und dabei ging es um deutlich mehr finanzielle Mittel.
Das ist in der Tat richtig. Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen für soziale Sicherungssysteme aufkommen. Sie müssen das sogar in zunehmendem Maße, und zwar deshalb, weil eben Bestverdiener nicht entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden.
Sie können sich deshalb immer weiter aus den gesellschaftlichen Leistungen und zum Beispiel auch aus den sozialen Sicherungssystemen heraushalten.
Und nicht nur das, meine Damen und Herren. Sehen wir uns einmal die Leistungen für Aufstocker an. Diese kosten den Steuerzahler und die Steuerzahlerin jährlich eine riesige Summe: 8,1 Milliarden €. Das ist Geld, für das keine Arbeitsleistung erbracht werden musste, das der Steuerzahler aufbringen muss, und zwar in zunehmendem Maße. Hierbei wird geplündert - das ist wohl wahr -, aber es würde nicht so geplündert, wenn es eine gerechte Steuerpolitik gäbe.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem so genannten Bildungspaket verlieren. Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass man beim Bildungspaket das Kind nicht mit dem Bade ausschütten sollte. Das Bildungspaket enthält tatsächlich Bestandteile, die in Ordnung sind und denen ich durchaus etwas abgewinnen kann. Das betrifft zum Beispiel das kostengünstige Mittagessen - keine Frage.
Das knüpft an die Alltagserfahrungen vieler Leute an: Das Geld muss bei den Kindern ankommen. Die Subbotschaft aber, es komme sonst nicht an, halte ich jedoch für schwierig. Ein bisschen ist das Thema auch noch mit dem schillernden und allgemein akzeptierten Begriff der Bildungsteilhabe versehen.
Wo liegen jetzt aber die Probleme? Zunächst ist es mir wichtig festzustellen, meine Damen und Herren, dass die allermeisten Eltern ihrer Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder nachkommen.
Eine pauschale Stigmatisierung ist von Übel. Ich finde, sie vergiftet das Klima. Sie ist nicht nur verzichtbar; vielmehr sollten wir unbedingt darauf verzichten.
Ich möchte sagen, dass die eigentliche Herausforderung darin besteht, wie es uns als Gesellschaft insgesamt und auch den einzelnen Institutionen gelingen kann, jene Familien anzusprechen und einzubinden, die ob ganz unterschiedlicher sozialer Lagen resigniert haben und ihrer Verantwortung nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen. Ich befürchte aber, dass dieses Problem mit diesem Bildungspaket nicht zu lösen ist.
Wir haben funktionierende Strukturen und eine funktionierende Behörde. Das sind das Kinder- und Jugendhilferecht und das Jugendamt. Was Sie jetzt tun, ist, dass Sie einer Behörde, die eigentlich für die Arbeitsverwaltung zuständig ist, die also keinerlei sozialpädagogische Kompetenz besitzt, eine zusätzliche Aufgabe überhelfen, die sie gar nicht erfüllen kann. Das eine oder andere, was die Bundesregierung im Rahmen des Bildungspakets vorhat, gehört in das Kinder- und Jugendhilferecht. Schaffen Sie ein individuelles Recht und dann geht schon das eine oder andere in Ordnung.
Eines muss ich allerdings noch loswerden: die Frage des Nachhilfeunterrichts. Die Philosophie ist: Die Schule richtet sich an normale Kinder, an die so genannten guten, und wir schauen einmal, wem wir die so genannten schwierigen Fälle zuordnen.
Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht! Eine der größten Effizienzreserven der Schule liegt in dem mittlerweile installierten gewerblichen Nachhilfesystem, dessen Wert die IHK auf 5 Milliarden € beziffert. Stellen Sie sich das einmal so vor: Ein Anteil von 12,1 % der Bescheide, die das Landesverwaltungsamt erlässt, wären falsch und alles, was wir nun tun, ist: Wir schaffen eine zusätzliche Behörde, die sich mit diesen falschen Bescheiden befasst und sie richtigstellt.
Nein, meine Damen und Herren, wir müssen die Schule verändern. Auch Kinder in schwierigen Lebenssituationen können wir nicht einfach zu XY schicken, zu gewerblichen Nachhilfeeinrichtungen, damit diese den Kindern am Nachmittag die Formeln, die sie am Vormittag nicht verstanden haben, noch einmal erklären. Das ist
Im Übrigen gehört das gegliederte Schulsystem zu den Lernbarrieren schlechthin. Deswegen muss es Schritt für Schritt umgebaut werden.
(Zustimmung bei der LINKEN - Widerspruch bei der FDP - Herr Kosmehl, FDP: Das ist doch ab- solut schwachsinnig!)
Meine Damen und Herren! Was tun wir nun mit diesem Antrag? Ich hätte darauf gewettet, dass die SPDFraktion ihren revolutionären Joker zieht und mit der Ausschussüberweisung kommt.
Jetzt wird uns sozusagen eine Bildungsveranstaltung vorgeschlagen. Mit Verlaub: Sie drücken sich davor, eine klare Entscheidung zu treffen, sich klar politisch zu bekennen oder einfach zu sagen: In dieser Koalition können wir nur schweigen.
Frau Bull, ich habe eine Frage. Gestern hat es im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin einen analogen Antrag zu dem gegeben, den Sie heute hier stellen. Der ist von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt worden. Wenn ich richtig informiert bin, dann regiert in Berlin RotRot. Ich würde von Ihnen gern wissen, warum der gleichlautende Antrag der Grünen in Berlin keine Mehrheit gefunden hat, sondern abgelehnt worden ist.
Wenn es so ist, dass ein gleichlautender Antrag abgelehnt worden ist, dann ist es keine Frage, dass wir uns darüber mit unseren Berliner Kolleginnen und Kollegen auseinandersetzen müssen.
Ich bleibe dabei, dass man dann sagen muss: Wir können in dieser Koalition dem Antrag nicht zustimmen. Das ist dann auch Verantwortungsübernahme.
Ich habe noch eine kurze Bemerkung dazu. Frau Bull, die Begründung von Ihrer Sozialsenatorin ist, dass die Umsetzung der Vorstellungen der LINKEN das Bundesland Berlin zu viel Geld kosten würde.
(Herr Gürth, CDU: Was? - Herr Stahlknecht, CDU: Das ist ja ein Ding! - Herr Borgwardt, CDU: Hört, hört!)
Das muss ich nachschauen. Das ist jetzt für mich natürlich schwierig; dabei sind Sie ein Stück weit im Vorteil.
Dann kann es doch aber nicht sein, dass das ein gleichlautender Antrag ist; denn in unserem Antrag ist doch von keiner Summe die Rede. Bestandteil des Antrages ist doch nur, das Vorhaben abzulehnen.
Frau Bull, ich kann Ihnen helfen. Die Senatorin ist als Linke natürlich davon ausgegangen, dass man dann optional den Plan der LINKEN nehmen würde, nämlich die Regelsätze auf 500 € zu erhöhen. Damit kommt sie auf Mehrkosten in Höhe von 63,2 Millionen €. Sie hat dann die Forderungen der Bundes-SPD und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auch noch einmal durchgerechnet. Dabei kommt sie auf 20,3 Millionen € bzw. auf 30,2 Millionen €.
Mir geht es hier nur um eines: Sie werfen der Bundesregierung vor, sie würde an der einen oder anderen Stelle auch darauf schauen, dass die Finanzvolumina austariert sind. Das Gleiche machen Sie auf Landesebene auch. Ich muss ganz offen gestehen, dass es für mich ein bisschen unglaubwürdig ist, wenn man auf der einen Seite sagt, man möchte das, es auf der anderen Seite aber nicht tut.